Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

Kraft, wenn ich ihnen sagte: -- Verkennt, ihr
Glüklichen, denen Gott Kinder gab, euer Glück und
eure Würde nicht! Eine Heidinn nannte ihre Söhne
ihre Kleinodien! Ihr seyd Christinnen, und kennt
als solche die Würde des Menschen, und wie viel
er Gott werth ist, und was er für ihn gethan hat!
Von denen Eindrücken, die sie -- eure kostbarsten
Güter -- von euch zuerst bekommen, hängt viel-
leicht ein großer Theil ihrer Glückseligkeit auf die
ganze Dauer ihres Daseyns ab! Könntet ihr sie so
hassen, sie unglücklich machen zu wollen? O daß
das Beyspiel, das gefahrvolle Beyspiel so vieler um
euch her, euch nicht verführe; daß euer Vergnügen,
das ihr vielleicht einst mit bittrer Reue büßen müßt,
euch nicht wichtiger als das Wohl unsterblicher Seelen
sey! Nicht werth wärt ihr, Mütter zu seyn, wenn
euch die Eitelkeiten der Welt, die Lustbarkeiten der
Mode, die Tändeleyen der Thoren besser gefallen
könnten, als der engere Kreis eurer Kinder, als das
sichtbare Wachsen und Reifwerden ihrer Kräfte, als
das unschuldige Spiel, das ihr leiten und selbst zum
Mittel brauchen könnt, sie besser und verständiger zu
machen. -- Ich zittere für euch, wenn ich mir denke,
daß einst eure Kinder über euch seufzen, und niemand,
niemand euch in ihnen selig preisen könnte! Und doch

wäre

Kraft, wenn ich ihnen ſagte: — Verkennt, ihr
Glüklichen, denen Gott Kinder gab, euer Glück und
eure Würde nicht! Eine Heidinn nannte ihre Söhne
ihre Kleinodien! Ihr ſeyd Chriſtinnen, und kennt
als ſolche die Würde des Menſchen, und wie viel
er Gott werth iſt, und was er für ihn gethan hat!
Von denen Eindrücken, die ſie — eure koſtbarſten
Güter — von euch zuerſt bekommen, hängt viel-
leicht ein großer Theil ihrer Glückſeligkeit auf die
ganze Dauer ihres Daſeyns ab! Könntet ihr ſie ſo
haſſen, ſie unglücklich machen zu wollen? O daß
das Beyſpiel, das gefahrvolle Beyſpiel ſo vieler um
euch her, euch nicht verführe; daß euer Vergnügen,
das ihr vielleicht einſt mit bittrer Reue büßen müßt,
euch nicht wichtiger als das Wohl unſterblicher Seelen
ſey! Nicht werth wärt ihr, Mütter zu ſeyn, wenn
euch die Eitelkeiten der Welt, die Luſtbarkeiten der
Mode, die Tändeleyen der Thoren beſſer gefallen
könnten, als der engere Kreis eurer Kinder, als das
ſichtbare Wachſen und Reifwerden ihrer Kräfte, als
das unſchuldige Spiel, das ihr leiten und ſelbſt zum
Mittel brauchen könnt, ſie beſſer und verſtändiger zu
machen. — Ich zittere für euch, wenn ich mir denke,
daß einſt eure Kinder über euch ſeufzen, und niemand,
niemand euch in ihnen ſelig preiſen könnte! Und doch

wäre
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0125" n="109[121]"/>
Kraft, wenn ich ihnen &#x017F;agte: &#x2014; Verkennt, ihr<lb/>
Glüklichen, denen Gott Kinder gab, euer Glück und<lb/>
eure Würde nicht! Eine <hi rendition="#fr">Heidinn</hi> nannte ihre Söhne<lb/>
ihre Kleinodien! Ihr &#x017F;eyd <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tinnen,</hi> und kennt<lb/>
als &#x017F;olche die Würde des Men&#x017F;chen, und wie viel<lb/>
er Gott werth i&#x017F;t, und was er für ihn gethan hat!<lb/>
Von denen Eindrücken, die &#x017F;ie &#x2014; eure ko&#x017F;tbar&#x017F;ten<lb/>
Güter &#x2014; von euch zuer&#x017F;t bekommen, hängt viel-<lb/>
leicht ein großer Theil ihrer Glück&#x017F;eligkeit auf die<lb/>
ganze Dauer ihres Da&#x017F;eyns ab! Könntet ihr &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
ha&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ie unglücklich machen zu wollen? O daß<lb/>
das Bey&#x017F;piel, das gefahrvolle Bey&#x017F;piel &#x017F;o vieler um<lb/>
euch her, euch nicht verführe; daß euer Vergnügen,<lb/>
das ihr vielleicht ein&#x017F;t mit bittrer Reue büßen müßt,<lb/>
euch nicht wichtiger als das Wohl un&#x017F;terblicher Seelen<lb/>
&#x017F;ey! Nicht werth wärt ihr, Mütter zu &#x017F;eyn, wenn<lb/>
euch die Eitelkeiten der Welt, die Lu&#x017F;tbarkeiten der<lb/>
Mode, die Tändeleyen der Thoren be&#x017F;&#x017F;er gefallen<lb/>
könnten, als der engere Kreis eurer Kinder, als das<lb/>
&#x017F;ichtbare Wach&#x017F;en und Reifwerden ihrer Kräfte, als<lb/>
das un&#x017F;chuldige Spiel, das ihr leiten und &#x017F;elb&#x017F;t zum<lb/>
Mittel brauchen könnt, &#x017F;ie be&#x017F;&#x017F;er und ver&#x017F;tändiger zu<lb/>
machen. &#x2014; Ich zittere für euch, wenn ich mir denke,<lb/>
daß ein&#x017F;t eure Kinder über euch &#x017F;eufzen, und niemand,<lb/>
niemand euch in ihnen &#x017F;elig prei&#x017F;en könnte! Und doch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wäre</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109[121]/0125] Kraft, wenn ich ihnen ſagte: — Verkennt, ihr Glüklichen, denen Gott Kinder gab, euer Glück und eure Würde nicht! Eine Heidinn nannte ihre Söhne ihre Kleinodien! Ihr ſeyd Chriſtinnen, und kennt als ſolche die Würde des Menſchen, und wie viel er Gott werth iſt, und was er für ihn gethan hat! Von denen Eindrücken, die ſie — eure koſtbarſten Güter — von euch zuerſt bekommen, hängt viel- leicht ein großer Theil ihrer Glückſeligkeit auf die ganze Dauer ihres Daſeyns ab! Könntet ihr ſie ſo haſſen, ſie unglücklich machen zu wollen? O daß das Beyſpiel, das gefahrvolle Beyſpiel ſo vieler um euch her, euch nicht verführe; daß euer Vergnügen, das ihr vielleicht einſt mit bittrer Reue büßen müßt, euch nicht wichtiger als das Wohl unſterblicher Seelen ſey! Nicht werth wärt ihr, Mütter zu ſeyn, wenn euch die Eitelkeiten der Welt, die Luſtbarkeiten der Mode, die Tändeleyen der Thoren beſſer gefallen könnten, als der engere Kreis eurer Kinder, als das ſichtbare Wachſen und Reifwerden ihrer Kräfte, als das unſchuldige Spiel, das ihr leiten und ſelbſt zum Mittel brauchen könnt, ſie beſſer und verſtändiger zu machen. — Ich zittere für euch, wenn ich mir denke, daß einſt eure Kinder über euch ſeufzen, und niemand, niemand euch in ihnen ſelig preiſen könnte! Und doch wäre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/125
Zitationshilfe: Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 109[121]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/125>, abgerufen am 18.12.2024.