Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich liebe Den, welcher arbeitet und erfindet, dass
er dem Übermenschen das Haus baue und zu ihm
Erde, Thier und Pflanze vorbereite: denn so will er
seinen Untergang.

Ich liebe Den, welcher seine Tugend liebt: denn
Tugend ist Wille zum Untergang und ein Pfeil der
Sehnsucht.

Ich liebe Den, welcher nicht einen Tropfen Geist für
sich zurückbehält, sondern ganz der Geist seiner Tugend
sein will: so schreitet er als Geist über die Brücke.

Ich liebe Den, welcher aus seiner Tugend seinen
Hang und sein Verhängniss macht: so will er um seiner
Tugend willen noch leben und nicht mehr leben.

Ich liebe Den, welcher nicht zu viele Tugenden
haben will. Eine Tugend ist mehr Tugend, als zwei,
weil sie mehr Knoten ist, an den sich das Verhäng¬
niss hängt.

Ich liebe Den, dessen Seele sich verschwendet, der
nicht Dank haben will und nicht zurückgiebt: denn
er schenkt immer und will sich nicht bewahren.

Ich liebe Den, welcher sich schämt, wenn der
Würfel zu seinem Glücke fällt und der dann fragt:
bin ich denn ein falscher Spieler? -- denn er will zu
Grunde gehen.

Ich liebe Den, welcher goldne Worte seinen Thaten
voraus wirft und immer noch mehr hält, als er ver¬
spricht: denn er will seinen Untergang.

Ich liebe Den, welcher die Zukünftigen rechtfertigt
und die Vergangenen erlöst: denn er will an den
Gegenwärtigen zu Grunde gehen.

Ich liebe Den, welcher arbeitet und erfindet, dass
er dem Übermenschen das Haus baue und zu ihm
Erde, Thier und Pflanze vorbereite: denn so will er
seinen Untergang.

Ich liebe Den, welcher seine Tugend liebt: denn
Tugend ist Wille zum Untergang und ein Pfeil der
Sehnsucht.

Ich liebe Den, welcher nicht einen Tropfen Geist für
sich zurückbehält, sondern ganz der Geist seiner Tugend
sein will: so schreitet er als Geist über die Brücke.

Ich liebe Den, welcher aus seiner Tugend seinen
Hang und sein Verhängniss macht: so will er um seiner
Tugend willen noch leben und nicht mehr leben.

Ich liebe Den, welcher nicht zu viele Tugenden
haben will. Eine Tugend ist mehr Tugend, als zwei,
weil sie mehr Knoten ist, an den sich das Verhäng¬
niss hängt.

Ich liebe Den, dessen Seele sich verschwendet, der
nicht Dank haben will und nicht zurückgiebt: denn
er schenkt immer und will sich nicht bewahren.

Ich liebe Den, welcher sich schämt, wenn der
Würfel zu seinem Glücke fällt und der dann fragt:
bin ich denn ein falscher Spieler? — denn er will zu
Grunde gehen.

Ich liebe Den, welcher goldne Worte seinen Thaten
voraus wirft und immer noch mehr hält, als er ver¬
spricht: denn er will seinen Untergang.

Ich liebe Den, welcher die Zukünftigen rechtfertigt
und die Vergangenen erlöst: denn er will an den
Gegenwärtigen zu Grunde gehen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0019" n="13"/>
          <p>Ich liebe Den, welcher arbeitet und erfindet, dass<lb/>
er dem Übermenschen das Haus baue und zu ihm<lb/>
Erde, Thier und Pflanze vorbereite: denn so will er<lb/>
seinen Untergang.</p><lb/>
          <p>Ich liebe Den, welcher seine Tugend liebt: denn<lb/>
Tugend ist Wille zum Untergang und ein Pfeil der<lb/>
Sehnsucht.</p><lb/>
          <p>Ich liebe Den, welcher nicht einen Tropfen Geist für<lb/>
sich zurückbehält, sondern ganz der Geist seiner Tugend<lb/>
sein will: so schreitet er als Geist über die Brücke.</p><lb/>
          <p>Ich liebe Den, welcher aus seiner Tugend seinen<lb/>
Hang und sein Verhängniss macht: so will er um seiner<lb/>
Tugend willen noch leben und nicht mehr leben.</p><lb/>
          <p>Ich liebe Den, welcher nicht zu viele Tugenden<lb/>
haben will. Eine Tugend ist mehr Tugend, als zwei,<lb/>
weil sie mehr Knoten ist, an den sich das Verhäng¬<lb/>
niss hängt.</p><lb/>
          <p>Ich liebe Den, dessen Seele sich verschwendet, der<lb/>
nicht Dank haben will und nicht zurückgiebt: denn<lb/>
er schenkt immer und will sich nicht bewahren.</p><lb/>
          <p>Ich liebe Den, welcher sich schämt, wenn der<lb/>
Würfel zu seinem Glücke fällt und der dann fragt:<lb/>
bin ich denn ein falscher Spieler? &#x2014; denn er will zu<lb/>
Grunde gehen.</p><lb/>
          <p>Ich liebe Den, welcher goldne Worte seinen Thaten<lb/>
voraus wirft und immer noch mehr hält, als er ver¬<lb/>
spricht: denn er will seinen Untergang.</p><lb/>
          <p>Ich liebe Den, welcher die Zukünftigen rechtfertigt<lb/>
und die Vergangenen erlöst: denn er will an den<lb/>
Gegenwärtigen zu Grunde gehen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0019] Ich liebe Den, welcher arbeitet und erfindet, dass er dem Übermenschen das Haus baue und zu ihm Erde, Thier und Pflanze vorbereite: denn so will er seinen Untergang. Ich liebe Den, welcher seine Tugend liebt: denn Tugend ist Wille zum Untergang und ein Pfeil der Sehnsucht. Ich liebe Den, welcher nicht einen Tropfen Geist für sich zurückbehält, sondern ganz der Geist seiner Tugend sein will: so schreitet er als Geist über die Brücke. Ich liebe Den, welcher aus seiner Tugend seinen Hang und sein Verhängniss macht: so will er um seiner Tugend willen noch leben und nicht mehr leben. Ich liebe Den, welcher nicht zu viele Tugenden haben will. Eine Tugend ist mehr Tugend, als zwei, weil sie mehr Knoten ist, an den sich das Verhäng¬ niss hängt. Ich liebe Den, dessen Seele sich verschwendet, der nicht Dank haben will und nicht zurückgiebt: denn er schenkt immer und will sich nicht bewahren. Ich liebe Den, welcher sich schämt, wenn der Würfel zu seinem Glücke fällt und der dann fragt: bin ich denn ein falscher Spieler? — denn er will zu Grunde gehen. Ich liebe Den, welcher goldne Worte seinen Thaten voraus wirft und immer noch mehr hält, als er ver¬ spricht: denn er will seinen Untergang. Ich liebe Den, welcher die Zukünftigen rechtfertigt und die Vergangenen erlöst: denn er will an den Gegenwärtigen zu Grunde gehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/19
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/19>, abgerufen am 21.11.2024.