herrschte, die Phokäer sehr freundlich aufnahm, und einem ihrer Anführer seine Tochter vermählte 18).
Mit der Entfernung dieser chronologischen Autorität sinkt in Livius eigener Erzählung der ausgedehnte Zeit- raum zusammen. Bellovesus, der über die Alpen der Tauriner geht, schlägt die Etrusker am Ticinus, und gründet Mediolanum im Insubrischen Lande. Dieser Sieg, diese Eroberungen, sind offenbar verbunden mit der Einnahme der großen etruskischen Stadt Melpum in eben dieser Landschaft, welche, nach der Angabe des sorg- fältigen Geschichtforschers Cornelius Nepos, eines tuski- schen Transpadaners, gleichzeitig mit Veji fiel (359) 19). Hat Livius von dieser gewußt, so ist es unbegreiflich wie er sich mit der Vorstellung beruhigte, die ungeheure Zahl der einwandernden Gallier wäre zweyhundert Jahre lang in dem engen Winkel zwischen den hohen westlichen Alpen und dem Ticinus ruhig gewesen. War es ihm auch unbe- kannt, so verkennt er doch nicht weniger den sichtbaren Charakter der Völkerwanderung; die überströmende Ge- walt zahlreicher Nationen, die sich bis in Apulien schnell und unwiderstehlich ausbreiteten: ja fast ganz Italien ein- nahmen, während die Römer über dem Schutt ihrer Stadt zitterten 20), und die in sechs Jahren leicht vom Adda bis Rom vordringen konnten. Nicht so Polybius, dessen Mangel an dichterischer Darstellung durch die scharfe Bestimmtheit reichlich vergütet wird, womit er sich
18) Justinus XLIII. c. 3. Athenäus XIII. p. 576. ed. Ca[f].
19) Th. I S. 77.
20) Justinus XXVIII. c. 2. Vergl. Diodor XIV. c. 117.
herrſchte, die Phokaͤer ſehr freundlich aufnahm, und einem ihrer Anfuͤhrer ſeine Tochter vermaͤhlte 18).
Mit der Entfernung dieſer chronologiſchen Autoritaͤt ſinkt in Livius eigener Erzaͤhlung der ausgedehnte Zeit- raum zuſammen. Belloveſus, der uͤber die Alpen der Tauriner geht, ſchlaͤgt die Etrusker am Ticinus, und gruͤndet Mediolanum im Inſubriſchen Lande. Dieſer Sieg, dieſe Eroberungen, ſind offenbar verbunden mit der Einnahme der großen etruskiſchen Stadt Melpum in eben dieſer Landſchaft, welche, nach der Angabe des ſorg- faͤltigen Geſchichtforſchers Cornelius Nepos, eines tuski- ſchen Transpadaners, gleichzeitig mit Veji fiel (359) 19). Hat Livius von dieſer gewußt, ſo iſt es unbegreiflich wie er ſich mit der Vorſtellung beruhigte, die ungeheure Zahl der einwandernden Gallier waͤre zweyhundert Jahre lang in dem engen Winkel zwiſchen den hohen weſtlichen Alpen und dem Ticinus ruhig geweſen. War es ihm auch unbe- kannt, ſo verkennt er doch nicht weniger den ſichtbaren Charakter der Voͤlkerwanderung; die uͤberſtroͤmende Ge- walt zahlreicher Nationen, die ſich bis in Apulien ſchnell und unwiderſtehlich ausbreiteten: ja faſt ganz Italien ein- nahmen, waͤhrend die Roͤmer uͤber dem Schutt ihrer Stadt zitterten 20), und die in ſechs Jahren leicht vom Adda bis Rom vordringen konnten. Nicht ſo Polybius, deſſen Mangel an dichteriſcher Darſtellung durch die ſcharfe Beſtimmtheit reichlich verguͤtet wird, womit er ſich
18) Juſtinus XLIII. c. 3. Athenaͤus XIII. p. 576. ed. Ca[f].
19) Th. I S. 77.
20) Juſtinus XXVIII. c. 2. Vergl. Diodor XIV. c. 117.
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herrſchte, die Phokaͤer ſehr freundlich aufnahm, und
einem ihrer Anfuͤhrer ſeine Tochter vermaͤhlte 18).
Mit der Entfernung dieſer chronologiſchen Autoritaͤt
ſinkt in Livius eigener Erzaͤhlung der ausgedehnte Zeit-
raum zuſammen. Belloveſus, der uͤber die Alpen der
Tauriner geht, ſchlaͤgt die Etrusker am Ticinus, und
gruͤndet Mediolanum im Inſubriſchen Lande. Dieſer
Sieg, dieſe Eroberungen, ſind offenbar verbunden mit
der Einnahme der großen etruskiſchen Stadt Melpum in
eben dieſer Landſchaft, welche, nach der Angabe des ſorg-
faͤltigen Geſchichtforſchers Cornelius Nepos, eines tuski-
ſchen Transpadaners, gleichzeitig mit Veji fiel (359) 19).
Hat Livius von dieſer gewußt, ſo iſt es unbegreiflich wie
er ſich mit der Vorſtellung beruhigte, die ungeheure Zahl
der einwandernden Gallier waͤre zweyhundert Jahre lang
in dem engen Winkel zwiſchen den hohen weſtlichen Alpen
und dem Ticinus ruhig geweſen. War es ihm auch unbe-
kannt, ſo verkennt er doch nicht weniger den ſichtbaren
Charakter der Voͤlkerwanderung; die uͤberſtroͤmende Ge-
walt zahlreicher Nationen, die ſich bis in Apulien ſchnell
und unwiderſtehlich ausbreiteten: ja faſt ganz Italien ein-
nahmen, waͤhrend die Roͤmer uͤber dem Schutt ihrer
Stadt zitterten 20), und die in ſechs Jahren leicht vom
Adda bis Rom vordringen konnten. Nicht ſo Polybius,
deſſen Mangel an dichteriſcher Darſtellung durch die
ſcharfe Beſtimmtheit reichlich verguͤtet wird, womit er ſich
18) Juſtinus XLIII. c. 3. Athenaͤus XIII. p. 576. ed. Caf.
19) Th. I S. 77.
20) Juſtinus XXVIII. c. 2. Vergl. Diodor XIV. c. 117.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/276>, abgerufen am 24.11.2024.
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