Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

theil der Curien an der Gesetzgebung vernichteten, und
also ihre Ausübung durch die Plebejer in den Tribus
oder den Centurien gleichgültig machten; so glaube ich
darf man es dem hortensischen Gesetz zuschreiben daß
die Tribus die höchste constituirende Gewalt,
ganz unabhängig vom Senat, annahmen, während sie
über Beschlüsse und Maaßregeln der Verwaltung
auf die Beurtheilung eines vorhergehenden Senatuscon-
sults beschränkt blieben 51).

Es war weniger unbillig als es scheint auch die
Patricier den Volksbeschlüssen zu unterwerfen, da die
Senatoren wenigstens das Vorrecht hatten in der Volks-
gemeinde zu reden, wo die Plebejer außer den Tribunen
selbst schwiegen: ein Vorrecht von ungleich größerer Wich-
tigkeit als eine einzelne Stimme 52). Die Genehmigung
des Senats konnte stillschweigend ertheilt werden, wie
die Einwilligung der Volkstribunen: und wie Consuln,
gegen das tribunicische Veto, sich den Willen des Senats
genügen ließen, so konnten sie auch, gegen den Senat,
den Willen des Volks sich Gesetz oder Bestätigung seyn
lassen 53).

Von denselben Consuln ward ferner, zu Erhaltung
der tribunicischen Aufsicht über den Senat, verfügt, daß
alle Senatusconsulte schriftlich den plebejischen Aedilen
übergeben, und in ihrem Archiv bewahrt werden sollten:

51) Siehe Note 149.
52) Livius III. c. 63. 71. VI. c. 40.
53) Sine auctoritate Senatus, populi jussu, triumphatum
est.
Livius III. c. 63.

theil der Curien an der Geſetzgebung vernichteten, und
alſo ihre Ausuͤbung durch die Plebejer in den Tribus
oder den Centurien gleichguͤltig machten; ſo glaube ich
darf man es dem hortenſiſchen Geſetz zuſchreiben daß
die Tribus die hoͤchſte conſtituirende Gewalt,
ganz unabhaͤngig vom Senat, annahmen, waͤhrend ſie
uͤber Beſchluͤſſe und Maaßregeln der Verwaltung
auf die Beurtheilung eines vorhergehenden Senatuscon-
ſults beſchraͤnkt blieben 51).

Es war weniger unbillig als es ſcheint auch die
Patricier den Volksbeſchluͤſſen zu unterwerfen, da die
Senatoren wenigſtens das Vorrecht hatten in der Volks-
gemeinde zu reden, wo die Plebejer außer den Tribunen
ſelbſt ſchwiegen: ein Vorrecht von ungleich groͤßerer Wich-
tigkeit als eine einzelne Stimme 52). Die Genehmigung
des Senats konnte ſtillſchweigend ertheilt werden, wie
die Einwilligung der Volkstribunen: und wie Conſuln,
gegen das tribuniciſche Veto, ſich den Willen des Senats
genuͤgen ließen, ſo konnten ſie auch, gegen den Senat,
den Willen des Volks ſich Geſetz oder Beſtaͤtigung ſeyn
laſſen 53).

Von denſelben Conſuln ward ferner, zu Erhaltung
der tribuniciſchen Aufſicht uͤber den Senat, verfuͤgt, daß
alle Senatusconſulte ſchriftlich den plebejiſchen Aedilen
uͤbergeben, und in ihrem Archiv bewahrt werden ſollten:

51) Siehe Note 149.
52) Livius III. c. 63. 71. VI. c. 40.
53) Sine auctoritate Senatus, populi jussu, triumphatum
est.
Livius III. c. 63.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0167" n="151"/>
theil der Curien an der Ge&#x017F;etzgebung vernichteten, und<lb/>
al&#x017F;o ihre Ausu&#x0364;bung durch die Plebejer in den Tribus<lb/>
oder den Centurien gleichgu&#x0364;ltig machten; &#x017F;o glaube ich<lb/>
darf man es dem horten&#x017F;i&#x017F;chen Ge&#x017F;etz zu&#x017F;chreiben daß<lb/>
die Tribus die <hi rendition="#g">ho&#x0364;ch&#x017F;te con&#x017F;tituirende Gewalt</hi>,<lb/>
ganz unabha&#x0364;ngig vom Senat, annahmen, wa&#x0364;hrend &#x017F;ie<lb/>
u&#x0364;ber Be&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Maaßregeln der <hi rendition="#g">Verwaltung</hi><lb/>
auf die Beurtheilung eines vorhergehenden Senatuscon-<lb/>
&#x017F;ults be&#x017F;chra&#x0364;nkt blieben <note place="foot" n="51)">Siehe Note 149.</note>.</p><lb/>
        <p>Es war weniger unbillig als es &#x017F;cheint auch die<lb/><choice><sic>Patrtcier</sic><corr>Patricier</corr></choice> den Volksbe&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en zu unterwerfen, da die<lb/>
Senatoren wenig&#x017F;tens das Vorrecht hatten in der Volks-<lb/>
gemeinde zu reden, wo die Plebejer außer den Tribunen<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chwiegen: ein Vorrecht von ungleich gro&#x0364;ßerer Wich-<lb/>
tigkeit als eine einzelne Stimme <note place="foot" n="52)">Livius <hi rendition="#aq">III. c. 63. 71. VI. c.</hi> 40.</note>. Die Genehmigung<lb/>
des Senats konnte &#x017F;till&#x017F;chweigend ertheilt werden, wie<lb/>
die Einwilligung der Volkstribunen: und wie Con&#x017F;uln,<lb/>
gegen das tribunici&#x017F;che Veto, &#x017F;ich den Willen des Senats<lb/>
genu&#x0364;gen ließen, &#x017F;o konnten &#x017F;ie auch, gegen den Senat,<lb/>
den Willen des Volks &#x017F;ich Ge&#x017F;etz oder Be&#x017F;ta&#x0364;tigung &#x017F;eyn<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="53)"><hi rendition="#aq">Sine auctoritate Senatus, populi jussu, triumphatum<lb/>
est.</hi> Livius <hi rendition="#aq">III. c.</hi> 63.</note>.</p><lb/>
        <p>Von den&#x017F;elben Con&#x017F;uln ward ferner, zu Erhaltung<lb/>
der tribunici&#x017F;chen Auf&#x017F;icht u&#x0364;ber den Senat, verfu&#x0364;gt, daß<lb/>
alle Senatuscon&#x017F;ulte &#x017F;chriftlich den plebeji&#x017F;chen Aedilen<lb/>
u&#x0364;bergeben, und in ihrem Archiv bewahrt werden &#x017F;ollten:<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0167] theil der Curien an der Geſetzgebung vernichteten, und alſo ihre Ausuͤbung durch die Plebejer in den Tribus oder den Centurien gleichguͤltig machten; ſo glaube ich darf man es dem hortenſiſchen Geſetz zuſchreiben daß die Tribus die hoͤchſte conſtituirende Gewalt, ganz unabhaͤngig vom Senat, annahmen, waͤhrend ſie uͤber Beſchluͤſſe und Maaßregeln der Verwaltung auf die Beurtheilung eines vorhergehenden Senatuscon- ſults beſchraͤnkt blieben 51). Es war weniger unbillig als es ſcheint auch die Patricier den Volksbeſchluͤſſen zu unterwerfen, da die Senatoren wenigſtens das Vorrecht hatten in der Volks- gemeinde zu reden, wo die Plebejer außer den Tribunen ſelbſt ſchwiegen: ein Vorrecht von ungleich groͤßerer Wich- tigkeit als eine einzelne Stimme 52). Die Genehmigung des Senats konnte ſtillſchweigend ertheilt werden, wie die Einwilligung der Volkstribunen: und wie Conſuln, gegen das tribuniciſche Veto, ſich den Willen des Senats genuͤgen ließen, ſo konnten ſie auch, gegen den Senat, den Willen des Volks ſich Geſetz oder Beſtaͤtigung ſeyn laſſen 53). Von denſelben Conſuln ward ferner, zu Erhaltung der tribuniciſchen Aufſicht uͤber den Senat, verfuͤgt, daß alle Senatusconſulte ſchriftlich den plebejiſchen Aedilen uͤbergeben, und in ihrem Archiv bewahrt werden ſollten: 51) Siehe Note 149. 52) Livius III. c. 63. 71. VI. c. 40. 53) Sine auctoritate Senatus, populi jussu, triumphatum est. Livius III. c. 63.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/167
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/167>, abgerufen am 26.11.2024.