zählt wird, sich mit ihnen wieder verbunden hatte, müs- sen wir zwischen der Wahrscheinlichkeit und der Auto- rität eines Zeugnisses unentschieden lassen. Bolä aber, welches drey Jahre später (340) erobert ward, scheint unstreitig seit jenem Kriege den Aequern geblieben zu seyn: mit hartnäckiger Anstrengung entrissen sich nun abwechselnd Aequer und Römer den Besitz dieser Stadt: er blieb den letzten. Diese Eroberung veranlaßte ein Verbrechen welches bis auf die Syllanischen Zeiten ein- zig in der römischen Geschichte ist. Die Soldaten for- derten Assignation der eroberten bolanischen Landschaft, wenigstens die gewonnene Beute als Entschädigung für ihren unbesoldeten Dienst: beydes ward ihnen abge- schlagen. Als die Beute für den Staat verkauft ward, entstand ein Auflauf; ein Steinwurf verwundete oder tödtete den Quästor 41). Der Militartribun M. Po- stumius, dessen Härte und schnöde Worte die Erbitterung erregt hatten, rechnete zu stolz auf die Gewalt seiner Würde: er hielt ein unerbittliches Gericht. So lange die Schuldigsten büßten, erhielt das Bewußtseyn schwe- res Vergehens den Gehorsam: als aber der Tribun ohne Ziel mit grausamen Strafen wüthete, brach eine zweyte Empörung aus, worin Postumius das Leben verlohr.
Von dieser Zeit an verfällt die Macht der Aequer und Volsker sichtbar. Nicht die römisch-latinischen Kriege hatten sie gebrochen: deren Sitz bisher ihr eig- nes Land höchst selten, und immer nur seine äußerste
41) Zonaras VII. c. 19.
zaͤhlt wird, ſich mit ihnen wieder verbunden hatte, muͤſ- ſen wir zwiſchen der Wahrſcheinlichkeit und der Auto- ritaͤt eines Zeugniſſes unentſchieden laſſen. Bolaͤ aber, welches drey Jahre ſpaͤter (340) erobert ward, ſcheint unſtreitig ſeit jenem Kriege den Aequern geblieben zu ſeyn: mit hartnaͤckiger Anſtrengung entriſſen ſich nun abwechſelnd Aequer und Roͤmer den Beſitz dieſer Stadt: er blieb den letzten. Dieſe Eroberung veranlaßte ein Verbrechen welches bis auf die Syllaniſchen Zeiten ein- zig in der roͤmiſchen Geſchichte iſt. Die Soldaten for- derten Aſſignation der eroberten bolaniſchen Landſchaft, wenigſtens die gewonnene Beute als Entſchaͤdigung fuͤr ihren unbeſoldeten Dienſt: beydes ward ihnen abge- ſchlagen. Als die Beute fuͤr den Staat verkauft ward, entſtand ein Auflauf; ein Steinwurf verwundete oder toͤdtete den Quaͤſtor 41). Der Militartribun M. Po- ſtumius, deſſen Haͤrte und ſchnoͤde Worte die Erbitterung erregt hatten, rechnete zu ſtolz auf die Gewalt ſeiner Wuͤrde: er hielt ein unerbittliches Gericht. So lange die Schuldigſten buͤßten, erhielt das Bewußtſeyn ſchwe- res Vergehens den Gehorſam: als aber der Tribun ohne Ziel mit grauſamen Strafen wuͤthete, brach eine zweyte Empoͤrung aus, worin Poſtumius das Leben verlohr.
Von dieſer Zeit an verfaͤllt die Macht der Aequer und Volsker ſichtbar. Nicht die roͤmiſch-latiniſchen Kriege hatten ſie gebrochen: deren Sitz bisher ihr eig- nes Land hoͤchſt ſelten, und immer nur ſeine aͤußerſte
41) Zonaras VII. c. 19.
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zaͤhlt wird, ſich mit ihnen wieder verbunden hatte, muͤſ-
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welches drey Jahre ſpaͤter (340) erobert ward, ſcheint
unſtreitig ſeit jenem Kriege den Aequern geblieben zu
ſeyn: mit hartnaͤckiger Anſtrengung entriſſen ſich nun
abwechſelnd Aequer und Roͤmer den Beſitz dieſer Stadt:
er blieb den letzten. Dieſe Eroberung veranlaßte ein
Verbrechen welches bis auf die Syllaniſchen Zeiten ein-
zig in der roͤmiſchen Geſchichte iſt. Die Soldaten for-
derten Aſſignation der eroberten bolaniſchen Landſchaft,
wenigſtens die gewonnene Beute als Entſchaͤdigung fuͤr
ihren unbeſoldeten Dienſt: beydes ward ihnen abge-
ſchlagen. Als die Beute fuͤr den Staat verkauft ward,
entſtand ein Auflauf; ein Steinwurf verwundete oder
toͤdtete den Quaͤſtor 41). Der Militartribun M. Po-
ſtumius, deſſen Haͤrte und ſchnoͤde Worte die Erbitterung
erregt hatten, rechnete zu ſtolz auf die Gewalt ſeiner
Wuͤrde: er hielt ein unerbittliches Gericht. So lange
die Schuldigſten buͤßten, erhielt das Bewußtſeyn ſchwe-
res Vergehens den Gehorſam: als aber der Tribun
ohne Ziel mit grauſamen Strafen wuͤthete, brach eine
zweyte Empoͤrung aus, worin Poſtumius das Leben
verlohr.
Von dieſer Zeit an verfaͤllt die Macht der Aequer
und Volsker ſichtbar. Nicht die roͤmiſch-latiniſchen
Kriege hatten ſie gebrochen: deren Sitz bisher ihr eig-
nes Land hoͤchſt ſelten, und immer nur ſeine aͤußerſte
41) Zonaras VII. c. 19.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/223>, abgerufen am 23.11.2024.
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