Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.Lehrmeinungen oder Konfessionen, zu sehen; weil sie sagen: daß man in die Stadt Gottes durch ver- schiedene Thore eingehen könne*). Jeden un- bescholtenen Mann, und der keine Meinungen vor- trägt, die ausdrücklich der Bibel zuwider sind, las- sen sie nicht allein zum gemeinschaftlichen Genusse des Abendmahls, sondern verstatten ihm auch, öffentlich über gemeinnützige Wahrheiten zu reden, wozu sie keine besonders bestellte Lehrer haben. Denn jeder, der Kraft in sich fühlt, nützliche Lehren zu geben, trägt sie, ohne Lehrton, wie ein Freund an Freunde vor, und pflegt, am Ende seiner Rede die Versamm- lung, bescheiden zu fragen: Ob jemand wider diesen Vortrag etwas einzuwenden habe, oder zur fernern Aufklärung der Wahrheit noch et- was beytragen wolle. Und hierauf fährt fort, wer will, mit gleicher Bescheidenheit seine Gedanken zu eröfnen. Sebaldus war entzückt über diese Nachricht, und anstän- *) S. Rues. S. 277.
Lehrmeinungen oder Konfeſſionen, zu ſehen; weil ſie ſagen: daß man in die Stadt Gottes durch ver- ſchiedene Thore eingehen koͤnne*). Jeden un- beſcholtenen Mann, und der keine Meinungen vor- traͤgt, die ausdruͤcklich der Bibel zuwider ſind, laſ- ſen ſie nicht allein zum gemeinſchaftlichen Genuſſe des Abendmahls, ſondern verſtatten ihm auch, oͤffentlich uͤber gemeinnuͤtzige Wahrheiten zu reden, wozu ſie keine beſonders beſtellte Lehrer haben. Denn jeder, der Kraft in ſich fuͤhlt, nuͤtzliche Lehren zu geben, traͤgt ſie, ohne Lehrton, wie ein Freund an Freunde vor, und pflegt, am Ende ſeiner Rede die Verſamm- lung, beſcheiden zu fragen: Ob jemand wider dieſen Vortrag etwas einzuwenden habe, oder zur fernern Aufklaͤrung der Wahrheit noch et- was beytragen wolle. Und hierauf faͤhrt fort, wer will, mit gleicher Beſcheidenheit ſeine Gedanken zu eroͤfnen. Sebaldus war entzuͤckt uͤber dieſe Nachricht, und anſtaͤn- *) S. Rues. S. 277.
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Lehrmeinungen oder Konfeſſionen, zu ſehen; weil ſie
ſagen: daß man in die Stadt Gottes durch ver-
ſchiedene Thore eingehen koͤnne *). Jeden un-
beſcholtenen Mann, und der keine Meinungen vor-
traͤgt, die ausdruͤcklich der Bibel zuwider ſind, laſ-
ſen ſie nicht allein zum gemeinſchaftlichen Genuſſe des
Abendmahls, ſondern verſtatten ihm auch, oͤffentlich
uͤber gemeinnuͤtzige Wahrheiten zu reden, wozu ſie
keine beſonders beſtellte Lehrer haben. Denn jeder,
der Kraft in ſich fuͤhlt, nuͤtzliche Lehren zu geben,
traͤgt ſie, ohne Lehrton, wie ein Freund an Freunde
vor, und pflegt, am Ende ſeiner Rede die Verſamm-
lung, beſcheiden zu fragen: Ob jemand wider
dieſen Vortrag etwas einzuwenden habe, oder
zur fernern Aufklaͤrung der Wahrheit noch et-
was beytragen wolle. Und hierauf faͤhrt fort, wer
will, mit gleicher Beſcheidenheit ſeine Gedanken zu
eroͤfnen.
Sebaldus war entzuͤckt uͤber dieſe Nachricht, und
wuͤnſchte nichts, als bald ein Glied einer Verſamm-
lung zu ſeyn, die mit ſeinen Wuͤnſchen ſo vollkom-
men uͤbereinſtimmte. Da er in Rotterdam weder
bleiben wollte noch konnte, ſo bekam er von dem
Kaufmanne, nachdem er fuͤr ſeine Hofmeiſterſchaft
anſtaͤn-
*) S. Rues. S. 277.
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