Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

Bild:
<< vorherige Seite


Jeder arbeitete gegen die ungestümen Wogen, so
lange noch einige Kraft da war, aber die meisten er-
matteten, und giengen zu Grunde. Sebaldus war
unter den wenigen, die von den Wellen selbst ans
flache sandigte Ufer geworfen wurden. Er kroch mit
äusserster Mühe den Strand hinan, denn die bey-
nahe völlig erschöpften Kräfte, der heftige Regen
und Wind, die ausgestandene Mühseligkeiten, die
Menge verschlucktes Seewassers machten ihn tod-
krank. Ohnweit von ihm, ward der Körper des
Schiffers ans Land geworfen. Der halbtodte Se-
baldus
strengte alle Kräfte an, um seinem Wohlthä-
ter zu helfen, umsonst, er lag, ohne ein Zeichen des
Lebens zu geben. Dieser neue Kummer, überwältigte
die geringen Lebenskräfte des kaum mehr Athem-
schöpfenden Sebaldus. Er fiel in Ohnmacht, wo-
rinn er eine geraume Zeit lag. Als er ein klein we-
nig zu sich selbst kam, sahe er, in dem schrecklichsten
Wetter, da sich nur das äußerste Wüten des Sturms
gelegt hatte, einige Strandbewohner die Ueberbleib-
sel der Ladung des zertrummerten Schiffs aufs eil-
fertigste plündern, ehe sie der Schout in Egmont
etwan ertappen könnte. Um ihn aber bekümmerte
man sich so wenig, als um die übrigen todten Kör-
per. So lag der hülflose Mann den Rest des Tages,

von


Jeder arbeitete gegen die ungeſtuͤmen Wogen, ſo
lange noch einige Kraft da war, aber die meiſten er-
matteten, und giengen zu Grunde. Sebaldus war
unter den wenigen, die von den Wellen ſelbſt ans
flache ſandigte Ufer geworfen wurden. Er kroch mit
aͤuſſerſter Muͤhe den Strand hinan, denn die bey-
nahe voͤllig erſchoͤpften Kraͤfte, der heftige Regen
und Wind, die ausgeſtandene Muͤhſeligkeiten, die
Menge verſchlucktes Seewaſſers machten ihn tod-
krank. Ohnweit von ihm, ward der Koͤrper des
Schiffers ans Land geworfen. Der halbtodte Se-
baldus
ſtrengte alle Kraͤfte an, um ſeinem Wohlthaͤ-
ter zu helfen, umſonſt, er lag, ohne ein Zeichen des
Lebens zu geben. Dieſer neue Kummer, uͤberwaͤltigte
die geringen Lebenskraͤfte des kaum mehr Athem-
ſchoͤpfenden Sebaldus. Er fiel in Ohnmacht, wo-
rinn er eine geraume Zeit lag. Als er ein klein we-
nig zu ſich ſelbſt kam, ſahe er, in dem ſchrecklichſten
Wetter, da ſich nur das aͤußerſte Wuͤten des Sturms
gelegt hatte, einige Strandbewohner die Ueberbleib-
ſel der Ladung des zertrummerten Schiffs aufs eil-
fertigſte pluͤndern, ehe ſie der Schout in Egmont
etwan ertappen koͤnnte. Um ihn aber bekuͤmmerte
man ſich ſo wenig, als um die uͤbrigen todten Koͤr-
per. So lag der huͤlfloſe Mann den Reſt des Tages,

von
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0010" n="4[3]"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Jeder arbeitete gegen die unge&#x017F;tu&#x0364;men Wogen, &#x017F;o<lb/>
lange noch einige Kraft da war, aber die mei&#x017F;ten er-<lb/>
matteten, und giengen zu Grunde. <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> war<lb/>
unter den wenigen, die von den Wellen &#x017F;elb&#x017F;t ans<lb/>
flache &#x017F;andigte Ufer geworfen wurden. Er kroch mit<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ter Mu&#x0364;he den Strand hinan, denn die bey-<lb/>
nahe vo&#x0364;llig er&#x017F;cho&#x0364;pften Kra&#x0364;fte, der heftige Regen<lb/>
und Wind, die ausge&#x017F;tandene Mu&#x0364;h&#x017F;eligkeiten, die<lb/>
Menge ver&#x017F;chlucktes Seewa&#x017F;&#x017F;ers machten ihn tod-<lb/>
krank. Ohnweit von ihm, ward der Ko&#x0364;rper des<lb/>
Schiffers ans Land geworfen. Der halbtodte <hi rendition="#fr">Se-<lb/>
baldus</hi> &#x017F;trengte alle Kra&#x0364;fte an, um &#x017F;einem Wohltha&#x0364;-<lb/>
ter zu helfen, um&#x017F;on&#x017F;t, er lag, ohne ein Zeichen des<lb/>
Lebens zu geben. Die&#x017F;er neue Kummer, u&#x0364;berwa&#x0364;ltigte<lb/>
die geringen Lebenskra&#x0364;fte des kaum mehr Athem-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfenden <hi rendition="#fr">Sebaldus.</hi> Er fiel in Ohnmacht, wo-<lb/>
rinn er eine geraume Zeit lag. Als er ein klein we-<lb/>
nig zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t kam, &#x017F;ahe er, in dem &#x017F;chrecklich&#x017F;ten<lb/>
Wetter, da &#x017F;ich nur das a&#x0364;ußer&#x017F;te Wu&#x0364;ten des Sturms<lb/>
gelegt hatte, einige Strandbewohner die Ueberbleib-<lb/>
&#x017F;el der Ladung des zertrummerten Schiffs aufs eil-<lb/>
fertig&#x017F;te plu&#x0364;ndern, ehe &#x017F;ie der <hi rendition="#fr">Schout</hi> in Egmont<lb/>
etwan ertappen ko&#x0364;nnte. Um ihn aber beku&#x0364;mmerte<lb/>
man &#x017F;ich &#x017F;o wenig, als um die u&#x0364;brigen todten Ko&#x0364;r-<lb/>
per. So lag der hu&#x0364;lflo&#x017F;e Mann den Re&#x017F;t des Tages,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">von</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4[3]/0010] Jeder arbeitete gegen die ungeſtuͤmen Wogen, ſo lange noch einige Kraft da war, aber die meiſten er- matteten, und giengen zu Grunde. Sebaldus war unter den wenigen, die von den Wellen ſelbſt ans flache ſandigte Ufer geworfen wurden. Er kroch mit aͤuſſerſter Muͤhe den Strand hinan, denn die bey- nahe voͤllig erſchoͤpften Kraͤfte, der heftige Regen und Wind, die ausgeſtandene Muͤhſeligkeiten, die Menge verſchlucktes Seewaſſers machten ihn tod- krank. Ohnweit von ihm, ward der Koͤrper des Schiffers ans Land geworfen. Der halbtodte Se- baldus ſtrengte alle Kraͤfte an, um ſeinem Wohlthaͤ- ter zu helfen, umſonſt, er lag, ohne ein Zeichen des Lebens zu geben. Dieſer neue Kummer, uͤberwaͤltigte die geringen Lebenskraͤfte des kaum mehr Athem- ſchoͤpfenden Sebaldus. Er fiel in Ohnmacht, wo- rinn er eine geraume Zeit lag. Als er ein klein we- nig zu ſich ſelbſt kam, ſahe er, in dem ſchrecklichſten Wetter, da ſich nur das aͤußerſte Wuͤten des Sturms gelegt hatte, einige Strandbewohner die Ueberbleib- ſel der Ladung des zertrummerten Schiffs aufs eil- fertigſte pluͤndern, ehe ſie der Schout in Egmont etwan ertappen koͤnnte. Um ihn aber bekuͤmmerte man ſich ſo wenig, als um die uͤbrigen todten Koͤr- per. So lag der huͤlfloſe Mann den Reſt des Tages, von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/10
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 4[3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/10>, abgerufen am 21.11.2024.