Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775."burg, oder einem Präpositus in Mecklenburg, oder "einem Superintendenten in Sachsen, oder einer "theologischen Fakultät in Greifswalde und in Göt- "tingen in die Hände fielen, da würde ihnen ein kur- "zer Proceß gemacht werden. Aber mit uns armen "Berlinischen Predigern können sie bald fertig werden; "wir haben keine Würde mehr, wir verdienen keine "Ehrfurcht mehr, wir haben sie uns selbst vergeben, "da wir vernünfteln und beweisen wollen, anstatt "daß wir solchen Leuten imponiren, daß wir ihnen "den Daumen aufs Auge drücken sollten.' ,Ach! rief der Kandidat mit einem Seufzer aus, ,Damit, fiel ihm der Prediger ins Wort, werden "ren
”burg, oder einem Praͤpoſitus in Mecklenburg, oder ”einem Superintendenten in Sachſen, oder einer ”theologiſchen Fakultaͤt in Greifswalde und in Goͤt- ”tingen in die Haͤnde fielen, da wuͤrde ihnen ein kur- ”zer Proceß gemacht werden. Aber mit uns armen ”Berliniſchen Predigern koͤnnen ſie bald fertig werden; ”wir haben keine Wuͤrde mehr, wir verdienen keine ”Ehrfurcht mehr, wir haben ſie uns ſelbſt vergeben, ”da wir vernuͤnfteln und beweiſen wollen, anſtatt ”daß wir ſolchen Leuten imponiren, daß wir ihnen ”den Daumen aufs Auge druͤcken ſollten.‛ ‚Ach! rief der Kandidat mit einem Seufzer aus, ‚Damit, fiel ihm der Prediger ins Wort, werden ”ren
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0088" n="82"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ”burg, oder einem Praͤpoſitus in Mecklenburg, oder<lb/> ”einem Superintendenten in Sachſen, oder einer<lb/> ”theologiſchen Fakultaͤt in Greifswalde und in Goͤt-<lb/> ”tingen in die Haͤnde fielen, da wuͤrde ihnen ein kur-<lb/> ”zer Proceß gemacht werden. Aber mit uns armen<lb/> ”Berliniſchen Predigern koͤnnen ſie bald fertig werden;<lb/> ”wir haben keine Wuͤrde mehr, wir verdienen keine<lb/> ”Ehrfurcht mehr, wir haben ſie uns ſelbſt vergeben,<lb/> ”da wir vernuͤnfteln und beweiſen wollen, anſtatt<lb/> ”daß wir ſolchen Leuten <hi rendition="#fr">imponiren,</hi> daß wir ihnen<lb/> ”den Daumen aufs Auge druͤcken ſollten.‛</p><lb/> <p>‚Ach! rief der Kandidat mit einem Seufzer aus,<lb/> ”ſeitdem ich mich dem geiſtlichen Stande gewiedmet<lb/> ”habe, habe ich es ſchon oft beklagt, daß dieſes nicht<lb/> ”mehr ſo recht angehen will. Nun muß man ſchon<lb/> ”aus der Noth eine Tugend machen, muß die Zwei-<lb/> ”fel der Gegner kennen lernen, muß ſich auf Wider-<lb/> ”legungen und Beweiſe gefaßt machen. —‛</p><lb/> <p>‚Damit, fiel ihm der Prediger ins Wort, werden<lb/> ”Sie nicht weit kommen. Die Layen muͤſſen glauben,<lb/> ”was ihnen an Gottes ſtatt geſagt wird, und ihre<lb/> ”Zweifel unterdruͤcken, darauf muß man dringen!<lb/> ”Die Dogmatik iſt eine Art von ſtatutariſchem Rech-<lb/> ”te, das man annehmen muß, wenn man es auch<lb/> ”nicht allemal bis aufs Recht der Natur zuruͤckfuͤh-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">”ren</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0088]
”burg, oder einem Praͤpoſitus in Mecklenburg, oder
”einem Superintendenten in Sachſen, oder einer
”theologiſchen Fakultaͤt in Greifswalde und in Goͤt-
”tingen in die Haͤnde fielen, da wuͤrde ihnen ein kur-
”zer Proceß gemacht werden. Aber mit uns armen
”Berliniſchen Predigern koͤnnen ſie bald fertig werden;
”wir haben keine Wuͤrde mehr, wir verdienen keine
”Ehrfurcht mehr, wir haben ſie uns ſelbſt vergeben,
”da wir vernuͤnfteln und beweiſen wollen, anſtatt
”daß wir ſolchen Leuten imponiren, daß wir ihnen
”den Daumen aufs Auge druͤcken ſollten.‛
‚Ach! rief der Kandidat mit einem Seufzer aus,
”ſeitdem ich mich dem geiſtlichen Stande gewiedmet
”habe, habe ich es ſchon oft beklagt, daß dieſes nicht
”mehr ſo recht angehen will. Nun muß man ſchon
”aus der Noth eine Tugend machen, muß die Zwei-
”fel der Gegner kennen lernen, muß ſich auf Wider-
”legungen und Beweiſe gefaßt machen. —‛
‚Damit, fiel ihm der Prediger ins Wort, werden
”Sie nicht weit kommen. Die Layen muͤſſen glauben,
”was ihnen an Gottes ſtatt geſagt wird, und ihre
”Zweifel unterdruͤcken, darauf muß man dringen!
”Die Dogmatik iſt eine Art von ſtatutariſchem Rech-
”te, das man annehmen muß, wenn man es auch
”nicht allemal bis aufs Recht der Natur zuruͤckfuͤh-
”ren
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |