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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

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Das andere Tanzlied.
1.

"In dein Auge schaute ich jüngst, oh Leben:
Gold sah ich in deinem Nacht-Auge blinken, -- mein
Herz stand still vor dieser Wollust:

-- einen goldenen Kahn sah ich blinken auf
nächtigen Gewässern, einen sinkenden, trinkenden,
wieder winkenden goldenen Schaukel-Kahn!

Nach meinem Fusse, dem tanzwüthigen, warfst du
einen Blick, einen lachenden fragenden schmelzenden
Schaukel-Blick:

Zwei Mal nur regtest du deine Klapper mit
kleinen Händen -- da schaukelte schon mein Fuss vor
Tanz-Wuth. --

Meine Fersen bäumten sich, meine Zehen horchten,
dich zu verstehen: trägt doch der Tänzer sein Ohr --
in seinen Zehen!

Zu dir hin sprang ich: da flohst du zurück vor
meinem Sprunge; und gegen mich züngelte deines
fliehenden fliegenden Haars Zunge!

Von dir weg sprang ich und von deinen Schlangen:
da standst du schon, halbgewandt, das Auge voll
Verlangen.

Das andere Tanzlied.
1.

„In dein Auge schaute ich jüngst, oh Leben:
Gold sah ich in deinem Nacht-Auge blinken, — mein
Herz stand still vor dieser Wollust:

— einen goldenen Kahn sah ich blinken auf
nächtigen Gewässern, einen sinkenden, trinkenden,
wieder winkenden goldenen Schaukel-Kahn!

Nach meinem Fusse, dem tanzwüthigen, warfst du
einen Blick, einen lachenden fragenden schmelzenden
Schaukel-Blick:

Zwei Mal nur regtest du deine Klapper mit
kleinen Händen — da schaukelte schon mein Fuss vor
Tanz-Wuth. —

Meine Fersen bäumten sich, meine Zehen horchten,
dich zu verstehen: trägt doch der Tänzer sein Ohr —
in seinen Zehen!

Zu dir hin sprang ich: da flohst du zurück vor
meinem Sprunge; und gegen mich züngelte deines
fliehenden fliegenden Haars Zunge!

Von dir weg sprang ich und von deinen Schlangen:
da standst du schon, halbgewandt, das Auge voll
Verlangen.

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[106/0116] Das andere Tanzlied. 1. „In dein Auge schaute ich jüngst, oh Leben: Gold sah ich in deinem Nacht-Auge blinken, — mein Herz stand still vor dieser Wollust: — einen goldenen Kahn sah ich blinken auf nächtigen Gewässern, einen sinkenden, trinkenden, wieder winkenden goldenen Schaukel-Kahn! Nach meinem Fusse, dem tanzwüthigen, warfst du einen Blick, einen lachenden fragenden schmelzenden Schaukel-Blick: Zwei Mal nur regtest du deine Klapper mit kleinen Händen — da schaukelte schon mein Fuss vor Tanz-Wuth. — Meine Fersen bäumten sich, meine Zehen horchten, dich zu verstehen: trägt doch der Tänzer sein Ohr — in seinen Zehen! Zu dir hin sprang ich: da flohst du zurück vor meinem Sprunge; und gegen mich züngelte deines fliehenden fliegenden Haars Zunge! Von dir weg sprang ich und von deinen Schlangen: da standst du schon, halbgewandt, das Auge voll Verlangen.

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/116>, abgerufen am 21.11.2024.