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Allgemeine Zeitung, Nr. 5, 5. Januar 1830.

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[Spaltenumbruch] nicht umgestoßen, sondern nur erschüttert worden; denn einzelne
Tribunale in andern Departementen haben ganz entgegengesezte
Urtheile ausgesprochen, und die Staatsprokuraturen sind zu häufig
mit eifrigen Anhängern der Minister besezt, als daß man hoffen
dürfte, es werde durch das Jmposante des Pariser Appellations-
gerichtshofs eine gemeinsame Ansicht hergestellt werden. Die
Frage bietet sich natürlich dar, ob denn die Kongregationisten sich
aus Gehorsam für den Pariser Appellationshof außer Besiz sezen
lassen, ob sie auf ihre ministeriellen Lehren Verzicht leisten wer-
den? Jn dem politischen Glaubensbekenntnisse der Jesuiten steht
auch geschrieben, daß sie sich bei Besezung der Staatsämter sogar
bisweilen entschließen, einzelne Stellen mit Jndividuen zu besezen,
die nicht eingeweiht sind; nur dürfen dieses keine Männer von
hohem Geiste, sondern nur brauchbar durch Klugheit und Geschmei-
digkeit seyn. Mit diesem Schlüssel läßt sich das Räthsel des bun-
ten Kolorits unserer mancherlei Verwaltungsbehörden lösen. Un-
sere Minister sind nicht identisch mit unserm Ministerium.
Sollten auch, wie jedoch noch zu zweifelu ist, die Fäden des Spinn-
gewebes durch den Rechtsspruch zu Gunsten des Hrn. Bertin an allen
Eken abgerissen seyn, so werden die beharrlichen Arachnen darum das
königliche Haus nicht räumen, sondern ihr Gewebe nur noch fester
zu weben wissen. -- Außer den vielen in den Departementen an-
hängigen Prozessen gegen Journalisten, welche die Ernennung des
Ultraministeriums getadelt hatten, ist nun auch einer gegen das
Pariser Journal du Commerce angefangen, weil es einen Befehl
des Polizeipräfekten, ein Schreiben von ihm an den Journalisten
einzurüken, aus dem Grunde nicht befolgte, weil die Ausdrüke des
Befehls ihm beleidigend schienen; es hatte daher nur den Jnhalt
desselben eingerükt. Vor einigen Tagen wurde ein Journalist, der
in erster Jnstanz zu 100 Franken Geldbuße verurtheilt worden
war, auf die Appellation der Staatsprokuratur in zweiter Jnstanz
mit 3000 Franken gestraft. Jn einem Departement mußte ein
Journalist vor Gericht erscheinen, weil er in antiministeriellem Sinne
das Festmahl beschrieben hatte, das die Notabeln einer Stadt ei-
nem Abgeordneten gegeben hatten. Jn Niort wurden Advokaten,
welche einen Verein gestiftet hatten, um in streitigen Wahlangelegen-
heiten Rechtsgutachten unentgeltlich zu ertheilen, verurtheilt; sie hat-
ten in der That ihren Mitbürgern den Dienst geleistet, daß 380 falsch-
Wahlmänner aus der Wahlliste gestrichen wurden. Die liberalen
Blätter fragen nun, warum die Behörde nicht gegen das Blatt,
"der Apostolische" einschreite, das in seiner vorlezten Nummer
zur Ermordung der Liberalen aufgefordert hat! -- Hr. Dupin,
der als Advokat Hrn. Bertin vertheidigte, gehört als Mitglied
der Deputirtenkammer zu derjenigen Mehrzahl, in welcher wäh-
rend der lezten Sizung auch Hr. Bertin stimmte, wenn der sel-
tene Fall eintrat, daß bei der damaligen Unentschlossenheit es zu
einer Entscheidung der Mehrzahl kam. Der höchste Zwek, den das
vorige Ministerium zu erreichen suchte, und womit auch der Kö-
nig selbst sich damals begnügte, war Mäßigung der beiden Extreme
und Versöhnung des Ganzen; sowol Hr. Bertin als Hr. Dupin
hatten sich dazu mit Hrn. v. Martignac verstanden. Aber die
leidenschaftliche, ungeduldige Eile der geheimen Partei glaubte den
Prozeß zu gewinnen, und da er nun verloren scheint, so ist damit
vollends auch alle Hofnung zerstört, irgend eine dem jezigen Mi-
nisterium günstige Mehrzahl zu Stande zu bringen. Die auf
Hrn. Dupin und Bertin beruhende Mehrzahl ist dahin; die auf
die äußerste Rechte gestüzte Mehrzahl ist mit Hrn. v. Labourdon-
[Spaltenumbruch] naye geschwunden; auf ganz neue Grundlagen läßt sich bei solcher
Zerstükelung keine weitere Mehrzahl bauen.

Deutschland.

Eine königl. bayerische Verordnung vom 27 Dec. enthält nach-
trägliche Verfügungen, den Vollzug des Handelsvertrags mit
Preußen und Hessen betreffend.

Am 1 Jan. erhielt der Hr. Bischof von Augsburg, Reichsrath
v. Rieg, von Sr. Maj. dem Könige das Kommandeurkreuz des
Verdienstordens der bayerischen Krone. Auch der Kriegsminister
Hr. Generalmajor v. Weinrich erhielt diesen Orden.

Das Eis im Rhein hat sich oberhalb
Mainz bei Hamm und unterhalb bei Bingen gestellt. Da bisher
wenig Schnee gefallen ist, so befürchtet man, daß die Kälte der
Saat, dem Kohl und dem Getreide verderblich seyn möchte. -- Un-
längst wurde hier ein hessischer Soldat zum Tode verurtheilt, weil
er einen preußischen Soldaten, und zwar wegen keiner persönlichen Be-
leidigung, sondern aus Haß gegen die Preußen, ermordet hatte.
Die hiesige preußische Besazung, welche von dem General v. Müff-
ling, Bruder des vor Kurzem aus Konstantinopel zurükgekehrten
Generals, befehligt wird, ist vom König ermächtigt worden, Se.
königl. Hoheit um Gnade für den Verbrecher anzuflehen. Die
Großmuth ziemt der Tapferkeit.

Rußland.

Eine am 15 Dec. zu Odessa ergangene Bekanntmachung er-
laubt, nachdem sich seit 30 Tagen keine neue Spur von Pest mehr
gezeigt hatte, die Wiedereröfnung der Kirchen, Gerichtshöfe, Wirths-
und Kaffeehäuser und Kaufläden. Doch sind noch gewisse Vor-
sichtsmaaßregeln vorgeschrieben; in den Wirthshäusern z. B. dür-
fen keine Tischtücher oder Servietten aufgelegt, und die Teller so
wie das einzunehmende Geld müssen in Weinessig gewaschen wer-
den; in den Schenken wird das Getränk durchs Fenster hinaus ab-
gegeben etc. Auch wird der äußere Sanitätskordon noch beibehal-
ten; Niemand darf ohne Quarantaine die Stadt verlassen.

Oestreich.

Heute um 1 Uhr Morgens verschied Ihre
kaiserl. Hoheit die durchlauchtigste Erzherzogin Henriette Alexan-
drine Friederike Wilhelmine geborne Prinzessin von Nassau-Weil-
burg (geb. den 30 Okt. 1797) in Folge eines kaum viertägigen
entzündlichen Scharlachfiebers. Durch diesen unvermutheten Schlag
sind Se. königl. Hoheit Jhr untröstlicher Gemahl, dessen häusli-
chem Glüke die Verewigte Jhr schönes Leben weihte, Jhre fünf
hofnungsvollen Sprößlinge, deren mütterlicher Pflege und Bildung
Sie ihre zärtlichste Sorgfalt widmete, so wie JJ. MM. und die
ganze kaiserliche Familie in die tiefste Trauer versezt, an welcher
der ganze Hof, der zahlreiche Adel, die Bürgerschaft und die ganze
Bevölkerung der Hauptstadt, welche die stille Größe und die häus-
lichen Tugenden der Vollendeten bewunderten und verehrten, den
innigsten Antheil nehmen.

Wien, 30 Dec. Metalliques 102 7/8 ; 4prozentige Metalli-
ques 94; Bankaktien 12611/2.

Wien, 31 Dec. Metalliques 102 7/8 ; 4prozentige Metalli-
ques 941/4; Bankaktien 1264.

Verantwortlicher Redakteur, C. J. Stegmann.

[Spaltenumbruch] nicht umgeſtoßen, ſondern nur erſchüttert worden; denn einzelne
Tribunale in andern Departementen haben ganz entgegengeſezte
Urtheile ausgeſprochen, und die Staatsprokuraturen ſind zu häufig
mit eifrigen Anhängern der Miniſter beſezt, als daß man hoffen
dürfte, es werde durch das Jmpoſante des Pariſer Appellations-
gerichtshofs eine gemeinſame Anſicht hergeſtellt werden. Die
Frage bietet ſich natürlich dar, ob denn die Kongregationiſten ſich
aus Gehorſam für den Pariſer Appellationshof außer Beſiz ſezen
laſſen, ob ſie auf ihre miniſteriellen Lehren Verzicht leiſten wer-
den? Jn dem politiſchen Glaubensbekenntniſſe der Jeſuiten ſteht
auch geſchrieben, daß ſie ſich bei Beſezung der Staatsämter ſogar
bisweilen entſchließen, einzelne Stellen mit Jndividuen zu beſezen,
die nicht eingeweiht ſind; nur dürfen dieſes keine Männer von
hohem Geiſte, ſondern nur brauchbar durch Klugheit und Geſchmei-
digkeit ſeyn. Mit dieſem Schlüſſel läßt ſich das Räthſel des bun-
ten Kolorits unſerer mancherlei Verwaltungsbehörden löſen. Un-
ſere Miniſter ſind nicht identiſch mit unſerm Miniſterium.
Sollten auch, wie jedoch noch zu zweifelu iſt, die Fäden des Spinn-
gewebes durch den Rechtsſpruch zu Gunſten des Hrn. Bertin an allen
Eken abgeriſſen ſeyn, ſo werden die beharrlichen Arachnen darum das
königliche Haus nicht räumen, ſondern ihr Gewebe nur noch feſter
zu weben wiſſen. — Außer den vielen in den Departementen an-
hängigen Prozeſſen gegen Journaliſten, welche die Ernennung des
Ultraminiſteriums getadelt hatten, iſt nun auch einer gegen das
Pariſer Journal du Commerce angefangen, weil es einen Befehl
des Polizeipräfekten, ein Schreiben von ihm an den Journaliſten
einzurüken, aus dem Grunde nicht befolgte, weil die Ausdrüke des
Befehls ihm beleidigend ſchienen; es hatte daher nur den Jnhalt
deſſelben eingerükt. Vor einigen Tagen wurde ein Journaliſt, der
in erſter Jnſtanz zu 100 Franken Geldbuße verurtheilt worden
war, auf die Appellation der Staatsprokuratur in zweiter Jnſtanz
mit 3000 Franken geſtraft. Jn einem Departement mußte ein
Journaliſt vor Gericht erſcheinen, weil er in antiminiſteriellem Sinne
das Feſtmahl beſchrieben hatte, das die Notabeln einer Stadt ei-
nem Abgeordneten gegeben hatten. Jn Niort wurden Advokaten,
welche einen Verein geſtiftet hatten, um in ſtreitigen Wahlangelegen-
heiten Rechtsgutachten unentgeltlich zu ertheilen, verurtheilt; ſie hat-
ten in der That ihren Mitbürgern den Dienſt geleiſtet, daß 380 falſch-
Wahlmänner aus der Wahlliſte geſtrichen wurden. Die liberalen
Blätter fragen nun, warum die Behörde nicht gegen das Blatt,
„der Apoſtoliſche“ einſchreite, das in ſeiner vorlezten Nummer
zur Ermordung der Liberalen aufgefordert hat! — Hr. Dupin,
der als Advokat Hrn. Bertin vertheidigte, gehört als Mitglied
der Deputirtenkammer zu derjenigen Mehrzahl, in welcher wäh-
rend der lezten Sizung auch Hr. Bertin ſtimmte, wenn der ſel-
tene Fall eintrat, daß bei der damaligen Unentſchloſſenheit es zu
einer Entſcheidung der Mehrzahl kam. Der höchſte Zwek, den das
vorige Miniſterium zu erreichen ſuchte, und womit auch der Kö-
nig ſelbſt ſich damals begnügte, war Mäßigung der beiden Extreme
und Verſöhnung des Ganzen; ſowol Hr. Bertin als Hr. Dupin
hatten ſich dazu mit Hrn. v. Martignac verſtanden. Aber die
leidenſchaftliche, ungeduldige Eile der geheimen Partei glaubte den
Prozeß zu gewinnen, und da er nun verloren ſcheint, ſo iſt damit
vollends auch alle Hofnung zerſtört, irgend eine dem jezigen Mi-
niſterium günſtige Mehrzahl zu Stande zu bringen. Die auf
Hrn. Dupin und Bertin beruhende Mehrzahl iſt dahin; die auf
die äußerſte Rechte geſtüzte Mehrzahl iſt mit Hrn. v. Labourdon-
[Spaltenumbruch] naye geſchwunden; auf ganz neue Grundlagen läßt ſich bei ſolcher
Zerſtükelung keine weitere Mehrzahl bauen.

Deutſchland.

Eine königl. bayeriſche Verordnung vom 27 Dec. enthält nach-
trägliche Verfügungen, den Vollzug des Handelsvertrags mit
Preußen und Heſſen betreffend.

Am 1 Jan. erhielt der Hr. Biſchof von Augsburg, Reichsrath
v. Rieg, von Sr. Maj. dem Könige das Kommandeurkreuz des
Verdienſtordens der bayeriſchen Krone. Auch der Kriegsminiſter
Hr. Generalmajor v. Weinrich erhielt dieſen Orden.

Das Eis im Rhein hat ſich oberhalb
Mainz bei Hamm und unterhalb bei Bingen geſtellt. Da bisher
wenig Schnee gefallen iſt, ſo befürchtet man, daß die Kälte der
Saat, dem Kohl und dem Getreide verderblich ſeyn möchte. — Un-
längſt wurde hier ein heſſiſcher Soldat zum Tode verurtheilt, weil
er einen preußiſchen Soldaten, und zwar wegen keiner perſönlichen Be-
leidigung, ſondern aus Haß gegen die Preußen, ermordet hatte.
Die hieſige preußiſche Beſazung, welche von dem General v. Müff-
ling, Bruder des vor Kurzem aus Konſtantinopel zurükgekehrten
Generals, befehligt wird, iſt vom König ermächtigt worden, Se.
königl. Hoheit um Gnade für den Verbrecher anzuflehen. Die
Großmuth ziemt der Tapferkeit.

Rußland.

Eine am 15 Dec. zu Odeſſa ergangene Bekanntmachung er-
laubt, nachdem ſich ſeit 30 Tagen keine neue Spur von Peſt mehr
gezeigt hatte, die Wiedereröfnung der Kirchen, Gerichtshöfe, Wirths-
und Kaffeehäuſer und Kaufläden. Doch ſind noch gewiſſe Vor-
ſichtsmaaßregeln vorgeſchrieben; in den Wirthshäuſern z. B. dür-
fen keine Tiſchtücher oder Servietten aufgelegt, und die Teller ſo
wie das einzunehmende Geld müſſen in Weineſſig gewaſchen wer-
den; in den Schenken wird das Getränk durchs Fenſter hinaus ab-
gegeben ꝛc. Auch wird der äußere Sanitätskordon noch beibehal-
ten; Niemand darf ohne Quarantaine die Stadt verlaſſen.

Oeſtreich.

Heute um 1 Uhr Morgens verſchied Ihre
kaiſerl. Hoheit die durchlauchtigſte Erzherzogin Henriette Alexan-
drine Friederike Wilhelmine geborne Prinzeſſin von Naſſau-Weil-
burg (geb. den 30 Okt. 1797) in Folge eines kaum viertägigen
entzündlichen Scharlachfiebers. Durch dieſen unvermutheten Schlag
ſind Se. königl. Hoheit Jhr untröſtlicher Gemahl, deſſen häusli-
chem Glüke die Verewigte Jhr ſchönes Leben weihte, Jhre fünf
hofnungsvollen Sprößlinge, deren mütterlicher Pflege und Bildung
Sie ihre zärtlichſte Sorgfalt widmete, ſo wie JJ. MM. und die
ganze kaiſerliche Familie in die tiefſte Trauer verſezt, an welcher
der ganze Hof, der zahlreiche Adel, die Bürgerſchaft und die ganze
Bevölkerung der Hauptſtadt, welche die ſtille Größe und die häus-
lichen Tugenden der Vollendeten bewunderten und verehrten, den
innigſten Antheil nehmen.

Wien, 30 Dec. Metalliques 102⅞; 4prozentige Metalli-
ques 94; Bankaktien 1261½.

Wien, 31 Dec. Metalliques 102⅞; 4prozentige Metalli-
ques 94¼; Bankaktien 1264.

Verantwortlicher Redakteur, C. J. Stegmann.
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[20/0004] nicht umgeſtoßen, ſondern nur erſchüttert worden; denn einzelne Tribunale in andern Departementen haben ganz entgegengeſezte Urtheile ausgeſprochen, und die Staatsprokuraturen ſind zu häufig mit eifrigen Anhängern der Miniſter beſezt, als daß man hoffen dürfte, es werde durch das Jmpoſante des Pariſer Appellations- gerichtshofs eine gemeinſame Anſicht hergeſtellt werden. Die Frage bietet ſich natürlich dar, ob denn die Kongregationiſten ſich aus Gehorſam für den Pariſer Appellationshof außer Beſiz ſezen laſſen, ob ſie auf ihre miniſteriellen Lehren Verzicht leiſten wer- den? Jn dem politiſchen Glaubensbekenntniſſe der Jeſuiten ſteht auch geſchrieben, daß ſie ſich bei Beſezung der Staatsämter ſogar bisweilen entſchließen, einzelne Stellen mit Jndividuen zu beſezen, die nicht eingeweiht ſind; nur dürfen dieſes keine Männer von hohem Geiſte, ſondern nur brauchbar durch Klugheit und Geſchmei- digkeit ſeyn. Mit dieſem Schlüſſel läßt ſich das Räthſel des bun- ten Kolorits unſerer mancherlei Verwaltungsbehörden löſen. Un- ſere Miniſter ſind nicht identiſch mit unſerm Miniſterium. Sollten auch, wie jedoch noch zu zweifelu iſt, die Fäden des Spinn- gewebes durch den Rechtsſpruch zu Gunſten des Hrn. Bertin an allen Eken abgeriſſen ſeyn, ſo werden die beharrlichen Arachnen darum das königliche Haus nicht räumen, ſondern ihr Gewebe nur noch feſter zu weben wiſſen. — Außer den vielen in den Departementen an- hängigen Prozeſſen gegen Journaliſten, welche die Ernennung des Ultraminiſteriums getadelt hatten, iſt nun auch einer gegen das Pariſer Journal du Commerce angefangen, weil es einen Befehl des Polizeipräfekten, ein Schreiben von ihm an den Journaliſten einzurüken, aus dem Grunde nicht befolgte, weil die Ausdrüke des Befehls ihm beleidigend ſchienen; es hatte daher nur den Jnhalt deſſelben eingerükt. Vor einigen Tagen wurde ein Journaliſt, der in erſter Jnſtanz zu 100 Franken Geldbuße verurtheilt worden war, auf die Appellation der Staatsprokuratur in zweiter Jnſtanz mit 3000 Franken geſtraft. Jn einem Departement mußte ein Journaliſt vor Gericht erſcheinen, weil er in antiminiſteriellem Sinne das Feſtmahl beſchrieben hatte, das die Notabeln einer Stadt ei- nem Abgeordneten gegeben hatten. Jn Niort wurden Advokaten, welche einen Verein geſtiftet hatten, um in ſtreitigen Wahlangelegen- heiten Rechtsgutachten unentgeltlich zu ertheilen, verurtheilt; ſie hat- ten in der That ihren Mitbürgern den Dienſt geleiſtet, daß 380 falſch- Wahlmänner aus der Wahlliſte geſtrichen wurden. Die liberalen Blätter fragen nun, warum die Behörde nicht gegen das Blatt, „der Apoſtoliſche“ einſchreite, das in ſeiner vorlezten Nummer zur Ermordung der Liberalen aufgefordert hat! — Hr. Dupin, der als Advokat Hrn. Bertin vertheidigte, gehört als Mitglied der Deputirtenkammer zu derjenigen Mehrzahl, in welcher wäh- rend der lezten Sizung auch Hr. Bertin ſtimmte, wenn der ſel- tene Fall eintrat, daß bei der damaligen Unentſchloſſenheit es zu einer Entſcheidung der Mehrzahl kam. Der höchſte Zwek, den das vorige Miniſterium zu erreichen ſuchte, und womit auch der Kö- nig ſelbſt ſich damals begnügte, war Mäßigung der beiden Extreme und Verſöhnung des Ganzen; ſowol Hr. Bertin als Hr. Dupin hatten ſich dazu mit Hrn. v. Martignac verſtanden. Aber die leidenſchaftliche, ungeduldige Eile der geheimen Partei glaubte den Prozeß zu gewinnen, und da er nun verloren ſcheint, ſo iſt damit vollends auch alle Hofnung zerſtört, irgend eine dem jezigen Mi- niſterium günſtige Mehrzahl zu Stande zu bringen. Die auf Hrn. Dupin und Bertin beruhende Mehrzahl iſt dahin; die auf die äußerſte Rechte geſtüzte Mehrzahl iſt mit Hrn. v. Labourdon- naye geſchwunden; auf ganz neue Grundlagen läßt ſich bei ſolcher Zerſtükelung keine weitere Mehrzahl bauen. Deutſchland. Eine königl. bayeriſche Verordnung vom 27 Dec. enthält nach- trägliche Verfügungen, den Vollzug des Handelsvertrags mit Preußen und Heſſen betreffend. Am 1 Jan. erhielt der Hr. Biſchof von Augsburg, Reichsrath v. Rieg, von Sr. Maj. dem Könige das Kommandeurkreuz des Verdienſtordens der bayeriſchen Krone. Auch der Kriegsminiſter Hr. Generalmajor v. Weinrich erhielt dieſen Orden. * Mainz, 31 Dec. Das Eis im Rhein hat ſich oberhalb Mainz bei Hamm und unterhalb bei Bingen geſtellt. Da bisher wenig Schnee gefallen iſt, ſo befürchtet man, daß die Kälte der Saat, dem Kohl und dem Getreide verderblich ſeyn möchte. — Un- längſt wurde hier ein heſſiſcher Soldat zum Tode verurtheilt, weil er einen preußiſchen Soldaten, und zwar wegen keiner perſönlichen Be- leidigung, ſondern aus Haß gegen die Preußen, ermordet hatte. Die hieſige preußiſche Beſazung, welche von dem General v. Müff- ling, Bruder des vor Kurzem aus Konſtantinopel zurükgekehrten Generals, befehligt wird, iſt vom König ermächtigt worden, Se. königl. Hoheit um Gnade für den Verbrecher anzuflehen. Die Großmuth ziemt der Tapferkeit. Rußland. Eine am 15 Dec. zu Odeſſa ergangene Bekanntmachung er- laubt, nachdem ſich ſeit 30 Tagen keine neue Spur von Peſt mehr gezeigt hatte, die Wiedereröfnung der Kirchen, Gerichtshöfe, Wirths- und Kaffeehäuſer und Kaufläden. Doch ſind noch gewiſſe Vor- ſichtsmaaßregeln vorgeſchrieben; in den Wirthshäuſern z. B. dür- fen keine Tiſchtücher oder Servietten aufgelegt, und die Teller ſo wie das einzunehmende Geld müſſen in Weineſſig gewaſchen wer- den; in den Schenken wird das Getränk durchs Fenſter hinaus ab- gegeben ꝛc. Auch wird der äußere Sanitätskordon noch beibehal- ten; Niemand darf ohne Quarantaine die Stadt verlaſſen. Oeſtreich. † Wien, 29 Dec. Heute um 1 Uhr Morgens verſchied Ihre kaiſerl. Hoheit die durchlauchtigſte Erzherzogin Henriette Alexan- drine Friederike Wilhelmine geborne Prinzeſſin von Naſſau-Weil- burg (geb. den 30 Okt. 1797) in Folge eines kaum viertägigen entzündlichen Scharlachfiebers. Durch dieſen unvermutheten Schlag ſind Se. königl. Hoheit Jhr untröſtlicher Gemahl, deſſen häusli- chem Glüke die Verewigte Jhr ſchönes Leben weihte, Jhre fünf hofnungsvollen Sprößlinge, deren mütterlicher Pflege und Bildung Sie ihre zärtlichſte Sorgfalt widmete, ſo wie JJ. MM. und die ganze kaiſerliche Familie in die tiefſte Trauer verſezt, an welcher der ganze Hof, der zahlreiche Adel, die Bürgerſchaft und die ganze Bevölkerung der Hauptſtadt, welche die ſtille Größe und die häus- lichen Tugenden der Vollendeten bewunderten und verehrten, den innigſten Antheil nehmen. Wien, 30 Dec. Metalliques 102⅞; 4prozentige Metalli- ques 94; Bankaktien 1261½. Wien, 31 Dec. Metalliques 102⅞; 4prozentige Metalli- ques 94¼; Bankaktien 1264. Verantwortlicher Redakteur, C. J. Stegmann.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-02-11T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 5, 5. Januar 1830, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine05_1830/4>, abgerufen am 23.11.2024.