Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.I. Als Zarathustra dreissig Jahr alt war, verliess er "Du grosses Gestirn! Was wäre dein Glück, wenn Zehn Jahre kamst du hier herauf zu meiner Höhle: Aber wir warteten deiner an jedem Morgen, Siehe! Ich bin meiner Weisheit überdrüssig, wie Ich möchte verschenken und austheilen, bis die I. Als Zarathustra dreissig Jahr alt war, verliess er „Du grosses Gestirn! Was wäre dein Glück, wenn Zehn Jahre kamst du hier herauf zu meiner Höhle: Aber wir warteten deiner an jedem Morgen, Siehe! Ich bin meiner Weisheit überdrüssig, wie Ich möchte verschenken und austheilen, bis die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0011" n="5"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#fr">I</hi>.<lb/></head> <p>Als Zarathustra dreissig Jahr alt war, verliess er<lb/> seine Heimat und den See seiner Heimat und gieng in<lb/> das Gebirge. Hier genoss er seines Geistes und seiner<lb/> Einsamkeit und wurde dessen zehn Jahre nicht müde.<lb/> Endlich aber verwandelte sich sein Herz, — und eines<lb/> Morgens stand er mit der Morgenröthe auf, trat vor<lb/> die Sonne hin und sprach zu ihr also:</p><lb/> <p>„Du grosses Gestirn! Was wäre dein Glück, wenn<lb/> du nicht Die hättest, welchen du leuchtest!</p><lb/> <p>Zehn Jahre kamst du hier herauf zu meiner Höhle:<lb/> du würdest deines Lichtes und dieses Weges satt ge¬<lb/> worden sein, ohne mich, meinen Adler und meine<lb/> Schlange.</p><lb/> <p>Aber wir warteten deiner an jedem Morgen,<lb/> nahmen dir deinen Überfluss ab und segneten dich<lb/> dafür.</p><lb/> <p>Siehe! Ich bin meiner Weisheit überdrüssig, wie<lb/> die Biene, die des Honigs zu viel gesammelt hat, ich<lb/> bedarf der Hände, die sich ausstrecken.</p><lb/> <p>Ich möchte verschenken und austheilen, bis die<lb/> Weisen unter den Menschen wieder einmal ihrer<lb/> Thorheit und die Armen wieder einmal ihres Reich¬<lb/> thums froh geworden sind.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0011]
I.
Als Zarathustra dreissig Jahr alt war, verliess er
seine Heimat und den See seiner Heimat und gieng in
das Gebirge. Hier genoss er seines Geistes und seiner
Einsamkeit und wurde dessen zehn Jahre nicht müde.
Endlich aber verwandelte sich sein Herz, — und eines
Morgens stand er mit der Morgenröthe auf, trat vor
die Sonne hin und sprach zu ihr also:
„Du grosses Gestirn! Was wäre dein Glück, wenn
du nicht Die hättest, welchen du leuchtest!
Zehn Jahre kamst du hier herauf zu meiner Höhle:
du würdest deines Lichtes und dieses Weges satt ge¬
worden sein, ohne mich, meinen Adler und meine
Schlange.
Aber wir warteten deiner an jedem Morgen,
nahmen dir deinen Überfluss ab und segneten dich
dafür.
Siehe! Ich bin meiner Weisheit überdrüssig, wie
die Biene, die des Honigs zu viel gesammelt hat, ich
bedarf der Hände, die sich ausstrecken.
Ich möchte verschenken und austheilen, bis die
Weisen unter den Menschen wieder einmal ihrer
Thorheit und die Armen wieder einmal ihres Reich¬
thums froh geworden sind.
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