Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

nysius richtig ändert 21), muß die Zahl der alten Mel-
dungen unbegreiflich gefunden haben, indem er, ohne
eine anzugeben, sich begnügte zu sagen: Servius habe alle
ländliche Tribus gestiftet; stillschweigend, wie von ihm
nicht zu bezweifeln ist, die ausnehmend deren spätere Er-
richtung unter der Republik historisch verzeichnet war.
Vielleicht war es diese stillschweigende Voraussetzung dessen
was sich ohne gesagt zu werden versteht die der Annalist
Vennonius nicht faßte, und wodurch dieser zu der wider-
sinnigen Meinung verführt ward, alle fünf und dreyßig
Tribus der Republik wären von ihm errichtet.

Ganz anderer Art ist die dem Anschein nach nicht min-
der unbegreifliche Meldung des Fabius 22): es wären
neben den vier städtischen, sechs und zwanzig ländliche
durch Servius Tullius gestiftet worden. Denn die Ge-
sammtzahl, dreyßig, ist die unstreitige alte Eintheilungs-
norm, welche sich bey den latinischen Städten nicht weni-
ger als bey den Curien gezeigt hat, obgleich sie bey der spä-
teren allmählichen Vermehrung der Tribus überschritten
ward. So stand das Volk den Curien in einer ganz glei-
chen Eintheilung gegenüber. Auch meldete Varro dasselbe
wie Fabius: denn ein höchst merkwürdiges Fragment wor-
in von einem Ungenannten gesagt wird, er habe den
Freyen Aecker um die Stadt in sechs und zwanzig Regio-

21) Die Stelle ist Dionysius IV. c. 15. Im wesentlichen trifft
seine Aenderung unstreitig richtig; aber die nothdürftigste
Concinnität erfordert, daß man statt, tas kasas genesthai
legei, lese legon.
22) Diese und die vorhergehenden Anführungen sind alle aus
Dionysius a. a. O.

nyſius richtig aͤndert 21), muß die Zahl der alten Mel-
dungen unbegreiflich gefunden haben, indem er, ohne
eine anzugeben, ſich begnuͤgte zu ſagen: Servius habe alle
laͤndliche Tribus geſtiftet; ſtillſchweigend, wie von ihm
nicht zu bezweifeln iſt, die ausnehmend deren ſpaͤtere Er-
richtung unter der Republik hiſtoriſch verzeichnet war.
Vielleicht war es dieſe ſtillſchweigende Vorausſetzung deſſen
was ſich ohne geſagt zu werden verſteht die der Annaliſt
Vennonius nicht faßte, und wodurch dieſer zu der wider-
ſinnigen Meinung verfuͤhrt ward, alle fuͤnf und dreyßig
Tribus der Republik waͤren von ihm errichtet.

Ganz anderer Art iſt die dem Anſchein nach nicht min-
der unbegreifliche Meldung des Fabius 22): es waͤren
neben den vier ſtaͤdtiſchen, ſechs und zwanzig laͤndliche
durch Servius Tullius geſtiftet worden. Denn die Ge-
ſammtzahl, dreyßig, iſt die unſtreitige alte Eintheilungs-
norm, welche ſich bey den latiniſchen Staͤdten nicht weni-
ger als bey den Curien gezeigt hat, obgleich ſie bey der ſpaͤ-
teren allmaͤhlichen Vermehrung der Tribus uͤberſchritten
ward. So ſtand das Volk den Curien in einer ganz glei-
chen Eintheilung gegenuͤber. Auch meldete Varro daſſelbe
wie Fabius: denn ein hoͤchſt merkwuͤrdiges Fragment wor-
in von einem Ungenannten geſagt wird, er habe den
Freyen Aecker um die Stadt in ſechs und zwanzig Regio-

21) Die Stelle iſt Dionyſius IV. c. 15. Im weſentlichen trifft
ſeine Aenderung unſtreitig richtig; aber die nothduͤrftigſte
Concinnitaͤt erfordert, daß man ſtatt, τὰς κάσας γενέσϑαι
λέγει, leſe λέγων.
22) Dieſe und die vorhergehenden Anfuͤhrungen ſind alle aus
Dionyſius a. a. O.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0277" n="255"/>
ny&#x017F;ius richtig a&#x0364;ndert <note place="foot" n="21)">Die Stelle i&#x017F;t Diony&#x017F;ius <hi rendition="#aq">IV. c.</hi> 15. Im we&#x017F;entlichen trifft<lb/>
&#x017F;eine Aenderung un&#x017F;treitig richtig; aber die nothdu&#x0364;rftig&#x017F;te<lb/>
Concinnita&#x0364;t erfordert, daß man &#x017F;tatt, &#x03C4;&#x1F70;&#x03C2; &#x03BA;&#x03AC;&#x03C3;&#x03B1;&#x03C2; &#x03B3;&#x03B5;&#x03BD;&#x03AD;&#x03C3;&#x03D1;&#x03B1;&#x03B9;<lb/><hi rendition="#g">&#x03BB;&#x03AD;&#x03B3;&#x03B5;&#x03B9;</hi>, le&#x017F;e &#x03BB;&#x03AD;&#x03B3;&#x03C9;&#x03BD;.</note>, muß die Zahl der alten Mel-<lb/>
dungen unbegreiflich gefunden haben, indem er, ohne<lb/>
eine anzugeben, &#x017F;ich begnu&#x0364;gte zu &#x017F;agen: Servius habe alle<lb/>
la&#x0364;ndliche Tribus ge&#x017F;tiftet; &#x017F;till&#x017F;chweigend, wie von ihm<lb/>
nicht zu bezweifeln i&#x017F;t, die ausnehmend deren &#x017F;pa&#x0364;tere Er-<lb/>
richtung unter der Republik hi&#x017F;tori&#x017F;ch verzeichnet war.<lb/>
Vielleicht war es die&#x017F;e &#x017F;till&#x017F;chweigende Voraus&#x017F;etzung de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
was &#x017F;ich ohne ge&#x017F;agt zu werden ver&#x017F;teht die der Annali&#x017F;t<lb/>
Vennonius nicht faßte, und wodurch die&#x017F;er zu der wider-<lb/>
&#x017F;innigen Meinung verfu&#x0364;hrt ward, alle fu&#x0364;nf und dreyßig<lb/>
Tribus der Republik wa&#x0364;ren von ihm errichtet.</p><lb/>
          <p>Ganz anderer Art i&#x017F;t die dem An&#x017F;chein nach nicht min-<lb/>
der unbegreifliche Meldung des Fabius <note place="foot" n="22)">Die&#x017F;e und die vorhergehenden Anfu&#x0364;hrungen &#x017F;ind alle aus<lb/>
Diony&#x017F;ius a. a. O.</note>: es wa&#x0364;ren<lb/>
neben den vier &#x017F;ta&#x0364;dti&#x017F;chen, &#x017F;echs und zwanzig la&#x0364;ndliche<lb/>
durch Servius Tullius ge&#x017F;tiftet worden. Denn die Ge-<lb/>
&#x017F;ammtzahl, dreyßig, i&#x017F;t die un&#x017F;treitige alte Eintheilungs-<lb/>
norm, welche &#x017F;ich bey den latini&#x017F;chen Sta&#x0364;dten nicht weni-<lb/>
ger als bey den Curien gezeigt hat, obgleich &#x017F;ie bey der &#x017F;pa&#x0364;-<lb/>
teren allma&#x0364;hlichen Vermehrung der Tribus u&#x0364;ber&#x017F;chritten<lb/>
ward. So &#x017F;tand das Volk den Curien in einer ganz glei-<lb/>
chen Eintheilung gegenu&#x0364;ber. Auch meldete Varro da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
wie Fabius: denn ein ho&#x0364;ch&#x017F;t merkwu&#x0364;rdiges Fragment wor-<lb/>
in von einem Ungenannten ge&#x017F;agt wird, er habe den<lb/>
Freyen Aecker um die Stadt in &#x017F;echs und zwanzig Regio-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0277] nyſius richtig aͤndert 21), muß die Zahl der alten Mel- dungen unbegreiflich gefunden haben, indem er, ohne eine anzugeben, ſich begnuͤgte zu ſagen: Servius habe alle laͤndliche Tribus geſtiftet; ſtillſchweigend, wie von ihm nicht zu bezweifeln iſt, die ausnehmend deren ſpaͤtere Er- richtung unter der Republik hiſtoriſch verzeichnet war. Vielleicht war es dieſe ſtillſchweigende Vorausſetzung deſſen was ſich ohne geſagt zu werden verſteht die der Annaliſt Vennonius nicht faßte, und wodurch dieſer zu der wider- ſinnigen Meinung verfuͤhrt ward, alle fuͤnf und dreyßig Tribus der Republik waͤren von ihm errichtet. Ganz anderer Art iſt die dem Anſchein nach nicht min- der unbegreifliche Meldung des Fabius 22): es waͤren neben den vier ſtaͤdtiſchen, ſechs und zwanzig laͤndliche durch Servius Tullius geſtiftet worden. Denn die Ge- ſammtzahl, dreyßig, iſt die unſtreitige alte Eintheilungs- norm, welche ſich bey den latiniſchen Staͤdten nicht weni- ger als bey den Curien gezeigt hat, obgleich ſie bey der ſpaͤ- teren allmaͤhlichen Vermehrung der Tribus uͤberſchritten ward. So ſtand das Volk den Curien in einer ganz glei- chen Eintheilung gegenuͤber. Auch meldete Varro daſſelbe wie Fabius: denn ein hoͤchſt merkwuͤrdiges Fragment wor- in von einem Ungenannten geſagt wird, er habe den Freyen Aecker um die Stadt in ſechs und zwanzig Regio- 21) Die Stelle iſt Dionyſius IV. c. 15. Im weſentlichen trifft ſeine Aenderung unſtreitig richtig; aber die nothduͤrftigſte Concinnitaͤt erfordert, daß man ſtatt, τὰς κάσας γενέσϑαι λέγει, leſe λέγων. 22) Dieſe und die vorhergehenden Anfuͤhrungen ſind alle aus Dionyſius a. a. O.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/277
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/277>, abgerufen am 22.11.2024.