Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

ten. Vor dem Jahr 537 scheint allerdings das patrici-
sche Recht auf den nothwendigen Besitz einer der Stellen
des Consulats erloschen gewesen zu seyn: denn damals
fand nur ein religiöses Bedenken Statt gegen zwey plebe-
jische Consuln: die Wahl hatte sie ernannt 30). Erst
von 580 an beginnen diese ganz plebejischen Consulate,
und folgen sich oft häufig, als der ursprüngliche Unter-
schied der Stände durch die zahlreiche plebejische Nobili-
tät ganz in Vergessenheit gekommen war, und die Patri-
cier selbst so wenig mehr darauf achteten, daß es einer von
ihnen war der bey der ersten Wahl dieser Art vorsaß 31).

Ein Plebiscit welches Zinsdarleihen untersagt haben
soll, kann nicht zur Ausführung gekommen seyn: hat doch
selbst die Schuldknechtschaft bis zum Jahr 429 bestanden.
Diese bestehen zu lassen und den Zinshandel zu untersagen,
wäre höchst widersinnig gewesen. Vielleicht ist es damit
auch nur ein Mißverständniß; vielleicht muß man Appian
und Victor 32) glauben, welche berichten daß durch ein
gewaltsames Gelegenheitsgesetz die Schulden getilgt wä-
ren. Schon einmal sahen wir daß Livius diese von an-
dern eingestandene Schmach verschwieg. Zonaras meldet
nur die politischen Gesetze 33).

Ist es erlaubt als wahrscheinlich anzunehmen daß
auch diese, in sich einige, Gesetzgebung von einem einzi-
gen Urheber ausgegangen ist, wie die licinische, die duili-

30) Livius XXIII. c. 31.
31) Derselbe XLII. c. 9
32) Appian Samnit. fr. 1. ed. Schw. Victor de vir. il-
lustr. c.
29.
33) Zonaras VII. c. 25.

ten. Vor dem Jahr 537 ſcheint allerdings das patrici-
ſche Recht auf den nothwendigen Beſitz einer der Stellen
des Conſulats erloſchen geweſen zu ſeyn: denn damals
fand nur ein religioͤſes Bedenken Statt gegen zwey plebe-
jiſche Conſuln: die Wahl hatte ſie ernannt 30). Erſt
von 580 an beginnen dieſe ganz plebejiſchen Conſulate,
und folgen ſich oft haͤufig, als der urſpruͤngliche Unter-
ſchied der Staͤnde durch die zahlreiche plebejiſche Nobili-
taͤt ganz in Vergeſſenheit gekommen war, und die Patri-
cier ſelbſt ſo wenig mehr darauf achteten, daß es einer von
ihnen war der bey der erſten Wahl dieſer Art vorſaß 31).

Ein Plebiſcit welches Zinsdarleihen unterſagt haben
ſoll, kann nicht zur Ausfuͤhrung gekommen ſeyn: hat doch
ſelbſt die Schuldknechtſchaft bis zum Jahr 429 beſtanden.
Dieſe beſtehen zu laſſen und den Zinshandel zu unterſagen,
waͤre hoͤchſt widerſinnig geweſen. Vielleicht iſt es damit
auch nur ein Mißverſtaͤndniß; vielleicht muß man Appian
und Victor 32) glauben, welche berichten daß durch ein
gewaltſames Gelegenheitsgeſetz die Schulden getilgt waͤ-
ren. Schon einmal ſahen wir daß Livius dieſe von an-
dern eingeſtandene Schmach verſchwieg. Zonaras meldet
nur die politiſchen Geſetze 33).

Iſt es erlaubt als wahrſcheinlich anzunehmen daß
auch dieſe, in ſich einige, Geſetzgebung von einem einzi-
gen Urheber ausgegangen iſt, wie die liciniſche, die duili-

30) Livius XXIII. c. 31.
31) Derſelbe XLII. c. 9
32) Appian Samnit. fr. 1. ed. Schw. Victor de vir. il-
lustr. c.
29.
33) Zonaras VII. c. 25.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0468" n="452"/>
ten. Vor dem Jahr 537 &#x017F;cheint allerdings das patrici-<lb/>
&#x017F;che Recht auf den nothwendigen Be&#x017F;itz einer der Stellen<lb/>
des Con&#x017F;ulats erlo&#x017F;chen gewe&#x017F;en zu &#x017F;eyn: denn damals<lb/>
fand nur ein religio&#x0364;&#x017F;es Bedenken Statt gegen zwey plebe-<lb/>
ji&#x017F;che Con&#x017F;uln: die Wahl hatte &#x017F;ie ernannt <note place="foot" n="30)">Livius <hi rendition="#aq">XXIII. c.</hi> 31.</note>. Er&#x017F;t<lb/>
von 580 an beginnen die&#x017F;e ganz plebeji&#x017F;chen Con&#x017F;ulate,<lb/>
und folgen &#x017F;ich oft ha&#x0364;ufig, als der ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche Unter-<lb/>
&#x017F;chied der Sta&#x0364;nde durch die zahlreiche plebeji&#x017F;che Nobili-<lb/>
ta&#x0364;t ganz in Verge&#x017F;&#x017F;enheit gekommen war, und die Patri-<lb/>
cier &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o wenig mehr darauf achteten, daß es einer von<lb/>
ihnen war der bey der er&#x017F;ten Wahl die&#x017F;er Art vor&#x017F;<note place="foot" n="31)">Der&#x017F;elbe <hi rendition="#aq">XLII. c.</hi> 9</note>.</p><lb/>
        <p>Ein Plebi&#x017F;cit welches Zinsdarleihen unter&#x017F;agt haben<lb/>
&#x017F;oll, kann nicht zur Ausfu&#x0364;hrung gekommen &#x017F;eyn: hat doch<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t die Schuldknecht&#x017F;chaft bis zum Jahr 429 be&#x017F;tanden.<lb/>
Die&#x017F;e be&#x017F;tehen zu la&#x017F;&#x017F;en und den Zinshandel zu unter&#x017F;agen,<lb/>
wa&#x0364;re ho&#x0364;ch&#x017F;t wider&#x017F;innig gewe&#x017F;en. Vielleicht i&#x017F;t es damit<lb/>
auch nur ein Mißver&#x017F;ta&#x0364;ndniß; vielleicht muß man Appian<lb/>
und Victor <note place="foot" n="32)">Appian <hi rendition="#aq">Samnit. fr. 1. ed. Schw.</hi> Victor <hi rendition="#aq">de vir. il-<lb/>
lustr. c.</hi> 29.</note> glauben, welche berichten daß durch ein<lb/>
gewalt&#x017F;ames Gelegenheitsge&#x017F;etz die Schulden getilgt wa&#x0364;-<lb/>
ren. Schon einmal &#x017F;ahen wir daß Livius die&#x017F;e von an-<lb/>
dern einge&#x017F;tandene Schmach ver&#x017F;chwieg. Zonaras meldet<lb/>
nur die politi&#x017F;chen Ge&#x017F;etze <note place="foot" n="33)">Zonaras <hi rendition="#aq">VII. c.</hi> 25.</note>.</p><lb/>
        <p>I&#x017F;t es erlaubt als wahr&#x017F;cheinlich anzunehmen daß<lb/>
auch die&#x017F;e, in &#x017F;ich einige, Ge&#x017F;etzgebung von einem einzi-<lb/>
gen Urheber ausgegangen i&#x017F;t, wie die licini&#x017F;che, die duili-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[452/0468] ten. Vor dem Jahr 537 ſcheint allerdings das patrici- ſche Recht auf den nothwendigen Beſitz einer der Stellen des Conſulats erloſchen geweſen zu ſeyn: denn damals fand nur ein religioͤſes Bedenken Statt gegen zwey plebe- jiſche Conſuln: die Wahl hatte ſie ernannt 30). Erſt von 580 an beginnen dieſe ganz plebejiſchen Conſulate, und folgen ſich oft haͤufig, als der urſpruͤngliche Unter- ſchied der Staͤnde durch die zahlreiche plebejiſche Nobili- taͤt ganz in Vergeſſenheit gekommen war, und die Patri- cier ſelbſt ſo wenig mehr darauf achteten, daß es einer von ihnen war der bey der erſten Wahl dieſer Art vorſaß 31). Ein Plebiſcit welches Zinsdarleihen unterſagt haben ſoll, kann nicht zur Ausfuͤhrung gekommen ſeyn: hat doch ſelbſt die Schuldknechtſchaft bis zum Jahr 429 beſtanden. Dieſe beſtehen zu laſſen und den Zinshandel zu unterſagen, waͤre hoͤchſt widerſinnig geweſen. Vielleicht iſt es damit auch nur ein Mißverſtaͤndniß; vielleicht muß man Appian und Victor 32) glauben, welche berichten daß durch ein gewaltſames Gelegenheitsgeſetz die Schulden getilgt waͤ- ren. Schon einmal ſahen wir daß Livius dieſe von an- dern eingeſtandene Schmach verſchwieg. Zonaras meldet nur die politiſchen Geſetze 33). Iſt es erlaubt als wahrſcheinlich anzunehmen daß auch dieſe, in ſich einige, Geſetzgebung von einem einzi- gen Urheber ausgegangen iſt, wie die liciniſche, die duili- 30) Livius XXIII. c. 31. 31) Derſelbe XLII. c. 9 32) Appian Samnit. fr. 1. ed. Schw. Victor de vir. il- lustr. c. 29. 33) Zonaras VII. c. 25.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/468
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/468>, abgerufen am 22.11.2024.