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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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Unterdessen daß dieses vorgieng, hatte sich ein mit-
gebetener Freund der Frau Gertrudrinn des alten
Säuglings bemächtigt, und ihn nach Tische ebenfalls
in eine andere Gegend des Gartens geführet. Er brach-
te, ungezwungner Weise, das Gespräch auf die Jung-
fer Anastasia, und breitete sich ausführlich über das
große Heuratsgut aus, das sie zu gewarten hätte.
Er erzählte zugleich, es hätten sich schon viele Par-
theyen gefunden, die aber, weil sie Weltkinder ge-
wesen, von der Frau Gertrudtinn abgewiesen wor-
den, bis sich kürzlich erst, ein annehmlicher Bräuti-
gam, sogar ein Edelmann gefunden hätte, dessen
Ansuchen jetzt wirklich in Erwegung gezogen würde.

Diese Nachricht that auf den alten Säugling
die begehrte Wirkung. Er ward etwas still, blies
einige Minuten lang, den Rauch langsamer aus
seiner Pfeife, und fragte, so gleichgültig als er konn-
te: ,Ob denn der bewußte Bräutigam schon das Ja-
"wort erhalten hätte?'

,Bis jetzt noch nicht, sagte der Freund des Hau-
"ses, die Sache ist jetzt wirklich in Ueberlegung, und
"verdient sie.'

Jch wünschte, sagte der alte Säugling, nach-
dem er wieder einige Minuten pausiret hatte, ,daß
"ich eher etwas davon gewußt hätte, denn ich muß

"geste-


Unterdeſſen daß dieſes vorgieng, hatte ſich ein mit-
gebetener Freund der Frau Gertrudrinn des alten
Saͤuglings bemaͤchtigt, und ihn nach Tiſche ebenfalls
in eine andere Gegend des Gartens gefuͤhret. Er brach-
te, ungezwungner Weiſe, das Geſpraͤch auf die Jung-
fer Anaſtaſia, und breitete ſich ausfuͤhrlich uͤber das
große Heuratsgut aus, das ſie zu gewarten haͤtte.
Er erzaͤhlte zugleich, es haͤtten ſich ſchon viele Par-
theyen gefunden, die aber, weil ſie Weltkinder ge-
weſen, von der Frau Gertrudtinn abgewieſen wor-
den, bis ſich kuͤrzlich erſt, ein annehmlicher Braͤuti-
gam, ſogar ein Edelmann gefunden haͤtte, deſſen
Anſuchen jetzt wirklich in Erwegung gezogen wuͤrde.

Dieſe Nachricht that auf den alten Saͤugling
die begehrte Wirkung. Er ward etwas ſtill, blies
einige Minuten lang, den Rauch langſamer aus
ſeiner Pfeife, und fragte, ſo gleichguͤltig als er konn-
te: ‚Ob denn der bewußte Braͤutigam ſchon das Ja-
„wort erhalten haͤtte?‛

‚Bis jetzt noch nicht, ſagte der Freund des Hau-
„ſes, die Sache iſt jetzt wirklich in Ueberlegung, und
„verdient ſie.‛

Jch wuͤnſchte, ſagte der alte Saͤugling, nach-
dem er wieder einige Minuten pauſiret hatte, ‚daß
„ich eher etwas davon gewußt haͤtte, denn ich muß

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[122[121]/0132] Unterdeſſen daß dieſes vorgieng, hatte ſich ein mit- gebetener Freund der Frau Gertrudrinn des alten Saͤuglings bemaͤchtigt, und ihn nach Tiſche ebenfalls in eine andere Gegend des Gartens gefuͤhret. Er brach- te, ungezwungner Weiſe, das Geſpraͤch auf die Jung- fer Anaſtaſia, und breitete ſich ausfuͤhrlich uͤber das große Heuratsgut aus, das ſie zu gewarten haͤtte. Er erzaͤhlte zugleich, es haͤtten ſich ſchon viele Par- theyen gefunden, die aber, weil ſie Weltkinder ge- weſen, von der Frau Gertrudtinn abgewieſen wor- den, bis ſich kuͤrzlich erſt, ein annehmlicher Braͤuti- gam, ſogar ein Edelmann gefunden haͤtte, deſſen Anſuchen jetzt wirklich in Erwegung gezogen wuͤrde. Dieſe Nachricht that auf den alten Saͤugling die begehrte Wirkung. Er ward etwas ſtill, blies einige Minuten lang, den Rauch langſamer aus ſeiner Pfeife, und fragte, ſo gleichguͤltig als er konn- te: ‚Ob denn der bewußte Braͤutigam ſchon das Ja- „wort erhalten haͤtte?‛ ‚Bis jetzt noch nicht, ſagte der Freund des Hau- „ſes, die Sache iſt jetzt wirklich in Ueberlegung, und „verdient ſie.‛ Jch wuͤnſchte, ſagte der alte Saͤugling, nach- dem er wieder einige Minuten pauſiret hatte, ‚daß „ich eher etwas davon gewußt haͤtte, denn ich muß „geſte-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 122[121]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/132>, abgerufen am 21.11.2024.