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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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schen Republik mit den Verhältnissen woran wir ge-
wöhnt sind, nicht verglichen werden können.

Verschuldung war unter den Römern eine Unehre,
wie sie nach dem alten Recht zur Knechtschaft, und auch
nach dem Pötelischen Gesetz zur bürgerlichen Ehrlosig-
keit, führen konnte. Zum Gewinn und zu Speculatio-
nen borgte nur der Kaufmann auf Bodmerey, und
Rom war keine Handelsstadt. Der Landwirth verbes-
serte sein Feld soweit seine und der Seinigen Arbeit
reichte. Die größte Quelle der Privatverschuldung fehlte
weil es kein Hypothekenrecht gab. Die Kaufsumme von
liegenden Gründen ward baar bezahlt, und wenn meh-
reren ein Grundstück durch Erbschaft zufiel, so blieb es
entweder in gemeinschaftlichem Besitz, oder es ward in
der Substanz getheilt. Die Schulden welche das lici-
nische Gesetz betraf waren also, was bey uns ein klei-
ner Theil der ganzen Schuldenmasse ist, nur aus wah-
rer Noth entstandene: denn Verschwendung war auch
noch ganz unbekannt: sie glichen in ihrer ganzen Be-
schaffenheit den Wechselschulden. Dies nun bestimmt
auch die moralische Beurtheilung; denn borgen aus
Noth erzeugt Wucher; der Wucher ist gesetzlichen Schutzes
unwürdig; und das licinische Gesetz war doch nur wie
eine Fallitenordnung zum Vortheil derer die, im Durch-
schnitt, zwey Drittheil ihrer Schuld abtragen konnten.
Die Gesetze über den Bankerott begünstigen die Erhal-
tung eines Theils vom Vermögen: das licinische be-
wahrte die persönliche Freyheit, und erhielt der Repu-
blik Bürger die sonst als Sklaven über die Gränze ver-

ſchen Republik mit den Verhaͤltniſſen woran wir ge-
woͤhnt ſind, nicht verglichen werden koͤnnen.

Verſchuldung war unter den Roͤmern eine Unehre,
wie ſie nach dem alten Recht zur Knechtſchaft, und auch
nach dem Poͤteliſchen Geſetz zur buͤrgerlichen Ehrloſig-
keit, fuͤhren konnte. Zum Gewinn und zu Speculatio-
nen borgte nur der Kaufmann auf Bodmerey, und
Rom war keine Handelsſtadt. Der Landwirth verbeſ-
ſerte ſein Feld ſoweit ſeine und der Seinigen Arbeit
reichte. Die groͤßte Quelle der Privatverſchuldung fehlte
weil es kein Hypothekenrecht gab. Die Kaufſumme von
liegenden Gruͤnden ward baar bezahlt, und wenn meh-
reren ein Grundſtuͤck durch Erbſchaft zufiel, ſo blieb es
entweder in gemeinſchaftlichem Beſitz, oder es ward in
der Subſtanz getheilt. Die Schulden welche das lici-
niſche Geſetz betraf waren alſo, was bey uns ein klei-
ner Theil der ganzen Schuldenmaſſe iſt, nur aus wah-
rer Noth entſtandene: denn Verſchwendung war auch
noch ganz unbekannt: ſie glichen in ihrer ganzen Be-
ſchaffenheit den Wechſelſchulden. Dies nun beſtimmt
auch die moraliſche Beurtheilung; denn borgen aus
Noth erzeugt Wucher; der Wucher iſt geſetzlichen Schutzes
unwuͤrdig; und das liciniſche Geſetz war doch nur wie
eine Fallitenordnung zum Vortheil derer die, im Durch-
ſchnitt, zwey Drittheil ihrer Schuld abtragen konnten.
Die Geſetze uͤber den Bankerott beguͤnſtigen die Erhal-
tung eines Theils vom Vermoͤgen: das liciniſche be-
wahrte die perſoͤnliche Freyheit, und erhielt der Repu-
blik Buͤrger die ſonſt als Sklaven uͤber die Graͤnze ver-

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[404/0420] ſchen Republik mit den Verhaͤltniſſen woran wir ge- woͤhnt ſind, nicht verglichen werden koͤnnen. Verſchuldung war unter den Roͤmern eine Unehre, wie ſie nach dem alten Recht zur Knechtſchaft, und auch nach dem Poͤteliſchen Geſetz zur buͤrgerlichen Ehrloſig- keit, fuͤhren konnte. Zum Gewinn und zu Speculatio- nen borgte nur der Kaufmann auf Bodmerey, und Rom war keine Handelsſtadt. Der Landwirth verbeſ- ſerte ſein Feld ſoweit ſeine und der Seinigen Arbeit reichte. Die groͤßte Quelle der Privatverſchuldung fehlte weil es kein Hypothekenrecht gab. Die Kaufſumme von liegenden Gruͤnden ward baar bezahlt, und wenn meh- reren ein Grundſtuͤck durch Erbſchaft zufiel, ſo blieb es entweder in gemeinſchaftlichem Beſitz, oder es ward in der Subſtanz getheilt. Die Schulden welche das lici- niſche Geſetz betraf waren alſo, was bey uns ein klei- ner Theil der ganzen Schuldenmaſſe iſt, nur aus wah- rer Noth entſtandene: denn Verſchwendung war auch noch ganz unbekannt: ſie glichen in ihrer ganzen Be- ſchaffenheit den Wechſelſchulden. Dies nun beſtimmt auch die moraliſche Beurtheilung; denn borgen aus Noth erzeugt Wucher; der Wucher iſt geſetzlichen Schutzes unwuͤrdig; und das liciniſche Geſetz war doch nur wie eine Fallitenordnung zum Vortheil derer die, im Durch- ſchnitt, zwey Drittheil ihrer Schuld abtragen konnten. Die Geſetze uͤber den Bankerott beguͤnſtigen die Erhal- tung eines Theils vom Vermoͤgen: das liciniſche be- wahrte die perſoͤnliche Freyheit, und erhielt der Repu- blik Buͤrger die ſonſt als Sklaven uͤber die Graͤnze ver-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/420>, abgerufen am 22.11.2024.