Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.Von d. Grunds. d. Erziehungsunterr. im Allgem. selbst mit dem Begriffe zu verbinden, neben todteFormeln und Zeichen von Gegenständen der in- nern Anschauung todte Beschauung von Gegen- ständen der äußeren Anschauung stellt, heißt aus übel nur ärger machen. Wird denn z. B. der, den wir mit einer geistlosen Buchstabengelehrsamkeit und trocknen grammatischen Wortkrämerei zu einer lateinischen oder griechischen Sprachmaschine gebildet haben, dadurch Geist und Leben bekommen, daß wir ihn mit allen Steinen, Pflanzen und Thieren der Erde bekannt machen lassen? Es bleibt ewig wahr: was vom Fleische geboren ist, das ist Fleisch, und was vom Geiste geboren wird, das ist Geist. Dem Geiste wird auch die Materie Geist, während dem Mechanis- mus auch sogar der Geist verknöchert; und so kann eure mechanische Sachkenntniß das Gebrechen der leeren Wortkenntniß nicht heilen, sondern wird vielmehr die Zahl der Gebrechen nur vermehren, und beide sind in gleicher Verdammniß. Die wahre Lösung des Räthsels ist, daß man im Gebiete der äußeren, wie in dem der inneren Anschauung weder den Ge- genstand allein noch dessen Begriff allein in seiner Abstraction auffasse und verfolge, sondern in beiden Gebieten Gegenstand und Begriff in ihrer Vereinigung behandle, beide zwar unter- scheide, aber auch beide wieder verbinde. Aber im Ge- biete der innern Anschauung nur mit Ab- stractionen, im Gebiete der äußeren An- schauung nur mit Sachen sich beschäftigen, bringt so wenig die intendirte Vereinigung hervor, daß es 12*
Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem. ſelbſt mit dem Begriffe zu verbinden, neben todteFormeln und Zeichen von Gegenſtaͤnden der in- nern Anſchauung todte Beſchauung von Gegen- ſtaͤnden der aͤußeren Anſchauung ſtellt, heißt aus uͤbel nur aͤrger machen. Wird denn z. B. der, den wir mit einer geiſtloſen Buchſtabengelehrſamkeit und trocknen grammatiſchen Wortkraͤmerei zu einer lateiniſchen oder griechiſchen Sprachmaſchine gebildet haben, dadurch Geiſt und Leben bekommen, daß wir ihn mit allen Steinen, Pflanzen und Thieren der Erde bekannt machen laſſen? Es bleibt ewig wahr: was vom Fleiſche geboren iſt, das iſt Fleiſch, und was vom Geiſte geboren wird, das iſt Geiſt. Dem Geiſte wird auch die Materie Geiſt, waͤhrend dem Mechaniſ- mus auch ſogar der Geiſt verknoͤchert; und ſo kann eure mechaniſche Sachkenntniß das Gebrechen der leeren Wortkenntniß nicht heilen, ſondern wird vielmehr die Zahl der Gebrechen nur vermehren, und beide ſind in gleicher Verdammniß. Die wahre Loͤſung des Raͤthſels iſt, daß man im Gebiete der aͤußeren, wie in dem der inneren Anſchauung weder den Ge- genſtand allein noch deſſen Begriff allein in ſeiner Abſtraction auffaſſe und verfolge, ſondern in beiden Gebieten Gegenſtand und Begriff in ihrer Vereinigung behandle, beide zwar unter- ſcheide, aber auch beide wieder verbinde. Aber im Ge- biete der innern Anſchauung nur mit Ab- ſtractionen, im Gebiete der aͤußeren An- ſchauung nur mit Sachen ſich beſchaͤftigen, bringt ſo wenig die intendirte Vereinigung hervor, daß es 12*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0191" n="179"/><fw place="top" type="header">Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.</fw><lb/> ſelbſt mit dem <hi rendition="#g">Begriffe</hi> zu verbinden, neben todte<lb/> Formeln und Zeichen von <hi rendition="#g">Gegenſtaͤnden der in-<lb/> nern Anſchauung</hi> todte Beſchauung von <hi rendition="#g">Gegen-<lb/> ſtaͤnden der aͤußeren Anſchauung</hi> ſtellt, heißt<lb/> aus uͤbel nur aͤrger machen. Wird denn z. B. der,<lb/> den wir mit einer geiſtloſen Buchſtabengelehrſamkeit<lb/> und trocknen grammatiſchen Wortkraͤmerei zu einer<lb/> lateiniſchen oder griechiſchen Sprachmaſchine gebildet<lb/> haben, dadurch Geiſt und Leben bekommen, daß wir<lb/> ihn mit allen Steinen, Pflanzen und Thieren der Erde<lb/> bekannt machen laſſen? Es bleibt ewig wahr: was<lb/> vom Fleiſche geboren iſt, das iſt Fleiſch, und was<lb/> vom Geiſte geboren wird, das iſt Geiſt. Dem Geiſte<lb/> wird auch die Materie Geiſt, waͤhrend dem Mechaniſ-<lb/> mus auch ſogar der Geiſt verknoͤchert; und ſo kann<lb/> eure mechaniſche <hi rendition="#g">Sachkenntniß</hi> das Gebrechen der<lb/> leeren <hi rendition="#g">Wortkenntniß</hi> nicht heilen, ſondern wird<lb/> vielmehr die Zahl der Gebrechen nur vermehren, und<lb/> beide ſind in gleicher Verdammniß. Die wahre Loͤſung<lb/> des Raͤthſels iſt, daß man im Gebiete der aͤußeren,<lb/> wie in dem der inneren Anſchauung weder den <hi rendition="#g">Ge-<lb/> genſtand allein</hi> noch deſſen <hi rendition="#g">Begriff allein</hi> in<lb/> ſeiner Abſtraction auffaſſe und verfolge, ſondern in<lb/> beiden Gebieten <hi rendition="#g">Gegenſtand und Begriff in<lb/> ihrer Vereinigung</hi> behandle, beide zwar unter-<lb/> ſcheide, aber auch beide wieder verbinde. Aber im <hi rendition="#g">Ge-<lb/> biete der innern Anſchauung</hi> nur mit <hi rendition="#g">Ab-<lb/> ſtractionen</hi>, im <hi rendition="#g">Gebiete der aͤußeren An-<lb/> ſchauung</hi> nur mit <hi rendition="#g">Sachen</hi> ſich beſchaͤftigen, bringt<lb/> ſo wenig die intendirte Vereinigung hervor, daß es<lb/> <fw place="bottom" type="sig">12*</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [179/0191]
Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
ſelbſt mit dem Begriffe zu verbinden, neben todte
Formeln und Zeichen von Gegenſtaͤnden der in-
nern Anſchauung todte Beſchauung von Gegen-
ſtaͤnden der aͤußeren Anſchauung ſtellt, heißt
aus uͤbel nur aͤrger machen. Wird denn z. B. der,
den wir mit einer geiſtloſen Buchſtabengelehrſamkeit
und trocknen grammatiſchen Wortkraͤmerei zu einer
lateiniſchen oder griechiſchen Sprachmaſchine gebildet
haben, dadurch Geiſt und Leben bekommen, daß wir
ihn mit allen Steinen, Pflanzen und Thieren der Erde
bekannt machen laſſen? Es bleibt ewig wahr: was
vom Fleiſche geboren iſt, das iſt Fleiſch, und was
vom Geiſte geboren wird, das iſt Geiſt. Dem Geiſte
wird auch die Materie Geiſt, waͤhrend dem Mechaniſ-
mus auch ſogar der Geiſt verknoͤchert; und ſo kann
eure mechaniſche Sachkenntniß das Gebrechen der
leeren Wortkenntniß nicht heilen, ſondern wird
vielmehr die Zahl der Gebrechen nur vermehren, und
beide ſind in gleicher Verdammniß. Die wahre Loͤſung
des Raͤthſels iſt, daß man im Gebiete der aͤußeren,
wie in dem der inneren Anſchauung weder den Ge-
genſtand allein noch deſſen Begriff allein in
ſeiner Abſtraction auffaſſe und verfolge, ſondern in
beiden Gebieten Gegenſtand und Begriff in
ihrer Vereinigung behandle, beide zwar unter-
ſcheide, aber auch beide wieder verbinde. Aber im Ge-
biete der innern Anſchauung nur mit Ab-
ſtractionen, im Gebiete der aͤußeren An-
ſchauung nur mit Sachen ſich beſchaͤftigen, bringt
ſo wenig die intendirte Vereinigung hervor, daß es
12*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |