Allgemeine Zeitung, Nr. 100, 10. April 1849.[Spaltenumbruch]
tionalversammlung mit ihrem Verfassungswerke liegt, muß nicht minder W Frankfurt a. M., 7 April. Die Nachrichten aus Berlin || Frankfurt a. M., 7 April. An alle abwesenden Mitglieder k Briefe aus Frankfurt vom 7 April versichern, Hr. Camp- Gr. Baden. Aus dem Mittelrheinkreise, 2 April. Der Pro- *) Nach der Parlamentscorrespondenz der Centren hätte auch Oesterreich die-
ses Zugeständniß jetzt in Aussicht gestellt. [Spaltenumbruch]
tionalverſammlung mit ihrem Verfaſſungswerke liegt, muß nicht minder W Frankfurt a. M., 7 April. Die Nachrichten aus Berlin ‖ Frankfurt a. M., 7 April. An alle abweſenden Mitglieder k Briefe aus Frankfurt vom 7 April verſichern, Hr. Camp- Gr. Baden. Aus dem Mittelrheinkreiſe, 2 April. Der Pro- *) Nach der Parlamentscorreſpondenz der Centren hätte auch Oeſterreich die-
ſes Zugeſtändniß jetzt in Ausſicht geſtellt. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0002" n="1526"/><cb/> tionalverſammlung mit ihrem Verfaſſungswerke liegt, muß nicht minder<lb/> ins Auge leuchten jedem Unbefangenen, der ſein Vaterland liebt und mit<lb/> aufrichtigem Herzen conſtitutionelle Freiheit und Entwickelung will. Wel-<lb/> cher Triumph für alle Freunde des Abſolutismus, wenn nun auch die<lb/> dritte und größte deutſche Verſammlung, eine Verſammlung die ſich aus<lb/> allen deutſchen Gauen und mit den beſten Kräften recrutirte, an ihrer Auf-<lb/> gabe ſcheitert! Welcher willkommene Beleg für alle jene die von jeher pre-<lb/> digten daß das deutſche Volk nur gute Schulbücher zu ſchreiben verſtehe<lb/> und ihm für praktiſche, politiſche Weisheit Sinn und Talent fehle! Ja<lb/> unſere Peſſimiſten die mit Mißtrauen nach allen Seiten ſchielen, ſtehen<lb/> nicht an in dem Verhalten der Höfe von Wien und Berlin viel Einver-<lb/> ſtändliches und Abſichtliches zu erblicken, die Nationalverſammlung mußte<lb/> und ſollte an die Wand rennen um die letzte Wurzel im Volke zu verlie-<lb/> ren! Wollen wir nun ganz kurz erörtern: was kann, was wird geſchehen?<lb/> Wollen wir in flüchtigen Umriſſen die Möglichkeiten andeuten welche ſich<lb/> uns zunächſt aufdrängen. Durch die Antwort des Königs iſt über An-<lb/> nahme oder Ablehnung der Verfaſſung noch nicht das letzte Wort gefallen.<lb/> Noch immer ſteht es bei dem König die ausgeſprochene Vereinbarung mit<lb/> den Fürſten auf den <hi rendition="#g">Kaiſertitel</hi> und die <hi rendition="#g">Erblichkeit</hi> zu beſchränken,<lb/> und auf die Wahl der Nationalverſammlung unmittelbar an die Spitze zu<lb/> treten und — das Verfaſſungswerk iſt gerettet. Wer die preußiſche Ca-<lb/> binetsfrage ins Auge faßt, die Geſinnung Vincke’s, die Entſchiedenheit<lb/> ſeiner Richtung und ſeinen Einfluß auf die Parteien kennt, wird wenig-<lb/> ſtens die Möglichkeit daß der König der Antwort, die er der Reichsdeputa-<lb/> tion gab, dieſe Wendung und Deutung geben könne, nicht in Abrede ſtel-<lb/> len. Wir ſtehen dann an dem Punkte bis zu welchem die deutſche Frage<lb/> überhaupt gediehen iſt und ſind wenigſtens nicht rückwärts gegangen, wenn<lb/> auch ſo viele große Fragezeichen noch unerledigt vor uns liegen. Was<lb/> wird Hannover ſagen? Was Sachſen? Wird Bayern ſich anſchließen?<lb/> Welche Stellung wird Oeſterreich einehmen? Geſetzt aber der König nehme<lb/> die ausgeſproche Vereinbarung im <hi rendition="#g">weitern</hi> Sinne. Was dann? Dann<lb/> tritt ein Fürſtencongreß zuſammen und das Verfaſſungswerk wird nur<lb/> als Entwurf zu Grunde gelegt. Hier ſind zwei Fälle möglich. Entweder<lb/> man wird der Vertretung der deutſchen Nation (wenigſtens zum Scheine)<lb/> noch das letzte Wort laſſen und ihr die revidirte und geänderte Verfaſſung<lb/> zur unabweislichen Genehmigung vorlegen, oder man findet die Ceremonie<lb/> überflüſſig, löst die Verſammlung auf und octroyirt. Täuſchen wir uns<lb/> nicht weder in Hoffnungen noch Beſorgniſſen. Selbſt die octroyirte Ver-<lb/> faſſung wird ein Volkshaus zugeſtehen müſſen <note place="foot" n="*)">Nach der Parlamentscorreſpondenz der Centren hätte auch Oeſterreich die-<lb/> ſes Zugeſtändniß jetzt in Ausſicht geſtellt.</note>, und wenn auch die kräf-<lb/> tigen Klammern des Bundesſtaats in mancher Beziehung gelockert werden,<lb/> das <hi rendition="#g">ganze</hi> Deutſchland bleibt in dieſer Weiſe erhalten und gerettet. Aber<lb/> der unvermeidliche <hi rendition="#g">ſitlliche</hi> Schaden läßt mich einem ſolchen möglichen<lb/> Ereigniſſe mit Schmerz entgegenblicken. Soll unſer conſtitutionelles<lb/> Staatsleben allüberall mit der Mißachtung und Erniedrigung der Volks-<lb/> vertretungen beginnen? Iſt dieß ein wahrer, ein heilſamer Weg, ein Weg<lb/> der zur Achtung der legalen Gewalten führt? Mögen dieß unſere Fürſten<lb/> bedenken und im Fall einer Vereinbarung die mildeſte Formel hiefür und<lb/> die größtmögliche Schonung der Beſchlüſſe der Nationalverſammlung<lb/> nicht verſchmähen — zu ihrem eigenen Wohle! Ich ſehe mit bangem Her-<lb/> zen in die Zukunft.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline><hi rendition="#aq">W</hi><hi rendition="#b">Frankfurt a. M.,</hi> 7 April.</dateline><lb/> <p>Die Nachrichten aus Berlin<lb/> welche mit einer Vereinbarung über das ganze Verfaſſungswerk drohen,<lb/> haben unter den Abgeordneten wie ein elektriſcher Funke gewirkt. Wer<lb/> geſtern mit Männern der verſchiedenſten Fractionen zuſammentraf, konnte<lb/> ſich überzeugen daß nur <hi rendition="#g">ein</hi> Gedanke alle beherrſche. Die Scheidung nach<lb/> rechts und links, in eine erbkaiſerliche und republicaniſche Partei, iſt wie<lb/> verwiſcht, und zu keiner Zeit hat ein ſolcher Gemeingeiſt, eine ſolche in-<lb/> nige und aufrichtige gegenſeitige Annäherung ſtattgehabt wie jetzt. Es<lb/> iſt ein erhebender Muth, eine Begeiſterung ohne den Stachel entfeſſelter<lb/> Leidenſchaft über die Verſammlung gekommen. In dem einen Gefühle<lb/> treffen alle überein: die Verſammlung könne an ihrem <hi rendition="#g">beſchloſſenen</hi><lb/> und <hi rendition="#g">verkündeten</hi> Verfaſſungswerk <hi rendition="#g">nichts mehr</hi> ändern, und müßte<lb/> eher eine gewaltſame Auflöſung über ſich ergehen laſſen als auf Verände-<lb/> rungsvorſchläge einzugehen. Es verſteht ſich übrigens von ſelbſt daß eine<lb/> nachträgliche Beſtimmung <hi rendition="#g">über die Spitze</hi>, nachdem der König von<lb/> Preußen die angebotene Kaiſerwürde nicht anzunehmen ſcheint, nicht aus-<lb/> geſchloſſen iſt, eine ſolche Beſtimmung ſoll aber das übrige Verfaſſungs-<lb/> werk in keinem Punkt berühren. Derſelbe Geiſt eines gemeinſchaftlichen<lb/> Handelns und feſten Beharrens an der legalen Grundlage der Verfaſſung<lb/> hat ſich auch bei der letzten Heidelberger-Verſammlung ausgeſprochen, und<lb/> klingt jetzt in männlich feſter und würdiger Sprache aus manchem Organ<lb/> der Preſſe wieder, das die Beſchlüſſe der Verſammlung ſelbſt bis zum<lb/><cb/> letzten Augenblick bekämpft hatte. Wer die bedrohlichen Gewitter von<lb/> außen und die Stimmung der Verſammlung ſelber ins Auge faßt, möchte<lb/> faſt glauben daß ſie bald ihren letzten, aber vielleicht auch ihren würdig-<lb/> ſten und erhebendſten Momenten entgegenſchreite.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>‖ <hi rendition="#b">Frankfurt a. M.,</hi> 7 April.</dateline><lb/> <p>An alle abweſenden Mitglieder<lb/> der Nationalverſammlung ſind Einladungen ergangen ſich am Mittwoch<lb/> wieder hier einzufinden. Eine vorberathende Zuſammenkunft ſindet heute<lb/> Abend in der Mainluſt ſtatt, wozu dem Vernehmen nach der Impuls von<lb/> Hrn. Raveaux ausging. Die Linke wird am Montag einer Volksver-<lb/> ſammlung in Heidelberg beiwohnen, zu welcher ſich auch Mitglieder ver-<lb/> ſchiedener ſüddeutſcher Ständekammern einfinden dürften. Einer hier<lb/> ziemlich allgemein als zuverläſſig geltenden Verſion zufolge hätte der Kö-<lb/> nig von Preußen anfänglich eine die Annahme der Kaiſerwürde ausſpre-<lb/> chende Antwort an die Deputation der Nationalverſammlung in Bereit-<lb/> ſchaft gehabt. Erſt ſpäter ſoll er ſich — ob aus eigenem Antrieb oder un-<lb/> ter dem Einfluß ſeiner Umgebungen iſt nicht ermittelt — zu der bekann-<lb/> ten Antwort entſchloſſen haben. Selbſt Hr. v. Vincke hatte, wie man er-<lb/> zählt, noch bis zum letzten Augenblick an eine zuſagende Erklärung des<lb/> Königs geglaubt. Die von dem hieſtgen Senat noch an dem Tage der<lb/> Kaiſerwahl nach Berlin entſendete Deputation (Schöff v. Günderrode und<lb/> Senator Harnier) iſt ſeit geſtern zurück.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"><lb/> <p><hi rendition="#aq">k</hi> Briefe aus <hi rendition="#b">Frankfurt</hi> vom 7 April verſichern, Hr. Camp-<lb/> hauſen ſey durch telegraphiſche Depeſche eingeladen worden ſich ſofort<lb/> nach Berlin zu begeben um mit Hrn. v. Vincke die Bildung eines<lb/> neuen Miniſteriums zu übernehmen; er ſey auch bereits dahin ab-<lb/> gereist. In Berlin glaubte man, nach den jüngſten Berichten, noch<lb/> nicht an einen ſolchen, obwohl ziemlich allgemein erſehnten Wech-<lb/> ſel. Mag er eintreten oder nicht, jedenfalls ſcheint gewiß daß des<lb/> Königs Entſchlüſſe in Betreff der Kaiſerwahl weniger der Ausdruck<lb/> des Cabinets als ſeines eigenen Herzens waren. Hätte darüber noch<lb/> ein Zweifel beſtanden, er wäre gehoben worden durch die Aeußerungen die<lb/> der König gegen die einzelnen Mitglieder der Kaiſerdeputation machte.<lb/> Von dieſen Aeußerungen berichten die öffentlichen Blätter bereits wenig-<lb/> ſtens ſo viel als nöthig iſt die Meinung derer zu beſtätigen welche ſtets<lb/> im Könige ſelbſt das größte Hinderniß des ſeit dem Zuſammentritt der<lb/> Nationalverſammlung in Frankfurt, erſt leiſe, dann laut gepflegten Kai-<lb/> ſergedankens erblickten. Unter dieſen Umſtänden erſcheint es ſeltſam<lb/> wenn einige Hauptorgane jenes Gedankens jetzt alle Schuld auf die von<lb/> der deutſchen Nationalverſammlung ſchon ſeit Monaten perhorrescirten,<lb/> aber von Baſſermann und ſeinen Freunden damals aufs wärmſte<lb/> in Schutz genommenen preußiſchen Miniſter ſchieben. Gerade je mehr<lb/> dieſe die Vorwürfe der Beſchränktheit, die man ihnen macht, verdienen<lb/> mögen, deſtoweniger kann auf ſie die Hauptſchuld gewälzt werden wenn ein<lb/> Entwurf ſcheitert, der — auf Koſten der Einheit und der moraliſchen<lb/> Macht der Nationalverſammlung — nie ſoweit hätte entwickelt wer-<lb/> den ſollen, ohne daß man der Annahme vorher ſicher geweſen wäre.<lb/> Wenn die <hi rendition="#g">Deutſche Ztg</hi>. zu gleicher Zeit meldet, Ritter Bunſen habe ſeine<lb/> Stelle als deutſcher Reichsgeſandter in London niedergelegt, ſo gehört das zu<lb/> dem übrigen. Wir möchten fragen: hat Ritter Bunſen jene Stelle jemals ernſt-<lb/> lich angetreten? Hat überhaupt das preußiſche Cabinet unumwunden den<lb/> Grundſatz anerkannt daß ſeine und des übrigen Deutſchlands diplomati-<lb/> ſche Vertretung fortan durch Reichsgeſandte ſtattzufinden habe? Aus un-<lb/> terrichteten Quellen ward bis jetzt das Gegentheit behauptet und hinzu-<lb/> gefügt daß Geheimrath Bunſen in Berlin noch gar nicht die Erlaubniß<lb/> erhalten habe die Frankfurter Inſtructionen aus der Taſche zu ziehen.<lb/> Und doch hatte er zu deren Einholung ſich wiederholt perſönlich am Sitze<lb/> der Centralgewalt eingefunden. Es wäre wünſchenswerth daüber einmal<lb/> von der Tribüne der Paulskirche reinen Wein eingeſchenkt zu erhalten.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Gr. Baden</hi>.</head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Aus dem Mittelrheinkreiſe,</hi> 2 April.</dateline><lb/> <p>Der Pro-<lb/> ceß gegen Fickler, Bornſtedt und Genoſſen ſoll Dienſtag den 10 nach dem<lb/> Schluß der Oſterferien beginnen. Der Transport der beiden Gefangenen<lb/> nach Freiburg wird im Laufe dieſer Woche ſtattfinden. Brentano aus<lb/> Mannheim wird die Vertheidigung von Fickler, Advocat Thoma aus Frei-<lb/> burg die von Bornſtedt führen. Unter den Zeugen werden auch die würt-<lb/> tembergiſchen Generale v. Miller und Baumbach erſcheinen, welche be-<lb/> kanntlich die württembergiſchen Truppen zur Zeit des Gefechts zu Doſſen-<lb/> bach befehligten. Da man von franzöſiſcher Seite gewiſſe Offenbarungen<lb/> von Bornſtedt zu erwarten ſcheint, welche beſonderes Licht verbreiten wür-<lb/> den über die Zwitterpolitik eines Theils der proviſoriſchen Regierung, ſo<lb/> werden Berichterſtatter aus Straßburg und aus Paris in Freiburg ange-<lb/> meldet. Man erwartet allgemein, ſchreibt die <hi rendition="#g">Mannh. Abendztg.</hi>, der<lb/> dieſes entnommen iſt, daß Fickler glänzend freigeſprochen werden wird.<lb/> Man berechnet daß bis Mitte Mai ſämmtliche übrige Angeklagten abge-<lb/> urtheilt ſeyn werden. Bei den Weinheimer Verhafteten erwartet man<lb/> bald viele Freilaſſungen. <hi rendition="#g">(Bad. Bl.)</hi></p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1526/0002]
tionalverſammlung mit ihrem Verfaſſungswerke liegt, muß nicht minder
ins Auge leuchten jedem Unbefangenen, der ſein Vaterland liebt und mit
aufrichtigem Herzen conſtitutionelle Freiheit und Entwickelung will. Wel-
cher Triumph für alle Freunde des Abſolutismus, wenn nun auch die
dritte und größte deutſche Verſammlung, eine Verſammlung die ſich aus
allen deutſchen Gauen und mit den beſten Kräften recrutirte, an ihrer Auf-
gabe ſcheitert! Welcher willkommene Beleg für alle jene die von jeher pre-
digten daß das deutſche Volk nur gute Schulbücher zu ſchreiben verſtehe
und ihm für praktiſche, politiſche Weisheit Sinn und Talent fehle! Ja
unſere Peſſimiſten die mit Mißtrauen nach allen Seiten ſchielen, ſtehen
nicht an in dem Verhalten der Höfe von Wien und Berlin viel Einver-
ſtändliches und Abſichtliches zu erblicken, die Nationalverſammlung mußte
und ſollte an die Wand rennen um die letzte Wurzel im Volke zu verlie-
ren! Wollen wir nun ganz kurz erörtern: was kann, was wird geſchehen?
Wollen wir in flüchtigen Umriſſen die Möglichkeiten andeuten welche ſich
uns zunächſt aufdrängen. Durch die Antwort des Königs iſt über An-
nahme oder Ablehnung der Verfaſſung noch nicht das letzte Wort gefallen.
Noch immer ſteht es bei dem König die ausgeſprochene Vereinbarung mit
den Fürſten auf den Kaiſertitel und die Erblichkeit zu beſchränken,
und auf die Wahl der Nationalverſammlung unmittelbar an die Spitze zu
treten und — das Verfaſſungswerk iſt gerettet. Wer die preußiſche Ca-
binetsfrage ins Auge faßt, die Geſinnung Vincke’s, die Entſchiedenheit
ſeiner Richtung und ſeinen Einfluß auf die Parteien kennt, wird wenig-
ſtens die Möglichkeit daß der König der Antwort, die er der Reichsdeputa-
tion gab, dieſe Wendung und Deutung geben könne, nicht in Abrede ſtel-
len. Wir ſtehen dann an dem Punkte bis zu welchem die deutſche Frage
überhaupt gediehen iſt und ſind wenigſtens nicht rückwärts gegangen, wenn
auch ſo viele große Fragezeichen noch unerledigt vor uns liegen. Was
wird Hannover ſagen? Was Sachſen? Wird Bayern ſich anſchließen?
Welche Stellung wird Oeſterreich einehmen? Geſetzt aber der König nehme
die ausgeſproche Vereinbarung im weitern Sinne. Was dann? Dann
tritt ein Fürſtencongreß zuſammen und das Verfaſſungswerk wird nur
als Entwurf zu Grunde gelegt. Hier ſind zwei Fälle möglich. Entweder
man wird der Vertretung der deutſchen Nation (wenigſtens zum Scheine)
noch das letzte Wort laſſen und ihr die revidirte und geänderte Verfaſſung
zur unabweislichen Genehmigung vorlegen, oder man findet die Ceremonie
überflüſſig, löst die Verſammlung auf und octroyirt. Täuſchen wir uns
nicht weder in Hoffnungen noch Beſorgniſſen. Selbſt die octroyirte Ver-
faſſung wird ein Volkshaus zugeſtehen müſſen *), und wenn auch die kräf-
tigen Klammern des Bundesſtaats in mancher Beziehung gelockert werden,
das ganze Deutſchland bleibt in dieſer Weiſe erhalten und gerettet. Aber
der unvermeidliche ſitlliche Schaden läßt mich einem ſolchen möglichen
Ereigniſſe mit Schmerz entgegenblicken. Soll unſer conſtitutionelles
Staatsleben allüberall mit der Mißachtung und Erniedrigung der Volks-
vertretungen beginnen? Iſt dieß ein wahrer, ein heilſamer Weg, ein Weg
der zur Achtung der legalen Gewalten führt? Mögen dieß unſere Fürſten
bedenken und im Fall einer Vereinbarung die mildeſte Formel hiefür und
die größtmögliche Schonung der Beſchlüſſe der Nationalverſammlung
nicht verſchmähen — zu ihrem eigenen Wohle! Ich ſehe mit bangem Her-
zen in die Zukunft.
W Frankfurt a. M., 7 April.
Die Nachrichten aus Berlin
welche mit einer Vereinbarung über das ganze Verfaſſungswerk drohen,
haben unter den Abgeordneten wie ein elektriſcher Funke gewirkt. Wer
geſtern mit Männern der verſchiedenſten Fractionen zuſammentraf, konnte
ſich überzeugen daß nur ein Gedanke alle beherrſche. Die Scheidung nach
rechts und links, in eine erbkaiſerliche und republicaniſche Partei, iſt wie
verwiſcht, und zu keiner Zeit hat ein ſolcher Gemeingeiſt, eine ſolche in-
nige und aufrichtige gegenſeitige Annäherung ſtattgehabt wie jetzt. Es
iſt ein erhebender Muth, eine Begeiſterung ohne den Stachel entfeſſelter
Leidenſchaft über die Verſammlung gekommen. In dem einen Gefühle
treffen alle überein: die Verſammlung könne an ihrem beſchloſſenen
und verkündeten Verfaſſungswerk nichts mehr ändern, und müßte
eher eine gewaltſame Auflöſung über ſich ergehen laſſen als auf Verände-
rungsvorſchläge einzugehen. Es verſteht ſich übrigens von ſelbſt daß eine
nachträgliche Beſtimmung über die Spitze, nachdem der König von
Preußen die angebotene Kaiſerwürde nicht anzunehmen ſcheint, nicht aus-
geſchloſſen iſt, eine ſolche Beſtimmung ſoll aber das übrige Verfaſſungs-
werk in keinem Punkt berühren. Derſelbe Geiſt eines gemeinſchaftlichen
Handelns und feſten Beharrens an der legalen Grundlage der Verfaſſung
hat ſich auch bei der letzten Heidelberger-Verſammlung ausgeſprochen, und
klingt jetzt in männlich feſter und würdiger Sprache aus manchem Organ
der Preſſe wieder, das die Beſchlüſſe der Verſammlung ſelbſt bis zum
letzten Augenblick bekämpft hatte. Wer die bedrohlichen Gewitter von
außen und die Stimmung der Verſammlung ſelber ins Auge faßt, möchte
faſt glauben daß ſie bald ihren letzten, aber vielleicht auch ihren würdig-
ſten und erhebendſten Momenten entgegenſchreite.
‖ Frankfurt a. M., 7 April.
An alle abweſenden Mitglieder
der Nationalverſammlung ſind Einladungen ergangen ſich am Mittwoch
wieder hier einzufinden. Eine vorberathende Zuſammenkunft ſindet heute
Abend in der Mainluſt ſtatt, wozu dem Vernehmen nach der Impuls von
Hrn. Raveaux ausging. Die Linke wird am Montag einer Volksver-
ſammlung in Heidelberg beiwohnen, zu welcher ſich auch Mitglieder ver-
ſchiedener ſüddeutſcher Ständekammern einfinden dürften. Einer hier
ziemlich allgemein als zuverläſſig geltenden Verſion zufolge hätte der Kö-
nig von Preußen anfänglich eine die Annahme der Kaiſerwürde ausſpre-
chende Antwort an die Deputation der Nationalverſammlung in Bereit-
ſchaft gehabt. Erſt ſpäter ſoll er ſich — ob aus eigenem Antrieb oder un-
ter dem Einfluß ſeiner Umgebungen iſt nicht ermittelt — zu der bekann-
ten Antwort entſchloſſen haben. Selbſt Hr. v. Vincke hatte, wie man er-
zählt, noch bis zum letzten Augenblick an eine zuſagende Erklärung des
Königs geglaubt. Die von dem hieſtgen Senat noch an dem Tage der
Kaiſerwahl nach Berlin entſendete Deputation (Schöff v. Günderrode und
Senator Harnier) iſt ſeit geſtern zurück.
k Briefe aus Frankfurt vom 7 April verſichern, Hr. Camp-
hauſen ſey durch telegraphiſche Depeſche eingeladen worden ſich ſofort
nach Berlin zu begeben um mit Hrn. v. Vincke die Bildung eines
neuen Miniſteriums zu übernehmen; er ſey auch bereits dahin ab-
gereist. In Berlin glaubte man, nach den jüngſten Berichten, noch
nicht an einen ſolchen, obwohl ziemlich allgemein erſehnten Wech-
ſel. Mag er eintreten oder nicht, jedenfalls ſcheint gewiß daß des
Königs Entſchlüſſe in Betreff der Kaiſerwahl weniger der Ausdruck
des Cabinets als ſeines eigenen Herzens waren. Hätte darüber noch
ein Zweifel beſtanden, er wäre gehoben worden durch die Aeußerungen die
der König gegen die einzelnen Mitglieder der Kaiſerdeputation machte.
Von dieſen Aeußerungen berichten die öffentlichen Blätter bereits wenig-
ſtens ſo viel als nöthig iſt die Meinung derer zu beſtätigen welche ſtets
im Könige ſelbſt das größte Hinderniß des ſeit dem Zuſammentritt der
Nationalverſammlung in Frankfurt, erſt leiſe, dann laut gepflegten Kai-
ſergedankens erblickten. Unter dieſen Umſtänden erſcheint es ſeltſam
wenn einige Hauptorgane jenes Gedankens jetzt alle Schuld auf die von
der deutſchen Nationalverſammlung ſchon ſeit Monaten perhorrescirten,
aber von Baſſermann und ſeinen Freunden damals aufs wärmſte
in Schutz genommenen preußiſchen Miniſter ſchieben. Gerade je mehr
dieſe die Vorwürfe der Beſchränktheit, die man ihnen macht, verdienen
mögen, deſtoweniger kann auf ſie die Hauptſchuld gewälzt werden wenn ein
Entwurf ſcheitert, der — auf Koſten der Einheit und der moraliſchen
Macht der Nationalverſammlung — nie ſoweit hätte entwickelt wer-
den ſollen, ohne daß man der Annahme vorher ſicher geweſen wäre.
Wenn die Deutſche Ztg. zu gleicher Zeit meldet, Ritter Bunſen habe ſeine
Stelle als deutſcher Reichsgeſandter in London niedergelegt, ſo gehört das zu
dem übrigen. Wir möchten fragen: hat Ritter Bunſen jene Stelle jemals ernſt-
lich angetreten? Hat überhaupt das preußiſche Cabinet unumwunden den
Grundſatz anerkannt daß ſeine und des übrigen Deutſchlands diplomati-
ſche Vertretung fortan durch Reichsgeſandte ſtattzufinden habe? Aus un-
terrichteten Quellen ward bis jetzt das Gegentheit behauptet und hinzu-
gefügt daß Geheimrath Bunſen in Berlin noch gar nicht die Erlaubniß
erhalten habe die Frankfurter Inſtructionen aus der Taſche zu ziehen.
Und doch hatte er zu deren Einholung ſich wiederholt perſönlich am Sitze
der Centralgewalt eingefunden. Es wäre wünſchenswerth daüber einmal
von der Tribüne der Paulskirche reinen Wein eingeſchenkt zu erhalten.
Gr. Baden.
Aus dem Mittelrheinkreiſe, 2 April.
Der Pro-
ceß gegen Fickler, Bornſtedt und Genoſſen ſoll Dienſtag den 10 nach dem
Schluß der Oſterferien beginnen. Der Transport der beiden Gefangenen
nach Freiburg wird im Laufe dieſer Woche ſtattfinden. Brentano aus
Mannheim wird die Vertheidigung von Fickler, Advocat Thoma aus Frei-
burg die von Bornſtedt führen. Unter den Zeugen werden auch die würt-
tembergiſchen Generale v. Miller und Baumbach erſcheinen, welche be-
kanntlich die württembergiſchen Truppen zur Zeit des Gefechts zu Doſſen-
bach befehligten. Da man von franzöſiſcher Seite gewiſſe Offenbarungen
von Bornſtedt zu erwarten ſcheint, welche beſonderes Licht verbreiten wür-
den über die Zwitterpolitik eines Theils der proviſoriſchen Regierung, ſo
werden Berichterſtatter aus Straßburg und aus Paris in Freiburg ange-
meldet. Man erwartet allgemein, ſchreibt die Mannh. Abendztg., der
dieſes entnommen iſt, daß Fickler glänzend freigeſprochen werden wird.
Man berechnet daß bis Mitte Mai ſämmtliche übrige Angeklagten abge-
urtheilt ſeyn werden. Bei den Weinheimer Verhafteten erwartet man
bald viele Freilaſſungen. (Bad. Bl.)
*) Nach der Parlamentscorreſpondenz der Centren hätte auch Oeſterreich die-
ſes Zugeſtändniß jetzt in Ausſicht geſtellt.
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(2022-09-09T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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