Von diesen scheinen die Ritualbücher verschieden ge- wesen zu seyn, welche die Ordnung der Gründung und Er- bauung einer Stadt, die Verfassung der Curien, Tribus, und Centurien, und im allgemeinen alle Einrichtungen des Kriegs und Friedens als göttliches Gesetz vorschrieben 99). Diesen Geboten gehorchte ursprünglich auch Rom; es be- freyte sich von ihren Banden, doch beruhte die unverbrüch- liche Ehrfurcht, womit Formen erhalten wurden deren Wesen abgeschafft war, in den älteren Zeiten wohl auf dieser ursprünglichen gesetzlichen Heiligkeit. In denselben Ritualbüchern muß auch das Grundgesetz der von der Aruspicin ausgehenden Feldertheilung enthalten gewesen seyn, sogar das der Römischen Lagerordnung, die noch ganz das Gepräge ihres Ursprungs trägt. Die Insignien der Magistratur nahmen, wie die Sage bekannt ist, die Römischen Könige nach etruskischer Sitte an: der Capito- linische Tempel war etruskisch, in Hinsicht der Vereinigung der Götter denen er geweiht war wie seines Baus: es ist nicht zu bezweifeln, daß das ganze pontificische Recht aus Etrurien entnommen war: und noch gegen die Mitte des fünften Jahrhunderts wurden die vornehmen römi- schen Jünglinge in Tuskischer Sprache und Litteratur un- terrichtet, wie später in Griechischer 200): diese Ehrfurcht verkehrte sich nicht lange nachher in Verachtung des alt- väterischen, und Vergessenheit seines Daseyns.
Die griechischen Erzählungen von der Tyrrhener schamloser Unsittlichkeit, haben an Theopompus einen
99) Festus s. v. rituales libri.
200) Livius IX. c. 36.
Von dieſen ſcheinen die Ritualbuͤcher verſchieden ge- weſen zu ſeyn, welche die Ordnung der Gruͤndung und Er- bauung einer Stadt, die Verfaſſung der Curien, Tribus, und Centurien, und im allgemeinen alle Einrichtungen des Kriegs und Friedens als goͤttliches Geſetz vorſchrieben 99). Dieſen Geboten gehorchte urſpruͤnglich auch Rom; es be- freyte ſich von ihren Banden, doch beruhte die unverbruͤch- liche Ehrfurcht, womit Formen erhalten wurden deren Weſen abgeſchafft war, in den aͤlteren Zeiten wohl auf dieſer urſpruͤnglichen geſetzlichen Heiligkeit. In denſelben Ritualbuͤchern muß auch das Grundgeſetz der von der Aruſpicin ausgehenden Feldertheilung enthalten geweſen ſeyn, ſogar das der Roͤmiſchen Lagerordnung, die noch ganz das Gepraͤge ihres Urſprungs traͤgt. Die Inſignien der Magiſtratur nahmen, wie die Sage bekannt iſt, die Roͤmiſchen Koͤnige nach etruskiſcher Sitte an: der Capito- liniſche Tempel war etruskiſch, in Hinſicht der Vereinigung der Goͤtter denen er geweiht war wie ſeines Baus: es iſt nicht zu bezweifeln, daß das ganze pontificiſche Recht aus Etrurien entnommen war: und noch gegen die Mitte des fuͤnften Jahrhunderts wurden die vornehmen roͤmi- ſchen Juͤnglinge in Tuskiſcher Sprache und Litteratur un- terrichtet, wie ſpaͤter in Griechiſcher 200): dieſe Ehrfurcht verkehrte ſich nicht lange nachher in Verachtung des alt- vaͤteriſchen, und Vergeſſenheit ſeines Daſeyns.
Die griechiſchen Erzaͤhlungen von der Tyrrhener ſchamloſer Unſittlichkeit, haben an Theopompus einen
99) Feſtus s. v. rituales libri.
200) Livius IX. c. 36.
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Von dieſen ſcheinen die Ritualbuͤcher verſchieden ge-
weſen zu ſeyn, welche die Ordnung der Gruͤndung und Er-
bauung einer Stadt, die Verfaſſung der Curien, Tribus,
und Centurien, und im allgemeinen alle Einrichtungen des
Kriegs und Friedens als goͤttliches Geſetz vorſchrieben 99).
Dieſen Geboten gehorchte urſpruͤnglich auch Rom; es be-
freyte ſich von ihren Banden, doch beruhte die unverbruͤch-
liche Ehrfurcht, womit Formen erhalten wurden deren
Weſen abgeſchafft war, in den aͤlteren Zeiten wohl auf
dieſer urſpruͤnglichen geſetzlichen Heiligkeit. In denſelben
Ritualbuͤchern muß auch das Grundgeſetz der von der
Aruſpicin ausgehenden Feldertheilung enthalten geweſen
ſeyn, ſogar das der Roͤmiſchen Lagerordnung, die noch
ganz das Gepraͤge ihres Urſprungs traͤgt. Die Inſignien
der Magiſtratur nahmen, wie die Sage bekannt iſt, die
Roͤmiſchen Koͤnige nach etruskiſcher Sitte an: der Capito-
liniſche Tempel war etruskiſch, in Hinſicht der Vereinigung
der Goͤtter denen er geweiht war wie ſeines Baus: es iſt
nicht zu bezweifeln, daß das ganze pontificiſche Recht
aus Etrurien entnommen war: und noch gegen die Mitte
des fuͤnften Jahrhunderts wurden die vornehmen roͤmi-
ſchen Juͤnglinge in Tuskiſcher Sprache und Litteratur un-
terrichtet, wie ſpaͤter in Griechiſcher 200): dieſe Ehrfurcht
verkehrte ſich nicht lange nachher in Verachtung des alt-
vaͤteriſchen, und Vergeſſenheit ſeines Daſeyns.
Die griechiſchen Erzaͤhlungen von der Tyrrhener
ſchamloſer Unſittlichkeit, haben an Theopompus einen
99) Feſtus s. v. rituales libri.
200) Livius IX. c. 36.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/117>, abgerufen am 21.11.2024.
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