In dem Capitol und der Burg, fest nur durch die damals steilen Wände des hohen Felsenhügels und der mächtigen Substructionen, nicht durch umgebende Mau- ern, war der Senat, mit ihm wohl die noch übrige patri- cische Jugend, versammelt. Nicht uneinnehmbar war der Ort bey einem entschlossenen Sturm; Appius Herdonius hatte den Römern unterliegen müssen. Auch die Gal- lier versuchten es den Krieg schnell zu endigen; aber ihr Angriff ward mit großem Verlust zurückgeschlagen. Von der Zeit an wagten sie keinen neuen Sturm, sie rechneten auf den Hunger der die Uebergabe zuletzt er- zwingen müsse, da jeder Entsatz unmöglich schien. Mehr auf Beute bedacht als auf Niederlassung in so entfern- ten Gegenden, in einer für sie wenig lockenden unfrucht- baren Landschaft, hatten sie die Stadt allmählig, da al- les was des Wegnehmens werth seyn konnte fortge- schleppt war, angezündet, und außer wenigen Häusern auf dem Palatium, die ihre Heerführer wahrscheinlich zur Wohnung für sich verschonen ließen 51), einge- äschert. Daher, als die Uebergabe der Burg sich ver- zögerte, begannen sie selbst ohne Obdach Ungemach zu leiden: der Herbst, vor Alters wie bis auf diesen Tag, besonders für den Nordländer, seuchenvoll zu Rom, er- zeugte Fieber, die eine Menge Gallier wegrafften, wie Barbarossas nordisches Heer in denselben Monaten un- ter Roms Mauern hinstarb. Die Gegend wo die Tod- ten aufgehäuft verbrannt wurden, ward, so lange das
51) Diodor XIV. c. 115.
S 2
In dem Capitol und der Burg, feſt nur durch die damals ſteilen Waͤnde des hohen Felſenhuͤgels und der maͤchtigen Subſtructionen, nicht durch umgebende Mau- ern, war der Senat, mit ihm wohl die noch uͤbrige patri- ciſche Jugend, verſammelt. Nicht uneinnehmbar war der Ort bey einem entſchloſſenen Sturm; Appius Herdonius hatte den Roͤmern unterliegen muͤſſen. Auch die Gal- lier verſuchten es den Krieg ſchnell zu endigen; aber ihr Angriff ward mit großem Verluſt zuruͤckgeſchlagen. Von der Zeit an wagten ſie keinen neuen Sturm, ſie rechneten auf den Hunger der die Uebergabe zuletzt er- zwingen muͤſſe, da jeder Entſatz unmoͤglich ſchien. Mehr auf Beute bedacht als auf Niederlaſſung in ſo entfern- ten Gegenden, in einer fuͤr ſie wenig lockenden unfrucht- baren Landſchaft, hatten ſie die Stadt allmaͤhlig, da al- les was des Wegnehmens werth ſeyn konnte fortge- ſchleppt war, angezuͤndet, und außer wenigen Haͤuſern auf dem Palatium, die ihre Heerfuͤhrer wahrſcheinlich zur Wohnung fuͤr ſich verſchonen ließen 51), einge- aͤſchert. Daher, als die Uebergabe der Burg ſich ver- zoͤgerte, begannen ſie ſelbſt ohne Obdach Ungemach zu leiden: der Herbſt, vor Alters wie bis auf dieſen Tag, beſonders fuͤr den Nordlaͤnder, ſeuchenvoll zu Rom, er- zeugte Fieber, die eine Menge Gallier wegrafften, wie Barbaroſſas nordiſches Heer in denſelben Monaten un- ter Roms Mauern hinſtarb. Die Gegend wo die Tod- ten aufgehaͤuft verbrannt wurden, ward, ſo lange das
51) Diodor XIV. c. 115.
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In dem Capitol und der Burg, feſt nur durch die
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maͤchtigen Subſtructionen, nicht durch umgebende Mau-
ern, war der Senat, mit ihm wohl die noch uͤbrige patri-
ciſche Jugend, verſammelt. Nicht uneinnehmbar war der
Ort bey einem entſchloſſenen Sturm; Appius Herdonius
hatte den Roͤmern unterliegen muͤſſen. Auch die Gal-
lier verſuchten es den Krieg ſchnell zu endigen; aber
ihr Angriff ward mit großem Verluſt zuruͤckgeſchlagen.
Von der Zeit an wagten ſie keinen neuen Sturm, ſie
rechneten auf den Hunger der die Uebergabe zuletzt er-
zwingen muͤſſe, da jeder Entſatz unmoͤglich ſchien. Mehr
auf Beute bedacht als auf Niederlaſſung in ſo entfern-
ten Gegenden, in einer fuͤr ſie wenig lockenden unfrucht-
baren Landſchaft, hatten ſie die Stadt allmaͤhlig, da al-
les was des Wegnehmens werth ſeyn konnte fortge-
ſchleppt war, angezuͤndet, und außer wenigen Haͤuſern
auf dem Palatium, die ihre Heerfuͤhrer wahrſcheinlich
zur Wohnung fuͤr ſich verſchonen ließen 51), einge-
aͤſchert. Daher, als die Uebergabe der Burg ſich ver-
zoͤgerte, begannen ſie ſelbſt ohne Obdach Ungemach zu
leiden: der Herbſt, vor Alters wie bis auf dieſen Tag,
beſonders fuͤr den Nordlaͤnder, ſeuchenvoll zu Rom, er-
zeugte Fieber, die eine Menge Gallier wegrafften, wie
Barbaroſſas nordiſches Heer in denſelben Monaten un-
ter Roms Mauern hinſtarb. Die Gegend wo die Tod-
ten aufgehaͤuft verbrannt wurden, ward, ſo lange das
51) Diodor XIV. c. 115.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/291>, abgerufen am 24.11.2024.
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