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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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solchen Wechsel seines Schicksals zu erwarten. Ganz an-
ders verhält es sich mit der Einziehung des Bauernlands,
selbst bey fortdauernder Erbunterthänigkeit. Nur gänz-
liche Unkunde des einheimischen alten Rechts hat es ver-
kennen können daß Bauernland von Alters her bey allen
deutschen Völkern abgesondert vom Hofland, unverein-
bar mit ihm, und unverletzlich bestanden hat: wenn auch
über das erbliche Anrecht der einzelnen Besitzer, und die
Freyheit der Herren in der Belehnung, Abweichungen
Statt fanden. Durchgehends war der Besitz veräußerlich
und in der Familie erblich, immer wenigstens mußte er
einem Bauern verliehen seyn. Der unterthänige Bauer
war nur zu Zinsen, Laudemien und Diensten pflichtig,
und dem Gericht seines Herrn unterworfen, daher frey-
lich auch seiner Willkühr überlassen, und nur durch sein Ge-
wissen geschützt 86), wie der Unterthan gegen den Landes-
herrn. Dieses, für künftige Ausbildung in sich vorberei-
tete Verhältniß, ist zu einem völligen Eigenthumsrecht des
Gutsbesitzers an den Boden, und einem geduldeten Pacht-
besitz des Bauern verdreht worden: zugleich hat sich die
Predigt vom Mehrertrag der großen Wirthschaften, und
der verschwenderischen Kostbarkeit kleiner Besitzthümer
für den Nationalreichthum, erhoben. Man wollte reiche
Staaten, zusammengesetzt aus der größten möglichen

Summe
86) Eine Hauptstelle über dies germanische Recht auch außer
Deutschland findet sich aus dem französischen Juristen Pe-
trus de Fontanis
bey Ducange s. v. Villanus. Die weitere
Erörterung fordert eine eigene Abhandlung.

ſolchen Wechſel ſeines Schickſals zu erwarten. Ganz an-
ders verhaͤlt es ſich mit der Einziehung des Bauernlands,
ſelbſt bey fortdauernder Erbunterthaͤnigkeit. Nur gaͤnz-
liche Unkunde des einheimiſchen alten Rechts hat es ver-
kennen koͤnnen daß Bauernland von Alters her bey allen
deutſchen Voͤlkern abgeſondert vom Hofland, unverein-
bar mit ihm, und unverletzlich beſtanden hat: wenn auch
uͤber das erbliche Anrecht der einzelnen Beſitzer, und die
Freyheit der Herren in der Belehnung, Abweichungen
Statt fanden. Durchgehends war der Beſitz veraͤußerlich
und in der Familie erblich, immer wenigſtens mußte er
einem Bauern verliehen ſeyn. Der unterthaͤnige Bauer
war nur zu Zinſen, Laudemien und Dienſten pflichtig,
und dem Gericht ſeines Herrn unterworfen, daher frey-
lich auch ſeiner Willkuͤhr uͤberlaſſen, und nur durch ſein Ge-
wiſſen geſchuͤtzt 86), wie der Unterthan gegen den Landes-
herrn. Dieſes, fuͤr kuͤnftige Ausbildung in ſich vorberei-
tete Verhaͤltniß, iſt zu einem voͤlligen Eigenthumsrecht des
Gutsbeſitzers an den Boden, und einem geduldeten Pacht-
beſitz des Bauern verdreht worden: zugleich hat ſich die
Predigt vom Mehrertrag der großen Wirthſchaften, und
der verſchwenderiſchen Koſtbarkeit kleiner Beſitzthuͤmer
fuͤr den Nationalreichthum, erhoben. Man wollte reiche
Staaten, zuſammengeſetzt aus der groͤßten moͤglichen

Summe
86) Eine Hauptſtelle uͤber dies germaniſche Recht auch außer
Deutſchland findet ſich aus dem franzoͤſiſchen Juriſten Pe-
trus de Fontanis
bey Ducange s. v. Villanus. Die weitere
Eroͤrterung fordert eine eigene Abhandlung.
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[368/0384] ſolchen Wechſel ſeines Schickſals zu erwarten. Ganz an- ders verhaͤlt es ſich mit der Einziehung des Bauernlands, ſelbſt bey fortdauernder Erbunterthaͤnigkeit. Nur gaͤnz- liche Unkunde des einheimiſchen alten Rechts hat es ver- kennen koͤnnen daß Bauernland von Alters her bey allen deutſchen Voͤlkern abgeſondert vom Hofland, unverein- bar mit ihm, und unverletzlich beſtanden hat: wenn auch uͤber das erbliche Anrecht der einzelnen Beſitzer, und die Freyheit der Herren in der Belehnung, Abweichungen Statt fanden. Durchgehends war der Beſitz veraͤußerlich und in der Familie erblich, immer wenigſtens mußte er einem Bauern verliehen ſeyn. Der unterthaͤnige Bauer war nur zu Zinſen, Laudemien und Dienſten pflichtig, und dem Gericht ſeines Herrn unterworfen, daher frey- lich auch ſeiner Willkuͤhr uͤberlaſſen, und nur durch ſein Ge- wiſſen geſchuͤtzt 86), wie der Unterthan gegen den Landes- herrn. Dieſes, fuͤr kuͤnftige Ausbildung in ſich vorberei- tete Verhaͤltniß, iſt zu einem voͤlligen Eigenthumsrecht des Gutsbeſitzers an den Boden, und einem geduldeten Pacht- beſitz des Bauern verdreht worden: zugleich hat ſich die Predigt vom Mehrertrag der großen Wirthſchaften, und der verſchwenderiſchen Koſtbarkeit kleiner Beſitzthuͤmer fuͤr den Nationalreichthum, erhoben. Man wollte reiche Staaten, zuſammengeſetzt aus der groͤßten moͤglichen Summe 86) Eine Hauptſtelle uͤber dies germaniſche Recht auch außer Deutſchland findet ſich aus dem franzoͤſiſchen Juriſten Pe- trus de Fontanis bey Ducange s. v. Villanus. Die weitere Eroͤrterung fordert eine eigene Abhandlung.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/384>, abgerufen am 22.11.2024.