Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.war. Er hätte zwar gern Gesellschafft gehabt, und setzte sich daher auf den Fuß offne Tafel zu halten, aber es kam selten jemand, weil ihn der benachbarte Adel über die Achsel ansahe. Der Herr von Haber- wald, welcher ihn freylich wegen der Rehe und Ha- sen seiner Wildbahn, und wegen des guten Weins in seinem Keller, oft besuchte, war ihm zu lärmend, so wie Rambold zu spitzfindig und hönisch. Sein Sohn war also seine einzige Gesellschaft. Er hörte dessen Gedichte auch wohl bey seiner Nachmittags- pfeife an, und freuete sich, wenn er in den Zeitungen, welche die Zeit der Morgenpfeife ausfüllten, zuwei- len schwarz auf weiß las, daß derselbe ein großer Poet wäre; aber dieß wollte doch gegen die große Portion von langer Weile nicht wiederhalten, die ihm übrig blieb, und wider die er, nach langem Nachsinnen, nichts erdenken konnte, als daß er be- gann, zumahl da die langen Winterabende allzume- lancholisch wurden, wöchentlich dreymahl Betstunde zu halten. Da er also den Sebaldus kennen lernte, warf er ihn
war. Er haͤtte zwar gern Geſellſchafft gehabt, und ſetzte ſich daher auf den Fuß offne Tafel zu halten, aber es kam ſelten jemand, weil ihn der benachbarte Adel uͤber die Achſel anſahe. Der Herr von Haber- wald, welcher ihn freylich wegen der Rehe und Ha- ſen ſeiner Wildbahn, und wegen des guten Weins in ſeinem Keller, oft beſuchte, war ihm zu laͤrmend, ſo wie Rambold zu ſpitzfindig und hoͤniſch. Sein Sohn war alſo ſeine einzige Geſellſchaft. Er hoͤrte deſſen Gedichte auch wohl bey ſeiner Nachmittags- pfeife an, und freuete ſich, wenn er in den Zeitungen, welche die Zeit der Morgenpfeife ausfuͤllten, zuwei- len ſchwarz auf weiß las, daß derſelbe ein großer Poet waͤre; aber dieß wollte doch gegen die große Portion von langer Weile nicht wiederhalten, die ihm uͤbrig blieb, und wider die er, nach langem Nachſinnen, nichts erdenken konnte, als daß er be- gann, zumahl da die langen Winterabende allzume- lancholiſch wurden, woͤchentlich dreymahl Betſtunde zu halten. Da er alſo den Sebaldus kennen lernte, warf er ihn
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war. Er haͤtte zwar gern Geſellſchafft gehabt, und
ſetzte ſich daher auf den Fuß offne Tafel zu halten,
aber es kam ſelten jemand, weil ihn der benachbarte
Adel uͤber die Achſel anſahe. Der Herr von Haber-
wald, welcher ihn freylich wegen der Rehe und Ha-
ſen ſeiner Wildbahn, und wegen des guten Weins
in ſeinem Keller, oft beſuchte, war ihm zu laͤrmend,
ſo wie Rambold zu ſpitzfindig und hoͤniſch. Sein
Sohn war alſo ſeine einzige Geſellſchaft. Er hoͤrte
deſſen Gedichte auch wohl bey ſeiner Nachmittags-
pfeife an, und freuete ſich, wenn er in den Zeitungen,
welche die Zeit der Morgenpfeife ausfuͤllten, zuwei-
len ſchwarz auf weiß las, daß derſelbe ein großer
Poet waͤre; aber dieß wollte doch gegen die große
Portion von langer Weile nicht wiederhalten, die
ihm uͤbrig blieb, und wider die er, nach langem
Nachſinnen, nichts erdenken konnte, als daß er be-
gann, zumahl da die langen Winterabende allzume-
lancholiſch wurden, woͤchentlich dreymahl Betſtunde
zu halten.
Da er alſo den Sebaldus kennen lernte, warf er
die Augen auf ihn, als auf einen Mann, der ge-
ſchickt waͤre, ihm beſtaͤndig Geſellſchafft zu leiſten.
Sebaldus war ohngefaͤhr von gleichem Alter, von
gleichem ruhigen Gemuͤthe, er konnte beſtaͤndig um
ihn
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