Das ganze Morgenland hat den Mond bey seinem Kalender beobachtet: die freye wissenschaftliche Einthei- lung eines großen Zeitabschnitts gehört dem Abendlande: die Frucht vieler Jahrhunderte von Beobachtungen, aus dem grauen Alter des Westen. Diesem Westen ist auch die uralte ausgestorbne Welt verwandt welche wir die neue nennen. Die alten Azteken, deren Kalender der allervoll- kommenste war, der vor dem gregorianischen irgendwo bürgerlich gebräuchlich gewesen ist, rechneten ein großes Jahr von 104 Sonnenjahren. Sie theilten es nach der Quinal- und Vigesimalzählart ein, welche bey ihnen an- statt der Decimalprogression üblich war. Während die- ser Periode intercalirten auch sie zweymal, zusammen 25 Tage; und es ist unmöglich, bey den mexicanischen Fe- sten des neuen Feuers am Anfang der neuen Säcularpe- riode sich nicht der römischen, eigentlich etruskischen, Säcularfeste zu erinnern58). Hierüber freylich urtheile jeder nach seiner Neigung, nur nenne man die Entwicke- lung des cyclischen Jahrs nicht luftige Hypothese, weil sie sich nicht, sondern nur ihre Grundzüge bey den alten Schriftstellern finden. Was aus diesen mit absoluter arithmetischer Bestimmtheit, und genau harmonisch mit einem andern unbezweifelten System so hervorgeht, kann kein Spiel des Zufalls seyn, so wenig wie mathematische
58) Eine vortreffliche Schrift über die mexikanische Zeitrech- nung ist D. Antonio Leon y Gama, Saggio dell' Astrono- mia Cronologia e Mitologia degli antichi Messicani, (übersetzt) Roma 1804, deren Kenntniß ich Professor Ide- lers gütiger Mittheilung verdanke.
Das ganze Morgenland hat den Mond bey ſeinem Kalender beobachtet: die freye wiſſenſchaftliche Einthei- lung eines großen Zeitabſchnitts gehoͤrt dem Abendlande: die Frucht vieler Jahrhunderte von Beobachtungen, aus dem grauen Alter des Weſten. Dieſem Weſten iſt auch die uralte ausgeſtorbne Welt verwandt welche wir die neue nennen. Die alten Azteken, deren Kalender der allervoll- kommenſte war, der vor dem gregorianiſchen irgendwo buͤrgerlich gebraͤuchlich geweſen iſt, rechneten ein großes Jahr von 104 Sonnenjahren. Sie theilten es nach der Quinal- und Vigeſimalzaͤhlart ein, welche bey ihnen an- ſtatt der Decimalprogreſſion uͤblich war. Waͤhrend die- ſer Periode intercalirten auch ſie zweymal, zuſammen 25 Tage; und es iſt unmoͤglich, bey den mexicaniſchen Fe- ſten des neuen Feuers am Anfang der neuen Saͤcularpe- riode ſich nicht der roͤmiſchen, eigentlich etruskiſchen, Saͤcularfeſte zu erinnern58). Hieruͤber freylich urtheile jeder nach ſeiner Neigung, nur nenne man die Entwicke- lung des cycliſchen Jahrs nicht luftige Hypotheſe, weil ſie ſich nicht, ſondern nur ihre Grundzuͤge bey den alten Schriftſtellern finden. Was aus dieſen mit abſoluter arithmetiſcher Beſtimmtheit, und genau harmoniſch mit einem andern unbezweifelten Syſtem ſo hervorgeht, kann kein Spiel des Zufalls ſeyn, ſo wenig wie mathematiſche
58) Eine vortreffliche Schrift uͤber die mexikaniſche Zeitrech- nung iſt D. Antonio Leon y Gama, Saggio dell’ Astrono- mia Cronologia e Mitologia degli antichi Messicani, (uͤberſetzt) Roma 1804, deren Kenntniß ich Profeſſor Ide- lers guͤtiger Mittheilung verdanke.
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Das ganze Morgenland hat den Mond bey ſeinem
Kalender beobachtet: die freye wiſſenſchaftliche Einthei-
lung eines großen Zeitabſchnitts gehoͤrt dem Abendlande:
die Frucht vieler Jahrhunderte von Beobachtungen, aus
dem grauen Alter des Weſten. Dieſem Weſten iſt auch die
uralte ausgeſtorbne Welt verwandt welche wir die neue
nennen. Die alten Azteken, deren Kalender der allervoll-
kommenſte war, der vor dem gregorianiſchen irgendwo
buͤrgerlich gebraͤuchlich geweſen iſt, rechneten ein großes
Jahr von 104 Sonnenjahren. Sie theilten es nach der
Quinal- und Vigeſimalzaͤhlart ein, welche bey ihnen an-
ſtatt der Decimalprogreſſion uͤblich war. Waͤhrend die-
ſer Periode intercalirten auch ſie zweymal, zuſammen
25 Tage; und es iſt unmoͤglich, bey den mexicaniſchen Fe-
ſten des neuen Feuers am Anfang der neuen Saͤcularpe-
riode ſich nicht der roͤmiſchen, eigentlich etruskiſchen,
Saͤcularfeſte zu erinnern 58). Hieruͤber freylich urtheile
jeder nach ſeiner Neigung, nur nenne man die Entwicke-
lung des cycliſchen Jahrs nicht luftige Hypotheſe, weil ſie
ſich nicht, ſondern nur ihre Grundzuͤge bey den alten
Schriftſtellern finden. Was aus dieſen mit abſoluter
arithmetiſcher Beſtimmtheit, und genau harmoniſch mit
einem andern unbezweifelten Syſtem ſo hervorgeht, kann
kein Spiel des Zufalls ſeyn, ſo wenig wie mathematiſche
58) Eine vortreffliche Schrift uͤber die mexikaniſche Zeitrech-
nung iſt D. Antonio Leon y Gama, Saggio dell’ Astrono-
mia Cronologia e Mitologia degli antichi Messicani,
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/222>, abgerufen am 24.11.2024.
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