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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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bey der Gesetzgebung einen Ephesier Hermodorus, den
Freund des weisen Heraklitus, den seine Mitbürger ver-
bannt hatten aus Verdruß daß er sie beschäme, da sie sich
alle an Schlechtigkeit gleich seyn wollten 14). Auch läßt
sich nicht wohl erklären wie sie ersonnen seyn sollte, wozu
nur ein berühmter Nahme Veranlassung geben konnte,
während der des Hermodorus den Griechen selbst nur
durch den Spruch seines Freundes bekannt gewesen zu
seyn scheint. Aus diesem Grunde darf die Benennung
der Statue, welche zu Rom als die seinige unterschrieben
war, für ächt gelten. Lebte er aber auch hier, geehrt von
seinen Zeitgenossen den Gesetzgebern, und ihnen nützlich,
so folgt daraus doch nicht, daß durch seinen Rath in die
für uns verlohrnen Gesetze der Tafeln viel aus griechischen
überging: die Römer hielten zu fest an ihrem eignen Her-
kommen um es gegen fremde Einrichtungen zu vertauschen,
und die Verschiedenheit zwischen ihnen und den Griechen
war so groß daß der weise Hermodorus eine Nachäffung
nicht hat empfehlen können.

Ein seltneres Glück war es daß die Decemvirn mit
gleicher Unpartheylichkeit und Weisheit die Gesetze des
Staatsrechts schrieben. Hier waren sie Gesetzgeber,
und sie genügten dem Beschluß der Nation daß grö-
ßere Gleichheit in die Verfassung gebracht werden
solle 15).


14) S. Menagius über Diogenes Laertius IX. c. 2., und
die von ihm angeführten Stellen.
15) Zonaras VII. c. 18. epsephisanto isoteran poieisthai ten
politeian.

bey der Geſetzgebung einen Epheſier Hermodorus, den
Freund des weiſen Heraklitus, den ſeine Mitbuͤrger ver-
bannt hatten aus Verdruß daß er ſie beſchaͤme, da ſie ſich
alle an Schlechtigkeit gleich ſeyn wollten 14). Auch laͤßt
ſich nicht wohl erklaͤren wie ſie erſonnen ſeyn ſollte, wozu
nur ein beruͤhmter Nahme Veranlaſſung geben konnte,
waͤhrend der des Hermodorus den Griechen ſelbſt nur
durch den Spruch ſeines Freundes bekannt geweſen zu
ſeyn ſcheint. Aus dieſem Grunde darf die Benennung
der Statue, welche zu Rom als die ſeinige unterſchrieben
war, fuͤr aͤcht gelten. Lebte er aber auch hier, geehrt von
ſeinen Zeitgenoſſen den Geſetzgebern, und ihnen nuͤtzlich,
ſo folgt daraus doch nicht, daß durch ſeinen Rath in die
fuͤr uns verlohrnen Geſetze der Tafeln viel aus griechiſchen
uͤberging: die Roͤmer hielten zu feſt an ihrem eignen Her-
kommen um es gegen fremde Einrichtungen zu vertauſchen,
und die Verſchiedenheit zwiſchen ihnen und den Griechen
war ſo groß daß der weiſe Hermodorus eine Nachaͤffung
nicht hat empfehlen koͤnnen.

Ein ſeltneres Gluͤck war es daß die Decemvirn mit
gleicher Unpartheylichkeit und Weisheit die Geſetze des
Staatsrechts ſchrieben. Hier waren ſie Geſetzgeber,
und ſie genuͤgten dem Beſchluß der Nation daß groͤ-
ßere Gleichheit in die Verfaſſung gebracht werden
ſolle 15).


14) S. Menagius uͤber Diogenes Laertius IX. c. 2., und
die von ihm angefuͤhrten Stellen.
15) Zonaras VII. c. 18. ἐψηφίσαντο ἰσοτέραν ποιεῖσϑαι τὴν
πολιτείαν.
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[110/0126] bey der Geſetzgebung einen Epheſier Hermodorus, den Freund des weiſen Heraklitus, den ſeine Mitbuͤrger ver- bannt hatten aus Verdruß daß er ſie beſchaͤme, da ſie ſich alle an Schlechtigkeit gleich ſeyn wollten 14). Auch laͤßt ſich nicht wohl erklaͤren wie ſie erſonnen ſeyn ſollte, wozu nur ein beruͤhmter Nahme Veranlaſſung geben konnte, waͤhrend der des Hermodorus den Griechen ſelbſt nur durch den Spruch ſeines Freundes bekannt geweſen zu ſeyn ſcheint. Aus dieſem Grunde darf die Benennung der Statue, welche zu Rom als die ſeinige unterſchrieben war, fuͤr aͤcht gelten. Lebte er aber auch hier, geehrt von ſeinen Zeitgenoſſen den Geſetzgebern, und ihnen nuͤtzlich, ſo folgt daraus doch nicht, daß durch ſeinen Rath in die fuͤr uns verlohrnen Geſetze der Tafeln viel aus griechiſchen uͤberging: die Roͤmer hielten zu feſt an ihrem eignen Her- kommen um es gegen fremde Einrichtungen zu vertauſchen, und die Verſchiedenheit zwiſchen ihnen und den Griechen war ſo groß daß der weiſe Hermodorus eine Nachaͤffung nicht hat empfehlen koͤnnen. Ein ſeltneres Gluͤck war es daß die Decemvirn mit gleicher Unpartheylichkeit und Weisheit die Geſetze des Staatsrechts ſchrieben. Hier waren ſie Geſetzgeber, und ſie genuͤgten dem Beſchluß der Nation daß groͤ- ßere Gleichheit in die Verfaſſung gebracht werden ſolle 15). 14) S. Menagius uͤber Diogenes Laertius IX. c. 2., und die von ihm angefuͤhrten Stellen. 15) Zonaras VII. c. 18. ἐψηφίσαντο ἰσοτέραν ποιεῖσϑαι τὴν πολιτείαν.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/126>, abgerufen am 21.11.2024.