Er meldet nämlich 20) daß der Senat, um die Ge- müther zu beruhigen, beschlossen habe, zehn consularische Commissarien zu ernennen welche einen Theil der Domaine zur Anweisung an das Volk abscheiden, und, wie er es ausdrückt, das übrige, oder, wie es an seinem Ort ge- zeigt werden wird, den Ertrag des Zehenten vom übri- gen, so weit es als Gemeingut zur Benutzung der Patri- cier blieb, von einem Lustrum zum andern verpachten soll- ten 21). Durch diesen Beschluß sey das Volk befriedigt geworden, dessen Mehrheit Cassius Absichten mißtraut habe: aber der Senat sey unredlich verfahren, und habe den gefaßten Beschluß gar nicht ausführen lassen.
Daß die römischen Könige, nach dem allgemeinen Staatsrecht der alten Welt, einen Zehenten von dem Lande erhoben dessen Grundeigenthum dem Staat wie den Für- sten Asiens gehörte, ist um so wahrscheinlicher da auch vielfache Frohndienste ohne reichliche Steuern nicht genügt haben würden ihre gewaltigen Bauten auszuführen, und ihre Eroberungen Feldzüge von langer Dauer, also ein besoldetes Heer, voraussetzen. Daß aber die Besitzer der Domaine noch im Jahr 330 keine Ertragsabgabe zahlten, während sie davon auch keine Vermögenssteuer entrich- teten, war der Gegenstand tribunicischer Beschwerden, und die Tribunen wollten damals eine Abgabe auf den Domainenbesitz legen, von deren Ertrag den Truppen Sold bezahlt werden sollte 22). Daher ist ein solcher Se-
20) Dionysius VIII. c. 76. IX. c. 37.
21) Derselbe IX. c. 73.
22)Ostentata spes-vectigali possessoribus agrorum imposito in stipendium militum erogandi aeris. Livius IV. c. 36.
Er meldet naͤmlich 20) daß der Senat, um die Ge- muͤther zu beruhigen, beſchloſſen habe, zehn conſulariſche Commiſſarien zu ernennen welche einen Theil der Domaine zur Anweiſung an das Volk abſcheiden, und, wie er es ausdruͤckt, das uͤbrige, oder, wie es an ſeinem Ort ge- zeigt werden wird, den Ertrag des Zehenten vom uͤbri- gen, ſo weit es als Gemeingut zur Benutzung der Patri- cier blieb, von einem Luſtrum zum andern verpachten ſoll- ten 21). Durch dieſen Beſchluß ſey das Volk befriedigt geworden, deſſen Mehrheit Caſſius Abſichten mißtraut habe: aber der Senat ſey unredlich verfahren, und habe den gefaßten Beſchluß gar nicht ausfuͤhren laſſen.
Daß die roͤmiſchen Koͤnige, nach dem allgemeinen Staatsrecht der alten Welt, einen Zehenten von dem Lande erhoben deſſen Grundeigenthum dem Staat wie den Fuͤr- ſten Aſiens gehoͤrte, iſt um ſo wahrſcheinlicher da auch vielfache Frohndienſte ohne reichliche Steuern nicht genuͤgt haben wuͤrden ihre gewaltigen Bauten auszufuͤhren, und ihre Eroberungen Feldzuͤge von langer Dauer, alſo ein beſoldetes Heer, vorausſetzen. Daß aber die Beſitzer der Domaine noch im Jahr 330 keine Ertragsabgabe zahlten, waͤhrend ſie davon auch keine Vermoͤgensſteuer entrich- teten, war der Gegenſtand tribuniciſcher Beſchwerden, und die Tribunen wollten damals eine Abgabe auf den Domainenbeſitz legen, von deren Ertrag den Truppen Sold bezahlt werden ſollte 22). Daher iſt ein ſolcher Se-
20) Dionyſius VIII. c. 76. IX. c. 37.
21) Derſelbe IX. c. 73.
22)Ostentata spes-vectigali possessoribus agrorum imposito in stipendium militum erogandi æris. Livius IV. c. 36.
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Er meldet naͤmlich 20) daß der Senat, um die Ge-
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Commiſſarien zu ernennen welche einen Theil der Domaine
zur Anweiſung an das Volk abſcheiden, und, wie er es
ausdruͤckt, das uͤbrige, oder, wie es an ſeinem Ort ge-
zeigt werden wird, den Ertrag des Zehenten vom uͤbri-
gen, ſo weit es als Gemeingut zur Benutzung der Patri-
cier blieb, von einem Luſtrum zum andern verpachten ſoll-
ten 21). Durch dieſen Beſchluß ſey das Volk befriedigt
geworden, deſſen Mehrheit Caſſius Abſichten mißtraut
habe: aber der Senat ſey unredlich verfahren, und habe
den gefaßten Beſchluß gar nicht ausfuͤhren laſſen.
Daß die roͤmiſchen Koͤnige, nach dem allgemeinen
Staatsrecht der alten Welt, einen Zehenten von dem Lande
erhoben deſſen Grundeigenthum dem Staat wie den Fuͤr-
ſten Aſiens gehoͤrte, iſt um ſo wahrſcheinlicher da auch
vielfache Frohndienſte ohne reichliche Steuern nicht genuͤgt
haben wuͤrden ihre gewaltigen Bauten auszufuͤhren, und
ihre Eroberungen Feldzuͤge von langer Dauer, alſo ein
beſoldetes Heer, vorausſetzen. Daß aber die Beſitzer der
Domaine noch im Jahr 330 keine Ertragsabgabe zahlten,
waͤhrend ſie davon auch keine Vermoͤgensſteuer entrich-
teten, war der Gegenſtand tribuniciſcher Beſchwerden,
und die Tribunen wollten damals eine Abgabe auf den
Domainenbeſitz legen, von deren Ertrag den Truppen
Sold bezahlt werden ſollte 22). Daher iſt ein ſolcher Se-
20) Dionyſius VIII. c. 76. IX. c. 37.
21) Derſelbe IX. c. 73.
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in stipendium militum erogandi æris. Livius IV. c. 36.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/475>, abgerufen am 24.11.2024.
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