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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

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Zweiter Abschnitt.
here Natur; welche verkennen, das Wesen des Men-
schen selbst, die Humanität, verkennen heißt: was
dagegen die letztere Ansicht vom Menschen auffaßt, ist
in jeder Beziehung der minder wichtige Theil seines
Wesens, seine niedere Natur, das, was er mit
dem ganzen Thierreiche gemein hat, und was eben des-
halb auch mit Recht den Namen der Humanität nicht
theilt, sondern als Animalität der Menschen-Natur
nur beigezählt wird. So gewiß es überall nachtheili-
ger ist, die Sorge für das minder Wichtige zu über-
treiben und das Wichtigere darüber zu vernachlässigen,
als umgekehrt, mit Hintansetzung des minder Wichtigen,
das Wichtigere mit einer zu ängstlichen Sorgfalt zu
pflegen: so gewiß muß der Nachtheil, den die Einsei-
tigkeit der letztern Abstraction des Begriffes vom Men-
schen in dem Unterrichtssysteme zur Folge hat, unend-
lich viel größer seyn, als in dem entgegengesetzten Sy-
steme je zu fürchten ist. Die Gefahr erscheint aber noch
um soviel furchtbarer, wenn man bedenkt: fürs erste,
daß die Sorge für geistige Bildung des Menschen über-
haupt, -- da ein freiwilliger natürlicher Antrieb dazu ihm,
bei seiner Trägheit zur Reflexion, (welche sogar als die
Erbsünde bezeichnet worden,) fast ganz mangelt, -- so
unentbehrlich, und eben deshalb nicht so leicht zu über-
treiben ist, als die Sorge für die animale Bildung,
welche bei dem ohnehin so mächtigen Antriebe dazu,
der in der Natur des Menschen selbst liegt, nur gar zu
leicht übertrieben werden kann; fürs zweite aber, daß
aus demselben Grunde auch die Vernachlässigung der
besondern Sorge des Erziehers für die animale Bil-

Zweiter Abſchnitt.
here Natur; welche verkennen, das Weſen des Men-
ſchen ſelbſt, die Humanitaͤt, verkennen heißt: was
dagegen die letztere Anſicht vom Menſchen auffaßt, iſt
in jeder Beziehung der minder wichtige Theil ſeines
Weſens, ſeine niedere Natur, das, was er mit
dem ganzen Thierreiche gemein hat, und was eben des-
halb auch mit Recht den Namen der Humanitaͤt nicht
theilt, ſondern als Animalitaͤt der Menſchen-Natur
nur beigezaͤhlt wird. So gewiß es uͤberall nachtheili-
ger iſt, die Sorge fuͤr das minder Wichtige zu uͤber-
treiben und das Wichtigere daruͤber zu vernachlaͤſſigen,
als umgekehrt, mit Hintanſetzung des minder Wichtigen,
das Wichtigere mit einer zu aͤngſtlichen Sorgfalt zu
pflegen: ſo gewiß muß der Nachtheil, den die Einſei-
tigkeit der letztern Abſtraction des Begriffes vom Men-
ſchen in dem Unterrichtsſyſteme zur Folge hat, unend-
lich viel groͤßer ſeyn, als in dem entgegengeſetzten Sy-
ſteme je zu fuͤrchten iſt. Die Gefahr erſcheint aber noch
um ſoviel furchtbarer, wenn man bedenkt: fuͤrs erſte,
daß die Sorge fuͤr geiſtige Bildung des Menſchen uͤber-
haupt, — da ein freiwilliger natuͤrlicher Antrieb dazu ihm,
bei ſeiner Traͤgheit zur Reflexion, (welche ſogar als die
Erbſuͤnde bezeichnet worden,) faſt ganz mangelt, — ſo
unentbehrlich, und eben deshalb nicht ſo leicht zu uͤber-
treiben iſt, als die Sorge fuͤr die animale Bildung,
welche bei dem ohnehin ſo maͤchtigen Antriebe dazu,
der in der Natur des Menſchen ſelbſt liegt, nur gar zu
leicht uͤbertrieben werden kann; fuͤrs zweite aber, daß
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[46/0058] Zweiter Abſchnitt. here Natur; welche verkennen, das Weſen des Men- ſchen ſelbſt, die Humanitaͤt, verkennen heißt: was dagegen die letztere Anſicht vom Menſchen auffaßt, iſt in jeder Beziehung der minder wichtige Theil ſeines Weſens, ſeine niedere Natur, das, was er mit dem ganzen Thierreiche gemein hat, und was eben des- halb auch mit Recht den Namen der Humanitaͤt nicht theilt, ſondern als Animalitaͤt der Menſchen-Natur nur beigezaͤhlt wird. So gewiß es uͤberall nachtheili- ger iſt, die Sorge fuͤr das minder Wichtige zu uͤber- treiben und das Wichtigere daruͤber zu vernachlaͤſſigen, als umgekehrt, mit Hintanſetzung des minder Wichtigen, das Wichtigere mit einer zu aͤngſtlichen Sorgfalt zu pflegen: ſo gewiß muß der Nachtheil, den die Einſei- tigkeit der letztern Abſtraction des Begriffes vom Men- ſchen in dem Unterrichtsſyſteme zur Folge hat, unend- lich viel groͤßer ſeyn, als in dem entgegengeſetzten Sy- ſteme je zu fuͤrchten iſt. Die Gefahr erſcheint aber noch um ſoviel furchtbarer, wenn man bedenkt: fuͤrs erſte, daß die Sorge fuͤr geiſtige Bildung des Menſchen uͤber- haupt, — da ein freiwilliger natuͤrlicher Antrieb dazu ihm, bei ſeiner Traͤgheit zur Reflexion, (welche ſogar als die Erbſuͤnde bezeichnet worden,) faſt ganz mangelt, — ſo unentbehrlich, und eben deshalb nicht ſo leicht zu uͤber- treiben iſt, als die Sorge fuͤr die animale Bildung, welche bei dem ohnehin ſo maͤchtigen Antriebe dazu, der in der Natur des Menſchen ſelbſt liegt, nur gar zu leicht uͤbertrieben werden kann; fuͤrs zweite aber, daß aus demſelben Grunde auch die Vernachlaͤſſigung der beſondern Sorge des Erziehers fuͤr die animale Bil-

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Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/58>, abgerufen am 24.11.2024.