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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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gehörigen verweigert hatte, bey dem Volksopfer zu La-
vinium erschlagen. Nicht gegen Romulus Wunsch:
welcher nun allein das gesammte Volk beherrschte, und
den Tod seines Mitfürsten nicht rächte, obgleich das
Laurentische Volk Blutsühne anbot.

So weit ist Romulus Geschichte ein zusammenhän-
gendes episches Gedicht, und in sich einig. Alle diese
Vorfälle sind entweder ohne Angabe der Zeitentfernung,
oder mit bestimmten engliegenden Epochen erzählt, so daß
es keinen Zweifel leidet daß sie im Geist der alten Sage
sich sehr nahe folgten, und sehr schnell vollbracht wurden.
Abgesondert von diesen stehen in dem langen Zeitraum bis
an seinen Tod die etruskischen Kriege: ein Feldzug gegen
Fidenä, worin diese Stadt erobert ward, und ein anderer
gegen Veji, auch siegreich, geendigt durch einen hundert-
jährigen Waffenstillstand, welchen Romulus den Besieg-
ten gegen Abtretung einer weitläuftigen Landschaft und
der Salzwiesen am Meer gewährte. Die Eroberung von
Fidenä wird fast genau so erzählt wie die Einnahme der-
selben Stadt im Jahr 328, eine Uebertragung der Vor-
fälle aus der schon historischen Zeit in die mythische,
welche im weitern Fortgang dieser Geschichte häufiger er-
scheinen wird. Nach diesen Kriegen nun, für eine Regie-
rung von acht und dreyßig Jahren, kann, wer hier Ge-
schichte zu besitzen glaubt, in Romulus den rastlos kriege-
rischen Fürsten nicht erkennen, wie der Ruf ihn stets ge-
nannt hat: der Poesie genügt es; wie in unsrer National-
epopöe viele Jahre ohne erzählte Thaten verfließen nach-
dem des Helden Ruhm gegründet ist.


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gehoͤrigen verweigert hatte, bey dem Volksopfer zu La-
vinium erſchlagen. Nicht gegen Romulus Wunſch:
welcher nun allein das geſammte Volk beherrſchte, und
den Tod ſeines Mitfuͤrſten nicht raͤchte, obgleich das
Laurentiſche Volk Blutſuͤhne anbot.

So weit iſt Romulus Geſchichte ein zuſammenhaͤn-
gendes epiſches Gedicht, und in ſich einig. Alle dieſe
Vorfaͤlle ſind entweder ohne Angabe der Zeitentfernung,
oder mit beſtimmten engliegenden Epochen erzaͤhlt, ſo daß
es keinen Zweifel leidet daß ſie im Geiſt der alten Sage
ſich ſehr nahe folgten, und ſehr ſchnell vollbracht wurden.
Abgeſondert von dieſen ſtehen in dem langen Zeitraum bis
an ſeinen Tod die etruskiſchen Kriege: ein Feldzug gegen
Fidenaͤ, worin dieſe Stadt erobert ward, und ein anderer
gegen Veji, auch ſiegreich, geendigt durch einen hundert-
jaͤhrigen Waffenſtillſtand, welchen Romulus den Beſieg-
ten gegen Abtretung einer weitlaͤuftigen Landſchaft und
der Salzwieſen am Meer gewaͤhrte. Die Eroberung von
Fidenaͤ wird faſt genau ſo erzaͤhlt wie die Einnahme der-
ſelben Stadt im Jahr 328, eine Uebertragung der Vor-
faͤlle aus der ſchon hiſtoriſchen Zeit in die mythiſche,
welche im weitern Fortgang dieſer Geſchichte haͤufiger er-
ſcheinen wird. Nach dieſen Kriegen nun, fuͤr eine Regie-
rung von acht und dreyßig Jahren, kann, wer hier Ge-
ſchichte zu beſitzen glaubt, in Romulus den raſtlos kriege-
riſchen Fuͤrſten nicht erkennen, wie der Ruf ihn ſtets ge-
nannt hat: der Poeſie genuͤgt es; wie in unſrer National-
epopoͤe viele Jahre ohne erzaͤhlte Thaten verfließen nach-
dem des Helden Ruhm gegruͤndet iſt.


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[163/0185] gehoͤrigen verweigert hatte, bey dem Volksopfer zu La- vinium erſchlagen. Nicht gegen Romulus Wunſch: welcher nun allein das geſammte Volk beherrſchte, und den Tod ſeines Mitfuͤrſten nicht raͤchte, obgleich das Laurentiſche Volk Blutſuͤhne anbot. So weit iſt Romulus Geſchichte ein zuſammenhaͤn- gendes epiſches Gedicht, und in ſich einig. Alle dieſe Vorfaͤlle ſind entweder ohne Angabe der Zeitentfernung, oder mit beſtimmten engliegenden Epochen erzaͤhlt, ſo daß es keinen Zweifel leidet daß ſie im Geiſt der alten Sage ſich ſehr nahe folgten, und ſehr ſchnell vollbracht wurden. Abgeſondert von dieſen ſtehen in dem langen Zeitraum bis an ſeinen Tod die etruskiſchen Kriege: ein Feldzug gegen Fidenaͤ, worin dieſe Stadt erobert ward, und ein anderer gegen Veji, auch ſiegreich, geendigt durch einen hundert- jaͤhrigen Waffenſtillſtand, welchen Romulus den Beſieg- ten gegen Abtretung einer weitlaͤuftigen Landſchaft und der Salzwieſen am Meer gewaͤhrte. Die Eroberung von Fidenaͤ wird faſt genau ſo erzaͤhlt wie die Einnahme der- ſelben Stadt im Jahr 328, eine Uebertragung der Vor- faͤlle aus der ſchon hiſtoriſchen Zeit in die mythiſche, welche im weitern Fortgang dieſer Geſchichte haͤufiger er- ſcheinen wird. Nach dieſen Kriegen nun, fuͤr eine Regie- rung von acht und dreyßig Jahren, kann, wer hier Ge- ſchichte zu beſitzen glaubt, in Romulus den raſtlos kriege- riſchen Fuͤrſten nicht erkennen, wie der Ruf ihn ſtets ge- nannt hat: der Poeſie genuͤgt es; wie in unſrer National- epopoͤe viele Jahre ohne erzaͤhlte Thaten verfließen nach- dem des Helden Ruhm gegruͤndet iſt. L 2

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/185>, abgerufen am 24.11.2024.