Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.süssen und düstern Gifte nahmen sie von Leib und Ihrem Elende wollten sie entlaufen, und die Sterne Ihrem Leibe und dieser Erde nun entrückt wähnten Milde ist Zarathustra den Kranken. Wahrlich, er Nicht auch zürnt Zarathustra dem Genesenden, Vieles krankhafte Volk gab es immer unter Denen, Rückwärts blicken sie immer nach dunklen Zeiten: Allzugut kenne ich diese Gottähnlichen: sie wollen, süssen und düstern Gifte nahmen sie von Leib und Ihrem Elende wollten sie entlaufen, und die Sterne Ihrem Leibe und dieser Erde nun entrückt wähnten Milde ist Zarathustra den Kranken. Wahrlich, er Nicht auch zürnt Zarathustra dem Genesenden, Vieles krankhafte Volk gab es immer unter Denen, Rückwärts blicken sie immer nach dunklen Zeiten: Allzugut kenne ich diese Gottähnlichen: sie wollen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0046" n="40"/> süssen und düstern Gifte nahmen sie von Leib und<lb/> Erde!</p><lb/> <p>Ihrem Elende wollten sie entlaufen, und die Sterne<lb/> waren ihnen zu weit. Da seufzten sie: „Oh dass es<lb/> doch himmlische Wege gäbe, sich in ein andres Sein<lb/> und Glück zu schleichen!“ — da erfanden sie sich ihre<lb/> Schliche und blutigen Tränklein!</p><lb/> <p>Ihrem Leibe und dieser Erde nun entrückt wähnten<lb/> sie sich, diese Undankbaren. Doch wem dankten sie<lb/> ihrer Entrückung Krampf und Wonne? Ihrem Leibe<lb/> und dieser Erde.</p><lb/> <p>Milde ist Zarathustra den Kranken. Wahrlich, er<lb/> zürnt nicht ihren Arten des Trostes und Undanks.<lb/> Mögen sie Genesende werden und Überwindende und<lb/> einen höheren Leib sich schaffen!</p><lb/> <p>Nicht auch zürnt Zarathustra dem Genesenden,<lb/> wenn er zärtlich nach seinem Wahne blickt und Mitter¬<lb/> nachts um das Grab seines Gottes schleicht: aber<lb/> Krankheit und kranker Leib bleiben mir auch seine<lb/> Thränen noch.</p><lb/> <p>Vieles krankhafte Volk gab es immer unter Denen,<lb/> welche dichten und gottsüchtig sind; wüthend hassen<lb/> sie den Erkennenden und jene jüngste der Tugenden,<lb/> welche heisst: Redlichkeit.</p><lb/> <p>Rückwärts blicken sie immer nach dunklen Zeiten:<lb/> da freilich war Wahn und Glaube ein ander Ding;<lb/> Raserei der Vernunft war Gottähnlichkeit, und Zweifel<lb/> Sünde.</p><lb/> <p>Allzugut kenne ich diese Gottähnlichen: sie wollen,<lb/> dass an sie geglaubt werde, und Zweifel Sünde sei.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0046]
süssen und düstern Gifte nahmen sie von Leib und
Erde!
Ihrem Elende wollten sie entlaufen, und die Sterne
waren ihnen zu weit. Da seufzten sie: „Oh dass es
doch himmlische Wege gäbe, sich in ein andres Sein
und Glück zu schleichen!“ — da erfanden sie sich ihre
Schliche und blutigen Tränklein!
Ihrem Leibe und dieser Erde nun entrückt wähnten
sie sich, diese Undankbaren. Doch wem dankten sie
ihrer Entrückung Krampf und Wonne? Ihrem Leibe
und dieser Erde.
Milde ist Zarathustra den Kranken. Wahrlich, er
zürnt nicht ihren Arten des Trostes und Undanks.
Mögen sie Genesende werden und Überwindende und
einen höheren Leib sich schaffen!
Nicht auch zürnt Zarathustra dem Genesenden,
wenn er zärtlich nach seinem Wahne blickt und Mitter¬
nachts um das Grab seines Gottes schleicht: aber
Krankheit und kranker Leib bleiben mir auch seine
Thränen noch.
Vieles krankhafte Volk gab es immer unter Denen,
welche dichten und gottsüchtig sind; wüthend hassen
sie den Erkennenden und jene jüngste der Tugenden,
welche heisst: Redlichkeit.
Rückwärts blicken sie immer nach dunklen Zeiten:
da freilich war Wahn und Glaube ein ander Ding;
Raserei der Vernunft war Gottähnlichkeit, und Zweifel
Sünde.
Allzugut kenne ich diese Gottähnlichen: sie wollen,
dass an sie geglaubt werde, und Zweifel Sünde sei.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |