Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Was geschah mir doch? Wie erlöste ich mich
vom Ekel? Wer verjüngte mein Auge? Wie erflog
ich die Höhe, wo kein Gesindel mehr am Brunnen sitzt?

Schuf mein Ekel selber mir Flügel und quellen¬
ahnende Kräfte? Wahrlich, in's Höchste musste ich
fliegen, dass ich den Born der Lust wiederfände!

Oh, ich fand ihn, meine Brüder! Hier im Höchsten
quillt mir der Born der Lust! Und es giebt ein
Leben, an dem kein Gesindel mit trinkt!

Fast zu heftig strömst du mir, Quell der Lust!
Und oft leerst du den Becher wieder, dadurch dass
du ihn füllen willst!

Und noch muss ich lernen, bescheidener dir zu
nahen: allzuheftig strömt dir noch mein Herz ent¬
gegen: --

Mein Herz, auf dem mein Sommer brennt, der
kurze, heisse, schwermüthige, überselige: wie verlangt
mein Sommer-Herz nach deiner Kühle!

Vorbei die zögernde Trübsal meines Frühlings!
Vorüber die Bosheit meiner Schneeflocken im Juni!
Sommer wurde ich ganz und Sommer-Mittag!

Ein Sommer im Höchsten mit kalten Quellen und
seliger Stille: oh kommt, meine Freunde, dass die
Stille noch seliger werde!

Denn diess ist unsre Höhe und unsre Heimat:
zu hoch und steil wohnen wir hier allen Unreinen
und ihrem Durste.

Werft nur eure reinen Augen in den Born meiner
Lust, ihr Freunde! Wie sollte er darob trübe werden!
Entgegenlachen soll er euch mit seiner Reinheit.

Was geschah mir doch? Wie erlöste ich mich
vom Ekel? Wer verjüngte mein Auge? Wie erflog
ich die Höhe, wo kein Gesindel mehr am Brunnen sitzt?

Schuf mein Ekel selber mir Flügel und quellen¬
ahnende Kräfte? Wahrlich, in's Höchste musste ich
fliegen, dass ich den Born der Lust wiederfände!

Oh, ich fand ihn, meine Brüder! Hier im Höchsten
quillt mir der Born der Lust! Und es giebt ein
Leben, an dem kein Gesindel mit trinkt!

Fast zu heftig strömst du mir, Quell der Lust!
Und oft leerst du den Becher wieder, dadurch dass
du ihn füllen willst!

Und noch muss ich lernen, bescheidener dir zu
nahen: allzuheftig strömt dir noch mein Herz ent¬
gegen: —

Mein Herz, auf dem mein Sommer brennt, der
kurze, heisse, schwermüthige, überselige: wie verlangt
mein Sommer-Herz nach deiner Kühle!

Vorbei die zögernde Trübsal meines Frühlings!
Vorüber die Bosheit meiner Schneeflocken im Juni!
Sommer wurde ich ganz und Sommer-Mittag!

Ein Sommer im Höchsten mit kalten Quellen und
seliger Stille: oh kommt, meine Freunde, dass die
Stille noch seliger werde!

Denn diess ist unsre Höhe und unsre Heimat:
zu hoch und steil wohnen wir hier allen Unreinen
und ihrem Durste.

Werft nur eure reinen Augen in den Born meiner
Lust, ihr Freunde! Wie sollte er darob trübe werden!
Entgegenlachen soll er euch mit seiner Reinheit.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0034" n="24"/>
        <p>Was geschah mir doch? Wie erlöste ich mich<lb/>
vom Ekel? Wer verjüngte mein Auge? Wie erflog<lb/>
ich die Höhe, wo kein Gesindel mehr am Brunnen sitzt?</p><lb/>
        <p>Schuf mein Ekel selber mir Flügel und quellen¬<lb/>
ahnende Kräfte? Wahrlich, in's Höchste musste ich<lb/>
fliegen, dass ich den Born der Lust wiederfände!</p><lb/>
        <p>Oh, ich fand ihn, meine Brüder! Hier im Höchsten<lb/>
quillt mir der Born der Lust! Und es giebt ein<lb/>
Leben, an dem kein Gesindel mit trinkt!</p><lb/>
        <p>Fast zu heftig strömst du mir, Quell der Lust!<lb/>
Und oft leerst du den Becher wieder, dadurch dass<lb/>
du ihn füllen willst!</p><lb/>
        <p>Und noch muss ich lernen, bescheidener dir zu<lb/>
nahen: allzuheftig strömt dir noch mein Herz ent¬<lb/>
gegen: &#x2014;</p><lb/>
        <p>Mein Herz, auf dem mein Sommer brennt, der<lb/>
kurze, heisse, schwermüthige, überselige: wie verlangt<lb/>
mein Sommer-Herz nach deiner Kühle!</p><lb/>
        <p>Vorbei die zögernde Trübsal meines Frühlings!<lb/>
Vorüber die Bosheit meiner Schneeflocken im Juni!<lb/>
Sommer wurde ich ganz und Sommer-Mittag!</p><lb/>
        <p>Ein Sommer im Höchsten mit kalten Quellen und<lb/>
seliger Stille: oh kommt, meine Freunde, dass die<lb/>
Stille noch seliger werde!</p><lb/>
        <p>Denn diess ist <hi rendition="#g">unsre</hi> Höhe und unsre Heimat:<lb/>
zu hoch und steil wohnen wir hier allen Unreinen<lb/>
und ihrem Durste.</p><lb/>
        <p>Werft nur eure reinen Augen in den Born meiner<lb/>
Lust, ihr Freunde! Wie sollte er darob trübe werden!<lb/>
Entgegenlachen soll er euch mit <hi rendition="#g">seiner</hi> Reinheit.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0034] Was geschah mir doch? Wie erlöste ich mich vom Ekel? Wer verjüngte mein Auge? Wie erflog ich die Höhe, wo kein Gesindel mehr am Brunnen sitzt? Schuf mein Ekel selber mir Flügel und quellen¬ ahnende Kräfte? Wahrlich, in's Höchste musste ich fliegen, dass ich den Born der Lust wiederfände! Oh, ich fand ihn, meine Brüder! Hier im Höchsten quillt mir der Born der Lust! Und es giebt ein Leben, an dem kein Gesindel mit trinkt! Fast zu heftig strömst du mir, Quell der Lust! Und oft leerst du den Becher wieder, dadurch dass du ihn füllen willst! Und noch muss ich lernen, bescheidener dir zu nahen: allzuheftig strömt dir noch mein Herz ent¬ gegen: — Mein Herz, auf dem mein Sommer brennt, der kurze, heisse, schwermüthige, überselige: wie verlangt mein Sommer-Herz nach deiner Kühle! Vorbei die zögernde Trübsal meines Frühlings! Vorüber die Bosheit meiner Schneeflocken im Juni! Sommer wurde ich ganz und Sommer-Mittag! Ein Sommer im Höchsten mit kalten Quellen und seliger Stille: oh kommt, meine Freunde, dass die Stille noch seliger werde! Denn diess ist unsre Höhe und unsre Heimat: zu hoch und steil wohnen wir hier allen Unreinen und ihrem Durste. Werft nur eure reinen Augen in den Born meiner Lust, ihr Freunde! Wie sollte er darob trübe werden! Entgegenlachen soll er euch mit seiner Reinheit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/34
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/34>, abgerufen am 21.11.2024.