man nicht benutzen wollte. Aber diese Thorheit war nur im Sinn der Annalisten. Uebersahen sie auch daß nicht sechs, sondern nur die Hälfte dieser Zahl für das Jahr 311 ernannt wurden, so hätten sie doch nicht übersehen sol- len daß auch unter diesen dreyen ein unläugbar plebeji- scher Nahme ist, L. Atilius Longus. Der bloße Gentil- nahme ist allerdings unsicher in jenen alten Zeiten über Plebität zu entscheiden, da wir nur einen sehr kleinen Theil der patricischen Geschlechter kennen: denn, wie vor- her bemerkt ist, eine sehr berühmte plebejische Familie kann aus einer alten Mißheirath entstanden, und ihr pa- tricischer Stamm ohne einiges Andenken erloschen seyn. So dürfte man, wenn auch der dritte Tribun, wie bey Livius, Cäcilius und nicht Clölius zu nennen wäre, dar- aus seine Plebität vielleicht nicht behaupten, wie berühmt auch die Meteller sind. Anders aber ist es wenn eine Fa- milie durch Beynahmen bestimmt wird, denn nicht nur wissen wir von den gesammten Atiliern nichts denn nur als von Plebejern, sondern die Fasten zeigen im Jahr 356 einen zweyten L. Atilius Longus, und diesen nennt Livius ausdrücklich Plebejer 89).
Auch wäre es unerklärlich warum der Senat die Mi- litartribunen schon im dritten Monat ihrer Magistratur, durch ein Decret der Augurn, abzudanken nöthigte, wenn nicht ein Plebejer unter ihnen gewesen wäre. Für den übrigen Theil des Jahrs wurden, nach fruchtlosem Wi- derspruch der Volkstribunen, Consuln erwählt, und das Consulat mehrere Jahre hindurch gegen die Anmahnungen
89) Livius V. c. 13.
man nicht benutzen wollte. Aber dieſe Thorheit war nur im Sinn der Annaliſten. Ueberſahen ſie auch daß nicht ſechs, ſondern nur die Haͤlfte dieſer Zahl fuͤr das Jahr 311 ernannt wurden, ſo haͤtten ſie doch nicht uͤberſehen ſol- len daß auch unter dieſen dreyen ein unlaͤugbar plebeji- ſcher Nahme iſt, L. Atilius Longus. Der bloße Gentil- nahme iſt allerdings unſicher in jenen alten Zeiten uͤber Plebitaͤt zu entſcheiden, da wir nur einen ſehr kleinen Theil der patriciſchen Geſchlechter kennen: denn, wie vor- her bemerkt iſt, eine ſehr beruͤhmte plebejiſche Familie kann aus einer alten Mißheirath entſtanden, und ihr pa- triciſcher Stamm ohne einiges Andenken erloſchen ſeyn. So duͤrfte man, wenn auch der dritte Tribun, wie bey Livius, Caͤcilius und nicht Cloͤlius zu nennen waͤre, dar- aus ſeine Plebitaͤt vielleicht nicht behaupten, wie beruͤhmt auch die Meteller ſind. Anders aber iſt es wenn eine Fa- milie durch Beynahmen beſtimmt wird, denn nicht nur wiſſen wir von den geſammten Atiliern nichts denn nur als von Plebejern, ſondern die Faſten zeigen im Jahr 356 einen zweyten L. Atilius Longus, und dieſen nennt Livius ausdruͤcklich Plebejer 89).
Auch waͤre es unerklaͤrlich warum der Senat die Mi- litartribunen ſchon im dritten Monat ihrer Magiſtratur, durch ein Decret der Augurn, abzudanken noͤthigte, wenn nicht ein Plebejer unter ihnen geweſen waͤre. Fuͤr den uͤbrigen Theil des Jahrs wurden, nach fruchtloſem Wi- derſpruch der Volkstribunen, Conſuln erwaͤhlt, und das Conſulat mehrere Jahre hindurch gegen die Anmahnungen
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man nicht benutzen wollte. Aber dieſe Thorheit war nur
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ſechs, ſondern nur die Haͤlfte dieſer Zahl fuͤr das Jahr
311 ernannt wurden, ſo haͤtten ſie doch nicht uͤberſehen ſol-
len daß auch unter dieſen dreyen ein unlaͤugbar plebeji-
ſcher Nahme iſt, L. Atilius Longus. Der bloße Gentil-
nahme iſt allerdings unſicher in jenen alten Zeiten uͤber
Plebitaͤt zu entſcheiden, da wir nur einen ſehr kleinen
Theil der patriciſchen Geſchlechter kennen: denn, wie vor-
her bemerkt iſt, eine ſehr beruͤhmte plebejiſche Familie
kann aus einer alten Mißheirath entſtanden, und ihr pa-
triciſcher Stamm ohne einiges Andenken erloſchen ſeyn.
So duͤrfte man, wenn auch der dritte Tribun, wie bey
Livius, Caͤcilius und nicht Cloͤlius zu nennen waͤre, dar-
aus ſeine Plebitaͤt vielleicht nicht behaupten, wie beruͤhmt
auch die Meteller ſind. Anders aber iſt es wenn eine Fa-
milie durch Beynahmen beſtimmt wird, denn nicht nur
wiſſen wir von den geſammten Atiliern nichts denn nur
als von Plebejern, ſondern die Faſten zeigen im Jahr 356
einen zweyten L. Atilius Longus, und dieſen nennt Livius
ausdruͤcklich Plebejer 89).
Auch waͤre es unerklaͤrlich warum der Senat die Mi-
litartribunen ſchon im dritten Monat ihrer Magiſtratur,
durch ein Decret der Augurn, abzudanken noͤthigte, wenn
nicht ein Plebejer unter ihnen geweſen waͤre. Fuͤr den
uͤbrigen Theil des Jahrs wurden, nach fruchtloſem Wi-
derſpruch der Volkstribunen, Conſuln erwaͤhlt, und das
Conſulat mehrere Jahre hindurch gegen die Anmahnungen
89) Livius V. c. 13.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/190>, abgerufen am 24.11.2024.
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