Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1872.[Spaltenumbruch]
Die Umwechselung der alten Obligationen in neue Staatstitel wird längstens bs zum Von den zu dieser Vorlage von den Sectionen vorgeschlagenen Modisica- Deutsches Reich. * Berlin, 31 Dec. In Folge der am 1 Jan. stattfindenden großen Gra- Die von uns jüngst nach der "B. A. C." gegebenen Nachrichten über gewisse Vorgestern hielt der Bundesrath unter dem Vorsitze des Staatsministers Del- Das Eisenbahn-Bataillon ist jetzt gebildet, und besteht aus vier gleichartigen Aus Posen wird berichtet daß der Erzbischof von Gnesen und Posen, Graf Oesterreichisch-ungarische Monarchie. * Aus Oesterreich, 1 Jan. Die Blätter ziehen die Bilanz des abgelau- "Oesterreich schwebte am Rande des Abgrundes. Vergebens hatte das deutsche [Spaltenumbruch]
Die Umwechſelung der alten Obligationen in neue Staatstitel wird längſtens bs zum Von den zu dieſer Vorlage von den Sectionen vorgeſchlagenen Modiſica- Deutſches Reich. * Berlin, 31 Dec. In Folge der am 1 Jan. ſtattfindenden großen Gra- Die von uns jüngſt nach der „B. A. C.“ gegebenen Nachrichten über gewiſſe Vorgeſtern hielt der Bundesrath unter dem Vorſitze des Staatsminiſters Del- Das Eiſenbahn-Bataillon iſt jetzt gebildet, und beſteht aus vier gleichartigen Aus Poſen wird berichtet daß der Erzbiſchof von Gneſen und Poſen, Graf Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie. * Aus Oeſterreich, 1 Jan. Die Blätter ziehen die Bilanz des abgelau- „Oeſterreich ſchwebte am Rande des Abgrundes. Vergebens hatte das deutſche <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <floatingText> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0004" n="28"/> <cb/> <p>Die Umwechſelung der alten Obligationen in neue Staatstitel wird längſtens bs zum<lb/> 1 Juni 1872 bewerkſtelligt ſein. §. 10. Die Obligationsbeſitzer werden wegen der vor<lb/> dem 1 Januar 1872 fälligen Coupons die urſprünglichen Conceſſionäre zu belangen<lb/> haben, welche allein für die Zahlung verantwortlich ſind.“</p> </div> </body> </floatingText><lb/> <p>Von den zu dieſer Vorlage von den Sectionen vorgeſchlagenen Modiſica-<lb/> tionen dürften dem Conſortium Bleichröder beſonders zwei ſehr unangenehm<lb/> ſein. Die eine liegt in dem Artikel 17, welcher der Actiengeſellſchaft verbietet den<lb/> Beſitz der Eiſenbahn an eine andere Geſellſchaft zu überlaſſen oder ſich mit einer<lb/> anderen Geſellſchaft zu fuſioniren. Dieſe Beſtimmung erſcheint in der That ſon-<lb/> derbar, da es den Rumänen doch gleichgültig ſein könnte wer den Betrieb der<lb/> Bahn leitet, wenn derſelbe nur gut geleitet wird; aber das Conſortium Bleich-<lb/> röder hat die Ungeſchicklichkeit begangen von vorneherein auszuſprechen: „daß der<lb/> Betrieb der rumäniſchen Bahnen einer großen öſterreichiſch-ungariſchen Bahn (k. k.<lb/> Staatsbahn) überlaſſen werden ſolle, und dieß hat der Oppoſition Gelegenheit<lb/> gegeben ſo lange in allen ihren Journalen zu ſchreien: Rumänien ſolle durch die<lb/> Eiſenbahnen „auſtromagyariſirt“ werden, bis endlich der Artikel 17 zur allge-<lb/> meinen Beruhigung zu Stande kam. Weiter dürften dem Conſortium Bleich-<lb/> röder die Beſtimmungen des Artikels 5 unangenehm ſein, welche für die Zinszah-<lb/> lungen der rumäniſchen Regierung am 1 Januar und 1 Juli 1872 von je 4,760,000<lb/> Frcs. eine doppelte Caution verlangen, und eine Conventionalſtrafe feſtſtellen<lb/> wenn die Bahnen von Roman nach Galatz, von Galatz nach Bukareſt, die Ver-<lb/> bindungsbahn der beiden Bukareſter Bahnhöfe und die kleinen Zweigbahnen<lb/> von Galatz und Braila nach ihren reſp. Häfen, nicht vollſtändig bis 1 Oct. 1872<lb/> ausgebaut ſind; doch laſſen ſich dieſe Beſtimmungen wohl rechtfertigen, da die Ge-<lb/> ſellſchaft in ihrem eigenen Antrage für den Ausbau derſelben genannten Eiſenbahnen<lb/> nur 3 Monate Bauzeit verlangt hat, während ihr durch das Geſetz 9 Monate zu-<lb/> geſtanden ſind. Die Erlegung einer Caution von 13,640,000 Frcs. aber kann nicht<lb/> drückend genannt werden, da ſie nur nominell in den alten rumäniſchen Eiſenbahn-<lb/> Obligationen erlegt zu werden braucht, von denen ſo wie ſo bereits mehr als<lb/> 100 Millionen deponirt ſind. In der geſtrigen Kammerſitzung erklärte der Miniſter-<lb/> präſident: daß das Miniſterium aus der Annahme des Regierungs-Projectes eine<lb/> Cabinetsfrage machen müſſe, und ſich ſ. Z. ausſprechen werde ob das Miniſterium<lb/> dimiſſioniren oder die Kammer auflöſen werde. Die Mittheilung wurde von der Kam-<lb/> mer mit Beifall aufgenommen. Am 23 Dec. hatte in einer geheimen Sitzung der<lb/> Kammer die Regierung den Deputirten die Mittheilung gemacht: daß von der hohen<lb/> Pforte eine Note eingelangt ſei in welcher dieſelbe die Löſung der Eiſenbahnfrage<lb/> fordert — bei Vermeidung der ernſteſten Complicationen. Gleichzeitig wurde eine<lb/> Depeſche des rumäniſchen Agenten Strat aus Konſtantinopel verleſen, in welcher<lb/> die Regierung beſchworen wird die türkiſche Note dießmal ſehr ernſt zu nehmen.<lb/> Die angedrohten Complicationen beſtänden in einer europäiſchen Conferenz, reſp.<lb/> einer Beſetzung Numäniens durch türkiſche Truppen. Von Seite der öſterreichiſch-<lb/> ungariſchen Monarchie wurde der rumäniſchen Regierung der dringende Rath ge-<lb/> geben die Eiſenbahnfrage zu ordnen, und dasſelbe geſchah von Seite Rußlands<lb/> und Englands, ſo daß gar kein Zweifel darüber obwaltet daß Deutſchland, Oeſter-<lb/> reich und Rußland über die Maßregeln ſich bereits geeinigt haben welche zu treffen<lb/> ſind falls die Löſung der Eiſenbahnfrage auch dießmal an der Halsſtarrigkeit der<lb/> rumäniſchen Kammern ſcheitern ſollte. Die Bukareſter Regierung bietet deßhalb<lb/> alles mögliche auf um die Angelegenheit einer befriedigenden Löſung entgegenzu<lb/> führen, und der Finanzminiſter hält ſogar die 4,700,000 Fres. zur Einlöſung des<lb/> Januar-Coupons 1872 der Obligationen bereit. Wie ich Ihnen bereits in einem<lb/> früheren Briefe mitgetheilt, trägt ſich die Oppoſition mit der (freilich chimäriſchen)<lb/> Idee: durch die Eiſenbahnfrage den Fürſten Karl zur Abdankung zu veranlaſſen,<lb/> und da der „rumäniſche Patriotismus“ von Seite dieſer Partei nichts als leere<lb/> Floskel iſt, ſo ſpielt für ſie die Zukunft Rumäniens — welche durch die Abdankung<lb/> des Fürſten ſehr gefährdet ſein würde — keine Rolle.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 31 Dec.</dateline><lb/> <p>In Folge der am 1 Jan. ſtattfindenden großen Gra-<lb/> tulationseour beim Kaiſer ſind bereits mehrere Generale von außerhalb hier ein-<lb/> getroffen. Unter denſelben befindet ſich auch der Generalfeldmarſchall v. Steinmetz.<lb/> Die Neujahrsgratulation findet in folgender Weiſe ſtatt: um 9½ Uhr bringen die<lb/> Hofſtaaten, Beamten ꝛc. ihre Glückwünſche dar, und gleich nachyer die Mitglieder<lb/> der Königsfamilie. Um 10 Vormittags fahren die Majeſtäten und die Prinzen<lb/> und Prinzeſſinnen zum Gottesdienſt in die Schloßcapelle nach Charlottenburg,<lb/> und um 1 Uhr Nachmittags (nach der Rückkehr von Charlottenburg) werden die activen<lb/> und die zur Dispoſition geſtellten Generale, darauf die hier anweſenden fürſtlichen<lb/> Perſonen, und um 1¾ Uhr die activen Staatsminiſter zur Gratulation empfangen.<lb/> — Am 2 Jan., dem Sterbetage des Königs Friedrich Wilhelm <hi rendition="#aq">IV,</hi> begeben ſich<lb/> die Majeſtäten und die übrigen hohen Herrſchaften nach Potsdam und wohnen in<lb/> der Friedenskirche daſelbſt der Gedächtnißfeier bei. — Dem Verlagsbuchhändler<lb/> A. Hofmann hier iſt, wie wir in der „B.-Z.“ leſen, von dem König von Schweden<lb/> als Anerkennung für die Förderung nordiſcher Literatur in Deutſchland das Ritter-<lb/> kreuz des Waſa-Ordens verliehen worden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Die von uns jüngſt nach der „B. A. C.“ gegebenen Nachrichten über gewiſſe<lb/> in baldiger Ausſicht ſtehende Geſetzesvorlagen werden ſchon wieder dementirt. Die<lb/> „Krz.-Ztg.“ ſchreibt nämlich: „Die Mittheilungen über die bevorſtehenden Vor-<lb/> lagen aus dem Cultusminiſterium ſind durchweg irrig; es ſind weder über die fa-<lb/> cultative Civilehe noch in Betreff des Austritts aus der Kirche Vorlagen der Art<lb/> beſchloſſen.“ Die „Schleſ. Ztg.“ ferner theilt aus guter Quelle folgendes mit: <cit><quote>„In<lb/> Bezug auf das Unterrichtsgeſetz iſt zu conſtatiren daß darüber noch kein definitiver<lb/> Beſchluß gefaßt iſt. Die Vorlage des Unterrichtsgeſetzes dürfte auf keinen Fall<lb/> früher erfolgen als die Landesvertretung ihre Auffaſſung in Bezug auf das Geſetz<lb/> wegen der Schulaufſicht kundgegeben und beſtimmt ausgeſprochen hat. Was die<lb/> Civilehe betrifft, ſo iſt es durchaus irrig wenn es in dieſer Beziehung heißt daß das<lb/> Staatsminiſterium eine Vorlage beſchloſſen habe welche auf die faeultative Civil-<lb/> ehe hinauslaufe. Der dem Staatsminiſterium vorliegende Entwurf, welcher ſich<lb/> auf die bürgerliche Eheſchließung bezieht, hat es weder mit der obligatoriſchen noch<lb/> mit der facultativen Civilehe zu thun, ſondern enthält lediglich Beſtimmungen über<lb/> die Noth-Civilehe. Dieſer Entwurf iſt bekanntlich aus dem Zuſammenwirken des<lb/> Cultus- und des Juſtizminiſteriums hervorgegangen. Ein anderer Entwurf liegt<lb/> dem Staatsminiſterium nicht vor. Was die Angaben über den dritten Entwurf be-<lb/><cb/> trifft, der ſich mit dem Austritt aus der Landeskirche beſchäftigen ſoll, ſo beruht<lb/> alles darüber Mitgetheilte auf reinem Irrthum. Der Gegenſtand der Berathungen<lb/> in der jüngſten Sitzung des Staatsminiſteriums waren lediglich Communal- und<lb/> Ordens-Angelegenheiten; Beſchlüſſe von politiſcher Bedeutung ſind in derſelben nicht<lb/> vorgekommen. Soviel man hört, iſt auch von der Vertheilung des Civil-Verdienſt-<lb/> kreuzes, welches Civiliſten für Verdienſte im letzten Krieg verliehen werden ſoll, die<lb/> Rede geweſen, doch ſoll letzteres am nächſten Ordensfeſte noch nicht zur Vertheilung<lb/> kommen, weil noch zu viele darauf bezügliche Formalitäten zu erledigen find. Da-<lb/> für aber dürften am nächſten Geburtstage des Kaiſers und Königs alle Vorbedin-<lb/> gungen der Vertheilung erfüllt ſeien.“</quote></cit></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Vorgeſtern hielt der Bundesrath unter dem Vorſitze des Staatsminiſters Del-<lb/> brück die letzte dießjährige Plenarſitzung. Nach den einleitenden Geſchäften wurde<lb/> zunächſt durch den zuſtehenden Ausſchuß Bericht erſtattet über das von uns wieder-<lb/> holt näher erwähnte Eiſenbahn-Polizeireglement, und dasſelbe angenommen. Es<lb/> folgte ein Ausſchußbericht über den Entwurf einer Seemanns-Ordnung, für welche<lb/> Vorſchläge und Gegenvorſchläge mannichfacher Art vorliegen. Das dringende Be-<lb/> dürfniß zur endlichen Regulirung dieſer lange ſchwebenden Angelegenheit wurde<lb/> allſeitig anerkannt, und beſchloſſen eine beſondere Reichscommiſſion aus Sach-<lb/> verſtändigen zu berufen und ſie mit Aufſtellung eines endgültigen Entwurfs, über<lb/> den ſich dann der Bun desrath ſchlüſſig machen wollte, zu betrauen. Endlich folgte<lb/> ein Bericht des Rechnungsausſchuſſes über die Bereitſtellung der Mittel zur Be-<lb/> ſtreitung der Reichsausgaben im Jahre 1872. Es iſt dieß die ſtets am Schluſſe<lb/> des Jahrs erſcheinende rein techniſche Rechnungsarbeit bezüglich der Feſtſtellung<lb/> der Steuereingänge, der Abtragung der Immatricularbeiträge ꝛc. Wie in den<lb/> Vorjahren fand dieſe Angelegenheit anſtandsloſe Erledigung. Den Schluß machten<lb/> Eingaben. Hinſichtlich des Geſetzes über den Schutz des geiſtigen Eigenthums hat<lb/> es ſich als eine fühlbare Lücke herausgeſtellt daß die Erzeugniſſe der Kunſt-Induſtrie<lb/> jedes Schutzes entbehren. Die Ideen ſind geſchützt, ſobald aber die Erzeugniſſe<lb/> als Muſter gelten, iſt ihre Nachahmung nicht angreifbar. Von Seiten einer neulich<lb/> zur Verathung über Förderung der Kunſt-Induſtrie vom Handelsminiſter berufenen<lb/> Commiſſion iſt dieſe von den Betheiligten ſchwer empfundene Unzuträglichkeit leb-<lb/> haft erörtert und daran der Wunſch geknüpft worden auf geſetzlichem Wege die-<lb/> ſelbe beſeitigt zu ſehen. Es iſt denn auch die Erwägung der Angelegenheit zu<lb/> möglicher Abhülfe zugeſagt worden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Das Eiſenbahn-Bataillon iſt jetzt gebildet, und beſteht aus vier gleichartigen<lb/> Compagnien. Demſelben liegt der Bau und Betrieb von Eiſenbahnen ob, zu<lb/> welchem Zwecke die Uebungen nach dieſer Seite hin geleitet werden. Wahrſcheinlich<lb/> iſt deßhalb auch die Erwerbung einer eigenen Eiſenbahnſtrecke in Ausſicht genom-<lb/> men. — Bekanntlich wird die im nächſten Monat bevorſtehende Marine-Recruti-<lb/> rung auf ganz Deutſchland ausgedehnt werden. Die dabei in Betracht kommenden<lb/> Berufsclaſſen ſind die Flußſchiffer, Schiffszimmerleute, Schiffshandwerker und<lb/> vor allem das Maſchinenperſonal. Dieſes letztere wird dem 1868 neugebildeten<lb/> Maſchiniſtencorps zugewieſen. Ein Theil dieſes Maſchiniſtenperſonals wird indeß<lb/> auch fortan von dem neuformirten Eiſenbahn-Bataillon in Anſpruch genommen<lb/> werden. Die Schiffs handwerker treten hingegen in die Werft-Diviſionen über, wo-<lb/> gegen die Flußſchiffer nach der neuen Beſtimmung nur noch dem See-Bataillon<lb/> zugetheilt werden ſollen. — Der „Mittelrh. Ztg.“ wird geſchrieben: <cit><quote>„Trotzdem daß<lb/> der Staatshaushaltsetat für 1872 noch nicht feſtgeſtellt iſt, wird dennoch mit der<lb/> Anſtellung der von der Staatsregierung in Ausſicht genommenen neuen Beamten<lb/> bereits vorgegangen, wahrſcheinlich in dem guten Glauben daß das Abgeordneten-<lb/> haus ſchließlich doch alle Forderungen der Staatsregierung bewilligen wird. So<lb/> iſt u. a. bei der Berliner Polizei ſchon eine Anzahl neuer Kräfte der ver-<lb/> ſchiedenſten Kategorien in Thätigkeit getreten, eine weitere Vermehrung wird<lb/> für den Dienſt vorbereitet. Ob die Sicherheit in den Straßen und Localen<lb/> der Hauptſtadt, der Schutz der Einheimiſchen und Fremden darob ein größerer<lb/> werden wird, dürfte zwar zunächſt erſt abzuwarten ſein, allein wir erlauben uns<lb/> ſchon heut unſern beſcheidenen Zweifel auszuſprechen, und begründen denſelben mit<lb/> dem Hin weis darauf daß das Syſtem das alte geblieben.“</quote></cit></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Aus <hi rendition="#b">Poſen</hi> wird berichtet daß der Erzbiſchof von Gneſen und Poſen, Graf<lb/> Ledochowski, ſich wieder des Titels „Primas“ bedient. An der Thür der Francis-<lb/> canerkirche an Poſen, in welcher nur deutſche katholiſche Geiſtliche angeſtellt ſind,<lb/> befand ſich während der Feiertage ein gedrucktes Placat, in welchem die Abhaltung<lb/> eines 40 ſtündigen Gebetes für die bedrängte katholiſche Kirche und den h. Vater an-<lb/> geordnet: und bekannt gemacht wurde am Mittwoch werde „Seine Excellenz der<lb/> hochwürdige Erzbiſchof-Primas“ eine h. Meſſe celebriren. Dieſen Titel: „Primas“<lb/> führte zu altpolniſchen Zeiten der Erzbiſchof von Gneſen, als der Erſte nach dem<lb/> Könige, als welcher er auch nach dem Tod eines Königs bis zur Neuwahl das Reich<lb/> zu verwalten hatte. — Wie die „Poſ. Ztg.“ vor kurzem meldete, iſt ſeitens der Re-<lb/> gierung der Direction der oberſchleſiſchen und der märkiſch - poſener Eiſenbahn zur<lb/> Erwägung anheimgegeben worden künftighin die Namen der Eiſenbahnſtationen in<lb/> unſerer Provinz entweder nach den Regeln der deutſchen Orthographie zu ſchreiben<lb/> oder an höchſter Stelle die Umänderung der polniſchen in deutſche Namen herbeizu-<lb/> führen, falls die erſteren der deutſchen Ausſprache Schwierigkeiten bereiten. Es<lb/> würde alſo z. B., ſtatt Neutomysl, Neutomiſchl zu ſchreiben, und an Stelle des Na-<lb/> mens Jaſterzewski die Benenung Habichtsdorf einzuführen ſein.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Aus Oeſterreich,</hi> 1 Jan.</dateline><lb/> <p>Die Blätter ziehen die Bilanz des abgelau-<lb/> fenen Jahrs, und machen den Voranſchlag für das beginnende. Die Rückblicke<lb/> wären düſter genug, wenn ſie nicht vom Gefühle glücklich überſtandener Lebens-<lb/> gefahr erhellt würden; die Ausblicke ſind hoffnungsreich und zuverſichtlich, ohne<lb/> allzu ſehr in den ſonſt bei ſolchen Gelegenheiten üblichen öſterreichiſchen Sangui-<lb/> nismus zu verfallen. Die „N. Fr. Pr.“ ſchreibt in einem Rückblick an der Jahres-<lb/> wende:</p><lb/> <cit> <quote>„Oeſterreich ſchwebte am Rande des Abgrundes. Vergebens hatte das deutſche<lb/> Bürgerthum eine alle Erwartungen der Feinde zu Schande machende, alle Hoffnungen<lb/> der Freunde überflügelnde Kraft und Einigkeit entwickelt. Näher und näher rollte der<lb/> aus ſeinen Geleiſen geworfene Staatswagen der Stelle zu wo er zerſchellen mußte; da<lb/> brachte ihn die maßloſe Ueberhebung der Tſchechen und Feudalen zum Stillſtande. Sie<lb/> wollten nicht nur Oeſterreich zwingen ſich ihnen zu opfern; ſie wollten zur Schmach den<lb/> Hohn fügen, den Triumph über dem Leibe des noch nicht erlegten Feindes zu feiern.<lb/> Vor dem Zuſammentritt des Reichsrathes ſollte ihnen die Erfüllung ihrer Forderungen<lb/> verbrieft und beſiegelt, die conſtitutionellen Formen ſollten gefliſſentlich verletzt werden.<lb/> Die dadurch erzwungene Pauſe gab allen redlichen Elementen der Monarchie Zeit der<lb/> ſtaatsfeindlichen Verſchwörung eine Liga der Staatstreuen entgegenzuſtellen. Wer es<lb/> mit Oeſterreich ehrlich meinte, trat dem Bunde bei. Deakiſten, die wenigen klerikalen<lb/> Patrioten, vereinzelte Abſolutiſten verſtärkten das Schwergewicht der Verfaſſungspartei,<lb/> und unſere Wagſchale kam zum Sinken. Oeſterreich war gerettet — freilich hatte der<lb/> das Reich zerreißende Spalt bei ſeinem Schließen einen Curtius verſchlungen, den<lb/></quote> </cit> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0004]
Die Umwechſelung der alten Obligationen in neue Staatstitel wird längſtens bs zum
1 Juni 1872 bewerkſtelligt ſein. §. 10. Die Obligationsbeſitzer werden wegen der vor
dem 1 Januar 1872 fälligen Coupons die urſprünglichen Conceſſionäre zu belangen
haben, welche allein für die Zahlung verantwortlich ſind.“
Von den zu dieſer Vorlage von den Sectionen vorgeſchlagenen Modiſica-
tionen dürften dem Conſortium Bleichröder beſonders zwei ſehr unangenehm
ſein. Die eine liegt in dem Artikel 17, welcher der Actiengeſellſchaft verbietet den
Beſitz der Eiſenbahn an eine andere Geſellſchaft zu überlaſſen oder ſich mit einer
anderen Geſellſchaft zu fuſioniren. Dieſe Beſtimmung erſcheint in der That ſon-
derbar, da es den Rumänen doch gleichgültig ſein könnte wer den Betrieb der
Bahn leitet, wenn derſelbe nur gut geleitet wird; aber das Conſortium Bleich-
röder hat die Ungeſchicklichkeit begangen von vorneherein auszuſprechen: „daß der
Betrieb der rumäniſchen Bahnen einer großen öſterreichiſch-ungariſchen Bahn (k. k.
Staatsbahn) überlaſſen werden ſolle, und dieß hat der Oppoſition Gelegenheit
gegeben ſo lange in allen ihren Journalen zu ſchreien: Rumänien ſolle durch die
Eiſenbahnen „auſtromagyariſirt“ werden, bis endlich der Artikel 17 zur allge-
meinen Beruhigung zu Stande kam. Weiter dürften dem Conſortium Bleich-
röder die Beſtimmungen des Artikels 5 unangenehm ſein, welche für die Zinszah-
lungen der rumäniſchen Regierung am 1 Januar und 1 Juli 1872 von je 4,760,000
Frcs. eine doppelte Caution verlangen, und eine Conventionalſtrafe feſtſtellen
wenn die Bahnen von Roman nach Galatz, von Galatz nach Bukareſt, die Ver-
bindungsbahn der beiden Bukareſter Bahnhöfe und die kleinen Zweigbahnen
von Galatz und Braila nach ihren reſp. Häfen, nicht vollſtändig bis 1 Oct. 1872
ausgebaut ſind; doch laſſen ſich dieſe Beſtimmungen wohl rechtfertigen, da die Ge-
ſellſchaft in ihrem eigenen Antrage für den Ausbau derſelben genannten Eiſenbahnen
nur 3 Monate Bauzeit verlangt hat, während ihr durch das Geſetz 9 Monate zu-
geſtanden ſind. Die Erlegung einer Caution von 13,640,000 Frcs. aber kann nicht
drückend genannt werden, da ſie nur nominell in den alten rumäniſchen Eiſenbahn-
Obligationen erlegt zu werden braucht, von denen ſo wie ſo bereits mehr als
100 Millionen deponirt ſind. In der geſtrigen Kammerſitzung erklärte der Miniſter-
präſident: daß das Miniſterium aus der Annahme des Regierungs-Projectes eine
Cabinetsfrage machen müſſe, und ſich ſ. Z. ausſprechen werde ob das Miniſterium
dimiſſioniren oder die Kammer auflöſen werde. Die Mittheilung wurde von der Kam-
mer mit Beifall aufgenommen. Am 23 Dec. hatte in einer geheimen Sitzung der
Kammer die Regierung den Deputirten die Mittheilung gemacht: daß von der hohen
Pforte eine Note eingelangt ſei in welcher dieſelbe die Löſung der Eiſenbahnfrage
fordert — bei Vermeidung der ernſteſten Complicationen. Gleichzeitig wurde eine
Depeſche des rumäniſchen Agenten Strat aus Konſtantinopel verleſen, in welcher
die Regierung beſchworen wird die türkiſche Note dießmal ſehr ernſt zu nehmen.
Die angedrohten Complicationen beſtänden in einer europäiſchen Conferenz, reſp.
einer Beſetzung Numäniens durch türkiſche Truppen. Von Seite der öſterreichiſch-
ungariſchen Monarchie wurde der rumäniſchen Regierung der dringende Rath ge-
geben die Eiſenbahnfrage zu ordnen, und dasſelbe geſchah von Seite Rußlands
und Englands, ſo daß gar kein Zweifel darüber obwaltet daß Deutſchland, Oeſter-
reich und Rußland über die Maßregeln ſich bereits geeinigt haben welche zu treffen
ſind falls die Löſung der Eiſenbahnfrage auch dießmal an der Halsſtarrigkeit der
rumäniſchen Kammern ſcheitern ſollte. Die Bukareſter Regierung bietet deßhalb
alles mögliche auf um die Angelegenheit einer befriedigenden Löſung entgegenzu
führen, und der Finanzminiſter hält ſogar die 4,700,000 Fres. zur Einlöſung des
Januar-Coupons 1872 der Obligationen bereit. Wie ich Ihnen bereits in einem
früheren Briefe mitgetheilt, trägt ſich die Oppoſition mit der (freilich chimäriſchen)
Idee: durch die Eiſenbahnfrage den Fürſten Karl zur Abdankung zu veranlaſſen,
und da der „rumäniſche Patriotismus“ von Seite dieſer Partei nichts als leere
Floskel iſt, ſo ſpielt für ſie die Zukunft Rumäniens — welche durch die Abdankung
des Fürſten ſehr gefährdet ſein würde — keine Rolle.
Deutſches Reich.
* Berlin, 31 Dec.
In Folge der am 1 Jan. ſtattfindenden großen Gra-
tulationseour beim Kaiſer ſind bereits mehrere Generale von außerhalb hier ein-
getroffen. Unter denſelben befindet ſich auch der Generalfeldmarſchall v. Steinmetz.
Die Neujahrsgratulation findet in folgender Weiſe ſtatt: um 9½ Uhr bringen die
Hofſtaaten, Beamten ꝛc. ihre Glückwünſche dar, und gleich nachyer die Mitglieder
der Königsfamilie. Um 10 Vormittags fahren die Majeſtäten und die Prinzen
und Prinzeſſinnen zum Gottesdienſt in die Schloßcapelle nach Charlottenburg,
und um 1 Uhr Nachmittags (nach der Rückkehr von Charlottenburg) werden die activen
und die zur Dispoſition geſtellten Generale, darauf die hier anweſenden fürſtlichen
Perſonen, und um 1¾ Uhr die activen Staatsminiſter zur Gratulation empfangen.
— Am 2 Jan., dem Sterbetage des Königs Friedrich Wilhelm IV, begeben ſich
die Majeſtäten und die übrigen hohen Herrſchaften nach Potsdam und wohnen in
der Friedenskirche daſelbſt der Gedächtnißfeier bei. — Dem Verlagsbuchhändler
A. Hofmann hier iſt, wie wir in der „B.-Z.“ leſen, von dem König von Schweden
als Anerkennung für die Förderung nordiſcher Literatur in Deutſchland das Ritter-
kreuz des Waſa-Ordens verliehen worden.
Die von uns jüngſt nach der „B. A. C.“ gegebenen Nachrichten über gewiſſe
in baldiger Ausſicht ſtehende Geſetzesvorlagen werden ſchon wieder dementirt. Die
„Krz.-Ztg.“ ſchreibt nämlich: „Die Mittheilungen über die bevorſtehenden Vor-
lagen aus dem Cultusminiſterium ſind durchweg irrig; es ſind weder über die fa-
cultative Civilehe noch in Betreff des Austritts aus der Kirche Vorlagen der Art
beſchloſſen.“ Die „Schleſ. Ztg.“ ferner theilt aus guter Quelle folgendes mit: „In
Bezug auf das Unterrichtsgeſetz iſt zu conſtatiren daß darüber noch kein definitiver
Beſchluß gefaßt iſt. Die Vorlage des Unterrichtsgeſetzes dürfte auf keinen Fall
früher erfolgen als die Landesvertretung ihre Auffaſſung in Bezug auf das Geſetz
wegen der Schulaufſicht kundgegeben und beſtimmt ausgeſprochen hat. Was die
Civilehe betrifft, ſo iſt es durchaus irrig wenn es in dieſer Beziehung heißt daß das
Staatsminiſterium eine Vorlage beſchloſſen habe welche auf die faeultative Civil-
ehe hinauslaufe. Der dem Staatsminiſterium vorliegende Entwurf, welcher ſich
auf die bürgerliche Eheſchließung bezieht, hat es weder mit der obligatoriſchen noch
mit der facultativen Civilehe zu thun, ſondern enthält lediglich Beſtimmungen über
die Noth-Civilehe. Dieſer Entwurf iſt bekanntlich aus dem Zuſammenwirken des
Cultus- und des Juſtizminiſteriums hervorgegangen. Ein anderer Entwurf liegt
dem Staatsminiſterium nicht vor. Was die Angaben über den dritten Entwurf be-
trifft, der ſich mit dem Austritt aus der Landeskirche beſchäftigen ſoll, ſo beruht
alles darüber Mitgetheilte auf reinem Irrthum. Der Gegenſtand der Berathungen
in der jüngſten Sitzung des Staatsminiſteriums waren lediglich Communal- und
Ordens-Angelegenheiten; Beſchlüſſe von politiſcher Bedeutung ſind in derſelben nicht
vorgekommen. Soviel man hört, iſt auch von der Vertheilung des Civil-Verdienſt-
kreuzes, welches Civiliſten für Verdienſte im letzten Krieg verliehen werden ſoll, die
Rede geweſen, doch ſoll letzteres am nächſten Ordensfeſte noch nicht zur Vertheilung
kommen, weil noch zu viele darauf bezügliche Formalitäten zu erledigen find. Da-
für aber dürften am nächſten Geburtstage des Kaiſers und Königs alle Vorbedin-
gungen der Vertheilung erfüllt ſeien.“
Vorgeſtern hielt der Bundesrath unter dem Vorſitze des Staatsminiſters Del-
brück die letzte dießjährige Plenarſitzung. Nach den einleitenden Geſchäften wurde
zunächſt durch den zuſtehenden Ausſchuß Bericht erſtattet über das von uns wieder-
holt näher erwähnte Eiſenbahn-Polizeireglement, und dasſelbe angenommen. Es
folgte ein Ausſchußbericht über den Entwurf einer Seemanns-Ordnung, für welche
Vorſchläge und Gegenvorſchläge mannichfacher Art vorliegen. Das dringende Be-
dürfniß zur endlichen Regulirung dieſer lange ſchwebenden Angelegenheit wurde
allſeitig anerkannt, und beſchloſſen eine beſondere Reichscommiſſion aus Sach-
verſtändigen zu berufen und ſie mit Aufſtellung eines endgültigen Entwurfs, über
den ſich dann der Bun desrath ſchlüſſig machen wollte, zu betrauen. Endlich folgte
ein Bericht des Rechnungsausſchuſſes über die Bereitſtellung der Mittel zur Be-
ſtreitung der Reichsausgaben im Jahre 1872. Es iſt dieß die ſtets am Schluſſe
des Jahrs erſcheinende rein techniſche Rechnungsarbeit bezüglich der Feſtſtellung
der Steuereingänge, der Abtragung der Immatricularbeiträge ꝛc. Wie in den
Vorjahren fand dieſe Angelegenheit anſtandsloſe Erledigung. Den Schluß machten
Eingaben. Hinſichtlich des Geſetzes über den Schutz des geiſtigen Eigenthums hat
es ſich als eine fühlbare Lücke herausgeſtellt daß die Erzeugniſſe der Kunſt-Induſtrie
jedes Schutzes entbehren. Die Ideen ſind geſchützt, ſobald aber die Erzeugniſſe
als Muſter gelten, iſt ihre Nachahmung nicht angreifbar. Von Seiten einer neulich
zur Verathung über Förderung der Kunſt-Induſtrie vom Handelsminiſter berufenen
Commiſſion iſt dieſe von den Betheiligten ſchwer empfundene Unzuträglichkeit leb-
haft erörtert und daran der Wunſch geknüpft worden auf geſetzlichem Wege die-
ſelbe beſeitigt zu ſehen. Es iſt denn auch die Erwägung der Angelegenheit zu
möglicher Abhülfe zugeſagt worden.
Das Eiſenbahn-Bataillon iſt jetzt gebildet, und beſteht aus vier gleichartigen
Compagnien. Demſelben liegt der Bau und Betrieb von Eiſenbahnen ob, zu
welchem Zwecke die Uebungen nach dieſer Seite hin geleitet werden. Wahrſcheinlich
iſt deßhalb auch die Erwerbung einer eigenen Eiſenbahnſtrecke in Ausſicht genom-
men. — Bekanntlich wird die im nächſten Monat bevorſtehende Marine-Recruti-
rung auf ganz Deutſchland ausgedehnt werden. Die dabei in Betracht kommenden
Berufsclaſſen ſind die Flußſchiffer, Schiffszimmerleute, Schiffshandwerker und
vor allem das Maſchinenperſonal. Dieſes letztere wird dem 1868 neugebildeten
Maſchiniſtencorps zugewieſen. Ein Theil dieſes Maſchiniſtenperſonals wird indeß
auch fortan von dem neuformirten Eiſenbahn-Bataillon in Anſpruch genommen
werden. Die Schiffs handwerker treten hingegen in die Werft-Diviſionen über, wo-
gegen die Flußſchiffer nach der neuen Beſtimmung nur noch dem See-Bataillon
zugetheilt werden ſollen. — Der „Mittelrh. Ztg.“ wird geſchrieben: „Trotzdem daß
der Staatshaushaltsetat für 1872 noch nicht feſtgeſtellt iſt, wird dennoch mit der
Anſtellung der von der Staatsregierung in Ausſicht genommenen neuen Beamten
bereits vorgegangen, wahrſcheinlich in dem guten Glauben daß das Abgeordneten-
haus ſchließlich doch alle Forderungen der Staatsregierung bewilligen wird. So
iſt u. a. bei der Berliner Polizei ſchon eine Anzahl neuer Kräfte der ver-
ſchiedenſten Kategorien in Thätigkeit getreten, eine weitere Vermehrung wird
für den Dienſt vorbereitet. Ob die Sicherheit in den Straßen und Localen
der Hauptſtadt, der Schutz der Einheimiſchen und Fremden darob ein größerer
werden wird, dürfte zwar zunächſt erſt abzuwarten ſein, allein wir erlauben uns
ſchon heut unſern beſcheidenen Zweifel auszuſprechen, und begründen denſelben mit
dem Hin weis darauf daß das Syſtem das alte geblieben.“
Aus Poſen wird berichtet daß der Erzbiſchof von Gneſen und Poſen, Graf
Ledochowski, ſich wieder des Titels „Primas“ bedient. An der Thür der Francis-
canerkirche an Poſen, in welcher nur deutſche katholiſche Geiſtliche angeſtellt ſind,
befand ſich während der Feiertage ein gedrucktes Placat, in welchem die Abhaltung
eines 40 ſtündigen Gebetes für die bedrängte katholiſche Kirche und den h. Vater an-
geordnet: und bekannt gemacht wurde am Mittwoch werde „Seine Excellenz der
hochwürdige Erzbiſchof-Primas“ eine h. Meſſe celebriren. Dieſen Titel: „Primas“
führte zu altpolniſchen Zeiten der Erzbiſchof von Gneſen, als der Erſte nach dem
Könige, als welcher er auch nach dem Tod eines Königs bis zur Neuwahl das Reich
zu verwalten hatte. — Wie die „Poſ. Ztg.“ vor kurzem meldete, iſt ſeitens der Re-
gierung der Direction der oberſchleſiſchen und der märkiſch - poſener Eiſenbahn zur
Erwägung anheimgegeben worden künftighin die Namen der Eiſenbahnſtationen in
unſerer Provinz entweder nach den Regeln der deutſchen Orthographie zu ſchreiben
oder an höchſter Stelle die Umänderung der polniſchen in deutſche Namen herbeizu-
führen, falls die erſteren der deutſchen Ausſprache Schwierigkeiten bereiten. Es
würde alſo z. B., ſtatt Neutomysl, Neutomiſchl zu ſchreiben, und an Stelle des Na-
mens Jaſterzewski die Benenung Habichtsdorf einzuführen ſein.
Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie.
* Aus Oeſterreich, 1 Jan.
Die Blätter ziehen die Bilanz des abgelau-
fenen Jahrs, und machen den Voranſchlag für das beginnende. Die Rückblicke
wären düſter genug, wenn ſie nicht vom Gefühle glücklich überſtandener Lebens-
gefahr erhellt würden; die Ausblicke ſind hoffnungsreich und zuverſichtlich, ohne
allzu ſehr in den ſonſt bei ſolchen Gelegenheiten üblichen öſterreichiſchen Sangui-
nismus zu verfallen. Die „N. Fr. Pr.“ ſchreibt in einem Rückblick an der Jahres-
wende:
„Oeſterreich ſchwebte am Rande des Abgrundes. Vergebens hatte das deutſche
Bürgerthum eine alle Erwartungen der Feinde zu Schande machende, alle Hoffnungen
der Freunde überflügelnde Kraft und Einigkeit entwickelt. Näher und näher rollte der
aus ſeinen Geleiſen geworfene Staatswagen der Stelle zu wo er zerſchellen mußte; da
brachte ihn die maßloſe Ueberhebung der Tſchechen und Feudalen zum Stillſtande. Sie
wollten nicht nur Oeſterreich zwingen ſich ihnen zu opfern; ſie wollten zur Schmach den
Hohn fügen, den Triumph über dem Leibe des noch nicht erlegten Feindes zu feiern.
Vor dem Zuſammentritt des Reichsrathes ſollte ihnen die Erfüllung ihrer Forderungen
verbrieft und beſiegelt, die conſtitutionellen Formen ſollten gefliſſentlich verletzt werden.
Die dadurch erzwungene Pauſe gab allen redlichen Elementen der Monarchie Zeit der
ſtaatsfeindlichen Verſchwörung eine Liga der Staatstreuen entgegenzuſtellen. Wer es
mit Oeſterreich ehrlich meinte, trat dem Bunde bei. Deakiſten, die wenigen klerikalen
Patrioten, vereinzelte Abſolutiſten verſtärkten das Schwergewicht der Verfaſſungspartei,
und unſere Wagſchale kam zum Sinken. Oeſterreich war gerettet — freilich hatte der
das Reich zerreißende Spalt bei ſeinem Schließen einen Curtius verſchlungen, den
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(2022-03-29T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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