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Allgemeine Zeitung. Nr. 7. München, 8. Januar 1924.

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Kursberichte der Allgemeinen Zeitung.
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Frankfurter Börse.

Tendenz: fester. Aus-
landswerte lebhaft, später schwankend. Der
Verkehr an den Essektenmärkten war heute
belebter und die Haltung vorwiegend fester.
Nach wie vor bleibt die Beteiligung des Pu-
blikums ziemlich bescheiden. Darauf trat die
Börsenspekulation etwas lebhafter für die
Kursbewegung ein.

Am Markte der amtlich nicht notierten
Werte entwickelten sich lebhafte Umsätze
[Spaltenumbruch] in Petroleumaktien, besonders in Deutsche Pe-
troleum, welche mit 30 bis 32 Billionen und
Apy, welche mit 151/2 bis 16 Billionen gehan-
delt wurden. Auch für chemische Remi be-
stand reges Interesse. 850--950. Man nannte
ferner Becker Stahl. Becker Kohle je 14.225.
Browag 600. Moz Söhne 8500. Usa 8225. Hansa
Lloyd 2750. Rastatter Waggon 7500. Union
Brennerei Kehl ca. 700.

Montanpapiere eröffneten größtenteils zu
[Spaltenumbruch]

Abkürzungen
rz = rückzahlbar, al = auslesbar kb = kündber, uk = unkündbar
v = verlosber, uv = unverlosbar b = bezahlt, eb = etwas bezahlt
ag = stwas bezahlt und Geld bp = bezahlt und Papier
bg = bezahlt und Geld, ep = etwas bezahlt und Papier
Alle nicht besonders verzeichneten Kurse sind Geldkurss

befestigten Kursen. Größeres Interesse zeigte
sich für Vereinigte Oelfabriken. Am Markte
der Industriswerte erfuhren chemische Werte
Kursgewinne. Bad. Anilin plus 1 Billion. Rüt-
gers Werke sehr gesucht. Zu lebhafteren Um-
sätzen kam es in A. E. G., Bergmann, Elektro
Licht und Kraft gut behauptet. Krauß Loko-
motiven fest. Siemens Elektr. gefragt. Gebr.
Junghans plus 13/4. Adlerwerke gesuchter.
Schwächer Eßlinger Maschinen. Die Nach-
frage für Krauß Lokomotiven wurde mit Ge-
rüchten von Erweiterungsbestrebungen der
Gesellschaft begründet. Bankaktien fest.

* Wiener Börse.

Die Börse eröffnete in
ruhiger, doch fester Haltung. insbesondere
einige tschechische und ungarische Werte
standen in Nachfrage und konnten ihre Bes-
serungen auch behaupten. Im späteren Ver-
laufe und namentlich gegen Schluß kam in-
folge von Realisierungen eine Abschwächung
zur Geltung, sodaß eine Reihe von Kulissen-
effekten zu den tiefsten Tageskursen schloß.

[Spaltenumbruch]
Währung und Wirtschaft.

Die Frage der Stabilität der Ren-
tenmark
geht um. Es ist klar, daß jede
Währung, auch wenn sie, wie die Rentenmark,
unabhängig vom Staate ist, doch in eng-
stem Zusammenhang mit der Wirt-
schaft
steht, der sie als Umlaufmittel dient.
Von der wirtschaftlichen Seite
her muß deshalb die Währung ge-
sichert werden, wenn ihre Stabi-
lität erhalten werden soll.

Balanzierung von Einfuhr und Ausfuhr. An-
passung der Staats- und Privatwirtschaft an
das in der Kriegs- und Nachkriegszeit ver-
kleinerte und veränderte Betätigungsfeld blei-
ben deshalb die Aufgaben, die durchgeführt
werden müssen. ehe wirklich Aussichten auf
endgültige Stabilisierung unserer
wirtschaftlichen Verhältnisse sich eröffnen.

Diese Aufgaben werden im Jahre 1924 zu
lösen sein. Noch ist wenig für sie getan wor-
den und konnte wenig für sie getan werden,
weil diese Atempause, diese Loslösung vom
Feind, der Geldentwertung erst eintreten
mußte, ehe man das Leben von der Hand in
den Mund durch Arbeit für die Zukunft ab-
lösen konnte. Wie ungeheuer groß die Auf-
gaben des Jahres 1924
sein werden,
und wie schwer die Gefahr von Rück-
fällen
in die Krankheiten der vergangenen
Zeit ist, zeigt nur allzu deutlich die Betrach-
tung des Zustandes unserer Staatsfinanzen.

Als das Reich von der chaotischen Wirt-
schaft, der Finanzierung des Ruhrkrieges.
sich dazu entschloß, wieder den Versuch einer
ordnungsmäßigen Rechnungslegung zu unter-
nehmen, wurde bis zum Ablauf des geltenden
Etatjahres ein Notetat in Gold aufge-
stellt, der mit 420 Millionen Goldmark monat-
licher Einnahmen und Ausgaben balanzieren
sollte.

Erst spät im Dezember konnten die schon
viel früher notwendigen Steuerverordnungen
erlassen werden und die Folge ist, daß erst
Mitte Januar das Reich erwäh-
nenswerte Goldeinnahmen
haben
wird.

Für die dazwischenliegende Zeit hat sich
die Reichsregierung zu einem Schritt ent-
schlossen, der in seinen Wirkungen bedenk-
lich werden kann. Es werden Rentenmark-
schatzwechsel
ausgegeben, die mit 8--9
Prozent verzinst werden sollen und später bei
den Steuerkassen als vollgültige Zah-
lungsmittel
eingeliefert werden dürfen.

Das Reichsfinanzministerium
hatte durchaus recht als es sich gegen Ge-
rüchte wandte, diese Schatzwechselausgabe
werde eine neue Inflation einleiten. In-
flationistischen Charakter hat die Schatzwech-
selausgabe tatsächlich kaum, aber die Beru-
higung des Finanzministeriums konnte sich
auf das ebenso schwere Bedenken nicht
erstrecken, daß diese Schatzwechsel ein-
mal einen gesetzlich nicht begrenzten)
Teil der Steuereinnahmen. die
zur Deckung der Januarausgaben dienen
müssen. vorwegnehmen. und daß weiter
8--9 Prozent jener Steuereinnahmen einfach
an die privaten Kreditgeber fort-
geschenkt
werden.

Die Aussichten einer Etatbalan-
zierung im Januar
stehen also auf nicht
allzu sicheren Füßen.

Und noch stärker in Zweifel zu ziehen ist
es, ob die Finanzämter mit der Schnelligkeit
werden arbeiten können, die notwendig wäre,
um die eingehenden Steuerbeträge noch im
Januar den Reichskassen zur Verfügung zu
stellen. Nach der durch die Schatzwechsel-
kredite angebahnten Vorwegnahmen eines
Teiles der Januareinnahmen muß die Hoff-
nung, zu geordneten Etatverhältnissen zu
kommen, auf den Februar verschoben wer-
den, der noch 85 Millionen Goldmark aus der
Vermögenssteuer und überdies die Neurege-
lung des Finanzausgleiches zwischen Reich,
Ländern und Gemeinden bringen wird.

Jede Etatregulierung aber wird solange be-
droht sein, als man an den amtlichen Stellen
nicht mehr zu der Erkenntnis durchdringt,
daß eine strenge Trennung zwischen
Staats- und Privatwirtschatft
vor-
genommen werden muß. Mit dieser Ueberle-
gung gelangt man zu der Festellung, daß
für die Privatwirtschaft, wie für die
Staatswirtschaft die jetzige Zeit der Renten-
markstabilität ebenfalls nur eine
Atempause
war und daß auch hier die
Sanierungsschwierigkeiten erst
beginnen werden.

Der Hauptverlust aus der Geldentwer-
tung trifft sicher weit mehr den tatsächlich
verarmten Mittelstand.

Der Verlust der Industrie liegt mehr auf
einem anderen Gebiet: sie hat die Fähigkeit
verloren, gesunde Kalkulationen an-
zustellen und ohne Unterstützun-
gen des Staates ein selbständiges
Leben zu fristen.
Hier wird die Sanie-
rungsarbeit einsetzen müssen. Ihre Aussich-
ten hängen eng mit der Möglichkeit zusam
men, die Kaufkraft zu steigern.

Aber wie wird das unbesetzte Gebiet
ohne den Zusammenhang mit der Industrie
des besetzten Gebietes arbeiten können? Wie
wird der Export auf solche Höhe gebracht
werden können, daß sein Ueberschuß aus-
reicht, um die Kosten für die Ernährung
des deutschen Volkes
während zweier
Monate -- die Inlandsernte reicht nur für
zehn Monate aus -- zu decken? Das sind die
Fragen, die die Wirtschaft im kommenden
Jahr zu beantworten haben wird.

Für den Staat wie für die private Wirt-
schaft beginnt also jetzt erst die Auf-
gabe.

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belebter und die Haltung vorwiegend fester.
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Am Markte der amtlich nicht notierten
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troleum, welche mit 30 bis 32 Billionen und
Apy, welche mit 15½ bis 16 Billionen gehan-
delt wurden. Auch für chemische Remi be-
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ferner Becker Stahl. Becker Kohle je 14.225.
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Lloyd 2750. Rastatter Waggon 7500. Union
Brennerei Kehl ca. 700.

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bg = bezahlt und Geld, ep = etwas bezahlt und Papier
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Kursgewinne. Bad. Anilin plus 1 Billion. Rüt-
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Junghans plus 1¾. Adlerwerke gesuchter.
Schwächer Eßlinger Maschinen. Die Nach-
frage für Krauß Lokomotiven wurde mit Ge-
rüchten von Erweiterungsbestrebungen der
Gesellschaft begründet. Bankaktien fest.

* Wiener Börse.

Die Börse eröffnete in
ruhiger, doch fester Haltung. insbesondere
einige tschechische und ungarische Werte
standen in Nachfrage und konnten ihre Bes-
serungen auch behaupten. Im späteren Ver-
laufe und namentlich gegen Schluß kam in-
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zur Geltung, sodaß eine Reihe von Kulissen-
effekten zu den tiefsten Tageskursen schloß.

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Währung und Wirtschaft.

Die Frage der Stabilität der Ren-
tenmark
geht um. Es ist klar, daß jede
Währung, auch wenn sie, wie die Rentenmark,
unabhängig vom Staate ist, doch in eng-
stem Zusammenhang mit der Wirt-
schaft
steht, der sie als Umlaufmittel dient.
Von der wirtschaftlichen Seite
her muß deshalb die Währung ge-
sichert werden, wenn ihre Stabi-
lität erhalten werden soll.

Balanzierung von Einfuhr und Ausfuhr. An-
passung der Staats- und Privatwirtschaft an
das in der Kriegs- und Nachkriegszeit ver-
kleinerte und veränderte Betätigungsfeld blei-
ben deshalb die Aufgaben, die durchgeführt
werden müssen. ehe wirklich Aussichten auf
endgültige Stabilisierung unserer
wirtschaftlichen Verhältnisse sich eröffnen.

Diese Aufgaben werden im Jahre 1924 zu
lösen sein. Noch ist wenig für sie getan wor-
den und konnte wenig für sie getan werden,
weil diese Atempause, diese Loslösung vom
Feind, der Geldentwertung erst eintreten
mußte, ehe man das Leben von der Hand in
den Mund durch Arbeit für die Zukunft ab-
lösen konnte. Wie ungeheuer groß die Auf-
gaben des Jahres 1924
sein werden,
und wie schwer die Gefahr von Rück-
fällen
in die Krankheiten der vergangenen
Zeit ist, zeigt nur allzu deutlich die Betrach-
tung des Zustandes unserer Staatsfinanzen.

Als das Reich von der chaotischen Wirt-
schaft, der Finanzierung des Ruhrkrieges.
sich dazu entschloß, wieder den Versuch einer
ordnungsmäßigen Rechnungslegung zu unter-
nehmen, wurde bis zum Ablauf des geltenden
Etatjahres ein Notetat in Gold aufge-
stellt, der mit 420 Millionen Goldmark monat-
licher Einnahmen und Ausgaben balanzieren
sollte.

Erst spät im Dezember konnten die schon
viel früher notwendigen Steuerverordnungen
erlassen werden und die Folge ist, daß erst
Mitte Januar das Reich erwäh-
nenswerte Goldeinnahmen
haben
wird.

Für die dazwischenliegende Zeit hat sich
die Reichsregierung zu einem Schritt ent-
schlossen, der in seinen Wirkungen bedenk-
lich werden kann. Es werden Rentenmark-
schatzwechsel
ausgegeben, die mit 8—9
Prozent verzinst werden sollen und später bei
den Steuerkassen als vollgültige Zah-
lungsmittel
eingeliefert werden dürfen.

Das Reichsfinanzministerium
hatte durchaus recht als es sich gegen Ge-
rüchte wandte, diese Schatzwechselausgabe
werde eine neue Inflation einleiten. In-
flationistischen Charakter hat die Schatzwech-
selausgabe tatsächlich kaum, aber die Beru-
higung des Finanzministeriums konnte sich
auf das ebenso schwere Bedenken nicht
erstrecken, daß diese Schatzwechsel ein-
mal einen gesetzlich nicht begrenzten)
Teil der Steuereinnahmen. die
zur Deckung der Januarausgaben dienen
müssen. vorwegnehmen. und daß weiter
8—9 Prozent jener Steuereinnahmen einfach
an die privaten Kreditgeber fort-
geschenkt
werden.

Die Aussichten einer Etatbalan-
zierung im Januar
stehen also auf nicht
allzu sicheren Füßen.

Und noch stärker in Zweifel zu ziehen ist
es, ob die Finanzämter mit der Schnelligkeit
werden arbeiten können, die notwendig wäre,
um die eingehenden Steuerbeträge noch im
Januar den Reichskassen zur Verfügung zu
stellen. Nach der durch die Schatzwechsel-
kredite angebahnten Vorwegnahmen eines
Teiles der Januareinnahmen muß die Hoff-
nung, zu geordneten Etatverhältnissen zu
kommen, auf den Februar verschoben wer-
den, der noch 85 Millionen Goldmark aus der
Vermögenssteuer und überdies die Neurege-
lung des Finanzausgleiches zwischen Reich,
Ländern und Gemeinden bringen wird.

Jede Etatregulierung aber wird solange be-
droht sein, als man an den amtlichen Stellen
nicht mehr zu der Erkenntnis durchdringt,
daß eine strenge Trennung zwischen
Staats- und Privatwirtschatft
vor-
genommen werden muß. Mit dieser Ueberle-
gung gelangt man zu der Festellung, daß
für die Privatwirtschaft, wie für die
Staatswirtschaft die jetzige Zeit der Renten-
markstabilität ebenfalls nur eine
Atempause
war und daß auch hier die
Sanierungsschwierigkeiten erst
beginnen werden.

Der Hauptverlust aus der Geldentwer-
tung trifft sicher weit mehr den tatsächlich
verarmten Mittelstand.

Der Verlust der Industrie liegt mehr auf
einem anderen Gebiet: sie hat die Fähigkeit
verloren, gesunde Kalkulationen an-
zustellen und ohne Unterstützun-
gen des Staates ein selbständiges
Leben zu fristen.
Hier wird die Sanie-
rungsarbeit einsetzen müssen. Ihre Aussich-
ten hängen eng mit der Möglichkeit zusam
men, die Kaufkraft zu steigern.

Aber wie wird das unbesetzte Gebiet
ohne den Zusammenhang mit der Industrie
des besetzten Gebietes arbeiten können? Wie
wird der Export auf solche Höhe gebracht
werden können, daß sein Ueberschuß aus-
reicht, um die Kosten für die Ernährung
des deutschen Volkes
während zweier
Monate — die Inlandsernte reicht nur für
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Für den Staat wie für die private Wirt-
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gabe.

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[6/0006] Allgemeine Zeitung. Nr. 7. Dienstag, den 8. Januar 1924. Kursberichte der Allgemeinen Zeitung. Frankfurter Börse. Tendenz: fester. Aus- landswerte lebhaft, später schwankend. Der Verkehr an den Eſſektenmärkten war heute belebter und die Haltung vorwiegend fester. Nach wie vor bleibt die Beteiligung des Pu- blikums ziemlich bescheiden. Darauf trat die Börsenspekulation etwas lebhafter für die Kursbewegung ein. Am Markte der amtlich nicht notierten Werte entwickelten sich lebhafte Umsätze in Petroleumaktien, besonders in Deutsche Pe- troleum, welche mit 30 bis 32 Billionen und Apy, welche mit 15½ bis 16 Billionen gehan- delt wurden. Auch für chemische Remi be- stand reges Interesse. 850—950. Man nannte ferner Becker Stahl. Becker Kohle je 14.225. Browag 600. Moz Söhne 8500. Uſa 8225. Hansa Lloyd 2750. Rastatter Waggon 7500. Union Brennerei Kehl ca. 700. Montanpapiere eröffneten größtenteils zu Abkürzungen rz = rückzahlbar, al = auslesbar kb = kündber, uk = unkündbar v = verlosber, uv = unverlosbar b = bezahlt, eb = etwas bezahlt ag = stwas bezahlt und Geld bp = bezahlt und Papier bg = bezahlt und Geld, ep = etwas bezahlt und Papier Alle nicht besonders verzeichneten Kurse sind Geldkurss befestigten Kursen. Größeres Interesse zeigte sich für Vereinigte Oelfabriken. Am Markte der Industriswerte erfuhren chemische Werte Kursgewinne. Bad. Anilin plus 1 Billion. Rüt- gers Werke sehr gesucht. Zu lebhafteren Um- sätzen kam es in A. E. G., Bergmann, Elektro Licht und Kraft gut behauptet. Krauß Loko- motiven fest. Siemens Elektr. gefragt. Gebr. Junghans plus 1¾. Adlerwerke gesuchter. Schwächer Eßlinger Maschinen. Die Nach- frage für Krauß Lokomotiven wurde mit Ge- rüchten von Erweiterungsbestrebungen der Gesellschaft begründet. Bankaktien fest. * Wiener Börse. Die Börse eröffnete in ruhiger, doch fester Haltung. insbesondere einige tschechische und ungarische Werte standen in Nachfrage und konnten ihre Bes- serungen auch behaupten. Im späteren Ver- laufe und namentlich gegen Schluß kam in- folge von Realisierungen eine Abschwächung zur Geltung, sodaß eine Reihe von Kulissen- effekten zu den tiefsten Tageskursen schloß. Währung und Wirtschaft. Von Alfred Gerigk, Berlin. Die Frage der Stabilität der Ren- tenmark geht um. Es ist klar, daß jede Währung, auch wenn sie, wie die Rentenmark, unabhängig vom Staate ist, doch in eng- stem Zusammenhang mit der Wirt- schaft steht, der sie als Umlaufmittel dient. Von der wirtschaftlichen Seite her muß deshalb die Währung ge- sichert werden, wenn ihre Stabi- lität erhalten werden soll. Balanzierung von Einfuhr und Ausfuhr. An- passung der Staats- und Privatwirtschaft an das in der Kriegs- und Nachkriegszeit ver- kleinerte und veränderte Betätigungsfeld blei- ben deshalb die Aufgaben, die durchgeführt werden müssen. ehe wirklich Aussichten auf endgültige Stabilisierung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse sich eröffnen. Diese Aufgaben werden im Jahre 1924 zu lösen sein. Noch ist wenig für sie getan wor- den und konnte wenig für sie getan werden, weil diese Atempause, diese Loslösung vom Feind, der Geldentwertung erst eintreten mußte, ehe man das Leben von der Hand in den Mund durch Arbeit für die Zukunft ab- lösen konnte. Wie ungeheuer groß die Auf- gaben des Jahres 1924 sein werden, und wie schwer die Gefahr von Rück- fällen in die Krankheiten der vergangenen Zeit ist, zeigt nur allzu deutlich die Betrach- tung des Zustandes unserer Staatsfinanzen. Als das Reich von der chaotischen Wirt- schaft, der Finanzierung des Ruhrkrieges. sich dazu entschloß, wieder den Versuch einer ordnungsmäßigen Rechnungslegung zu unter- nehmen, wurde bis zum Ablauf des geltenden Etatjahres ein Notetat in Gold aufge- stellt, der mit 420 Millionen Goldmark monat- licher Einnahmen und Ausgaben balanzieren sollte. Erst spät im Dezember konnten die schon viel früher notwendigen Steuerverordnungen erlassen werden und die Folge ist, daß erst Mitte Januar das Reich erwäh- nenswerte Goldeinnahmen haben wird. Für die dazwischenliegende Zeit hat sich die Reichsregierung zu einem Schritt ent- schlossen, der in seinen Wirkungen bedenk- lich werden kann. Es werden Rentenmark- schatzwechsel ausgegeben, die mit 8—9 Prozent verzinst werden sollen und später bei den Steuerkassen als vollgültige Zah- lungsmittel eingeliefert werden dürfen. Das Reichsfinanzministerium hatte durchaus recht als es sich gegen Ge- rüchte wandte, diese Schatzwechselausgabe werde eine neue Inflation einleiten. In- flationistischen Charakter hat die Schatzwech- selausgabe tatsächlich kaum, aber die Beru- higung des Finanzministeriums konnte sich auf das ebenso schwere Bedenken nicht erstrecken, daß diese Schatzwechsel ein- mal einen gesetzlich nicht begrenzten) Teil der Steuereinnahmen. die zur Deckung der Januarausgaben dienen müssen. vorwegnehmen. und daß weiter 8—9 Prozent jener Steuereinnahmen einfach an die privaten Kreditgeber fort- geschenkt werden. Die Aussichten einer Etatbalan- zierung im Januar stehen also auf nicht allzu sicheren Füßen. Und noch stärker in Zweifel zu ziehen ist es, ob die Finanzämter mit der Schnelligkeit werden arbeiten können, die notwendig wäre, um die eingehenden Steuerbeträge noch im Januar den Reichskassen zur Verfügung zu stellen. Nach der durch die Schatzwechsel- kredite angebahnten Vorwegnahmen eines Teiles der Januareinnahmen muß die Hoff- nung, zu geordneten Etatverhältnissen zu kommen, auf den Februar verschoben wer- den, der noch 85 Millionen Goldmark aus der Vermögenssteuer und überdies die Neurege- lung des Finanzausgleiches zwischen Reich, Ländern und Gemeinden bringen wird. Jede Etatregulierung aber wird solange be- droht sein, als man an den amtlichen Stellen nicht mehr zu der Erkenntnis durchdringt, daß eine strenge Trennung zwischen Staats- und Privatwirtschatft vor- genommen werden muß. Mit dieser Ueberle- gung gelangt man zu der Festellung, daß für die Privatwirtschaft, wie für die Staatswirtschaft die jetzige Zeit der Renten- markstabilität ebenfalls nur eine Atempause war und daß auch hier die Sanierungsschwierigkeiten erst beginnen werden. Der Hauptverlust aus der Geldentwer- tung trifft sicher weit mehr den tatsächlich verarmten Mittelstand. Der Verlust der Industrie liegt mehr auf einem anderen Gebiet: sie hat die Fähigkeit verloren, gesunde Kalkulationen an- zustellen und ohne Unterstützun- gen des Staates ein selbständiges Leben zu fristen. Hier wird die Sanie- rungsarbeit einsetzen müssen. Ihre Aussich- ten hängen eng mit der Möglichkeit zusam men, die Kaufkraft zu steigern. Aber wie wird das unbesetzte Gebiet ohne den Zusammenhang mit der Industrie des besetzten Gebietes arbeiten können? Wie wird der Export auf solche Höhe gebracht werden können, daß sein Ueberschuß aus- reicht, um die Kosten für die Ernährung des deutschen Volkes während zweier Monate — die Inlandsernte reicht nur für zehn Monate aus — zu decken? Das sind die Fragen, die die Wirtschaft im kommenden Jahr zu beantworten haben wird. Für den Staat wie für die private Wirt- schaft beginnt also jetzt erst die Auf- gabe.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-09-13T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 7. München, 8. Januar 1924, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine07_1924/6>, abgerufen am 21.11.2024.