Allgemeine Zeitung. Nr. 7. München, 8. Januar 1924.Allgemeine Zeitung. Nr. 7. Dienstag, den 8. Januar 1924. Münchener Stadtzeitung. [Spaltenumbruch]
München ohne Fasching. Mit Dreikönig schließt der Weihnachtskreis und Hat man etwas verloren, denkt man um so Die erste Woche nach Dreikönig brachte dann Das Bezaubernde am Münchner Fasching war Wird es wiederkomen? Wird 1924 das letzte Angriffe auf die Stadtverwaltung. Der Senatspräsident beim Reichsfinanzhof Dr. Die Ausführungen des Senatspräsidenten In der gleichen Sache gab namens der Frak- Protest der Bankbeamten. "Gegen die Reaktion im Bankgewerbe" lautete das Motto, unter dem die Angestellten- Die Versammlung billigt die Haltung der Ar- Die vorgesehenen Verschlechterungen des Ar- Durch die seit Wochen von den Bankleitungen Die Versammlung gibt ihrer Entrüstung dar- Die Versammlung lehnt das Diktat der Bank- Die Versammlung bittet den Arbeitsminister, Eisenbahnunfall. In der Nacht zum Montag Um ein Paar Schuhe. Mitte November wurde Gaunereien im Warenhaus. s. Ein naiver Trick. Eine 23 Jahre alte Näherin s. Weils in Stadelheim zu kalt ist. Ein saube- Kleine Zeitung. Geboren: Herrn Sigmund Harburger (T.) Gestorben: Kaufmann Fritz Bauch, Teilhaber Ein Prinz und ein Generalleutnant als Mönche. In der St. Anna-Kirche haben zwei s. Die Kehrseite der Gehaltskürzung. Ein bei Er gibt an, nur das eine Mal gefehlt zu ha- [irrelevantes Material] Der Meister des jüngsten Tages. Roman Sie rüttelt an der Tür, sie ruft, sie schlägt "Aus dem Fenster gestürzt?" unterbrach der "Ganz richtig. Der Revolver fand sich in "Weiter, weiter!" drängte Doktor Gorski. "Weiter? Das ist alles. Er hat Selbstmord "Was sagen Sie da?" rief Doktor Gorski. "Er "Nein." [Spaltenumbruch]Nicht Eugen Bischoff hatte diese Antwort in "Verstehen Sie denn nicht, daß diesem Offizier "Du bist im Irrtum, Solgrub", sagte Eugen "Das nenne ich militärische Kürze", meinte "Dann ist", schloß Eugen Bischoff seinen Be- "Und das Wort?" "Es war in höchster Eile hingekritzelt, kaum Keiner von uns sagte ein Wort, nur der In- Dina war aufgestanden und hatte den Taster Nur Doktor Gorski stand der Sache skeptisch "Gestehen Sie es nur, Bischoff!" sagte er. "Sie Eugen Bischoff schüttelte den Kopf. "Nein, Doktor. Gar nichts habe ich erfunden. "Morb!" sagte der Ingenieur kurz und ent- Er warf einen Blick auf seine Uhr. "Es ist spät geworden, ich werde mich verab- "Unsinn. Ihr bleibt alle zum Abendessen da", "Wie wäre es zum Beispiel, wenn ein hier Eugen Bischoff sollte in ein paar Tagen zum "Heute nicht", sagte er. "Ein anderes Mal Dina und ihr Bruder begannen lebhaft auf "Etwas will man ja doch vor der misera plebs Eugen Bischoff schüttelte den Kopf und blieb "Nein, heute nicht. Es geht nicht. Ihr würdet "So eine Art Generalprobe vor guten Freun- "Nein. Ihr sollt mich nicht drängen. Ich lasse Doktor Gorski gab scheinbar nach. Aber er (Fortsetzung folgt.) Allgemeine Zeitung. Nr. 7. Dienstag, den 8. Januar 1924. Münchener Stadtzeitung. [Spaltenumbruch]
München ohne Faſching. Mit Dreikönig ſchließt der Weihnachtskreis und Hat man etwas verloren, denkt man um ſo Die erſte Woche nach Dreikönig brachte dann Das Bezaubernde am Münchner Faſching war Wird es wiederkomen? Wird 1924 das letzte Angriffe auf die Stadtverwaltung. Der Senatspräſident beim Reichsfinanzhof Dr. Die Ausführungen des Senatspräſidenten In der gleichen Sache gab namens der Frak- Proteſt der Bankbeamten. „Gegen die Reaktion im Bankgewerbe“ lautete das Motto, unter dem die Angeſtellten- Die Verſammlung billigt die Haltung der Ar- Die vorgeſehenen Verſchlechterungen des Ar- Durch die ſeit Wochen von den Bankleitungen Die Verſammlung gibt ihrer Entrüſtung dar- Die Verſammlung lehnt das Diktat der Bank- Die Verſammlung bittet den Arbeitsminiſter, Eiſenbahnunfall. In der Nacht zum Montag Um ein Paar Schuhe. Mitte November wurde Gaunereien im Warenhaus. s. Ein naiver Trick. Eine 23 Jahre alte Näherin s. Weils in Stadelheim zu kalt iſt. Ein ſaube- Kleine Zeitung. Geboren: Herrn Sigmund Harburger (T.) Geſtorben: Kaufmann Fritz Bauch, Teilhaber Ein Prinz und ein Generalleutnant als Mönche. In der St. Anna-Kirche haben zwei s. Die Kehrſeite der Gehaltskürzung. Ein bei Er gibt an, nur das eine Mal gefehlt zu ha- [irrelevantes Material] Der Meiſter des jüngſten Tages. Roman Sie rüttelt an der Tür, ſie ruft, ſie ſchlägt „Aus dem Fenſter geſtürzt?“ unterbrach der „Ganz richtig. Der Revolver fand ſich in „Weiter, weiter!“ drängte Doktor Gorski. „Weiter? Das iſt alles. Er hat Selbſtmord „Was ſagen Sie da?“ rief Doktor Gorski. „Er „Nein.“ [Spaltenumbruch]Nicht Eugen Biſchoff hatte dieſe Antwort in „Verſtehen Sie denn nicht, daß dieſem Offizier „Du biſt im Irrtum, Solgrub“, ſagte Eugen „Das nenne ich militäriſche Kürze“, meinte „Dann iſt“, ſchloß Eugen Biſchoff ſeinen Be- „Und das Wort?“ „Es war in höchſter Eile hingekritzelt, kaum Keiner von uns ſagte ein Wort, nur der In- Dina war aufgeſtanden und hatte den Taſter Nur Doktor Gorski ſtand der Sache ſkeptiſch „Geſtehen Sie es nur, Biſchoff!“ ſagte er. „Sie Eugen Biſchoff ſchüttelte den Kopf. „Nein, Doktor. Gar nichts habe ich erfunden. „Morb!“ ſagte der Ingenieur kurz und ent- Er warf einen Blick auf ſeine Uhr. „Es iſt ſpät geworden, ich werde mich verab- „Unſinn. Ihr bleibt alle zum Abendeſſen da“, „Wie wäre es zum Beiſpiel, wenn ein hier Eugen Biſchoff ſollte in ein paar Tagen zum „Heute nicht“, ſagte er. „Ein anderes Mal Dina und ihr Bruder begannen lebhaft auf „Etwas will man ja doch vor der miſera plebs Eugen Biſchoff ſchüttelte den Kopf und blieb „Nein, heute nicht. Es geht nicht. Ihr würdet „So eine Art Generalprobe vor guten Freun- „Nein. Ihr ſollt mich nicht drängen. Ich laſſe Doktor Gorski gab ſcheinbar nach. Aber er (Fortſetzung folgt.) <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0004" n="4"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Allgemeine Zeitung.</hi> Nr. 7. Dienstag, den 8. Januar 1924.</fw><lb/> <div type="jLocal" n="1"> <div n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Münchener Stadtzeitung.</hi> </hi> </head><lb/> <cb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">München ohne Faſching.</hi> </hi> </head><lb/> <p>Mit Dreikönig ſchließt der Weihnachtskreis und<lb/> die Faſchingszeit hebt an. Das heißt in der<lb/> Theorie; denn die Praxis will auch heuer von<lb/> einem Faſching noch nichts wiſſen. Dabei wäre<lb/> diesmal die luſtige Zeit beſonders lange ausge-<lb/> fallen, zeigt doch der Kalender den 5. <hi rendition="#g">März</hi> als<lb/><hi rendition="#g">Aſchermittwoch</hi> an, an dem der Münchner<lb/> in Zeiten, die uns ſo ferne zu liegen ſcheinen,<lb/> als hätten wir ſie ſelber nicht erlebt, in Sack und<lb/> Aſche Buße tat, den leeren Geldbeutel im Fiſch-<lb/> brunnen wuſch und ſchon wieder nach dem neuen<lb/> Vergnügen ſchielte: den wundervollen Stark-<lb/> bieren, deren Genuß die harte Faſtenzeit leicht<lb/> ertragen ließ.</p><lb/> <p>Hat man etwas verloren, denkt man um ſo<lb/> lebhafter daran. Wer will uns wehren, gewiſſer-<lb/> maßen als Faſchingserſatz uns die Tage (rich-<lb/> tiger Abende und Nächte!) vor das innere Auge<lb/> zu ſtellen, wo wir frei von jeder Erdenſchwere in<lb/> einem lichten Himmel der Luſt und des Froh-<lb/> ſinns zu weilen glaubten. An Dreikönig ging<lb/> es eigentlich ſchon an, wenn die umherziehenden<lb/> Muſikanten in den Gaſtlokalen ihre Weiſen er-<lb/> ſchallen ließen, den Hörer und noch mehr die<lb/> Hörerin zu einem verſtohlenen Verſuch zwangen,<lb/> das Tanzgebein zu erproben, ob es nicht etwa ein-<lb/> geroſtet.</p><lb/> <p>Die erſte Woche nach Dreikönig brachte dann<lb/> die erſte Redoute und den erſten <hi rendition="#aq">Bal pare</hi> im<lb/> Deutſchen Theater. Die Eigenart des Münchner<lb/> Karnevals beſtand darin, daß er jedem Geſchmack<lb/> Rechnung trug. Die Geſchmäcker an Vergnü-<lb/> gungen ſind bekanntlich ganz verſchieden und die<lb/> Vorgnügungen auch, nachdem immerhin ein Un-<lb/> terſchied zwiſchen einer Kirchweihrauferei in Nie-<lb/> derbayern und einer Partie Schach iſt, aber beide<lb/> Dinge haben ihre Liebhaber. Der Münchner Fa-<lb/> ſching bot alles, Geiſtreichigkeit und ſprühende<lb/> Laune vornehmer Damen und Herren, gut bür-<lb/> gerliches Vergnügen und jene geſunde ſinnliche<lb/> Derbheit, die gerade das Süddeutſche Volk aus-<lb/> zeichnet, die aber doch nicht mit Grobheit oder<lb/> Brutalität verwechſelt werden darf und deren<lb/> Ton von einem Fremden nur ſehr ſchwer oder<lb/> gar nie zu treffen iſt. Göttlicher Leichtſinn perlte<lb/> auf den großen Künſtlerfeſten, die auch kulturelle<lb/> Werte vermittelten, ſtrahlende Heiterkeit er-<lb/> glänzte auf den prächligen Feiern unſeres aka-<lb/> demiſchen Nachwuchſes, ein Abbild warmen Le-<lb/> bens waren die Bauernbälle. Behäbigkeit zeich-<lb/> nete die gediegenen Faſchingsfeſtlichkeiten des<lb/> Münchner Gewerbes aus.</p><lb/> <p>Das Bezaubernde am Münchner Faſching war<lb/> jener — man möchte ſagen demokratiſche Grund-<lb/> zug, der ſich ſelbſt von den Hoffeſten nicht ver-<lb/> drängen ließ, das Hinreißende die Art und Weiſe,<lb/> wie ſich das weibliche Element auf den Wogen der<lb/> bunten Luſt treiben ließ. Das Unbegreifliche, daß<lb/> dieſer Münchner Faſching immer neuer Steige-<lb/> rungen fähig war, daß er ſich immer reicher und<lb/> üppiger entfaltete, bis in den letzten drei Fa-<lb/> ſchingstagen die ganze Stadt vom Taumel ergrif-<lb/> fen wurde, der Karneval von den Sälen auf die<lb/> Straßen ging und ganz München ſich eine unge-<lb/> heure Narrenkappe auſſetzte.</p><lb/> <p>Wird es wiederkomen? Wird 1924 das letzte<lb/> faſchingsloſe Jahr ſein? Wir hoffen und wün-<lb/> ſchen es. Oeffentliche Faſchingsluſtbarkeiten ſind<lb/> heuer im Hinblick auf den Ernſt der Zeit begreif-<lb/> licherweiſe verboten und die privaten Beſchrän-<lb/> kungen unterworfen. Das iſt ſehr recht, denn auf<lb/> das ſoziale Taktgefühl nicht aller Mitbürger iſt<lb/> ſtrenger Verlaß. Gegen harmloſe und in beſchei-<lb/> dener Grenze ſich bewegende Tanzvergnügungen<lb/> in privatem Kreiſe wird niemand etwas ein-<lb/> wenden. Ein fröhliches Herz vollbringt ja mehr,<lb/> als ein trübes und auch dem Weiſen, ſagt ein-<lb/> mal der alte Horaz, ziemt es, zeitweiſe töricht<lb/> zu ſein ...</p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Angriffe auf die Stadtverwaltung.</hi> </hi> </head><lb/> <p>Der Senatspräſident beim Reichsfinanzhof Dr.<lb/><hi rendition="#g">Strutz</hi> hat in der Dezembernummer des „Deut-<lb/> ſchen Steuerblattes“ bei der Behandlung des<lb/> Schickſals der Einkommenſteuer in ſcharfer Weiſe<lb/> gegen die „heutige rote Stadtratsmehrheit“ oder<lb/> eine künftige Mehrheit der Bayeriſchen Volks-<lb/> partei polemiſiert und dabei erklärt: „Die beſitzen-<lb/> den Klaſſen ſowie Beamte, Penſionäre, Rentner<lb/> und andere ohnehin von der Geldentwertung am<lb/> ſchwerſten betroffenen Schichten würden die Fol-<lb/> gen der Finanzwirtſchaft der heutigen ſozialiſtiſch-<lb/> kommuniſtiſchen, auf dieſem Gebiete von der<lb/> Bayer. Volkspartei unterſtützten Stadtratsmehr-<lb/> heit in noch weit unerträglicherem Maße zu<lb/> ſpüren bekommen als jetzt, wo man ſtatt zu wirk-<lb/> ſamen Perſonal- und ſonſtigen Einſparungen zu<lb/> greifen, durch unerſchwingliche Benutzungsgebüh-<lb/> ren jene ohnehin am ſchwerſten ringenden Schich-<lb/> ten ſchonungslos vollends abwürgt.“</p><lb/> <p>Die Ausführungen des Senatspräſidenten<lb/> gaben kürzlich in der Sitzung des Hauptaus-<lb/> ſchuſſes dem Stadtrat <hi rendition="#g">Nußbaum</hi> Veranlaſ-<lb/> ſung, namens der Fraktion der V.S.P.D. eine<lb/> Erklärung abzugeben, in der dem Senatspräſi-<lb/> denten Dr. Strutz „Kritikloſigkeit, gehäſſige Par-<lb/> teipolemik, Unkenntnis und Leichtfertigkeit“ zum<lb/> Vorwurf gemacht werden.</p><lb/> <p>In der gleichen Sache gab namens der Frak-<lb/> tion der „Bayeriſchen Volkspartei“ Stadtrat<lb/><hi rendition="#g">Scharnagel</hi> eine Erklärung ab, die die Stel-<lb/> lungnahme des Senatspräſidenten gleichfalls<lb/> ſcharf zurückweiſt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Proteſt der Bankbeamten.</hi> </hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">„Gegen die Reaktion im Bankgewerbe“</hi> </hi> </p><lb/> <p>lautete das Motto, unter dem die Angeſtellten-<lb/> Organiſationen des Bankgewerbes zu einer Pro-<lb/> teſtkundgebung im Löwenbräukeller (am Montag<lb/> abend) einberufen hatten. Die ungemein ſtark<lb/> beſuchte Verſammlung, in deren Verlauf herbe<lb/> Kritik geübt wurde an dem Verhalten der Bank-<lb/> leitungen überhaupt, insbeſondere aber an der<lb/> Tatſache, daß die Bankangeſtellten und -beamten<lb/> während der Weihnachtsfeiertage ohne zulängliche<lb/> Geldmittel gelaſſen wurden, führte zur Annahme<lb/> einer<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Entſchließung,</hi></hi><lb/> die u. a. beſagt:</p><lb/> <cit> <quote>Die Verſammlung billigt die Haltung der Ar-<lb/> beitnehmerbeiſitzer bei den Schlichtungsverhand-<lb/> lungen am 29. Dezember 1923 und lehnt auch<lb/> ihrerſeits den im Reichsarbeitsminiſterium ge-<lb/> fällten Schiedsſpruch ab.</quote> </cit><lb/> <cit> <quote> <hi rendition="#b">Die vorgeſehenen Verſchlechterungen des Ar-<lb/> beitsvertrages ſind für ein Tarifverhältnis un-<lb/> tragbar. Die feſtgeſetzten Gehälter ſind als voll-<lb/> kommen unzureichend, die Anfangebezüge als<lb/> Hungergehälter zu bezeichnen. Der Schiedsſpruch<lb/> iſt hinſichtlich der Gehaltsfeſtſtellung, der Ein-<lb/> ſchränkung der Tarifſtaffel und der Feſtlegung<lb/> der Arbeitszeit weit über den Rahmen der be-<lb/> ſonderen Verhältniſſe des Bankgewerbes hinaus-<lb/> gegangen und hat dagegen die wirtſchaftliche Not<lb/> und die berechtigten Forderungen der Angeſtell-<lb/> ten unberückſichtigt gelaſſen.</hi> </quote> </cit><lb/> <cit> <quote>Durch die ſeit Wochen von den Bankleitungen<lb/><hi rendition="#g">einſeitig</hi> vorgenommenen Gehaltsanweiſun-<lb/> gen iſt die Not der Bankangeſtellten außerordent-<lb/> lich verſchärft worden. Der größte Teil aller<lb/> Bankbeamten hat kaum die Mittel aufbringen<lb/> können, um die fälligen Mieten zu bezahlen. Die<lb/> Verſammlung fordert daher von den Bankleitun-<lb/> gen, daß zunächſt <hi rendition="#g">die Januarbezüge min-<lb/> deſtens in der Höhe der Schieds-<lb/> ſpruchſätze in den allernächſten Ta-<lb/> gen zur Auszahlung</hi> gebracht werden, und<lb/> daß <hi rendition="#g">fernerhin nur ſchrittweiſe wie-<lb/> der zur Medio-Monatszahlung</hi> über-<lb/> gegangen wird.</quote> </cit><lb/> <cit> <quote>Die Verſammlung gibt ihrer Entrüſtung dar-<lb/><cb/> über Ausdruck, daß die Bankleitungen fortgeſetzt<lb/> gegen die Beſtimmungen zum Schutz der Ange-<lb/> ſtellten verſtoßen. Einen ſolchen <hi rendition="#g">Rechtsbruch</hi><lb/> erblickt die Verſammlung neuerdings in der <hi rendition="#g">Auf-<lb/> hebung der bisherigen ungeteilten<lb/> und in der Einführung</hi> der im Schieds-<lb/> ſpruch vom 29. Dezember 1928 vorgeſehenen <hi rendition="#g">ver-<lb/> längerten Arbeitszeit</hi> durch einſeitiges<lb/> Diktat der Bankleitungen <hi rendition="#g">ohne</hi> die in § 78 Zif-<lb/> fer 2 des BRG. vorgeſchriebene Mitwirkung der<lb/> Vetriebsvertretungen.</quote> </cit><lb/> <cit> <quote>Die Verſammlung lehnt das Diktat der Bank-<lb/> leitungen ab und erwartet von den Betriebsver-<lb/> tretungen, daß dieſe gemeinſam mit den Ange-<lb/> ſtellten-Organiſationen alle Schritte unternehmen,<lb/> um den Rechtsbruch der Bankleitungen auch vor<lb/> den geſetzlichen Inſtanzen feſtſtellen zu laſſen.</quote> </cit><lb/> <cit> <quote>Die Verſammlung bittet den Arbeitsminiſter,<lb/> den Verbindlichkeitsantrag der Arbeitgeber abzu-<lb/> lehnen und erklärt, mit allen gewerkſchaftlichen<lb/> Mitteln der Willkürherrſchaft im Bankgewerbe<lb/> begegnen zu wollen.</quote> </cit> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Eiſenbahnunfall.</hi> </head><lb/> <p>In der Nacht zum Montag<lb/> ſtieß im Oſtbahuhof ein im Zuſammenſtellen be-<lb/> findlicher Zug mit einem Poſtwagen zuſammen,<lb/> in dem mehrere Poſtbeamte beſchäftigt waren.<lb/> Dabei wurde der 50jährige Schaffner <hi rendition="#g">Unter-<lb/> hofer</hi> und der 49jährige Schaffner <hi rendition="#g">Mödl</hi> ver-<lb/> letzt. Beide mußten vom Rettungsdienſt ins<lb/> Krankenhaus verbracht werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Um ein Paar Schuhe.</hi> </head><lb/> <p>Mitte November wurde<lb/> der Schuhmachermeiſter B. Kirmeier das Opfer<lb/> eines gemeinen und heimtückiſchen Anſchlages.<lb/> Der zwanzigjährige Baupraktikant <hi rendition="#g">Zitzmann</hi><lb/> ließ ſich Schuhe zeigen, ging wieder fort, kehrte<lb/> zurück und forderte ſchließlich, neue Ware zu<lb/> ſehen: aus der unterſten Stellage! Meiſter Kir-<lb/> meier mußte ſich tief bücken, um dieſem Wunſche<lb/> zu willfahren. Im gleichen Moment aber ſank<lb/> er zu Boden. Er konnte noch ſchreien, kurz um<lb/> Hilfe rufen, dann umfing ihn Ohnmacht. Was<lb/> war geſchehen? Das ſaubere Bürſchlein hatte<lb/> den alten Mann hinterrücks mit einem faſt zwei<lb/> Pfund ſchweren Hammer auf Kopf und Hand ge-<lb/> ſchlagen. Die Notſchreie ſeines Opfers ſchreckten<lb/> den Lumpen, und ſo ergriff er die Flucht. Er<lb/> kam nicht weit: Paſſanten, durch den Lärm her-<lb/> beigelockt, hielten ihn feſt und übergaben ihn der<lb/> Polizei. Nun ſtand die rohe Tat vor dem <hi rendition="#g">Volks-<lb/> gericht München</hi> <supplied cert="low">1</supplied> zur Verhandlung. Mord-<lb/> verſuch? Der Angeklagte leugnete. Nur um ein<lb/> Paar Schuhe ſei es ihm zu tun geweſen ...<lb/> er habe ſie dringend benötigt ... zur Heim-<lb/> reiſe. Das Gericht ſah die Sache weniger harm-<lb/> los an. Zwar folgte es nicht dem Antrag des<lb/> Staatsanwalts, der auf zwölf Jahre Zuchthaus<lb/> lautete; aber — auch <hi rendition="#g">acht Jahre Zuchthaus</hi><lb/> ſind ſchwere Sühne. Zehn Jahre Ehrverluſt,<lb/> dieſe Zuſatz-Strafe iſt die rechte Antwort auf<lb/> eine ſo ehrloſe Tat!</p> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Gaunereien im Warenhaus.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">s. Ein naiver Trick.</hi> </head><lb/> <p>Eine 23 Jahre alte Näherin<lb/> machte in einem Warenhaus einen kleinen Ein-<lb/> kauf. Sie bezahlte und erhielt einen geſtempel-<lb/> ten Kaſſazettel. Ohne die Ware abzuholen,<lb/> kaufte die Näherin auf einem anderen Waren-<lb/> lager teuere Waren. Mit dem dort erhaltenen<lb/> Schein ging ſie an einen verſchwiegenen Ort und<lb/> pauſte den Quittungsſtempel auf den Preiszettel<lb/> des hohen Einkaufs und wollte die wertvolle<lb/> Ware daraufhin in Empfang nehmen. Die Fäl-<lb/> ſchung wurde aber erkannt und das ſchlaue Fräu-<lb/> lein feſtgenommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">s. Weils in Stadelheim zu kalt iſt.</hi> </head><lb/> <p>Ein ſaube-<lb/> res Kleeblatt: eine 28 Jahre alte Hilfsarbeite-<lb/> rin, eine 30 Jabre alte Metzgersfrau und eine<lb/> 20jährige Kaſſierin beſchloſſen, in Warenhäuſern<lb/> gemeinſam auf Raub auszuziehen. Mit gutem<lb/> Glück hatten ſie das Warenhaus Tietz gebrand-<lb/> ſchatzt. Nun erwählten ſie als zweites Opfer das<lb/> Haus Oberpollinger. Der ſchnelle Griff nach<lb/> einer Wolljacke wurde der Metzgersfrau und ihren<lb/> Komplizinnen zum Verhängnis. Man fand in<lb/><cb/> den Wohnungen der dreien ein ganzes Waren-<lb/> lager. Die Diebin erklärte, ſie habe die Jacke<lb/> nur geſtohlen, um in Stadelheim, wohin ſie in den<lb/> nächſten Tagen für einige Zeit in Penſion gehen<lb/> müſſe, nicht gar ſo ſehr zu frieren.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Kleine Zeitung.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Geboren:</hi> </head><lb/> <p>Herrn Sigmund <hi rendition="#g">Harburger</hi> (T.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Geſtorben:</hi> </head><lb/> <p>Kaufmann Fritz <hi rendition="#g">Bauch,</hi> Teilhaber<lb/> der Firma Bernhard Bauch; Metzgermeiſter Jo-<lb/> ſef <hi rendition="#g">Kruck;</hi> Holzhändler Anton <hi rendition="#g">Goßner;</hi> Frau<lb/> Käthe <hi rendition="#g">Timansky,</hi> verw. Dehm, geb. Wein-<lb/> berger; Frau Margolitha <hi rendition="#g">Marx,</hi> geb. Kohn.<lb/> Uhrmacher Georg <hi rendition="#g">Walter;</hi> Meſſerſchmied-<lb/> meiſter J. B. <hi rendition="#g">Hopf.</hi></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Ein Prinz und ein Generalleutnant als<lb/> Mönche.</hi> </head><lb/> <p>In der St. Anna-Kirche haben zwei<lb/> beſondere Einweihungen ſtattgefunden. Es ließen<lb/> ſich der ehemalige Oberleutnant der Ulanen von<lb/> Hannover, Prinz Franz <hi rendition="#g">Löwenſtein-Wert-<lb/> heim-Freudenburg,</hi> und der ehemalige<lb/> Kommandant von Ingolſtadt, Generalleutnant<lb/> v. <hi rendition="#g">Reichlin-Meldegg,</hi> zu Franziskaner-<lb/> mönchen weihen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">s. Die Kehrſeite der Gehaltskürzung.</hi> </head><lb/> <p>Ein bei<lb/> der hieſigen Poſt angeſtellter, ſeit 20 Jahren im<lb/> Dienſt ſtehender 53 Jahre alter <hi rendition="#g">Oberpoſt-<lb/> ſchaffner</hi> wurde wegen <hi rendition="#g">Beraubung</hi> von<lb/> Auslandsbriefen verhaftet. Der Beamte ſtand<lb/> ſchon ſeit längerer Zeit im Verdachte der Un-<lb/> ehrlichkeit. Man ſtellte ihm eine Falle und —<lb/> überführte ihn.</p><lb/> <p>Er gibt an, nur das eine Mal gefehlt zu ha-<lb/> ben und zwar aus Not, <hi rendition="#g">weil</hi> er <hi rendition="#g">als Vater<lb/> von vier Kindern mit dem Gehalt<lb/> von 62 Mark</hi> monatlich nicht auskommen<lb/> könne.</p> </div> </div><lb/> <div type="jAn" n="3"> <gap reason="insignificant"/> </div> </div> </div> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Der Meiſter des jüngſten Tages.</hi> </hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Roman</hi> </p> </argument><lb/> <byline> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">von <hi rendition="#g">Leo Perutz.</hi></hi> </hi> </byline><lb/> <p>Sie rüttelt an der Tür, ſie ruft, ſie ſchlägt<lb/> Lärm, die Wirtin kommt dazu, die beiden ſprengen<lb/> die Tür auf — das Zimmer iſt leer. Aber die<lb/> Fenſter ſind offen, von der Straße her dringt<lb/> Lärm herauf, und jetzt wiſſen ſie auch, was ge-<lb/> ſchehen iſt: Unten drängen ſich die Leute um eine<lb/> Leiche, der junge Offizier hat ſich eine halbe<lb/> Minute zuvor aus dem Fenſter geſtürzt — auf<lb/> dem Schreibtiſch liegt noch ſeine glimmende<lb/> Zigarette.“</p><lb/> <p>„Aus dem Fenſter geſtürzt?“ unterbrach der<lb/> Ingenieur den Erzähler. „Das iſt erſtaunlich.<lb/> Er hatte doch als Offizier ſicherlich eine Waffe<lb/> in ſeinem Beſitz.“</p><lb/> <p>„Ganz richtig. Der Revolver fand ſich in<lb/> ſeinem Schreibtiſchfach. Er war intakt, aber<lb/> nicht geladen. Ein Armeerevolver, 9 Millimeter<lb/> Kaliber. In dem gleichen Fach lag die Munition,<lb/> eine ganze Schachtel voll Patronen.“</p><lb/> <p>„Weiter, weiter!“ drängte Doktor Gorski.</p><lb/> <p>„Weiter? Das iſt alles. Er hat Selbſtmord<lb/> begangen, wie vorher ſein Bruder. Ich weiß<lb/> nicht, ob er die Löſung des Rätſels gefunden hat.<lb/> Aber wenn dies der Fall iſt, dann muß er wohl<lb/> ſeine Gründe gehabt haben, das Geheimnis mit<lb/> ſich zu nehmen.“</p><lb/> <p>„Was ſagen Sie da?“ rief Doktor Gorski. „Er<lb/> hat doch wohl ein Schreiben hinterlaſſen, eine<lb/> Rechtfertigung ſeiner Tat, eine Zeile der Er-<lb/> klärung wenigſtens für ſeine Eltern.“</p><lb/> <p>„Nein.“</p><lb/> <cb/> <p>Nicht Eugen Biſchoff hatte dieſe Antwort in<lb/> ſo beſtimmtem Tone gegeben, ſondern der In-<lb/> genieur. Und nun fuhr er fort:</p><lb/> <p>„Verſtehen Sie denn nicht, daß dieſem Offizier<lb/> keine Zeit geblieben iſt? Er hatte keine Zeit,<lb/> das iſt das Außerordentliche des Falles. Er kam<lb/> nicht mehr dazu, ſeinen Revolver hervorzuſuchen<lb/> und zu laden. Wie hätte er Zeit finden ſollen,<lb/> einen Abſchiedsbrief zu ſchreiben?“</p><lb/> <p>„Du biſt im Irrtum, Solgrub“, ſagte Eugen<lb/> Biſchoff. „Der Offizier hat eine ſchriftliche Mit-<lb/> teilung hinterlaſſen. Freilich, die beſtand nur<lb/> aus einem einzigen Wort. Oder vielmehr aus<lb/> dem Bruchteil eines Wortes —“</p><lb/> <p>„Das nenne ich militäriſche Kürze“, meinte<lb/> Doktor Gorski und deutete mir mit einem luſti-<lb/> gen Zwinkern ſeiner Augen an, daß er das<lb/> Ganze für eine erfundene Geſchichte hielte.</p><lb/> <p>„Dann iſt“, ſchloß Eugen Biſchoff ſeinen Be-<lb/> richt, „die Spitze ſeines Bleiſtiftes abgebrochen<lb/> und das Papier zeigt an dieſer Stelle einen<lb/> breiten Riß.“</p><lb/> <p>„Und das Wort?“</p><lb/> <p>„Es war in höchſter Eile hingekritzelt, kaum<lb/> lesbar, es lautete: „Entſetzlich“.“</p><lb/> <p>Keiner von uns ſagte ein Wort, nur der In-<lb/> genieur ſtieß ein kurzes und ſcharfes „Ah“ der<lb/> Ueberraſchung aus.</p><lb/> <p>Dina war aufgeſtanden und hatte den Taſter<lb/> der elektriſchen Lampe gedreht. Nun war es<lb/> hell im Zimmer, aber das Gefühl der Beklem-<lb/> mung, das mich, das uns alle erfaßt hatte, wollte<lb/> ſich nicht verlieren.</p><lb/> <p>Nur Doktor Gorski ſtand der Sache ſkeptiſch<lb/> gegenüber.</p><lb/> <cb/> <p>„Geſtehen Sie es nur, Biſchoff!“ ſagte er. „Sie<lb/> haben die ganze Geſchichte erfunden, um uns<lb/> das Gruſeln beizubringen.“</p><lb/> <p>Eugen Biſchoff ſchüttelte den Kopf.</p><lb/> <p>„Nein, Doktor. Gar nichts habe ich erfunden.<lb/> Es ſind keine Wochen her, daß ſich das alles zu-<lb/> getragen hat. Genau ſo, wie ich es Ihnen be-<lb/> richtet habe, hat es ſich zugetragen. Ja, man<lb/> ſtößt manchmal auf ſonderbare Dinge, Doktor,<lb/> das können Sie mir glauben. — Was iſt deine<lb/> Meinung von der Sache, Solgrub?“</p><lb/> <p>„Morb!“ ſagte der Ingenieur kurz und ent-<lb/> ſchieden. „Eine ſehr ungewöhnliche Art von<lb/> Mord, das ſteht für mich feſt. Aber wer iſt der<lb/> Mörder? Wie kam er in das Zimmer und wo-<lb/> hin iſt er verſchwunden? Man müßte die Sache<lb/> einmal gründlich überdenken, wenn man mit<lb/> ſich allein iſt.“</p><lb/> <p>Er warf einen Blick auf ſeine Uhr.</p><lb/> <p>„Es iſt ſpät geworden, ich werde mich verab-<lb/> ſchieden müſſen.“</p><lb/> <p>„Unſinn. Ihr bleibt alle zum Abendeſſen da“,<lb/> erklärte Eugen Biſchoff. „Und nachher ſitzen wir<lb/> noch eine Weile beiſammen und plaudern von<lb/> erfreulicheren Dingen.“</p><lb/> <p>„Wie wäre es zum Beiſpiel, wenn ein hier<lb/> verſammeltes kunſtſinniges Publikum etwas aus<lb/> Ihrer neuen Rolle zu hören bekäme?“ meinte<lb/> Doktor Gorski.</p><lb/> <p>Eugen Biſchoff ſollte in ein paar Tagen zum<lb/> erſtenmal den Richard <hi rendition="#aq">III.</hi> ſpielen, das war in<lb/> allen Zeitungen geſtanden. Aber Doktor Gorskts<lb/> Vorſchlag ſchien ihm nicht zu behagen. Er verzog<lb/> den Mund und ſeine Stirn legte ſich in Falten.</p><lb/> <p>„Heute nicht“, ſagte er. „Ein anderes Mal<lb/> gerne.“</p><lb/> <cb/> <p>Dina und ihr Bruder begannen lebhaft auf<lb/> ihn einzuſprechen. — Warum denn nicht heute?<lb/> Was für eine Laune! Und alle hätten ſich ſchon<lb/> darauf gefreut.</p><lb/> <p>„Etwas will man ja doch vor der miſera plebs<lb/> der Logen und des Parketts voraus haben, wenn<lb/> man die Ehre hat. Sie perſönlich zu kennen,<lb/> Biſchoff“, geſtand Doktor Gorski.</p><lb/> <p>Eugen Biſchoff ſchüttelte den Kopf und blieb<lb/> bei ſeiner Weigerung.</p><lb/> <p>„Nein, heute nicht. Es geht nicht. Ihr würdet<lb/> etwas gänglich Unfertiges zu hören bekommen,<lb/> und das will ich nicht.“</p><lb/> <p>„So eine Art Generalprobe vor guten Freun-<lb/> den“, ſchlug der Ingenieur vor.</p><lb/> <p>„Nein. Ihr ſollt mich nicht drängen. Ich laſſe<lb/> mich doch ſonſt, weiß Gott, nicht bitten. Es macht<lb/> mir ja ſelbſt Vergnügen. Aber heute geht es nicht.<lb/> Ich habe mir das Bild dieſes Richard noch nicht<lb/> geformt. Ich muß ihn vor Augen haben, ich muß<lb/> ihn ſehen, das gehört dazu —“</p><lb/> <p>Doktor Gorski gab ſcheinbar nach. Aber er<lb/> blinzelte mir wiederum liſtig zu, denn er war im<lb/> Beſitze einer vorzüglichen und vielbewährten Me-<lb/> thode, den Widerſtand des Schauſpielers zu über-<lb/> winden, und gedachte ſie anzuwenden. Er ging<lb/> mit großer Schlauheit und Umſicht vor und be-<lb/> gann mit unbefangenem Geſicht von einem höchſt<lb/> mittelmäßigen Berliner Schauſpieler zu erzählen,<lb/> den er in dieſer Rolle geſehen haben wollte. Er<lb/> fand für dieſen Darſteller Worte des höchſten<lb/> Lobes:</p><lb/> <p>(Fortſetzung folgt.)</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [4/0004]
Allgemeine Zeitung. Nr. 7. Dienstag, den 8. Januar 1924.
Münchener Stadtzeitung.
München ohne Faſching.
Mit Dreikönig ſchließt der Weihnachtskreis und
die Faſchingszeit hebt an. Das heißt in der
Theorie; denn die Praxis will auch heuer von
einem Faſching noch nichts wiſſen. Dabei wäre
diesmal die luſtige Zeit beſonders lange ausge-
fallen, zeigt doch der Kalender den 5. März als
Aſchermittwoch an, an dem der Münchner
in Zeiten, die uns ſo ferne zu liegen ſcheinen,
als hätten wir ſie ſelber nicht erlebt, in Sack und
Aſche Buße tat, den leeren Geldbeutel im Fiſch-
brunnen wuſch und ſchon wieder nach dem neuen
Vergnügen ſchielte: den wundervollen Stark-
bieren, deren Genuß die harte Faſtenzeit leicht
ertragen ließ.
Hat man etwas verloren, denkt man um ſo
lebhafter daran. Wer will uns wehren, gewiſſer-
maßen als Faſchingserſatz uns die Tage (rich-
tiger Abende und Nächte!) vor das innere Auge
zu ſtellen, wo wir frei von jeder Erdenſchwere in
einem lichten Himmel der Luſt und des Froh-
ſinns zu weilen glaubten. An Dreikönig ging
es eigentlich ſchon an, wenn die umherziehenden
Muſikanten in den Gaſtlokalen ihre Weiſen er-
ſchallen ließen, den Hörer und noch mehr die
Hörerin zu einem verſtohlenen Verſuch zwangen,
das Tanzgebein zu erproben, ob es nicht etwa ein-
geroſtet.
Die erſte Woche nach Dreikönig brachte dann
die erſte Redoute und den erſten Bal pare im
Deutſchen Theater. Die Eigenart des Münchner
Karnevals beſtand darin, daß er jedem Geſchmack
Rechnung trug. Die Geſchmäcker an Vergnü-
gungen ſind bekanntlich ganz verſchieden und die
Vorgnügungen auch, nachdem immerhin ein Un-
terſchied zwiſchen einer Kirchweihrauferei in Nie-
derbayern und einer Partie Schach iſt, aber beide
Dinge haben ihre Liebhaber. Der Münchner Fa-
ſching bot alles, Geiſtreichigkeit und ſprühende
Laune vornehmer Damen und Herren, gut bür-
gerliches Vergnügen und jene geſunde ſinnliche
Derbheit, die gerade das Süddeutſche Volk aus-
zeichnet, die aber doch nicht mit Grobheit oder
Brutalität verwechſelt werden darf und deren
Ton von einem Fremden nur ſehr ſchwer oder
gar nie zu treffen iſt. Göttlicher Leichtſinn perlte
auf den großen Künſtlerfeſten, die auch kulturelle
Werte vermittelten, ſtrahlende Heiterkeit er-
glänzte auf den prächligen Feiern unſeres aka-
demiſchen Nachwuchſes, ein Abbild warmen Le-
bens waren die Bauernbälle. Behäbigkeit zeich-
nete die gediegenen Faſchingsfeſtlichkeiten des
Münchner Gewerbes aus.
Das Bezaubernde am Münchner Faſching war
jener — man möchte ſagen demokratiſche Grund-
zug, der ſich ſelbſt von den Hoffeſten nicht ver-
drängen ließ, das Hinreißende die Art und Weiſe,
wie ſich das weibliche Element auf den Wogen der
bunten Luſt treiben ließ. Das Unbegreifliche, daß
dieſer Münchner Faſching immer neuer Steige-
rungen fähig war, daß er ſich immer reicher und
üppiger entfaltete, bis in den letzten drei Fa-
ſchingstagen die ganze Stadt vom Taumel ergrif-
fen wurde, der Karneval von den Sälen auf die
Straßen ging und ganz München ſich eine unge-
heure Narrenkappe auſſetzte.
Wird es wiederkomen? Wird 1924 das letzte
faſchingsloſe Jahr ſein? Wir hoffen und wün-
ſchen es. Oeffentliche Faſchingsluſtbarkeiten ſind
heuer im Hinblick auf den Ernſt der Zeit begreif-
licherweiſe verboten und die privaten Beſchrän-
kungen unterworfen. Das iſt ſehr recht, denn auf
das ſoziale Taktgefühl nicht aller Mitbürger iſt
ſtrenger Verlaß. Gegen harmloſe und in beſchei-
dener Grenze ſich bewegende Tanzvergnügungen
in privatem Kreiſe wird niemand etwas ein-
wenden. Ein fröhliches Herz vollbringt ja mehr,
als ein trübes und auch dem Weiſen, ſagt ein-
mal der alte Horaz, ziemt es, zeitweiſe töricht
zu ſein ...
Angriffe auf die Stadtverwaltung.
Der Senatspräſident beim Reichsfinanzhof Dr.
Strutz hat in der Dezembernummer des „Deut-
ſchen Steuerblattes“ bei der Behandlung des
Schickſals der Einkommenſteuer in ſcharfer Weiſe
gegen die „heutige rote Stadtratsmehrheit“ oder
eine künftige Mehrheit der Bayeriſchen Volks-
partei polemiſiert und dabei erklärt: „Die beſitzen-
den Klaſſen ſowie Beamte, Penſionäre, Rentner
und andere ohnehin von der Geldentwertung am
ſchwerſten betroffenen Schichten würden die Fol-
gen der Finanzwirtſchaft der heutigen ſozialiſtiſch-
kommuniſtiſchen, auf dieſem Gebiete von der
Bayer. Volkspartei unterſtützten Stadtratsmehr-
heit in noch weit unerträglicherem Maße zu
ſpüren bekommen als jetzt, wo man ſtatt zu wirk-
ſamen Perſonal- und ſonſtigen Einſparungen zu
greifen, durch unerſchwingliche Benutzungsgebüh-
ren jene ohnehin am ſchwerſten ringenden Schich-
ten ſchonungslos vollends abwürgt.“
Die Ausführungen des Senatspräſidenten
gaben kürzlich in der Sitzung des Hauptaus-
ſchuſſes dem Stadtrat Nußbaum Veranlaſ-
ſung, namens der Fraktion der V.S.P.D. eine
Erklärung abzugeben, in der dem Senatspräſi-
denten Dr. Strutz „Kritikloſigkeit, gehäſſige Par-
teipolemik, Unkenntnis und Leichtfertigkeit“ zum
Vorwurf gemacht werden.
In der gleichen Sache gab namens der Frak-
tion der „Bayeriſchen Volkspartei“ Stadtrat
Scharnagel eine Erklärung ab, die die Stel-
lungnahme des Senatspräſidenten gleichfalls
ſcharf zurückweiſt.
Proteſt der Bankbeamten.
„Gegen die Reaktion im Bankgewerbe“
lautete das Motto, unter dem die Angeſtellten-
Organiſationen des Bankgewerbes zu einer Pro-
teſtkundgebung im Löwenbräukeller (am Montag
abend) einberufen hatten. Die ungemein ſtark
beſuchte Verſammlung, in deren Verlauf herbe
Kritik geübt wurde an dem Verhalten der Bank-
leitungen überhaupt, insbeſondere aber an der
Tatſache, daß die Bankangeſtellten und -beamten
während der Weihnachtsfeiertage ohne zulängliche
Geldmittel gelaſſen wurden, führte zur Annahme
einer
Entſchließung,
die u. a. beſagt:
Die Verſammlung billigt die Haltung der Ar-
beitnehmerbeiſitzer bei den Schlichtungsverhand-
lungen am 29. Dezember 1923 und lehnt auch
ihrerſeits den im Reichsarbeitsminiſterium ge-
fällten Schiedsſpruch ab.
Die vorgeſehenen Verſchlechterungen des Ar-
beitsvertrages ſind für ein Tarifverhältnis un-
tragbar. Die feſtgeſetzten Gehälter ſind als voll-
kommen unzureichend, die Anfangebezüge als
Hungergehälter zu bezeichnen. Der Schiedsſpruch
iſt hinſichtlich der Gehaltsfeſtſtellung, der Ein-
ſchränkung der Tarifſtaffel und der Feſtlegung
der Arbeitszeit weit über den Rahmen der be-
ſonderen Verhältniſſe des Bankgewerbes hinaus-
gegangen und hat dagegen die wirtſchaftliche Not
und die berechtigten Forderungen der Angeſtell-
ten unberückſichtigt gelaſſen.
Durch die ſeit Wochen von den Bankleitungen
einſeitig vorgenommenen Gehaltsanweiſun-
gen iſt die Not der Bankangeſtellten außerordent-
lich verſchärft worden. Der größte Teil aller
Bankbeamten hat kaum die Mittel aufbringen
können, um die fälligen Mieten zu bezahlen. Die
Verſammlung fordert daher von den Bankleitun-
gen, daß zunächſt die Januarbezüge min-
deſtens in der Höhe der Schieds-
ſpruchſätze in den allernächſten Ta-
gen zur Auszahlung gebracht werden, und
daß fernerhin nur ſchrittweiſe wie-
der zur Medio-Monatszahlung über-
gegangen wird.
Die Verſammlung gibt ihrer Entrüſtung dar-
über Ausdruck, daß die Bankleitungen fortgeſetzt
gegen die Beſtimmungen zum Schutz der Ange-
ſtellten verſtoßen. Einen ſolchen Rechtsbruch
erblickt die Verſammlung neuerdings in der Auf-
hebung der bisherigen ungeteilten
und in der Einführung der im Schieds-
ſpruch vom 29. Dezember 1928 vorgeſehenen ver-
längerten Arbeitszeit durch einſeitiges
Diktat der Bankleitungen ohne die in § 78 Zif-
fer 2 des BRG. vorgeſchriebene Mitwirkung der
Vetriebsvertretungen.
Die Verſammlung lehnt das Diktat der Bank-
leitungen ab und erwartet von den Betriebsver-
tretungen, daß dieſe gemeinſam mit den Ange-
ſtellten-Organiſationen alle Schritte unternehmen,
um den Rechtsbruch der Bankleitungen auch vor
den geſetzlichen Inſtanzen feſtſtellen zu laſſen.
Die Verſammlung bittet den Arbeitsminiſter,
den Verbindlichkeitsantrag der Arbeitgeber abzu-
lehnen und erklärt, mit allen gewerkſchaftlichen
Mitteln der Willkürherrſchaft im Bankgewerbe
begegnen zu wollen.
Eiſenbahnunfall.
In der Nacht zum Montag
ſtieß im Oſtbahuhof ein im Zuſammenſtellen be-
findlicher Zug mit einem Poſtwagen zuſammen,
in dem mehrere Poſtbeamte beſchäftigt waren.
Dabei wurde der 50jährige Schaffner Unter-
hofer und der 49jährige Schaffner Mödl ver-
letzt. Beide mußten vom Rettungsdienſt ins
Krankenhaus verbracht werden.
Um ein Paar Schuhe.
Mitte November wurde
der Schuhmachermeiſter B. Kirmeier das Opfer
eines gemeinen und heimtückiſchen Anſchlages.
Der zwanzigjährige Baupraktikant Zitzmann
ließ ſich Schuhe zeigen, ging wieder fort, kehrte
zurück und forderte ſchließlich, neue Ware zu
ſehen: aus der unterſten Stellage! Meiſter Kir-
meier mußte ſich tief bücken, um dieſem Wunſche
zu willfahren. Im gleichen Moment aber ſank
er zu Boden. Er konnte noch ſchreien, kurz um
Hilfe rufen, dann umfing ihn Ohnmacht. Was
war geſchehen? Das ſaubere Bürſchlein hatte
den alten Mann hinterrücks mit einem faſt zwei
Pfund ſchweren Hammer auf Kopf und Hand ge-
ſchlagen. Die Notſchreie ſeines Opfers ſchreckten
den Lumpen, und ſo ergriff er die Flucht. Er
kam nicht weit: Paſſanten, durch den Lärm her-
beigelockt, hielten ihn feſt und übergaben ihn der
Polizei. Nun ſtand die rohe Tat vor dem Volks-
gericht München 1 zur Verhandlung. Mord-
verſuch? Der Angeklagte leugnete. Nur um ein
Paar Schuhe ſei es ihm zu tun geweſen ...
er habe ſie dringend benötigt ... zur Heim-
reiſe. Das Gericht ſah die Sache weniger harm-
los an. Zwar folgte es nicht dem Antrag des
Staatsanwalts, der auf zwölf Jahre Zuchthaus
lautete; aber — auch acht Jahre Zuchthaus
ſind ſchwere Sühne. Zehn Jahre Ehrverluſt,
dieſe Zuſatz-Strafe iſt die rechte Antwort auf
eine ſo ehrloſe Tat!
Gaunereien im Warenhaus.
s. Ein naiver Trick.
Eine 23 Jahre alte Näherin
machte in einem Warenhaus einen kleinen Ein-
kauf. Sie bezahlte und erhielt einen geſtempel-
ten Kaſſazettel. Ohne die Ware abzuholen,
kaufte die Näherin auf einem anderen Waren-
lager teuere Waren. Mit dem dort erhaltenen
Schein ging ſie an einen verſchwiegenen Ort und
pauſte den Quittungsſtempel auf den Preiszettel
des hohen Einkaufs und wollte die wertvolle
Ware daraufhin in Empfang nehmen. Die Fäl-
ſchung wurde aber erkannt und das ſchlaue Fräu-
lein feſtgenommen.
s. Weils in Stadelheim zu kalt iſt.
Ein ſaube-
res Kleeblatt: eine 28 Jahre alte Hilfsarbeite-
rin, eine 30 Jabre alte Metzgersfrau und eine
20jährige Kaſſierin beſchloſſen, in Warenhäuſern
gemeinſam auf Raub auszuziehen. Mit gutem
Glück hatten ſie das Warenhaus Tietz gebrand-
ſchatzt. Nun erwählten ſie als zweites Opfer das
Haus Oberpollinger. Der ſchnelle Griff nach
einer Wolljacke wurde der Metzgersfrau und ihren
Komplizinnen zum Verhängnis. Man fand in
den Wohnungen der dreien ein ganzes Waren-
lager. Die Diebin erklärte, ſie habe die Jacke
nur geſtohlen, um in Stadelheim, wohin ſie in den
nächſten Tagen für einige Zeit in Penſion gehen
müſſe, nicht gar ſo ſehr zu frieren.
Kleine Zeitung.
Geboren:
Herrn Sigmund Harburger (T.)
Geſtorben:
Kaufmann Fritz Bauch, Teilhaber
der Firma Bernhard Bauch; Metzgermeiſter Jo-
ſef Kruck; Holzhändler Anton Goßner; Frau
Käthe Timansky, verw. Dehm, geb. Wein-
berger; Frau Margolitha Marx, geb. Kohn.
Uhrmacher Georg Walter; Meſſerſchmied-
meiſter J. B. Hopf.
Ein Prinz und ein Generalleutnant als
Mönche.
In der St. Anna-Kirche haben zwei
beſondere Einweihungen ſtattgefunden. Es ließen
ſich der ehemalige Oberleutnant der Ulanen von
Hannover, Prinz Franz Löwenſtein-Wert-
heim-Freudenburg, und der ehemalige
Kommandant von Ingolſtadt, Generalleutnant
v. Reichlin-Meldegg, zu Franziskaner-
mönchen weihen.
s. Die Kehrſeite der Gehaltskürzung.
Ein bei
der hieſigen Poſt angeſtellter, ſeit 20 Jahren im
Dienſt ſtehender 53 Jahre alter Oberpoſt-
ſchaffner wurde wegen Beraubung von
Auslandsbriefen verhaftet. Der Beamte ſtand
ſchon ſeit längerer Zeit im Verdachte der Un-
ehrlichkeit. Man ſtellte ihm eine Falle und —
überführte ihn.
Er gibt an, nur das eine Mal gefehlt zu ha-
ben und zwar aus Not, weil er als Vater
von vier Kindern mit dem Gehalt
von 62 Mark monatlich nicht auskommen
könne.
_
Der Meiſter des jüngſten Tages.
Roman
von Leo Perutz.
Sie rüttelt an der Tür, ſie ruft, ſie ſchlägt
Lärm, die Wirtin kommt dazu, die beiden ſprengen
die Tür auf — das Zimmer iſt leer. Aber die
Fenſter ſind offen, von der Straße her dringt
Lärm herauf, und jetzt wiſſen ſie auch, was ge-
ſchehen iſt: Unten drängen ſich die Leute um eine
Leiche, der junge Offizier hat ſich eine halbe
Minute zuvor aus dem Fenſter geſtürzt — auf
dem Schreibtiſch liegt noch ſeine glimmende
Zigarette.“
„Aus dem Fenſter geſtürzt?“ unterbrach der
Ingenieur den Erzähler. „Das iſt erſtaunlich.
Er hatte doch als Offizier ſicherlich eine Waffe
in ſeinem Beſitz.“
„Ganz richtig. Der Revolver fand ſich in
ſeinem Schreibtiſchfach. Er war intakt, aber
nicht geladen. Ein Armeerevolver, 9 Millimeter
Kaliber. In dem gleichen Fach lag die Munition,
eine ganze Schachtel voll Patronen.“
„Weiter, weiter!“ drängte Doktor Gorski.
„Weiter? Das iſt alles. Er hat Selbſtmord
begangen, wie vorher ſein Bruder. Ich weiß
nicht, ob er die Löſung des Rätſels gefunden hat.
Aber wenn dies der Fall iſt, dann muß er wohl
ſeine Gründe gehabt haben, das Geheimnis mit
ſich zu nehmen.“
„Was ſagen Sie da?“ rief Doktor Gorski. „Er
hat doch wohl ein Schreiben hinterlaſſen, eine
Rechtfertigung ſeiner Tat, eine Zeile der Er-
klärung wenigſtens für ſeine Eltern.“
„Nein.“
Nicht Eugen Biſchoff hatte dieſe Antwort in
ſo beſtimmtem Tone gegeben, ſondern der In-
genieur. Und nun fuhr er fort:
„Verſtehen Sie denn nicht, daß dieſem Offizier
keine Zeit geblieben iſt? Er hatte keine Zeit,
das iſt das Außerordentliche des Falles. Er kam
nicht mehr dazu, ſeinen Revolver hervorzuſuchen
und zu laden. Wie hätte er Zeit finden ſollen,
einen Abſchiedsbrief zu ſchreiben?“
„Du biſt im Irrtum, Solgrub“, ſagte Eugen
Biſchoff. „Der Offizier hat eine ſchriftliche Mit-
teilung hinterlaſſen. Freilich, die beſtand nur
aus einem einzigen Wort. Oder vielmehr aus
dem Bruchteil eines Wortes —“
„Das nenne ich militäriſche Kürze“, meinte
Doktor Gorski und deutete mir mit einem luſti-
gen Zwinkern ſeiner Augen an, daß er das
Ganze für eine erfundene Geſchichte hielte.
„Dann iſt“, ſchloß Eugen Biſchoff ſeinen Be-
richt, „die Spitze ſeines Bleiſtiftes abgebrochen
und das Papier zeigt an dieſer Stelle einen
breiten Riß.“
„Und das Wort?“
„Es war in höchſter Eile hingekritzelt, kaum
lesbar, es lautete: „Entſetzlich“.“
Keiner von uns ſagte ein Wort, nur der In-
genieur ſtieß ein kurzes und ſcharfes „Ah“ der
Ueberraſchung aus.
Dina war aufgeſtanden und hatte den Taſter
der elektriſchen Lampe gedreht. Nun war es
hell im Zimmer, aber das Gefühl der Beklem-
mung, das mich, das uns alle erfaßt hatte, wollte
ſich nicht verlieren.
Nur Doktor Gorski ſtand der Sache ſkeptiſch
gegenüber.
„Geſtehen Sie es nur, Biſchoff!“ ſagte er. „Sie
haben die ganze Geſchichte erfunden, um uns
das Gruſeln beizubringen.“
Eugen Biſchoff ſchüttelte den Kopf.
„Nein, Doktor. Gar nichts habe ich erfunden.
Es ſind keine Wochen her, daß ſich das alles zu-
getragen hat. Genau ſo, wie ich es Ihnen be-
richtet habe, hat es ſich zugetragen. Ja, man
ſtößt manchmal auf ſonderbare Dinge, Doktor,
das können Sie mir glauben. — Was iſt deine
Meinung von der Sache, Solgrub?“
„Morb!“ ſagte der Ingenieur kurz und ent-
ſchieden. „Eine ſehr ungewöhnliche Art von
Mord, das ſteht für mich feſt. Aber wer iſt der
Mörder? Wie kam er in das Zimmer und wo-
hin iſt er verſchwunden? Man müßte die Sache
einmal gründlich überdenken, wenn man mit
ſich allein iſt.“
Er warf einen Blick auf ſeine Uhr.
„Es iſt ſpät geworden, ich werde mich verab-
ſchieden müſſen.“
„Unſinn. Ihr bleibt alle zum Abendeſſen da“,
erklärte Eugen Biſchoff. „Und nachher ſitzen wir
noch eine Weile beiſammen und plaudern von
erfreulicheren Dingen.“
„Wie wäre es zum Beiſpiel, wenn ein hier
verſammeltes kunſtſinniges Publikum etwas aus
Ihrer neuen Rolle zu hören bekäme?“ meinte
Doktor Gorski.
Eugen Biſchoff ſollte in ein paar Tagen zum
erſtenmal den Richard III. ſpielen, das war in
allen Zeitungen geſtanden. Aber Doktor Gorskts
Vorſchlag ſchien ihm nicht zu behagen. Er verzog
den Mund und ſeine Stirn legte ſich in Falten.
„Heute nicht“, ſagte er. „Ein anderes Mal
gerne.“
Dina und ihr Bruder begannen lebhaft auf
ihn einzuſprechen. — Warum denn nicht heute?
Was für eine Laune! Und alle hätten ſich ſchon
darauf gefreut.
„Etwas will man ja doch vor der miſera plebs
der Logen und des Parketts voraus haben, wenn
man die Ehre hat. Sie perſönlich zu kennen,
Biſchoff“, geſtand Doktor Gorski.
Eugen Biſchoff ſchüttelte den Kopf und blieb
bei ſeiner Weigerung.
„Nein, heute nicht. Es geht nicht. Ihr würdet
etwas gänglich Unfertiges zu hören bekommen,
und das will ich nicht.“
„So eine Art Generalprobe vor guten Freun-
den“, ſchlug der Ingenieur vor.
„Nein. Ihr ſollt mich nicht drängen. Ich laſſe
mich doch ſonſt, weiß Gott, nicht bitten. Es macht
mir ja ſelbſt Vergnügen. Aber heute geht es nicht.
Ich habe mir das Bild dieſes Richard noch nicht
geformt. Ich muß ihn vor Augen haben, ich muß
ihn ſehen, das gehört dazu —“
Doktor Gorski gab ſcheinbar nach. Aber er
blinzelte mir wiederum liſtig zu, denn er war im
Beſitze einer vorzüglichen und vielbewährten Me-
thode, den Widerſtand des Schauſpielers zu über-
winden, und gedachte ſie anzuwenden. Er ging
mit großer Schlauheit und Umſicht vor und be-
gann mit unbefangenem Geſicht von einem höchſt
mittelmäßigen Berliner Schauſpieler zu erzählen,
den er in dieſer Rolle geſehen haben wollte. Er
fand für dieſen Darſteller Worte des höchſten
Lobes:
(Fortſetzung folgt.)
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(2021-09-13T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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