Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



vielleicht gar die Sache gleich in Richtigkeit gebracht
werden könnte.

Der Freund der Frau Gertrudtinn, bestärkte
den alten Säugling sehr in diesem Vorsatze, und
fuhr fort, ihm eine ausführliche Auskunst über der-
selben Vermögen zu geben, nebst andern dahin einschla-
genden dem Alten überaus angenehmen Gesprächen.
Es entspann sich daher zwischen beiden eine wechselsei-
tige Vertraulichkeit, und sie hatten einander so viel
zu sagen, daß, als gegen Abend, die Zeit zur Abfarth
herankam, der alte Säugling sich, ohne Umstände,
in den Wagen des fremden Herrn setzte; damit sie in
ihrem Gespräche fortfahren, und ihre Rathschläge und
Entwürfe ferner ins Reine bringen könnten.

Der junge Säugling fuhr also ganz allein. Dieser
war durch die Lieblichkeit der Jungfer Anastasia,
und durch den Weihrauch, den sie seinen Gedichten
angezündet hatte, (denn er hielt ihr Seufzen und
Erröthen bloß für eine starke Wirkung seiner Ge-
dichte) in die wohlgefälligste Laune gesetzt worden.
Es war einer der schönsten Sommerabende. Er
stieg daher aus dem Wagen, als der Weg neben
einem Walde vorbeygieng, um einen Spaziergang zu
Fuße zu machen. Der Kutscher beschrieb ihm einen
Fussteig, der nach einer Viertelmeile wieder aus dem

Walde



vielleicht gar die Sache gleich in Richtigkeit gebracht
werden koͤnnte.

Der Freund der Frau Gertrudtinn, beſtaͤrkte
den alten Saͤugling ſehr in dieſem Vorſatze, und
fuhr fort, ihm eine ausfuͤhrliche Auskunſt uͤber der-
ſelben Vermoͤgen zu geben, nebſt andern dahin einſchla-
genden dem Alten uͤberaus angenehmen Geſpraͤchen.
Es entſpann ſich daher zwiſchen beiden eine wechſelſei-
tige Vertraulichkeit, und ſie hatten einander ſo viel
zu ſagen, daß, als gegen Abend, die Zeit zur Abfarth
herankam, der alte Saͤugling ſich, ohne Umſtaͤnde,
in den Wagen des fremden Herrn ſetzte; damit ſie in
ihrem Geſpraͤche fortfahren, und ihre Rathſchlaͤge und
Entwuͤrfe ferner ins Reine bringen koͤnnten.

Der junge Saͤugling fuhr alſo ganz allein. Dieſer
war durch die Lieblichkeit der Jungfer Anaſtaſia,
und durch den Weihrauch, den ſie ſeinen Gedichten
angezuͤndet hatte, (denn er hielt ihr Seufzen und
Erroͤthen bloß fuͤr eine ſtarke Wirkung ſeiner Ge-
dichte) in die wohlgefaͤlligſte Laune geſetzt worden.
Es war einer der ſchoͤnſten Sommerabende. Er
ſtieg daher aus dem Wagen, als der Weg neben
einem Walde vorbeygieng, um einen Spaziergang zu
Fuße zu machen. Der Kutſcher beſchrieb ihm einen
Fusſteig, der nach einer Viertelmeile wieder aus dem

Walde
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0134" n="124[123]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
vielleicht gar die Sache gleich in Richtigkeit gebracht<lb/>
werden ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
          <p>Der Freund der Frau <hi rendition="#fr">Gertrudtinn,</hi> be&#x017F;ta&#x0364;rkte<lb/>
den alten <hi rendition="#fr">Sa&#x0364;ugling</hi> &#x017F;ehr in die&#x017F;em Vor&#x017F;atze, und<lb/>
fuhr fort, ihm eine ausfu&#x0364;hrliche Auskun&#x017F;t u&#x0364;ber der-<lb/>
&#x017F;elben Vermo&#x0364;gen zu geben, neb&#x017F;t andern dahin ein&#x017F;chla-<lb/>
genden dem Alten u&#x0364;beraus angenehmen Ge&#x017F;pra&#x0364;chen.<lb/>
Es ent&#x017F;pann &#x017F;ich daher zwi&#x017F;chen beiden eine wech&#x017F;el&#x017F;ei-<lb/>
tige Vertraulichkeit, und &#x017F;ie hatten einander &#x017F;o viel<lb/>
zu &#x017F;agen, daß, als gegen Abend, die Zeit zur Abfarth<lb/>
herankam, der alte <hi rendition="#fr">Sa&#x0364;ugling</hi> &#x017F;ich, ohne Um&#x017F;ta&#x0364;nde,<lb/>
in den Wagen des fremden Herrn &#x017F;etzte; damit &#x017F;ie in<lb/>
ihrem Ge&#x017F;pra&#x0364;che fortfahren, und ihre Rath&#x017F;chla&#x0364;ge und<lb/>
Entwu&#x0364;rfe ferner ins Reine bringen ko&#x0364;nnten.</p><lb/>
          <p>Der junge <hi rendition="#fr">Sa&#x0364;ugling</hi> fuhr al&#x017F;o ganz allein. Die&#x017F;er<lb/>
war durch die Lieblichkeit der Jungfer <hi rendition="#fr">Ana&#x017F;ta&#x017F;ia,</hi><lb/>
und durch den Weihrauch, den &#x017F;ie &#x017F;einen Gedichten<lb/>
angezu&#x0364;ndet hatte, (denn er hielt ihr Seufzen und<lb/>
Erro&#x0364;then bloß fu&#x0364;r eine &#x017F;tarke Wirkung &#x017F;einer Ge-<lb/>
dichte) in die wohlgefa&#x0364;llig&#x017F;te Laune ge&#x017F;etzt worden.<lb/>
Es war einer der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Sommerabende. Er<lb/>
&#x017F;tieg daher aus dem Wagen, als der Weg neben<lb/>
einem Walde vorbeygieng, um einen Spaziergang zu<lb/>
Fuße zu machen. Der Kut&#x017F;cher be&#x017F;chrieb ihm einen<lb/>
Fus&#x017F;teig, der nach einer Viertelmeile wieder aus dem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Walde</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124[123]/0134] vielleicht gar die Sache gleich in Richtigkeit gebracht werden koͤnnte. Der Freund der Frau Gertrudtinn, beſtaͤrkte den alten Saͤugling ſehr in dieſem Vorſatze, und fuhr fort, ihm eine ausfuͤhrliche Auskunſt uͤber der- ſelben Vermoͤgen zu geben, nebſt andern dahin einſchla- genden dem Alten uͤberaus angenehmen Geſpraͤchen. Es entſpann ſich daher zwiſchen beiden eine wechſelſei- tige Vertraulichkeit, und ſie hatten einander ſo viel zu ſagen, daß, als gegen Abend, die Zeit zur Abfarth herankam, der alte Saͤugling ſich, ohne Umſtaͤnde, in den Wagen des fremden Herrn ſetzte; damit ſie in ihrem Geſpraͤche fortfahren, und ihre Rathſchlaͤge und Entwuͤrfe ferner ins Reine bringen koͤnnten. Der junge Saͤugling fuhr alſo ganz allein. Dieſer war durch die Lieblichkeit der Jungfer Anaſtaſia, und durch den Weihrauch, den ſie ſeinen Gedichten angezuͤndet hatte, (denn er hielt ihr Seufzen und Erroͤthen bloß fuͤr eine ſtarke Wirkung ſeiner Ge- dichte) in die wohlgefaͤlligſte Laune geſetzt worden. Es war einer der ſchoͤnſten Sommerabende. Er ſtieg daher aus dem Wagen, als der Weg neben einem Walde vorbeygieng, um einen Spaziergang zu Fuße zu machen. Der Kutſcher beſchrieb ihm einen Fusſteig, der nach einer Viertelmeile wieder aus dem Walde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/134
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 124[123]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/134>, abgerufen am 21.11.2024.