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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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und allen Waffen zu bekriegen; und nicht zu dulden daß
forthin ein König zu Rom herrsche.

Er trug die Leiche auf den Markt von Collatia: die
Bürger entsagten der Herrschaft der Tyrannen. Alles
nahm die Waffen; die älteren besetzten die Mauern: die
Jugend begleitete den Leichenzug nach Rom. Hier wur-
den die Thore geschlossen; das Volk von Brutus als Ober-
sten der Ritter auf den Markt zur Versammlung berufen.
Bey dem Anblick der Leiche, bey Brutus Anklage ver-
stummte jede Furcht: alle ergriff die Leidenschaft der Ra-
che: wie konnten Tausende die verlassen die eine unaus-
söhnliche Beleidigung als Männer zu empfinden den Muth
hatten? Ein einstimmiger Beschluß entsetzte den letzten
König seiner Würde, und sprach über ihn und die seini-
gen Verbannung aus. Tullia entfloh aus der Stadt, un-
verletzt: die Rache über sie befahl das Volk in lauten Ver-
wünschungen den Geistern der Ermordeten.

Ein Heer von Freywilligen zog mit Brutus aus der
Stadt nach dem Lager. Der König hatte es schon auf
das Gerücht der Bewegungen verlassen, und war vor
Rom, auf einem Umweg, Brutus und den Seinigen aus-
weichend, erschienen. Ihm blieben die Thore geschlos-
sen, und die Truppen hatten sich während seiner Abwesen-
heit einstimmig für das Volk erklärt. Er, und zwey sei-
ner Söhne, Titus und Aruns wandten sich nach Cäre
wo sie Aufnahme und Schutz fanden. Sextus begab sich
nach Gabii, wo er, seit der Verrath vollbracht war, als
Fürst herrschte. Der Trotz kostete ihm das Leben: er
konnte den Freunden der Ermordeten und Vertriebenen

nur

und allen Waffen zu bekriegen; und nicht zu dulden daß
forthin ein Koͤnig zu Rom herrſche.

Er trug die Leiche auf den Markt von Collatia: die
Buͤrger entſagten der Herrſchaft der Tyrannen. Alles
nahm die Waffen; die aͤlteren beſetzten die Mauern: die
Jugend begleitete den Leichenzug nach Rom. Hier wur-
den die Thore geſchloſſen; das Volk von Brutus als Ober-
ſten der Ritter auf den Markt zur Verſammlung berufen.
Bey dem Anblick der Leiche, bey Brutus Anklage ver-
ſtummte jede Furcht: alle ergriff die Leidenſchaft der Ra-
che: wie konnten Tauſende die verlaſſen die eine unaus-
ſoͤhnliche Beleidigung als Maͤnner zu empfinden den Muth
hatten? Ein einſtimmiger Beſchluß entſetzte den letzten
Koͤnig ſeiner Wuͤrde, und ſprach uͤber ihn und die ſeini-
gen Verbannung aus. Tullia entfloh aus der Stadt, un-
verletzt: die Rache uͤber ſie befahl das Volk in lauten Ver-
wuͤnſchungen den Geiſtern der Ermordeten.

Ein Heer von Freywilligen zog mit Brutus aus der
Stadt nach dem Lager. Der Koͤnig hatte es ſchon auf
das Geruͤcht der Bewegungen verlaſſen, und war vor
Rom, auf einem Umweg, Brutus und den Seinigen aus-
weichend, erſchienen. Ihm blieben die Thore geſchloſ-
ſen, und die Truppen hatten ſich waͤhrend ſeiner Abweſen-
heit einſtimmig fuͤr das Volk erklaͤrt. Er, und zwey ſei-
ner Soͤhne, Titus und Aruns wandten ſich nach Caͤre
wo ſie Aufnahme und Schutz fanden. Sextus begab ſich
nach Gabii, wo er, ſeit der Verrath vollbracht war, als
Fuͤrſt herrſchte. Der Trotz koſtete ihm das Leben: er
konnte den Freunden der Ermordeten und Vertriebenen

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[320/0342] und allen Waffen zu bekriegen; und nicht zu dulden daß forthin ein Koͤnig zu Rom herrſche. Er trug die Leiche auf den Markt von Collatia: die Buͤrger entſagten der Herrſchaft der Tyrannen. Alles nahm die Waffen; die aͤlteren beſetzten die Mauern: die Jugend begleitete den Leichenzug nach Rom. Hier wur- den die Thore geſchloſſen; das Volk von Brutus als Ober- ſten der Ritter auf den Markt zur Verſammlung berufen. Bey dem Anblick der Leiche, bey Brutus Anklage ver- ſtummte jede Furcht: alle ergriff die Leidenſchaft der Ra- che: wie konnten Tauſende die verlaſſen die eine unaus- ſoͤhnliche Beleidigung als Maͤnner zu empfinden den Muth hatten? Ein einſtimmiger Beſchluß entſetzte den letzten Koͤnig ſeiner Wuͤrde, und ſprach uͤber ihn und die ſeini- gen Verbannung aus. Tullia entfloh aus der Stadt, un- verletzt: die Rache uͤber ſie befahl das Volk in lauten Ver- wuͤnſchungen den Geiſtern der Ermordeten. Ein Heer von Freywilligen zog mit Brutus aus der Stadt nach dem Lager. Der Koͤnig hatte es ſchon auf das Geruͤcht der Bewegungen verlaſſen, und war vor Rom, auf einem Umweg, Brutus und den Seinigen aus- weichend, erſchienen. Ihm blieben die Thore geſchloſ- ſen, und die Truppen hatten ſich waͤhrend ſeiner Abweſen- heit einſtimmig fuͤr das Volk erklaͤrt. Er, und zwey ſei- ner Soͤhne, Titus und Aruns wandten ſich nach Caͤre wo ſie Aufnahme und Schutz fanden. Sextus begab ſich nach Gabii, wo er, ſeit der Verrath vollbracht war, als Fuͤrſt herrſchte. Der Trotz koſtete ihm das Leben: er konnte den Freunden der Ermordeten und Vertriebenen nur

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/342>, abgerufen am 22.11.2024.