Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
13.

"Wozu leben? Alles ist eitel! Leben -- das ist
Stroh dreschen; Leben -- das ist sich verbrennen
und doch nicht warm werden." --

Solch alterthümliches Geschwätz gilt immer noch
als "Weisheit"; dass es aber alt ist und dumpfig
riecht, darum wird es besser geehrt. Auch der
Moder adelt. --

Kinder durften so reden: die scheuen das Feuer,
weil es sie brannte! Es ist viel Kinderei in den alten
Büchern der Weisheit.

Und wer immer "Stroh drischt", wie sollte der
auf das Dreschen lästern dürfen! Solchem Narren
müsste man doch das Maul verbinden!

Solche setzen sich zu Tisch und bringen Nichts
mit, selbst den guten Hunger nicht: -- und nun
lästern sie "Alles ist eitel!"

Aber gut essen und trinken, oh meine Brüder, ist
wahrlich keine eitle Kunst! Zerbrecht, zerbrecht mir
die Tafeln der Nimmer-Frohen!


14.

"Dem Reinen ist Alles rein" -- so spricht das
Volk. Ich aber sage euch: den Schweinen wird Alles
Schwein!

Darum predigen die Schwärmer und Kopfhänger,
denen auch das Herz niederhängt: "die Welt selber
ist ein kothiges Ungeheuer."

13.

„Wozu leben? Alles ist eitel! Leben — das ist
Stroh dreschen; Leben — das ist sich verbrennen
und doch nicht warm werden.“ —

Solch alterthümliches Geschwätz gilt immer noch
als „Weisheit“; dass es aber alt ist und dumpfig
riecht, darum wird es besser geehrt. Auch der
Moder adelt. —

Kinder durften so reden: die scheuen das Feuer,
weil es sie brannte! Es ist viel Kinderei in den alten
Büchern der Weisheit.

Und wer immer „Stroh drischt“, wie sollte der
auf das Dreschen lästern dürfen! Solchem Narren
müsste man doch das Maul verbinden!

Solche setzen sich zu Tisch und bringen Nichts
mit, selbst den guten Hunger nicht: — und nun
lästern sie „Alles ist eitel!“

Aber gut essen und trinken, oh meine Brüder, ist
wahrlich keine eitle Kunst! Zerbrecht, zerbrecht mir
die Tafeln der Nimmer-Frohen!


14.

„Dem Reinen ist Alles rein“ — so spricht das
Volk. Ich aber sage euch: den Schweinen wird Alles
Schwein!

Darum predigen die Schwärmer und Kopfhänger,
denen auch das Herz niederhängt: „die Welt selber
ist ein kothiges Ungeheuer.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0086" n="76"/>
        <div n="2">
          <head>13.<lb/></head>
          <p>&#x201E;Wozu leben? Alles ist eitel! Leben &#x2014; das ist<lb/>
Stroh dreschen; Leben &#x2014; das ist sich verbrennen<lb/>
und doch nicht warm werden.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Solch alterthümliches Geschwätz gilt immer noch<lb/>
als &#x201E;Weisheit&#x201C;; dass es aber alt ist und dumpfig<lb/>
riecht, <hi rendition="#g">darum</hi> wird es besser geehrt. Auch der<lb/>
Moder adelt. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Kinder durften so reden: die <hi rendition="#g">scheuen</hi> das Feuer,<lb/>
weil es sie brannte! Es ist viel Kinderei in den alten<lb/>
Büchern der Weisheit.</p><lb/>
          <p>Und wer immer &#x201E;Stroh drischt&#x201C;, wie sollte der<lb/>
auf das Dreschen lästern dürfen! Solchem Narren<lb/>
müsste man doch das Maul verbinden!</p><lb/>
          <p>Solche setzen sich zu Tisch und bringen Nichts<lb/>
mit, selbst den guten Hunger nicht: &#x2014; und nun<lb/>
lästern sie &#x201E;Alles ist eitel!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Aber gut essen und trinken, oh meine Brüder, ist<lb/>
wahrlich keine eitle Kunst! Zerbrecht, zerbrecht mir<lb/>
die Tafeln der Nimmer-Frohen!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>14.<lb/></head>
          <p>&#x201E;Dem Reinen ist Alles rein&#x201C; &#x2014; so spricht das<lb/>
Volk. Ich aber sage euch: den Schweinen wird Alles<lb/>
Schwein!</p><lb/>
          <p>Darum predigen die Schwärmer und Kopfhänger,<lb/>
denen auch das Herz niederhängt: &#x201E;die Welt selber<lb/>
ist ein kothiges Ungeheuer.&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0086] 13. „Wozu leben? Alles ist eitel! Leben — das ist Stroh dreschen; Leben — das ist sich verbrennen und doch nicht warm werden.“ — Solch alterthümliches Geschwätz gilt immer noch als „Weisheit“; dass es aber alt ist und dumpfig riecht, darum wird es besser geehrt. Auch der Moder adelt. — Kinder durften so reden: die scheuen das Feuer, weil es sie brannte! Es ist viel Kinderei in den alten Büchern der Weisheit. Und wer immer „Stroh drischt“, wie sollte der auf das Dreschen lästern dürfen! Solchem Narren müsste man doch das Maul verbinden! Solche setzen sich zu Tisch und bringen Nichts mit, selbst den guten Hunger nicht: — und nun lästern sie „Alles ist eitel!“ Aber gut essen und trinken, oh meine Brüder, ist wahrlich keine eitle Kunst! Zerbrecht, zerbrecht mir die Tafeln der Nimmer-Frohen! 14. „Dem Reinen ist Alles rein“ — so spricht das Volk. Ich aber sage euch: den Schweinen wird Alles Schwein! Darum predigen die Schwärmer und Kopfhänger, denen auch das Herz niederhängt: „die Welt selber ist ein kothiges Ungeheuer.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/86
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/86>, abgerufen am 24.11.2024.