Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884."Und deine eigne Vernunft -- die sollst du selber -- Zerbrecht, zerbrecht mir, oh meine Brüder, 16. "Wer viel lernt, der verlernt alles heftige Be¬ "Weisheit macht müde, es lohnt sich -- Nichts; Zerbrecht mir, oh meine Brüder, zerbrecht mir Dass sie schlecht lernten und das Beste nicht, und -- ein verdorbener Magen ist nämlich ihr Geist: Das Leben ist ein Born der Lust: aber aus wem „Und deine eigne Vernunft — die sollst du selber — Zerbrecht, zerbrecht mir, oh meine Brüder, 16. „Wer viel lernt, der verlernt alles heftige Be¬ „Weisheit macht müde, es lohnt sich — Nichts; Zerbrecht mir, oh meine Brüder, zerbrecht mir Dass sie schlecht lernten und das Beste nicht, und — ein verdorbener Magen ist nämlich ihr Geist: Das Leben ist ein Born der Lust: aber aus wem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0088" n="78"/> „Und deine eigne Vernunft — die sollst du selber<lb/> görgeln und würgen; denn es ist eine Vernunft von<lb/> dieser Welt, — darob lernst du selber der Welt ab¬<lb/> sagen.“ —</p><lb/> <p>— Zerbrecht, zerbrecht mir, oh meine Brüder,<lb/> diese alten Tafeln der Frommen! Zersprecht mir die<lb/> Sprüche der Welt-Verleumder!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="2"> <head>16.<lb/></head> <p>„Wer viel lernt, der verlernt alles heftige Be¬<lb/> gehren“ — das flüstert man heute sich zu auf allen<lb/> dunklen Gassen.</p><lb/> <p>„Weisheit macht müde, es lohnt sich — Nichts;<lb/> du sollst nicht begehren!“ — diese neue Tafel fand<lb/> ich hängen selbst auf offnen Märkten.</p><lb/> <p>Zerbrecht mir, oh meine Brüder, zerbrecht mir<lb/> auch diese <hi rendition="#g">neue</hi> Tafel! Die Welt-Müden hängten sie<lb/> hin und die Prediger des Todes, und auch die Stock¬<lb/> meister: denn seht, es ist auch eine Predigt zur<lb/> Knechtschaft! —</p><lb/> <p>Dass sie schlecht lernten und das Beste nicht, und<lb/> Alles zu früh und Alles zu geschwind: dass sie schlecht<lb/><hi rendition="#g">assen</hi>, daher kam ihnen jener verdorbene Magen, —</p><lb/> <p>— ein verdorbener Magen ist nämlich ihr Geist:<lb/> der räth zum Tode! Denn wahrlich, meine Brüder,<lb/> der Geist <hi rendition="#g">ist</hi> ein Magen!</p><lb/> <p>Das Leben ist ein Born der Lust: aber aus wem<lb/> der verdorbene Magen redet, der Vater der Trübsal,<lb/> dem sind alle Quellen vergiftet.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0088]
„Und deine eigne Vernunft — die sollst du selber
görgeln und würgen; denn es ist eine Vernunft von
dieser Welt, — darob lernst du selber der Welt ab¬
sagen.“ —
— Zerbrecht, zerbrecht mir, oh meine Brüder,
diese alten Tafeln der Frommen! Zersprecht mir die
Sprüche der Welt-Verleumder!
16.
„Wer viel lernt, der verlernt alles heftige Be¬
gehren“ — das flüstert man heute sich zu auf allen
dunklen Gassen.
„Weisheit macht müde, es lohnt sich — Nichts;
du sollst nicht begehren!“ — diese neue Tafel fand
ich hängen selbst auf offnen Märkten.
Zerbrecht mir, oh meine Brüder, zerbrecht mir
auch diese neue Tafel! Die Welt-Müden hängten sie
hin und die Prediger des Todes, und auch die Stock¬
meister: denn seht, es ist auch eine Predigt zur
Knechtschaft! —
Dass sie schlecht lernten und das Beste nicht, und
Alles zu früh und Alles zu geschwind: dass sie schlecht
assen, daher kam ihnen jener verdorbene Magen, —
— ein verdorbener Magen ist nämlich ihr Geist:
der räth zum Tode! Denn wahrlich, meine Brüder,
der Geist ist ein Magen!
Das Leben ist ein Born der Lust: aber aus wem
der verdorbene Magen redet, der Vater der Trübsal,
dem sind alle Quellen vergiftet.
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Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/88>, abgerufen am 16.02.2025. |