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Allgemeine Zeitung, Nr. 4, 4. Januar 1830.

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[Spaltenumbruch] Falle heißt es allerdings: "Unglükliches Frankreich!" Denn auf
dieses würde alles Ungemach einer verhängnißvollen Verwaltung
fallen; aber es heißt auch: "Unglüklicher König!" Denn Frank-
reich kan nicht unglüklich seyn, ohne daß der König nicht darun-
ter litte und darüber seufzte. Hier findet ein rührendes solida-
risches Verhältniß der Freude in der Wohlfahrt, der Bekümmer-
niß im Ungemach statt, und diese reine und wahre Empfindung ist
eben so edel gefühlt wie lebhaft ausgedrükt." In Bezug auf die
Worte: "Das Band der Liebe und des Vertrauens sey zerris-
sen,"
stüzt sich Hr. Dupin auf das Beispiel des Hrn. v. Po-
lignac selbst. Im Jahre 1818, fährt der Redner fort, als der
König dem Monsieur das Kommando der Nationalgarde abgenom-
men hatte, rükte der gegenwärtige Premierminister in den Con-
servateur Folgendes ein: "Eine solche Maaßregel hat die Bande
aufgelöst (delie les noeuds), die die Nationalgarde so ehrenvoll an
den Thron knüpfte."
Man müßte uns demnach in dieser Stelle,
die sicher ganz rein von jedem Gedanken an eine Beleidigung
der Person des Königs von Seite eines Mannes ist, der den Monarchen
so zärtlich liebt, wenn man darin eine Verschiedenheit finden möchte,
uns erklären, worin der Unterschied zwischen Lösung der Bande und
Zerreißung eines Bands (rompre un lien) bestehe. Hr. Dupin
führt auch noch das Umlaufschreiben des Hrn. v. Labourdonnaye
an, das davon spricht, das Vertrauen wieder zu schaffen, und Hrn.
Cottu, der, nachdem er den Bourbons gerathen, gegen das, was
er die Faktiosen nennt, kriegerisch einzuschreiten, ausruft: "Auf
diese Art würden sie wieder die Liebe einer Nation erobern, die
vor Allem Kühnheit und Entschlossenheit preist."
Diese Liebe
wäre also, fährt Hr. Dupin fort, verloren und da die Bourbons
das nicht gethan haben, wozu ihnen der aufbrausende Schriftsteller
den Rath ertheilt, so ist selbst jezt noch diese Liebe nicht wieder
erobert. Aus Anlaß des zweiten Hauptklagepunkts zeigt Hr. Du-
pin, daß der Tadel über die Zusammensezung eines neuen Mini-
steriums nur der Gebrauch eines Rechts ist, und weder das kon-
stitutionelle Ansehen des Königs angreife, noch dessen Prärogative
bestreiten heiße. Den Einwurf betreffend, daß die Minister noch
keine Handlung begangen hätten, so antwortet der Advokat dar-
auf, man solle nur an ihre frühern Handlungen denken, und
sucht zu zeigen, daß die damaligen Besorgnisse nur zu sehr ge-
rechtfertigt worden seyen. "Sie haben, fährt er fort, keine Staats-
streiche gemacht, haben aber ihre Freunde sie nicht von ihnen ver-
langt? Soll man hier an jenen Artikel des ärgsten Unsinns erin-
nern, der sich mit den Worten endigte: "Die Majorität, dis ist
der König!"
Hat man nicht jene, den Thronen so häufig ver-
hängnißvollen Doktrinen wieder erscheinen sehen: der göttlichen
Gewalt
, die nur der Gottheit zukommt; der konstituiren-
den Gewalt
, die in einer schon ausgedehnt konstituirten
Gewalt einem Einzigen nicht gehört; und jene durch ihre Neuheit
nicht minder befremdende Lehre, die sich in eine neue Augs-
burger Konfession
eingeschlichen hat, von einer Mehrheit der
zwei großen Staatsgewalten gegen die dritte.*) Erst nach einem
Stillschweigen von mehreren Monaten erschien neulich ein Artikel
[Spaltenumbruch] des Moniteur, und welcher Artikel! in welchem Styl für Staats-
männer, welche die konstitutionelle Meynung des Landes beruhi-
gen wollten! Ein heftiger Ausfall gegen die Presse, den ewigen
Gegenstand des Angrifs, gerade deswegen, weil sie das Leben un-
serer gegenwärtigen Regierungsform ist. Gesezt aber auch, man
habe die Minister falsch beurtheilt, man habe sich gegen sie zu sehr
vorgefaßten Meynungen überlassen; so bleibt doch immer so viel
wahr, daß man nur sie beurtheilt, nur sie angegriffen hat. Zuge-
standen, daß dabei Uebertreibung, Injurie oder selbst Verläumdung
statt gefunden hat, so sollten sie sich in diesem Falle selbst beschweren,
aber sich nicht hinter den Namen und die Person des Königs ver-
schanzen, wo doch ihre erste Pflicht wäre, sich vorn hin zu stellen. In
Allem dem aber, was man gegen sie sagen mochte, kan man doch sicher
keinen Angrif gegen die königliche Würde und die konstitutionelle Au-
torität des Königs sehen. Sein königliches Recht hat darunter nicht
gelitten: man hat ihm nur einen Wink gegeben; er konnte sich
belehren, die Falle sehen, in die ihn sonst treulose Rathschläge
hätten verloken können. Wenn man auf die verflossenen vierzig
Jahre zurükblikt, so kan man gewiß sagen, daß sich die Regierun-
gen nicht für dispensirt halten dürfen, die öffentliche Meynung zu
studiren, und sich zuweilen darnach zu richten. Die Wahrheit ist
Freundin der Könige! Karl X ist würdig sie zu hören; sie wird
ihm sagen, daß diejenigen unter seinen Unterthanen, die ihm zwei-
mal ins Exil gefolgt sind, nicht unter die am wenigsten Besorgten
über den Gang, den unsere Angelegenheiten genommen haben, ge-
hörten. Warum soll man nicht die ganze Wahrheit sagen, wo
Thatsachen zur Unterstüzung derselben vorhanden sind, daß die
Legitimität nicht mehr hinreicht, um eine Dynastie gegen die
Schläge des Schiksals zu bewahren... Die Achtung, die den Mi-
nistern gebührt, ist gewiß nicht größer als diejenige, welche die
Deputirtenkammer anzusprechen hat; denn sie steht über ihnen,
und hat das Recht sie anzuklagen. Man sollte also meynen, daß
die Presse von den Ministern eben das sagen dürfe, was sie von
der Deputirtenkammer sagt. So erörterte noch vor sechs Tagen
die Gazette de France*) die Handlungen der Kammer, wenn sie
sagte: "Sollte eine für den guten König, der seine Unterthanen
wie ein Vater seine Kinder liebt, beleidigende Adresse erfolgen
u. s. w." Wenn nun Alles dis nicht verfolgt ward, so lag der
Grund ohne Zweifel darin, daß Alles dis gegen die Deputirten
und die Kammer unschuldig war. Hat man aber nicht analoge
Rechte in dem, was die Person und das Vetragen der Minister
betrift?

(Beschluß folgt.)


An demselben Tage, wo hier der Pro-
zeß des Fiskus gegen das Journal des Debats verloren ward,
ging hier auch die Nachricht von der Modifikation des Kampfs in
den Niederlanden ein. Die Bewilligung des niederländischen Aus-
gabebudgets neben der Verweigerung des Einnahmebudgets ge-
währt den französischen Abgabevereinen eine unläugbare Hülfe; die
Vereine verlieren dadurch das Gehässige und Feindliche, wenn sie
auch in Frankreich die Ausgabe als unverweigerlich anerkennen, da-
gegen aber die Minister durch Verweigerung der Einnahme in
Verlegenheit sezen sollten. Für Frankreich ist dieser Vorfall in
den Niederlanden ein Deus ex machina, dem die jezt so gereiz-

*) Herr Dupin irrt sich hier. Keiner unserer französischen Kor-
respondenten, die sich zu den Lehren bekennen, welche Hr. Dupin be-
kämpfen zu müssen glaubt, hat in unserem Blatte diese Lehre auf-
gestellt. Er muß sie in einem der Pariser Journale als ursprüng-
lichen, nicht entlehnten, Ausdruck der Gesinnung eines der
Freunde des Ministeriums suchen, und wird sie dort finden.
Red. der Allg. Zeit.
*) Auch hier irrt Hr. Dupin. Diese Erörterung war nicht der Ga-
zette de France eigen, sondern die Schlußstelle eines Schreibens un-
sers Lyoner Korrespondenten, aus Nro. 346. der Allg. Zeitung
entlehnt. (Redaktion der Allg. Zeitung.)

[Spaltenumbruch] Falle heißt es allerdings: „Unglükliches Frankreich!“ Denn auf
dieſes würde alles Ungemach einer verhängnißvollen Verwaltung
fallen; aber es heißt auch: „Unglüklicher König!“ Denn Frank-
reich kan nicht unglüklich ſeyn, ohne daß der König nicht darun-
ter litte und darüber ſeufzte. Hier findet ein rührendes ſolida-
riſches Verhältniß der Freude in der Wohlfahrt, der Bekümmer-
niß im Ungemach ſtatt, und dieſe reine und wahre Empfindung iſt
eben ſo edel gefühlt wie lebhaft ausgedrükt.“ In Bezug auf die
Worte: „Das Band der Liebe und des Vertrauens ſey zerriſ-
ſen,“
ſtüzt ſich Hr. Dupin auf das Beiſpiel des Hrn. v. Po-
lignac ſelbſt. Im Jahre 1818, fährt der Redner fort, als der
König dem Monſieur das Kommando der Nationalgarde abgenom-
men hatte, rükte der gegenwärtige Premierminiſter in den Con-
ſervateur Folgendes ein: „Eine ſolche Maaßregel hat die Bande
aufgelöst (deliè les noeuds), die die Nationalgarde ſo ehrenvoll an
den Thron knüpfte.“
Man müßte uns demnach in dieſer Stelle,
die ſicher ganz rein von jedem Gedanken an eine Beleidigung
der Perſon des Königs von Seite eines Mannes iſt, der den Monarchen
ſo zärtlich liebt, wenn man darin eine Verſchiedenheit finden möchte,
uns erklären, worin der Unterſchied zwiſchen Löſung der Bande und
Zerreißung eines Bands (rompre un lien) beſtehe. Hr. Dupin
führt auch noch das Umlaufſchreiben des Hrn. v. Labourdonnaye
an, das davon ſpricht, das Vertrauen wieder zu ſchaffen, und Hrn.
Cottu, der, nachdem er den Bourbons gerathen, gegen das, was
er die Faktioſen nennt, kriegeriſch einzuſchreiten, ausruft: „Auf
dieſe Art würden ſie wieder die Liebe einer Nation erobern, die
vor Allem Kühnheit und Entſchloſſenheit preist.“
Dieſe Liebe
wäre alſo, fährt Hr. Dupin fort, verloren und da die Bourbons
das nicht gethan haben, wozu ihnen der aufbrauſende Schriftſteller
den Rath ertheilt, ſo iſt ſelbſt jezt noch dieſe Liebe nicht wieder
erobert. Aus Anlaß des zweiten Hauptklagepunkts zeigt Hr. Du-
pin, daß der Tadel über die Zuſammenſezung eines neuen Mini-
ſteriums nur der Gebrauch eines Rechts iſt, und weder das kon-
ſtitutionelle Anſehen des Königs angreife, noch deſſen Prärogative
beſtreiten heiße. Den Einwurf betreffend, daß die Miniſter noch
keine Handlung begangen hätten, ſo antwortet der Advokat dar-
auf, man ſolle nur an ihre frühern Handlungen denken, und
ſucht zu zeigen, daß die damaligen Beſorgniſſe nur zu ſehr ge-
rechtfertigt worden ſeyen. „Sie haben, fährt er fort, keine Staats-
ſtreiche gemacht, haben aber ihre Freunde ſie nicht von ihnen ver-
langt? Soll man hier an jenen Artikel des ärgſten Unſinns erin-
nern, der ſich mit den Worten endigte: „Die Majorität, dis iſt
der König!“
Hat man nicht jene, den Thronen ſo häufig ver-
hängnißvollen Doktrinen wieder erſcheinen ſehen: der göttlichen
Gewalt
, die nur der Gottheit zukommt; der konſtituiren-
den Gewalt
, die in einer ſchon ausgedehnt konſtituirten
Gewalt einem Einzigen nicht gehört; und jene durch ihre Neuheit
nicht minder befremdende Lehre, die ſich in eine neue Augs-
burger Konfeſſion
eingeſchlichen hat, von einer Mehrheit der
zwei großen Staatsgewalten gegen die dritte.*) Erſt nach einem
Stillſchweigen von mehreren Monaten erſchien neulich ein Artikel
[Spaltenumbruch] des Moniteur, und welcher Artikel! in welchem Styl für Staats-
männer, welche die konſtitutionelle Meynung des Landes beruhi-
gen wollten! Ein heftiger Ausfall gegen die Preſſe, den ewigen
Gegenſtand des Angrifs, gerade deswegen, weil ſie das Leben un-
ſerer gegenwärtigen Regierungsform iſt. Geſezt aber auch, man
habe die Miniſter falſch beurtheilt, man habe ſich gegen ſie zu ſehr
vorgefaßten Meynungen überlaſſen; ſo bleibt doch immer ſo viel
wahr, daß man nur ſie beurtheilt, nur ſie angegriffen hat. Zuge-
ſtanden, daß dabei Uebertreibung, Injurie oder ſelbſt Verläumdung
ſtatt gefunden hat, ſo ſollten ſie ſich in dieſem Falle ſelbſt beſchweren,
aber ſich nicht hinter den Namen und die Perſon des Königs ver-
ſchanzen, wo doch ihre erſte Pflicht wäre, ſich vorn hin zu ſtellen. In
Allem dem aber, was man gegen ſie ſagen mochte, kan man doch ſicher
keinen Angrif gegen die königliche Würde und die konſtitutionelle Au-
torität des Königs ſehen. Sein königliches Recht hat darunter nicht
gelitten: man hat ihm nur einen Wink gegeben; er konnte ſich
belehren, die Falle ſehen, in die ihn ſonſt treuloſe Rathſchläge
hätten verloken können. Wenn man auf die verfloſſenen vierzig
Jahre zurükblikt, ſo kan man gewiß ſagen, daß ſich die Regierun-
gen nicht für dispenſirt halten dürfen, die öffentliche Meynung zu
ſtudiren, und ſich zuweilen darnach zu richten. Die Wahrheit iſt
Freundin der Könige! Karl X iſt würdig ſie zu hören; ſie wird
ihm ſagen, daß diejenigen unter ſeinen Unterthanen, die ihm zwei-
mal ins Exil gefolgt ſind, nicht unter die am wenigſten Beſorgten
über den Gang, den unſere Angelegenheiten genommen haben, ge-
hörten. Warum ſoll man nicht die ganze Wahrheit ſagen, wo
Thatſachen zur Unterſtüzung derſelben vorhanden ſind, daß die
Legitimität nicht mehr hinreicht, um eine Dynaſtie gegen die
Schläge des Schikſals zu bewahren... Die Achtung, die den Mi-
niſtern gebührt, iſt gewiß nicht größer als diejenige, welche die
Deputirtenkammer anzuſprechen hat; denn ſie ſteht über ihnen,
und hat das Recht ſie anzuklagen. Man ſollte alſo meynen, daß
die Preſſe von den Miniſtern eben das ſagen dürfe, was ſie von
der Deputirtenkammer ſagt. So erörterte noch vor ſechs Tagen
die Gazette de France*) die Handlungen der Kammer, wenn ſie
ſagte: „Sollte eine für den guten König, der ſeine Unterthanen
wie ein Vater ſeine Kinder liebt, beleidigende Adreſſe erfolgen
u. ſ. w.“ Wenn nun Alles dis nicht verfolgt ward, ſo lag der
Grund ohne Zweifel darin, daß Alles dis gegen die Deputirten
und die Kammer unſchuldig war. Hat man aber nicht analoge
Rechte in dem, was die Perſon und das Vetragen der Miniſter
betrift?

(Beſchluß folgt.)


An demſelben Tage, wo hier der Pro-
zeß des Fiskus gegen das Journal des Debats verloren ward,
ging hier auch die Nachricht von der Modifikation des Kampfs in
den Niederlanden ein. Die Bewilligung des niederländiſchen Aus-
gabebudgets neben der Verweigerung des Einnahmebudgets ge-
währt den franzöſiſchen Abgabevereinen eine unläugbare Hülfe; die
Vereine verlieren dadurch das Gehäſſige und Feindliche, wenn ſie
auch in Frankreich die Ausgabe als unverweigerlich anerkennen, da-
gegen aber die Miniſter durch Verweigerung der Einnahme in
Verlegenheit ſezen ſollten. Für Frankreich iſt dieſer Vorfall in
den Niederlanden ein Deus ex machina, dem die jezt ſo gereiz-

*) Herr Dupin irrt ſich hier. Keiner unſerer franzöſiſchen Kor-
reſpondenten, die ſich zu den Lehren bekennen, welche Hr. Dupin be-
kämpfen zu müſſen glaubt, hat in unſerem Blatte dieſe Lehre auf-
geſtellt. Er muß ſie in einem der Pariſer Journale als urſprüng-
lichen, nicht entlehnten, Ausdruck der Geſinnung eines der
Freunde des Miniſteriums ſuchen, und wird ſie dort finden.
Red. der Allg. Zeit.
*) Auch hier irrt Hr. Dupin. Dieſe Erörterung war nicht der Ga-
zette de France eigen, ſondern die Schlußſtelle eines Schreibens un-
ſers Lyoner Korreſpondenten, aus Nro. 346. der Allg. Zeitung
entlehnt. (Redaktion der Allg. Zeitung.)
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[15/0003] Falle heißt es allerdings: „Unglükliches Frankreich!“ Denn auf dieſes würde alles Ungemach einer verhängnißvollen Verwaltung fallen; aber es heißt auch: „Unglüklicher König!“ Denn Frank- reich kan nicht unglüklich ſeyn, ohne daß der König nicht darun- ter litte und darüber ſeufzte. Hier findet ein rührendes ſolida- riſches Verhältniß der Freude in der Wohlfahrt, der Bekümmer- niß im Ungemach ſtatt, und dieſe reine und wahre Empfindung iſt eben ſo edel gefühlt wie lebhaft ausgedrükt.“ In Bezug auf die Worte: „Das Band der Liebe und des Vertrauens ſey zerriſ- ſen,“ ſtüzt ſich Hr. Dupin auf das Beiſpiel des Hrn. v. Po- lignac ſelbſt. Im Jahre 1818, fährt der Redner fort, als der König dem Monſieur das Kommando der Nationalgarde abgenom- men hatte, rükte der gegenwärtige Premierminiſter in den Con- ſervateur Folgendes ein: „Eine ſolche Maaßregel hat die Bande aufgelöst (deliè les noeuds), die die Nationalgarde ſo ehrenvoll an den Thron knüpfte.“ Man müßte uns demnach in dieſer Stelle, die ſicher ganz rein von jedem Gedanken an eine Beleidigung der Perſon des Königs von Seite eines Mannes iſt, der den Monarchen ſo zärtlich liebt, wenn man darin eine Verſchiedenheit finden möchte, uns erklären, worin der Unterſchied zwiſchen Löſung der Bande und Zerreißung eines Bands (rompre un lien) beſtehe. Hr. Dupin führt auch noch das Umlaufſchreiben des Hrn. v. Labourdonnaye an, das davon ſpricht, das Vertrauen wieder zu ſchaffen, und Hrn. Cottu, der, nachdem er den Bourbons gerathen, gegen das, was er die Faktioſen nennt, kriegeriſch einzuſchreiten, ausruft: „Auf dieſe Art würden ſie wieder die Liebe einer Nation erobern, die vor Allem Kühnheit und Entſchloſſenheit preist.“ Dieſe Liebe wäre alſo, fährt Hr. Dupin fort, verloren und da die Bourbons das nicht gethan haben, wozu ihnen der aufbrauſende Schriftſteller den Rath ertheilt, ſo iſt ſelbſt jezt noch dieſe Liebe nicht wieder erobert. Aus Anlaß des zweiten Hauptklagepunkts zeigt Hr. Du- pin, daß der Tadel über die Zuſammenſezung eines neuen Mini- ſteriums nur der Gebrauch eines Rechts iſt, und weder das kon- ſtitutionelle Anſehen des Königs angreife, noch deſſen Prärogative beſtreiten heiße. Den Einwurf betreffend, daß die Miniſter noch keine Handlung begangen hätten, ſo antwortet der Advokat dar- auf, man ſolle nur an ihre frühern Handlungen denken, und ſucht zu zeigen, daß die damaligen Beſorgniſſe nur zu ſehr ge- rechtfertigt worden ſeyen. „Sie haben, fährt er fort, keine Staats- ſtreiche gemacht, haben aber ihre Freunde ſie nicht von ihnen ver- langt? Soll man hier an jenen Artikel des ärgſten Unſinns erin- nern, der ſich mit den Worten endigte: „Die Majorität, dis iſt der König!“ Hat man nicht jene, den Thronen ſo häufig ver- hängnißvollen Doktrinen wieder erſcheinen ſehen: der göttlichen Gewalt, die nur der Gottheit zukommt; der konſtituiren- den Gewalt, die in einer ſchon ausgedehnt konſtituirten Gewalt einem Einzigen nicht gehört; und jene durch ihre Neuheit nicht minder befremdende Lehre, die ſich in eine neue Augs- burger Konfeſſion eingeſchlichen hat, von einer Mehrheit der zwei großen Staatsgewalten gegen die dritte. *) Erſt nach einem Stillſchweigen von mehreren Monaten erſchien neulich ein Artikel des Moniteur, und welcher Artikel! in welchem Styl für Staats- männer, welche die konſtitutionelle Meynung des Landes beruhi- gen wollten! Ein heftiger Ausfall gegen die Preſſe, den ewigen Gegenſtand des Angrifs, gerade deswegen, weil ſie das Leben un- ſerer gegenwärtigen Regierungsform iſt. Geſezt aber auch, man habe die Miniſter falſch beurtheilt, man habe ſich gegen ſie zu ſehr vorgefaßten Meynungen überlaſſen; ſo bleibt doch immer ſo viel wahr, daß man nur ſie beurtheilt, nur ſie angegriffen hat. Zuge- ſtanden, daß dabei Uebertreibung, Injurie oder ſelbſt Verläumdung ſtatt gefunden hat, ſo ſollten ſie ſich in dieſem Falle ſelbſt beſchweren, aber ſich nicht hinter den Namen und die Perſon des Königs ver- ſchanzen, wo doch ihre erſte Pflicht wäre, ſich vorn hin zu ſtellen. In Allem dem aber, was man gegen ſie ſagen mochte, kan man doch ſicher keinen Angrif gegen die königliche Würde und die konſtitutionelle Au- torität des Königs ſehen. Sein königliches Recht hat darunter nicht gelitten: man hat ihm nur einen Wink gegeben; er konnte ſich belehren, die Falle ſehen, in die ihn ſonſt treuloſe Rathſchläge hätten verloken können. Wenn man auf die verfloſſenen vierzig Jahre zurükblikt, ſo kan man gewiß ſagen, daß ſich die Regierun- gen nicht für dispenſirt halten dürfen, die öffentliche Meynung zu ſtudiren, und ſich zuweilen darnach zu richten. Die Wahrheit iſt Freundin der Könige! Karl X iſt würdig ſie zu hören; ſie wird ihm ſagen, daß diejenigen unter ſeinen Unterthanen, die ihm zwei- mal ins Exil gefolgt ſind, nicht unter die am wenigſten Beſorgten über den Gang, den unſere Angelegenheiten genommen haben, ge- hörten. Warum ſoll man nicht die ganze Wahrheit ſagen, wo Thatſachen zur Unterſtüzung derſelben vorhanden ſind, daß die Legitimität nicht mehr hinreicht, um eine Dynaſtie gegen die Schläge des Schikſals zu bewahren... Die Achtung, die den Mi- niſtern gebührt, iſt gewiß nicht größer als diejenige, welche die Deputirtenkammer anzuſprechen hat; denn ſie ſteht über ihnen, und hat das Recht ſie anzuklagen. Man ſollte alſo meynen, daß die Preſſe von den Miniſtern eben das ſagen dürfe, was ſie von der Deputirtenkammer ſagt. So erörterte noch vor ſechs Tagen die Gazette de France *) die Handlungen der Kammer, wenn ſie ſagte: „Sollte eine für den guten König, der ſeine Unterthanen wie ein Vater ſeine Kinder liebt, beleidigende Adreſſe erfolgen u. ſ. w.“ Wenn nun Alles dis nicht verfolgt ward, ſo lag der Grund ohne Zweifel darin, daß Alles dis gegen die Deputirten und die Kammer unſchuldig war. Hat man aber nicht analoge Rechte in dem, was die Perſon und das Vetragen der Miniſter betrift? (Beſchluß folgt.) *** Paris, 26 Dec. An demſelben Tage, wo hier der Pro- zeß des Fiskus gegen das Journal des Debats verloren ward, ging hier auch die Nachricht von der Modifikation des Kampfs in den Niederlanden ein. Die Bewilligung des niederländiſchen Aus- gabebudgets neben der Verweigerung des Einnahmebudgets ge- währt den franzöſiſchen Abgabevereinen eine unläugbare Hülfe; die Vereine verlieren dadurch das Gehäſſige und Feindliche, wenn ſie auch in Frankreich die Ausgabe als unverweigerlich anerkennen, da- gegen aber die Miniſter durch Verweigerung der Einnahme in Verlegenheit ſezen ſollten. Für Frankreich iſt dieſer Vorfall in den Niederlanden ein Deus ex machina, dem die jezt ſo gereiz- *) Herr Dupin irrt ſich hier. Keiner unſerer franzöſiſchen Kor- reſpondenten, die ſich zu den Lehren bekennen, welche Hr. Dupin be- kämpfen zu müſſen glaubt, hat in unſerem Blatte dieſe Lehre auf- geſtellt. Er muß ſie in einem der Pariſer Journale als urſprüng- lichen, nicht entlehnten, Ausdruck der Geſinnung eines der Freunde des Miniſteriums ſuchen, und wird ſie dort finden. Red. der Allg. Zeit. *) Auch hier irrt Hr. Dupin. Dieſe Erörterung war nicht der Ga- zette de France eigen, ſondern die Schlußſtelle eines Schreibens un- ſers Lyoner Korreſpondenten, aus Nro. 346. der Allg. Zeitung entlehnt. (Redaktion der Allg. Zeitung.)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 4, 4. Januar 1830, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine04_1830/3>, abgerufen am 21.11.2024.