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Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch]

Es besteht also in Kaukasien eine Gradmessung welche aus der Landes-
vermessung hervorgieng. Von den astronomischen Punkten sind indessen meist
nur die Polhöhen oder geographischen Breiten, seltener die geographischen Längen
oder die Azimuthe der an ihnen zusammenlaufenden Seiten bestimmt. Von den
Orten an welchen Polhöhen bestimmt wurden, liegen 9 nördlich und 7 südlich
vom Kaukasus, der selbst auch noch theils trigonometrisch, theils barometrisch
nivellirt wurde, so daß man aus den vorhandenen Tausenden von Höhenbestim-
mungen ein Relief des gewaltigen Gebirgs herzustellen und mit Hülfe desselben
und den Ergebnissen geologischer Untersuchungen die Lothablenkungen berechnen
konnte welche der Kaukasus an jenen astronomischen Punkten hervorbringen muß.
Geht man nun von jenen Punkten, die in der Ebene des südlichen Rußlands be-
stimmt sind, aus, so findet sich bei einer Annäherung von beiläufig 20 geographi-
schen Meilen vom Kaukasus nur eine sehr geringe Abweichung, bei weiterer An-
näherung aber steigt sie rasch, und beträgt in diesem Terrain auf der Nordseite
zwischen 5 und 30 Secunden. Bringt man jedoch an diesen Punkten die aus der
Anziehung des Kaukasus berechneten Correctionen an, so verschwinden diese Dif-
ferenzen bis auf kleine Größen, welche als innerhalb der Gränzen der Beobach-
tungsfehler liegend angesehen werden können. Anders verhält sich die Sache
wenn man den Kaukasus überschreitet. Der erste Punkt Duschet wird innerhalb
dieser Gränze noch gut dargestellt, in Tiflis beträgt die Abweichung schon 6 bis
7 Secunden, etwas weiter steigt sie auf 25 Secunden, und in der Schemacha
findet statt einer positiven Abweichung von 28 Secunden, welche die Rechnung
verlangt, eine negative von 15 Secunden statt. Hier beträgt also die Anziehung
des Kaukasus weniger als die von irgendeiner andern jenseits wirkenden Masse
herrührende, und es kommt dabei ohne Zweifel der vulcanische Charakter der Ge-
gend um so mehr in Betracht, als Schemacha oft von Erdbeben heimgesucht und
mehr oder weniger verwüstet wird. In der benachbarten Station Baku stimmen
astronomische und geodätische Polhöhe wieder überein, was jedoch nichts auffal-
lendes hat, da diese Station gerade im Centrum der vulcanischen Bewegung liegt.
Dagegen weichen in Baku die auf zwei Wegen bestimmten geographischen Längen
von einander ab.

Sind die von Oberst Stebnizki erlangten Resultate über Lothabweichungen am
Kaukasus schon an und für sich wichtig genug, so erhöht sich deren Wichtigkeit noch
durch ihre Vergleichung mit den Ergebnissen analoger Untersuchungen über andere
mächtige Gebirge, und es ist zu erwarten daß sich über kurz oder lang Geodäten
und Geologen verbinden werden um verschiedene Stellen der Erdrinde ihrer äußeren
und inneren Beschaffenheit nach genauer zu studieren als es bisher der Fall war.
Aus solchem vereinten Studium werden sich dann wohl zeitweise, neben den wissen-
schaftlichen Fünden, auch andere von national-ökonomischer Bedeutung ergeben.

Haben wir die Lothabweichungen als ein vorzügliches Mittel erkannt die
ideale Gestalt der Erde zu prüfen, so sind es nicht minder die Längen der Pendel,
welche an jedem Orte Secunden schlagen, oder die Schwingungszahlen, welche ein
und derselbe Pendel an verschiedenen Orten der Erde in einem Tag anzeigt;
denn die Aenderung der Länge des Secundenpendels oder der Schwingungszahl
des einfachen Pendels welche in der Richtung eines Meridians von Ort zu Ort
stattfindet, hängt mit der Erdgestalt aufs innigste zusammen. Man hat nämlich
schon vor 200 Jahren die Entdeckung gemacht daß der Secundenpendel in südlichen
Gegenden kürzer sein muß als in nördlichen, und die Theorie hat festgestellt daß
die für jeden Ort gültige Länge dieses Pendels mit der daselbst stattfindenden
Größe der Erdanziehung und diese von der geographischen Breite des Orts ab-
hängt. Läßt sich hieraus der Zusammenhang zwischen Pendellänge und Erdgestalt
schon ahnen, so wird derselbe einleuchtend wenn man erwägt in welcher Weise
die in der Erdmasse thätigen Kräfte gewirkt haben müssen, um eine Abplattung der
Erde an ihren Polen zu Stande zu bringen.

Die Erklärung dieser Abplattung kann nur auf einer Hypothese über den
ehemaligen Zustand der Erdmasse beruhen; am einfachsten und durch mehrere geo-
logische Erscheinungen empfohlen, ist die Voraussetzung einer flüssigen, wenigstens
weichen, Beschaffenheit dieser Masse. Nimmt man dieselbe ferner als gleichmäßig
dicht an, und stattet sie mit Schwerkraft aus, so müßte sie sich in Folge hiervon
im Zustande der Ruhe kugelförmig gestalten. Sobald sich diese Kugel um einen
ihrer Durchmesser zu drehen anfieng, entstand in allen nicht in der Axe selbst gele-
genen Massetheilchen eine Centrifugalkraft, welche um so größer war, je weiter das
betreffende Theilchen von der Drehungsaxe abstand. Diese Kraft wirkte der durch
den Kugelmittelpunkt gerichteten Schwerkraft entgegen, und aus beiden gieng
eine vom Pol der Erde gegen den Aequator gerichtete Mittelkraft hervor, welche die
weiche Masse von den Polen so lange weg und gegen den Aequator hintrieb, bis
die Erdoberfläche überall senkrecht zur abgeänderten Schwere-Richtung stand. Auf
diese Weise mußte der polare Durchmesser sich verkürzen, und der äquatoriale
sich verlängern, demnach auch eine polare Abplattung entstehen. Da diese Ab-
plattung somit ihren Grund in der vereinten Wirkung der Schwung- und Schwer-
kraft der Erde hat, und da zwischen der Abplattung und den sie bedingenden Kräf-
ten eine von der Dichtigkeit der Erdschichten unabhängige Relation besteht, so läßt
sich von diesen drei Größen je eine berechnen, wenn man die beiden anderen kennt.
Diese Relation wurde von dem bei der lappländischen Gradmessung betheiligten
ausgezeichneten französischen Mathematiker Clairaut entdeckt, und sagt aus daß,
wie auch die Massen im Innern der Erde vertheilt sein mögen, doch stets die
Summe der Abplattung und des Zuwachses der Schwere vom Aequator bis zu
den Polen dritthalbmal so groß ist als die Schwungkraft unter dem Aequator
(wobei sich von selbst versteht daß der Schwerezuwachs und die Schwungkraft
nicht absolut, sondern im Verhältniß zur Schwer- und Schwungkraft unter dem
Aequator zu nehmen sind). Aus den bisherigen Pendelbeobachtungen hat man
eine Abplattung der Erde von abgeleitet, während die Gradmessungen
ergeben: es ist also auch diese Differenz durch die neuen Gradmessungen noch auf-
zuklären.

Die Gestalt der Erdoberfläche würde nur unvollständig bekannt sein, wenn
lediglich ihre Krümmungsverhältnisse an vielen Punkten erforscht wären: zur voll-
ständigen Gestaltsbestimmung gehört auch die Kenntniß der Höhen dieser Punkte
in Bezug auf den Meeresspiegel. Deßhalb hat es die erste allgemeine Conferenz
[Spaltenumbruch] vom Jahr 1864 als wichtig erkannt daß in allen bei der europäischen Gradmessung
betheiligten Ländern, neben den trigonometrischen Höhenbestimmungen, geometrische
Nivellements erster Ordnung (d. h. Nivellements von größter Genauigkeit, Prä-
cisionsnivellements) ausgeführt werden, welche, den Eisenbahnen und Landstraßen
folgend, die Meeresspiegel an den Küsten Europa's zu verbinden und in allen Län-
dern des europäischen Continents eine große Zahl von dauerhaften, genau ein-
nivellirten Marken als Grundlagen für Höhenmessungen zweiter Ordnung (Nivel-
lements von geringerer Genauigkeit für technische und topographische Zwecke) zu
schaffen bestimmt sind. Die zweite und die dritte allgemeine Conferenz haben den im
Jahr 1864 gefaßten Beschluß, die Ausführung von Präcisionsnivellements betref-
fend, wiederholt bestätigt, und es ist derselbe in mehreren europäischen Staaten
schon durchgeführt und in den andern in Ausführung begriffen oder hiefür vor-
bereitet. Ueberall wo diese Nivellem ents erster Ordnung durchgeführt sind, und in
den Gebirgsgegenden Höhenbestimmungen zweiter und dritter Ordnung stattgefun-
den haben, ist man, wie am Kaukasus, im Stande die Anziehung der Gebirgsmassen
zu berechnen, und folglich die Ablenkung der Lothlinie in der Weise zu untersuchen
wie es Stebnizki für die Gegend des Kaukasus gethan hat.

Jedes geometrische Präcisionsnivellement findet seine Abschlüsse an Meeres-
küsten. Hiebei entsteht die Frage: welcher von den wechselnden Wasserständen des
Meeres als mittlerer Meeresspiegel gelten soll. Dieser mittlere Wasserstand er-
gibt sich nur aus einer sehr großen Anzahl zuverlässiger Aufzeichnungen, die in
bestimmten Zeitpunkten über die durch Pegel gemessenen Höhenstände des Meeres
gemacht werden. Keine Aufzeichnung ist aber sicherer als die welche eine Maschine
bewirkt, und darum hat man in neuerer Zeit "selbstregistrirende Pegel" (Registrir-
pegel) erfunden und an Flüssen, Seen und Meeren aufgestellt, um über das Steigen
und Fallen der Wasserspiegel zuverlässige Angaben zu erhalten. Dergleichen
Pegelbeobachtungen stehen nunmehr auch mit der europäischen Gradmessung in
Verbindung, und die dritte allgemeine Conferenz hat es sich angelegen sein lassen
diesen Beobachtungen in allen Küstenstaaten Europa's die möglichste Verbreitung
zu sichern.

Eines der wichtigsten Erfordernisse für eine Gradmessung ist der Besitz eines
Normalmaßes und eines Comparators, welcher gestattet die Längen der zur wirk-
lichen Messung dienenden Maßstäbe bis auf eine verschwindend kleine Größe (etwa
den zweihundertsten Theil eines Millimeters oder den fünfhundertsten Theil einer
Linie) genau anzugeben. Hienach ist es selbstverständlich daß eingehende Verhand-
lungen über Normalmaße und Maßvergleichungen einen wesentlichen Theil der
bisherigen Conferenzen bilden mußten. Die Lösung der hieher gehörigen Fragen
ist nicht bloß durch die mechanische Technik (trotz ihrer hohen Entwicklung), sondern
hauptsächlich dadurch erschwert daß die Grundlinien bereits vorhandener Dreiecks-
netze bald mit einer Toise, bald mit einem Meter gemessen sind, deren Größenver-
hältniß man nicht genau kennt und es daher durch den zu schaffenden Comparator erst
suchen muß. Das Centralbureau der europäischen Grundmessung hat sich für den
Comparator entschieden welchen das berühmte und verdienstvolle Mitglied der
bayerischen Commission, Ministeralrath v. Steinheil, erfunden und kurz vor seinem
am 14 Sept. 1870 erfolgten Tode noch für die Vergleichung von Meter und Toise
eingerichtet hat. Dieser Comparator ist in Berlin aufgestellt, und es dürfen in
kurzer Zeit Berichte über seine Leistungen erwartet werden.



Pietro Conticini.

In einem eingehenden Artikel der "Allg. Ztg."
war vor kurzem hervorgehoben worden wie neuerdings die deutsche Rechtswissen-
schaft jenseits der Alpen mit einer Liebe aufgenommen und gepflegt werde, welche
uns Deutsche mit freudigem Stolz erfüllen kann, und dabei wurde erwähnt daß
diese Erscheinung nicht erst der vorjährige Krieg hervorgerufen, sondern schon seit
einer Reihe von Jahren die fleißige Vermittlung der Resultate deutscher Forschung
in die italienische Rechtswissenschaft vorbereitet habe.

Zu den Männern nun die auf diesem Felde die erste Bahn gebrochen und
durch Lehren und Schreiben unermüdlich in vorderster Linie gearbeitet haben, ge-
hört unstreitig der am 10 November l. J. verstorbene Adv. Pietro Conticini, Pro-
fessor der Rechtswissenschaften an den Universitäten Siena und Pisa, dessen An-
denken diese wenigen Zeilen gewidmet sind.

Unter dürftigen Verhältnissen im Orte Strada im Casentino (Toscana)
1805 geboren, konnte er nur mit Hülfe der höchst seltenen Opferwilligkeit eines
Freundes die Studien beginnen, zu denen ihn sein strebsamer Geist hinzog. Kaum
hatte er diese vollendet, und zwar an derselben Universität an der er selbst später eine
lange Reihe von Jahren als Lehrer wirken sollte, und jetzt ein so wohlverdientes
und theilnahmvolles Andenken hinterläßt, als der damalige Großherzog von
Toscana, auf den talentvollen jungen Mann aufmerksam gemacht, ihm reichlich die
Mittel zu weiterer Ausbildung auf deutschen Universitäten verschaffte. Während
eines dreijährigen Aufenthalts an den Universitäten Berlin, Bonn und Heidelberg
trat Conticini in nähere Beziehungen zu den ersten Rechtsgelehrten der damaligen
Zeit, besonders zu Savigny, Mittermayer und anderen, mit denen er in fortdauern-
der Verbindung blieb, und heimste dort den Samen ein, den er später so fleißig
hier in Italien aussäete.

Sein langjähriges Wirken an den Universitäten Siena und Pisa war haupt-
sächlich darauf gerichtet den Anschauungen der modernen deutschen Rechtsforschung
Eingang zu verschaffen, sowohl durch seine Vorlesungen als durch seine Schriften,
entweder eigenen Geistes oder Uebersetzungen, von denen besonders Savigny's
Werk "über den Besitz," deren Savigny selbst in einem uns vorliegenden Briefe
mit großem Lob gedachte, sowie andere von Walter und Rau hervorzu-
heben sind.

Wie alle die sich in Italien mit Schriftstellerei beschäftigen, empfand auch
Conticini zu seiner Zeit das große Hinderniß das dafür in den Verhältnissen des
hiesigen Buchhandels liegt, und trat auch hierin wieder als Verfechter und Bahn-
brecher deutscher Einrichtungen auf, indem er ein Schriftchen "Sul commercio
librario in Italia"
veröffentlichte.

[Spaltenumbruch]

Es beſteht alſo in Kaukaſien eine Gradmeſſung welche aus der Landes-
vermeſſung hervorgieng. Von den aſtronomiſchen Punkten ſind indeſſen meiſt
nur die Polhöhen oder geographiſchen Breiten, ſeltener die geographiſchen Längen
oder die Azimuthe der an ihnen zuſammenlaufenden Seiten beſtimmt. Von den
Orten an welchen Polhöhen beſtimmt wurden, liegen 9 nördlich und 7 ſüdlich
vom Kaukaſus, der ſelbſt auch noch theils trigonometriſch, theils barometriſch
nivellirt wurde, ſo daß man aus den vorhandenen Tauſenden von Höhenbeſtim-
mungen ein Relief des gewaltigen Gebirgs herzuſtellen und mit Hülfe desſelben
und den Ergebniſſen geologiſcher Unterſuchungen die Lothablenkungen berechnen
konnte welche der Kaukaſus an jenen aſtronomiſchen Punkten hervorbringen muß.
Geht man nun von jenen Punkten, die in der Ebene des ſüdlichen Rußlands be-
ſtimmt ſind, aus, ſo findet ſich bei einer Annäherung von beiläufig 20 geographi-
ſchen Meilen vom Kaukaſus nur eine ſehr geringe Abweichung, bei weiterer An-
näherung aber ſteigt ſie raſch, und beträgt in dieſem Terrain auf der Nordſeite
zwiſchen 5 und 30 Secunden. Bringt man jedoch an dieſen Punkten die aus der
Anziehung des Kaukaſus berechneten Correctionen an, ſo verſchwinden dieſe Dif-
ferenzen bis auf kleine Größen, welche als innerhalb der Gränzen der Beobach-
tungsfehler liegend angeſehen werden können. Anders verhält ſich die Sache
wenn man den Kaukaſus überſchreitet. Der erſte Punkt Duschet wird innerhalb
dieſer Gränze noch gut dargeſtellt, in Tiflis beträgt die Abweichung ſchon 6 bis
7 Secunden, etwas weiter ſteigt ſie auf 25 Secunden, und in der Schemacha
findet ſtatt einer poſitiven Abweichung von 28 Secunden, welche die Rechnung
verlangt, eine negative von 15 Secunden ſtatt. Hier beträgt alſo die Anziehung
des Kaukaſus weniger als die von irgendeiner andern jenſeits wirkenden Maſſe
herrührende, und es kommt dabei ohne Zweifel der vulcaniſche Charakter der Ge-
gend um ſo mehr in Betracht, als Schemacha oft von Erdbeben heimgeſucht und
mehr oder weniger verwüſtet wird. In der benachbarten Station Baku ſtimmen
aſtronomiſche und geodätiſche Polhöhe wieder überein, was jedoch nichts auffal-
lendes hat, da dieſe Station gerade im Centrum der vulcaniſchen Bewegung liegt.
Dagegen weichen in Baku die auf zwei Wegen beſtimmten geographiſchen Längen
von einander ab.

Sind die von Oberſt Stebnizki erlangten Reſultate über Lothabweichungen am
Kaukaſus ſchon an und für ſich wichtig genug, ſo erhöht ſich deren Wichtigkeit noch
durch ihre Vergleichung mit den Ergebniſſen analoger Unterſuchungen über andere
mächtige Gebirge, und es iſt zu erwarten daß ſich über kurz oder lang Geodäten
und Geologen verbinden werden um verſchiedene Stellen der Erdrinde ihrer äußeren
und inneren Beſchaffenheit nach genauer zu ſtudieren als es bisher der Fall war.
Aus ſolchem vereinten Studium werden ſich dann wohl zeitweiſe, neben den wiſſen-
ſchaftlichen Fünden, auch andere von national-ökonomiſcher Bedeutung ergeben.

Haben wir die Lothabweichungen als ein vorzügliches Mittel erkannt die
ideale Geſtalt der Erde zu prüfen, ſo ſind es nicht minder die Längen der Pendel,
welche an jedem Orte Secunden ſchlagen, oder die Schwingungszahlen, welche ein
und derſelbe Pendel an verſchiedenen Orten der Erde in einem Tag anzeigt;
denn die Aenderung der Länge des Secundenpendels oder der Schwingungszahl
des einfachen Pendels welche in der Richtung eines Meridians von Ort zu Ort
ſtattfindet, hängt mit der Erdgeſtalt aufs innigſte zuſammen. Man hat nämlich
ſchon vor 200 Jahren die Entdeckung gemacht daß der Secundenpendel in ſüdlichen
Gegenden kürzer ſein muß als in nördlichen, und die Theorie hat feſtgeſtellt daß
die für jeden Ort gültige Länge dieſes Pendels mit der daſelbſt ſtattfindenden
Größe der Erdanziehung und dieſe von der geographiſchen Breite des Orts ab-
hängt. Läßt ſich hieraus der Zuſammenhang zwiſchen Pendellänge und Erdgeſtalt
ſchon ahnen, ſo wird derſelbe einleuchtend wenn man erwägt in welcher Weiſe
die in der Erdmaſſe thätigen Kräfte gewirkt haben müſſen, um eine Abplattung der
Erde an ihren Polen zu Stande zu bringen.

Die Erklärung dieſer Abplattung kann nur auf einer Hypotheſe über den
ehemaligen Zuſtand der Erdmaſſe beruhen; am einfachſten und durch mehrere geo-
logiſche Erſcheinungen empfohlen, iſt die Vorausſetzung einer flüſſigen, wenigſtens
weichen, Beſchaffenheit dieſer Maſſe. Nimmt man dieſelbe ferner als gleichmäßig
dicht an, und ſtattet ſie mit Schwerkraft aus, ſo müßte ſie ſich in Folge hiervon
im Zuſtande der Ruhe kugelförmig geſtalten. Sobald ſich dieſe Kugel um einen
ihrer Durchmeſſer zu drehen anfieng, entſtand in allen nicht in der Axe ſelbſt gele-
genen Maſſetheilchen eine Centrifugalkraft, welche um ſo größer war, je weiter das
betreffende Theilchen von der Drehungsaxe abſtand. Dieſe Kraft wirkte der durch
den Kugelmittelpunkt gerichteten Schwerkraft entgegen, und aus beiden gieng
eine vom Pol der Erde gegen den Aequator gerichtete Mittelkraft hervor, welche die
weiche Maſſe von den Polen ſo lange weg und gegen den Aequator hintrieb, bis
die Erdoberfläche überall ſenkrecht zur abgeänderten Schwere-Richtung ſtand. Auf
dieſe Weiſe mußte der polare Durchmeſſer ſich verkürzen, und der äquatoriale
ſich verlängern, demnach auch eine polare Abplattung entſtehen. Da dieſe Ab-
plattung ſomit ihren Grund in der vereinten Wirkung der Schwung- und Schwer-
kraft der Erde hat, und da zwiſchen der Abplattung und den ſie bedingenden Kräf-
ten eine von der Dichtigkeit der Erdſchichten unabhängige Relation beſteht, ſo läßt
ſich von dieſen drei Größen je eine berechnen, wenn man die beiden anderen kennt.
Dieſe Relation wurde von dem bei der lappländiſchen Gradmeſſung betheiligten
ausgezeichneten franzöſiſchen Mathematiker Clairaut entdeckt, und ſagt aus daß,
wie auch die Maſſen im Innern der Erde vertheilt ſein mögen, doch ſtets die
Summe der Abplattung und des Zuwachſes der Schwere vom Aequator bis zu
den Polen dritthalbmal ſo groß iſt als die Schwungkraft unter dem Aequator
(wobei ſich von ſelbſt verſteht daß der Schwerezuwachs und die Schwungkraft
nicht abſolut, ſondern im Verhältniß zur Schwer- und Schwungkraft unter dem
Aequator zu nehmen ſind). Aus den bisherigen Pendelbeobachtungen hat man
eine Abplattung der Erde von abgeleitet, während die Gradmeſſungen
ergeben: es iſt alſo auch dieſe Differenz durch die neuen Gradmeſſungen noch auf-
zuklären.

Die Geſtalt der Erdoberfläche würde nur unvollſtändig bekannt ſein, wenn
lediglich ihre Krümmungsverhältniſſe an vielen Punkten erforſcht wären: zur voll-
ſtändigen Geſtaltsbeſtimmung gehört auch die Kenntniß der Höhen dieſer Punkte
in Bezug auf den Meeresſpiegel. Deßhalb hat es die erſte allgemeine Conferenz
[Spaltenumbruch] vom Jahr 1864 als wichtig erkannt daß in allen bei der europäiſchen Gradmeſſung
betheiligten Ländern, neben den trigonometriſchen Höhenbeſtimmungen, geometriſche
Nivellements erſter Ordnung (d. h. Nivellements von größter Genauigkeit, Prä-
ciſionsnivellements) ausgeführt werden, welche, den Eiſenbahnen und Landſtraßen
folgend, die Meeresſpiegel an den Küſten Europa’s zu verbinden und in allen Län-
dern des europäiſchen Continents eine große Zahl von dauerhaften, genau ein-
nivellirten Marken als Grundlagen für Höhenmeſſungen zweiter Ordnung (Nivel-
lements von geringerer Genauigkeit für techniſche und topographiſche Zwecke) zu
ſchaffen beſtimmt ſind. Die zweite und die dritte allgemeine Conferenz haben den im
Jahr 1864 gefaßten Beſchluß, die Ausführung von Präciſionsnivellements betref-
fend, wiederholt beſtätigt, und es iſt derſelbe in mehreren europäiſchen Staaten
ſchon durchgeführt und in den andern in Ausführung begriffen oder hiefür vor-
bereitet. Ueberall wo dieſe Nivellem ents erſter Ordnung durchgeführt ſind, und in
den Gebirgsgegenden Höhenbeſtimmungen zweiter und dritter Ordnung ſtattgefun-
den haben, iſt man, wie am Kaukaſus, im Stande die Anziehung der Gebirgsmaſſen
zu berechnen, und folglich die Ablenkung der Lothlinie in der Weiſe zu unterſuchen
wie es Stebnizki für die Gegend des Kaukaſus gethan hat.

Jedes geometriſche Präciſionsnivellement findet ſeine Abſchlüſſe an Meeres-
küſten. Hiebei entſteht die Frage: welcher von den wechſelnden Waſſerſtänden des
Meeres als mittlerer Meeresſpiegel gelten ſoll. Dieſer mittlere Waſſerſtand er-
gibt ſich nur aus einer ſehr großen Anzahl zuverläſſiger Aufzeichnungen, die in
beſtimmten Zeitpunkten über die durch Pegel gemeſſenen Höhenſtände des Meeres
gemacht werden. Keine Aufzeichnung iſt aber ſicherer als die welche eine Maſchine
bewirkt, und darum hat man in neuerer Zeit „ſelbſtregiſtrirende Pegel“ (Regiſtrir-
pegel) erfunden und an Flüſſen, Seen und Meeren aufgeſtellt, um über das Steigen
und Fallen der Waſſerſpiegel zuverläſſige Angaben zu erhalten. Dergleichen
Pegelbeobachtungen ſtehen nunmehr auch mit der europäiſchen Gradmeſſung in
Verbindung, und die dritte allgemeine Conferenz hat es ſich angelegen ſein laſſen
dieſen Beobachtungen in allen Küſtenſtaaten Europa’s die möglichſte Verbreitung
zu ſichern.

Eines der wichtigſten Erforderniſſe für eine Gradmeſſung iſt der Beſitz eines
Normalmaßes und eines Comparators, welcher geſtattet die Längen der zur wirk-
lichen Meſſung dienenden Maßſtäbe bis auf eine verſchwindend kleine Größe (etwa
den zweihundertſten Theil eines Millimeters oder den fünfhundertſten Theil einer
Linie) genau anzugeben. Hienach iſt es ſelbſtverſtändlich daß eingehende Verhand-
lungen über Normalmaße und Maßvergleichungen einen weſentlichen Theil der
bisherigen Conferenzen bilden mußten. Die Löſung der hieher gehörigen Fragen
iſt nicht bloß durch die mechaniſche Technik (trotz ihrer hohen Entwicklung), ſondern
hauptſächlich dadurch erſchwert daß die Grundlinien bereits vorhandener Dreiecks-
netze bald mit einer Toiſe, bald mit einem Meter gemeſſen ſind, deren Größenver-
hältniß man nicht genau kennt und es daher durch den zu ſchaffenden Comparator erſt
ſuchen muß. Das Centralbureau der europäiſchen Grundmeſſung hat ſich für den
Comparator entſchieden welchen das berühmte und verdienſtvolle Mitglied der
bayeriſchen Commiſſion, Miniſteralrath v. Steinheil, erfunden und kurz vor ſeinem
am 14 Sept. 1870 erfolgten Tode noch für die Vergleichung von Meter und Toiſe
eingerichtet hat. Dieſer Comparator iſt in Berlin aufgeſtellt, und es dürfen in
kurzer Zeit Berichte über ſeine Leiſtungen erwartet werden.



Pietro Conticini.

In einem eingehenden Artikel der „Allg. Ztg.“
war vor kurzem hervorgehoben worden wie neuerdings die deutſche Rechtswiſſen-
ſchaft jenſeits der Alpen mit einer Liebe aufgenommen und gepflegt werde, welche
uns Deutſche mit freudigem Stolz erfüllen kann, und dabei wurde erwähnt daß
dieſe Erſcheinung nicht erſt der vorjährige Krieg hervorgerufen, ſondern ſchon ſeit
einer Reihe von Jahren die fleißige Vermittlung der Reſultate deutſcher Forſchung
in die italieniſche Rechtswiſſenſchaft vorbereitet habe.

Zu den Männern nun die auf dieſem Felde die erſte Bahn gebrochen und
durch Lehren und Schreiben unermüdlich in vorderſter Linie gearbeitet haben, ge-
hört unſtreitig der am 10 November l. J. verſtorbene Adv. Pietro Conticini, Pro-
feſſor der Rechtswiſſenſchaften an den Univerſitäten Siena und Piſa, deſſen An-
denken dieſe wenigen Zeilen gewidmet ſind.

Unter dürftigen Verhältniſſen im Orte Strada im Caſentino (Toscana)
1805 geboren, konnte er nur mit Hülfe der höchſt ſeltenen Opferwilligkeit eines
Freundes die Studien beginnen, zu denen ihn ſein ſtrebſamer Geiſt hinzog. Kaum
hatte er dieſe vollendet, und zwar an derſelben Univerſität an der er ſelbſt ſpäter eine
lange Reihe von Jahren als Lehrer wirken ſollte, und jetzt ein ſo wohlverdientes
und theilnahmvolles Andenken hinterläßt, als der damalige Großherzog von
Toscana, auf den talentvollen jungen Mann aufmerkſam gemacht, ihm reichlich die
Mittel zu weiterer Ausbildung auf deutſchen Univerſitäten verſchaffte. Während
eines dreijährigen Aufenthalts an den Univerſitäten Berlin, Bonn und Heidelberg
trat Conticini in nähere Beziehungen zu den erſten Rechtsgelehrten der damaligen
Zeit, beſonders zu Savigny, Mittermayer und anderen, mit denen er in fortdauern-
der Verbindung blieb, und heimste dort den Samen ein, den er ſpäter ſo fleißig
hier in Italien ausſäete.

Sein langjähriges Wirken an den Univerſitäten Siena und Piſa war haupt-
ſächlich darauf gerichtet den Anſchauungen der modernen deutſchen Rechtsforſchung
Eingang zu verſchaffen, ſowohl durch ſeine Vorleſungen als durch ſeine Schriften,
entweder eigenen Geiſtes oder Ueberſetzungen, von denen beſonders Savigny’s
Werk „über den Beſitz,“ deren Savigny ſelbſt in einem uns vorliegenden Briefe
mit großem Lob gedachte, ſowie andere von Walter und Rau hervorzu-
heben ſind.

Wie alle die ſich in Italien mit Schriftſtellerei beſchäftigen, empfand auch
Conticini zu ſeiner Zeit das große Hinderniß das dafür in den Verhältniſſen des
hieſigen Buchhandels liegt, und trat auch hierin wieder als Verfechter und Bahn-
brecher deutſcher Einrichtungen auf, indem er ein Schriftchen „Sul commercio
librario in Italia“
veröffentlichte.

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[35/0011] Es beſteht alſo in Kaukaſien eine Gradmeſſung welche aus der Landes- vermeſſung hervorgieng. Von den aſtronomiſchen Punkten ſind indeſſen meiſt nur die Polhöhen oder geographiſchen Breiten, ſeltener die geographiſchen Längen oder die Azimuthe der an ihnen zuſammenlaufenden Seiten beſtimmt. Von den Orten an welchen Polhöhen beſtimmt wurden, liegen 9 nördlich und 7 ſüdlich vom Kaukaſus, der ſelbſt auch noch theils trigonometriſch, theils barometriſch nivellirt wurde, ſo daß man aus den vorhandenen Tauſenden von Höhenbeſtim- mungen ein Relief des gewaltigen Gebirgs herzuſtellen und mit Hülfe desſelben und den Ergebniſſen geologiſcher Unterſuchungen die Lothablenkungen berechnen konnte welche der Kaukaſus an jenen aſtronomiſchen Punkten hervorbringen muß. Geht man nun von jenen Punkten, die in der Ebene des ſüdlichen Rußlands be- ſtimmt ſind, aus, ſo findet ſich bei einer Annäherung von beiläufig 20 geographi- ſchen Meilen vom Kaukaſus nur eine ſehr geringe Abweichung, bei weiterer An- näherung aber ſteigt ſie raſch, und beträgt in dieſem Terrain auf der Nordſeite zwiſchen 5 und 30 Secunden. Bringt man jedoch an dieſen Punkten die aus der Anziehung des Kaukaſus berechneten Correctionen an, ſo verſchwinden dieſe Dif- ferenzen bis auf kleine Größen, welche als innerhalb der Gränzen der Beobach- tungsfehler liegend angeſehen werden können. Anders verhält ſich die Sache wenn man den Kaukaſus überſchreitet. Der erſte Punkt Duschet wird innerhalb dieſer Gränze noch gut dargeſtellt, in Tiflis beträgt die Abweichung ſchon 6 bis 7 Secunden, etwas weiter ſteigt ſie auf 25 Secunden, und in der Schemacha findet ſtatt einer poſitiven Abweichung von 28 Secunden, welche die Rechnung verlangt, eine negative von 15 Secunden ſtatt. Hier beträgt alſo die Anziehung des Kaukaſus weniger als die von irgendeiner andern jenſeits wirkenden Maſſe herrührende, und es kommt dabei ohne Zweifel der vulcaniſche Charakter der Ge- gend um ſo mehr in Betracht, als Schemacha oft von Erdbeben heimgeſucht und mehr oder weniger verwüſtet wird. In der benachbarten Station Baku ſtimmen aſtronomiſche und geodätiſche Polhöhe wieder überein, was jedoch nichts auffal- lendes hat, da dieſe Station gerade im Centrum der vulcaniſchen Bewegung liegt. Dagegen weichen in Baku die auf zwei Wegen beſtimmten geographiſchen Längen von einander ab. Sind die von Oberſt Stebnizki erlangten Reſultate über Lothabweichungen am Kaukaſus ſchon an und für ſich wichtig genug, ſo erhöht ſich deren Wichtigkeit noch durch ihre Vergleichung mit den Ergebniſſen analoger Unterſuchungen über andere mächtige Gebirge, und es iſt zu erwarten daß ſich über kurz oder lang Geodäten und Geologen verbinden werden um verſchiedene Stellen der Erdrinde ihrer äußeren und inneren Beſchaffenheit nach genauer zu ſtudieren als es bisher der Fall war. Aus ſolchem vereinten Studium werden ſich dann wohl zeitweiſe, neben den wiſſen- ſchaftlichen Fünden, auch andere von national-ökonomiſcher Bedeutung ergeben. Haben wir die Lothabweichungen als ein vorzügliches Mittel erkannt die ideale Geſtalt der Erde zu prüfen, ſo ſind es nicht minder die Längen der Pendel, welche an jedem Orte Secunden ſchlagen, oder die Schwingungszahlen, welche ein und derſelbe Pendel an verſchiedenen Orten der Erde in einem Tag anzeigt; denn die Aenderung der Länge des Secundenpendels oder der Schwingungszahl des einfachen Pendels welche in der Richtung eines Meridians von Ort zu Ort ſtattfindet, hängt mit der Erdgeſtalt aufs innigſte zuſammen. Man hat nämlich ſchon vor 200 Jahren die Entdeckung gemacht daß der Secundenpendel in ſüdlichen Gegenden kürzer ſein muß als in nördlichen, und die Theorie hat feſtgeſtellt daß die für jeden Ort gültige Länge dieſes Pendels mit der daſelbſt ſtattfindenden Größe der Erdanziehung und dieſe von der geographiſchen Breite des Orts ab- hängt. Läßt ſich hieraus der Zuſammenhang zwiſchen Pendellänge und Erdgeſtalt ſchon ahnen, ſo wird derſelbe einleuchtend wenn man erwägt in welcher Weiſe die in der Erdmaſſe thätigen Kräfte gewirkt haben müſſen, um eine Abplattung der Erde an ihren Polen zu Stande zu bringen. Die Erklärung dieſer Abplattung kann nur auf einer Hypotheſe über den ehemaligen Zuſtand der Erdmaſſe beruhen; am einfachſten und durch mehrere geo- logiſche Erſcheinungen empfohlen, iſt die Vorausſetzung einer flüſſigen, wenigſtens weichen, Beſchaffenheit dieſer Maſſe. Nimmt man dieſelbe ferner als gleichmäßig dicht an, und ſtattet ſie mit Schwerkraft aus, ſo müßte ſie ſich in Folge hiervon im Zuſtande der Ruhe kugelförmig geſtalten. Sobald ſich dieſe Kugel um einen ihrer Durchmeſſer zu drehen anfieng, entſtand in allen nicht in der Axe ſelbſt gele- genen Maſſetheilchen eine Centrifugalkraft, welche um ſo größer war, je weiter das betreffende Theilchen von der Drehungsaxe abſtand. Dieſe Kraft wirkte der durch den Kugelmittelpunkt gerichteten Schwerkraft entgegen, und aus beiden gieng eine vom Pol der Erde gegen den Aequator gerichtete Mittelkraft hervor, welche die weiche Maſſe von den Polen ſo lange weg und gegen den Aequator hintrieb, bis die Erdoberfläche überall ſenkrecht zur abgeänderten Schwere-Richtung ſtand. Auf dieſe Weiſe mußte der polare Durchmeſſer ſich verkürzen, und der äquatoriale ſich verlängern, demnach auch eine polare Abplattung entſtehen. Da dieſe Ab- plattung ſomit ihren Grund in der vereinten Wirkung der Schwung- und Schwer- kraft der Erde hat, und da zwiſchen der Abplattung und den ſie bedingenden Kräf- ten eine von der Dichtigkeit der Erdſchichten unabhängige Relation beſteht, ſo läßt ſich von dieſen drei Größen je eine berechnen, wenn man die beiden anderen kennt. Dieſe Relation wurde von dem bei der lappländiſchen Gradmeſſung betheiligten ausgezeichneten franzöſiſchen Mathematiker Clairaut entdeckt, und ſagt aus daß, wie auch die Maſſen im Innern der Erde vertheilt ſein mögen, doch ſtets die Summe der Abplattung und des Zuwachſes der Schwere vom Aequator bis zu den Polen dritthalbmal ſo groß iſt als die Schwungkraft unter dem Aequator (wobei ſich von ſelbſt verſteht daß der Schwerezuwachs und die Schwungkraft nicht abſolut, ſondern im Verhältniß zur Schwer- und Schwungkraft unter dem Aequator zu nehmen ſind). Aus den bisherigen Pendelbeobachtungen hat man eine Abplattung der Erde von [FORMEL] abgeleitet, während die Gradmeſſungen [FORMEL] ergeben: es iſt alſo auch dieſe Differenz durch die neuen Gradmeſſungen noch auf- zuklären. Die Geſtalt der Erdoberfläche würde nur unvollſtändig bekannt ſein, wenn lediglich ihre Krümmungsverhältniſſe an vielen Punkten erforſcht wären: zur voll- ſtändigen Geſtaltsbeſtimmung gehört auch die Kenntniß der Höhen dieſer Punkte in Bezug auf den Meeresſpiegel. Deßhalb hat es die erſte allgemeine Conferenz vom Jahr 1864 als wichtig erkannt daß in allen bei der europäiſchen Gradmeſſung betheiligten Ländern, neben den trigonometriſchen Höhenbeſtimmungen, geometriſche Nivellements erſter Ordnung (d. h. Nivellements von größter Genauigkeit, Prä- ciſionsnivellements) ausgeführt werden, welche, den Eiſenbahnen und Landſtraßen folgend, die Meeresſpiegel an den Küſten Europa’s zu verbinden und in allen Län- dern des europäiſchen Continents eine große Zahl von dauerhaften, genau ein- nivellirten Marken als Grundlagen für Höhenmeſſungen zweiter Ordnung (Nivel- lements von geringerer Genauigkeit für techniſche und topographiſche Zwecke) zu ſchaffen beſtimmt ſind. Die zweite und die dritte allgemeine Conferenz haben den im Jahr 1864 gefaßten Beſchluß, die Ausführung von Präciſionsnivellements betref- fend, wiederholt beſtätigt, und es iſt derſelbe in mehreren europäiſchen Staaten ſchon durchgeführt und in den andern in Ausführung begriffen oder hiefür vor- bereitet. Ueberall wo dieſe Nivellem ents erſter Ordnung durchgeführt ſind, und in den Gebirgsgegenden Höhenbeſtimmungen zweiter und dritter Ordnung ſtattgefun- den haben, iſt man, wie am Kaukaſus, im Stande die Anziehung der Gebirgsmaſſen zu berechnen, und folglich die Ablenkung der Lothlinie in der Weiſe zu unterſuchen wie es Stebnizki für die Gegend des Kaukaſus gethan hat. Jedes geometriſche Präciſionsnivellement findet ſeine Abſchlüſſe an Meeres- küſten. Hiebei entſteht die Frage: welcher von den wechſelnden Waſſerſtänden des Meeres als mittlerer Meeresſpiegel gelten ſoll. Dieſer mittlere Waſſerſtand er- gibt ſich nur aus einer ſehr großen Anzahl zuverläſſiger Aufzeichnungen, die in beſtimmten Zeitpunkten über die durch Pegel gemeſſenen Höhenſtände des Meeres gemacht werden. Keine Aufzeichnung iſt aber ſicherer als die welche eine Maſchine bewirkt, und darum hat man in neuerer Zeit „ſelbſtregiſtrirende Pegel“ (Regiſtrir- pegel) erfunden und an Flüſſen, Seen und Meeren aufgeſtellt, um über das Steigen und Fallen der Waſſerſpiegel zuverläſſige Angaben zu erhalten. Dergleichen Pegelbeobachtungen ſtehen nunmehr auch mit der europäiſchen Gradmeſſung in Verbindung, und die dritte allgemeine Conferenz hat es ſich angelegen ſein laſſen dieſen Beobachtungen in allen Küſtenſtaaten Europa’s die möglichſte Verbreitung zu ſichern. Eines der wichtigſten Erforderniſſe für eine Gradmeſſung iſt der Beſitz eines Normalmaßes und eines Comparators, welcher geſtattet die Längen der zur wirk- lichen Meſſung dienenden Maßſtäbe bis auf eine verſchwindend kleine Größe (etwa den zweihundertſten Theil eines Millimeters oder den fünfhundertſten Theil einer Linie) genau anzugeben. Hienach iſt es ſelbſtverſtändlich daß eingehende Verhand- lungen über Normalmaße und Maßvergleichungen einen weſentlichen Theil der bisherigen Conferenzen bilden mußten. Die Löſung der hieher gehörigen Fragen iſt nicht bloß durch die mechaniſche Technik (trotz ihrer hohen Entwicklung), ſondern hauptſächlich dadurch erſchwert daß die Grundlinien bereits vorhandener Dreiecks- netze bald mit einer Toiſe, bald mit einem Meter gemeſſen ſind, deren Größenver- hältniß man nicht genau kennt und es daher durch den zu ſchaffenden Comparator erſt ſuchen muß. Das Centralbureau der europäiſchen Grundmeſſung hat ſich für den Comparator entſchieden welchen das berühmte und verdienſtvolle Mitglied der bayeriſchen Commiſſion, Miniſteralrath v. Steinheil, erfunden und kurz vor ſeinem am 14 Sept. 1870 erfolgten Tode noch für die Vergleichung von Meter und Toiſe eingerichtet hat. Dieſer Comparator iſt in Berlin aufgeſtellt, und es dürfen in kurzer Zeit Berichte über ſeine Leiſtungen erwartet werden. Pietro Conticini. C.J. Piſa, Ende Dec. In einem eingehenden Artikel der „Allg. Ztg.“ war vor kurzem hervorgehoben worden wie neuerdings die deutſche Rechtswiſſen- ſchaft jenſeits der Alpen mit einer Liebe aufgenommen und gepflegt werde, welche uns Deutſche mit freudigem Stolz erfüllen kann, und dabei wurde erwähnt daß dieſe Erſcheinung nicht erſt der vorjährige Krieg hervorgerufen, ſondern ſchon ſeit einer Reihe von Jahren die fleißige Vermittlung der Reſultate deutſcher Forſchung in die italieniſche Rechtswiſſenſchaft vorbereitet habe. Zu den Männern nun die auf dieſem Felde die erſte Bahn gebrochen und durch Lehren und Schreiben unermüdlich in vorderſter Linie gearbeitet haben, ge- hört unſtreitig der am 10 November l. J. verſtorbene Adv. Pietro Conticini, Pro- feſſor der Rechtswiſſenſchaften an den Univerſitäten Siena und Piſa, deſſen An- denken dieſe wenigen Zeilen gewidmet ſind. Unter dürftigen Verhältniſſen im Orte Strada im Caſentino (Toscana) 1805 geboren, konnte er nur mit Hülfe der höchſt ſeltenen Opferwilligkeit eines Freundes die Studien beginnen, zu denen ihn ſein ſtrebſamer Geiſt hinzog. Kaum hatte er dieſe vollendet, und zwar an derſelben Univerſität an der er ſelbſt ſpäter eine lange Reihe von Jahren als Lehrer wirken ſollte, und jetzt ein ſo wohlverdientes und theilnahmvolles Andenken hinterläßt, als der damalige Großherzog von Toscana, auf den talentvollen jungen Mann aufmerkſam gemacht, ihm reichlich die Mittel zu weiterer Ausbildung auf deutſchen Univerſitäten verſchaffte. Während eines dreijährigen Aufenthalts an den Univerſitäten Berlin, Bonn und Heidelberg trat Conticini in nähere Beziehungen zu den erſten Rechtsgelehrten der damaligen Zeit, beſonders zu Savigny, Mittermayer und anderen, mit denen er in fortdauern- der Verbindung blieb, und heimste dort den Samen ein, den er ſpäter ſo fleißig hier in Italien ausſäete. Sein langjähriges Wirken an den Univerſitäten Siena und Piſa war haupt- ſächlich darauf gerichtet den Anſchauungen der modernen deutſchen Rechtsforſchung Eingang zu verſchaffen, ſowohl durch ſeine Vorleſungen als durch ſeine Schriften, entweder eigenen Geiſtes oder Ueberſetzungen, von denen beſonders Savigny’s Werk „über den Beſitz,“ deren Savigny ſelbſt in einem uns vorliegenden Briefe mit großem Lob gedachte, ſowie andere von Walter und Rau hervorzu- heben ſind. Wie alle die ſich in Italien mit Schriftſtellerei beſchäftigen, empfand auch Conticini zu ſeiner Zeit das große Hinderniß das dafür in den Verhältniſſen des hieſigen Buchhandels liegt, und trat auch hierin wieder als Verfechter und Bahn- brecher deutſcher Einrichtungen auf, indem er ein Schriftchen „Sul commercio librario in Italia“ veröffentlichte.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-03-29T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1872, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine03_1872/11>, abgerufen am 21.11.2024.