Allgemeine Zeitung, Nr. 102, 12. April 1849.[Spaltenumbruch]
Verwirrung, sammelten sich indeß bald wieder, warfen den Feind noch- Während Bem sich im Westen gegen Puchner schlug, hatte Oberst- Das unglückliche Schicksal der beiden Städte Schäßburg und Med- Durch die Einnahme dieser Stadt war zwar ein großer Theil des Radetzky und sein Hauptquartier. h Mailand, 3 April.I. Bevor ich Ihnen über das Gefecht bei [Spaltenumbruch]
Verwirrung, ſammelten ſich indeß bald wieder, warfen den Feind noch- Während Bem ſich im Weſten gegen Puchner ſchlug, hatte Oberſt- Das unglückliche Schickſal der beiden Städte Schäßburg und Med- Durch die Einnahme dieſer Stadt war zwar ein großer Theil des Radetzky und ſein Hauptquartier. h Mailand, 3 April.I. Bevor ich Ihnen über das Gefecht bei <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0012" n="1568"/><cb/> Verwirrung, ſammelten ſich indeß bald wieder, warfen den Feind noch-<lb/> mals und zogen ſich nun, als faſt alle Munition verſchoſſen war und Bem<lb/> in einer neuen vortheilhaften Stellung die von Arad herübereilenden 4000<lb/> Mann und 8 Geſchütze an ſich gezogen hatte, nach Broos und am 10ten<lb/> in die feſte Stellung zwiſchen Alvinz und Szaszpian zurück wo ſie friſche<lb/> Munition erhielten. Um Mitternacht wurde der rechte Flügel unter Oberſt<lb/> Stutterheim in Alvinz von Bem plötzlich überfallen und in die Feſtung<lb/> Karlsburg gedrängt. Bem zog nach Blaſendorf, Puchner nach Hermann-<lb/> ſtadt.</p><lb/> <p>Während Bem ſich im Weſten gegen Puchner ſchlug, hatte Oberſt-<lb/> Lieutenant Heydte, der Schäßburg beſetzt hielt, Medwiſch genommen, ſah<lb/> ſich aber genöthigt es vor Bem, der von Blaſendorf an der großen Kockel<lb/> heraufrückte, zu räumen. Auch das ganz bloßgeſtellte Reps wurde am<lb/> 12 Febr. von 8600 Szeklern eingenommen und mußte ſich durch Abliefe-<lb/> rung der Gewehre und eine ſchwere Brandſteuer von der Plünderung los-<lb/> kaufen. Jetzt ſollte die Reihe an Schäßburg kommen. Die Bürgerwehr<lb/> war vom beſten Muthe beſeelt und hoffte im Verein mit der ſtarken Be-<lb/> ſatzung unter Heydte die drohenden Szekler von ihrer ſtarkbefeſtigten<lb/> Stadt mit Erfolg zurückzuſchlagen. Am 13ten beſtand die Beſatzung aus<lb/> 13 Compagnien Infanterie, 6 Compagnien Bürgerwehr, faſt 2 Diviſionen<lb/> Cavallerie, 7 Geſchütz, 168 Doppelhaken; man gab ſich allenthalben der<lb/> lauteſten Freude hin. Da erklärte Heydte mitten in der Nacht dem eiligſt<lb/> zuſammengerufenen Magiſtrat, er müſſe die Stadt noch vor Tagesanbruch<lb/> räumen, indem 16,000 Feinde mit 7 Kanonen von Medwiſch, Vaſarhely<lb/> und Advarhely im Anzuge ſeyen, eine Macht der er ſich nicht gewachſen<lb/> fühle. Vergebens war die Vorſtellung des Magiſtrats über die Stärke<lb/> und das Anrücken des Feindes zuerſt nähere Erkundigung einzuziehen,<lb/> vergebens die Bereitwilligkeit ſelbſt einen Theil der Stadt bei der Verthei-<lb/> digung aufzuopfern; Heydte gab weder den Bitten des Magiſtrats noch<lb/> denen der Bürgerwehrofficiere nach, marſchirte am 16ten Morgens 4 Uhr<lb/> aus und forderte die Bürgerwehr auf entweder mitzugehen oder die Waf-<lb/> fen abzuliefern. Zähneknirſchend ob der ſchmachvollen Räumung ihrer<lb/> Vaterſtadt folgte die Bürgerwehr dem Militär nach Agnothlen und hoffte<lb/> in kürzeſter Friſt zur Vertreibung der Feinde aus den Mauern Schäß-<lb/> burgs verwendet zu werden. Erſt 30 Stunden nach dem Abzug Heydte’s<lb/> rückten 2 Compagnien Magyaren jubelnd in die leichtgewonnene Stadt<lb/> ein, es folgten ſpäter noch einige tauſend ſchlechtbewaffnete Szekler nach,<lb/> ein klarer Beweis wie unbegründet Heydte’s Furcht vor einem Angriff und<lb/> wie voreilig ſein Abzug war. Starke Bollwerke und große Fruchtvorräthe<lb/> hatten die Szekler hier ohne Schwertſtreich erobert, erpreßten darauf von<lb/> den zurückgebliebenen Wehrloſen eine Brandſteuer von 130,000 fl., 200<lb/> Pferden und ließen durch ihre Weiber, die mit ihnen den Raubzug unter-<lb/> nommen hatten, alles fortführen was nicht nagelfeſt war.</p><lb/> <p>Das unglückliche Schickſal der beiden Städte Schäßburg und Med-<lb/> wiſch war es vorzüglich das den von den Feinden bisher noch nicht betre-<lb/> tenen Theilen des Sachſenlandes zu den bitterſten Vorſtellungen Veran-<lb/> laſſung gab. Seit dem 18 Oct. hatte das Sachſenland allein Steuern ge-<lb/> zahlt und die Laſten des Kriegs getragen. Jetzt wurde vom Feind immer<lb/> mehr Land gewonnen und ausgeſogen; Hermannſtadt, wo das Militär<lb/> concentrirt war, fühlte ſich bald außer Stand die Mittel zum Unterhalt<lb/> der Soldaten und der zahlreichen Flüchtlinge herzugeben. Die 15,000<lb/> Mann ſtarken Hülfstruppen aus dem Banat erwartete man jeden Tag; ſie<lb/> erſchienen nicht. Erſt zu Anfang März traf eine Abtheilung unter General<lb/> Leiningen in Siebenbürgen ein, allein nicht zur Verſtärkung Puchners,<lb/> ſondern zur Beſatzung des Moroſchthals, damit Bem nicht etwa einen Ein-<lb/> fall ins Banat verſuche. Man täuſchte ſich in Hermannſtadt mit dem glück-<lb/> lichen Erfolge der öſterreichiſchen Waffen in Ungarn; es zeigten ſich für<lb/> Siebenbürgen täglich weniger günſtige Folgen dieſes Siegs. Man ſendete<lb/> eine Deputation nach Temesvar zu Windiſch Grätz um Hülfe; der letztere<lb/> ließ die Deputirten nicht einmal vor. Und doch war Puchner mit der ge-<lb/> ringen Truppenmacht die ihm zu Gebot ſtand, nicht im Stande die Bem<lb/> zu entreißenden ſächſiſchen Gebiete beſetzt zu halten, und auch zugleich die<lb/> Feinde im Schach zu halten! Am meiſten rechnete man noch auf die küh-<lb/> nen Unternehmungen des Oberſten Urban, der am 5 Febr. bei einer Kälte<lb/> von 22 Grad das klafterhoch mit Schnee bedeckte Hochgebirge überſtiegen<lb/> und die ganze feindliche Beſetzung von 500 Mann im Paſſe von Tihutza<lb/> gefangen genommen hatte. Noch glänzender hatte er ſich am 19ten bei<lb/> Beyersdorf unweit Biſtritz gegen den Magyaren Ritzko geſchlagen. Dieſer<lb/> ſelbſt, 200 Mann und 3 Kanonen fielen in die Hände des Siegers; die<lb/> Magyaren zogen ſich fliehend nach Dees zurück. Doch auch Urban ging<lb/> auf Malkowsky’s Befehl bald wieder an die Gränze, da ein neuer Einfall<lb/> Bems in die Bukowina befürchtet wurde. Indeß bewogen dieſe Siege und<lb/> die Nachricht daß Bem, in Folge einer Wunde am Arm ſchwer erkrankt, mit<lb/> ſeiner Hauptmacht Medwiſch geräumt und ſich nach Vaſarhely begeben habe,<lb/> die Oeſterreicher dennoch die Operationen von neuem zu beginnen. Heydte<lb/><cb/> erhielt Befehl über Agnothlen gegen Schäßburg vorzurücken, während drei<lb/> andere Brigaden gegen Medwiſch aufbrachen. Bevor Puchner am 1 März<lb/> den Marſch antrat, wurden unter die heldenmüthigen Krieger Tapferkeits-<lb/> medaillen ausgetheilt. Mit welcher Auszeichnung die Sachſen gefochten,<lb/> davon zeugt ſchon der Umſtand daß ein Hermannſtädter Bürgerwehrmann<lb/> eine goldene, vier ſächſiſche Jäger ſilberne Medaillen erhielten, während<lb/> keinem einzigen Walachen aus den beiden Gränzregimentern eine Aus-<lb/> zeichnung zu Theil wurde. Am 1 März folgte das ganze Heer der von<lb/> Oberſt van der Null geführten Vorhut gegen Medwiſch. Van der Null<lb/> beſtand am 2ten bei Kleinkopiſch ein ſiegreiches Gefecht. Als am fol-<lb/> genden Tage auch die Brigaden Kalliany und Stutterheim zu ihm ge-<lb/> ſtoßen waren, entſpann ſich ein ſehr heißer Kampf mit den Feinden, die alle<lb/> ihre Truppen aus der Umgegend zuſammengezogen hatten und unter Bem’s<lb/> perſönlicher Leitung ſtanden. Bem nahm nach einander 3 ſehr feſte Stel-<lb/> lungen, wurde aus allen durch das unwiderſtehliche Anſtürmen der Oeſter-<lb/> reicher geworfen, vermochte auch in Medwiſch ſich nicht länger zu halten<lb/> und gab endlich ſeinem Heere Befehl ſich nach Vaſarhely und Schäßburg<lb/> zurückzuziehen. Am 4 März war Puchner wieder im Beſitz von<lb/> Medwiſch.</p><lb/> <p>Durch die Einnahme dieſer Stadt war zwar ein großer Theil des<lb/> Sachſenlandes vom Feinde geſäubert und die zur Bedrohung Vaſarhely’s<lb/> äußerſt wichtige Kockellinie gewonnen worden, allein erſt mit der Beſetzung<lb/> Schäßburgs konnte man das Sachſenland ganz aus den Händen des Fein-<lb/> des gerettet betrachten. Während alſo Puchner von Medwiſch aus zur<lb/> Wiedereroberung Schäßburgs die geeigneten Maßregeln traf und Her-<lb/> mannſtadt ſich dem fröhlichſten Jubel über die Siege des Heeres überließ,<lb/> brütete Bem in Vaſarhely über einen neuen kühnen Streich und erſchien<lb/> plötzlich am 11ten früh nach einem Marſch von 28 Stunden um die linke<lb/> Flanke Puchners vor Hermannſtadt. Die ruſſiſche Beſatzung — 3000<lb/> Mann unter Oberſt Skariatin — ſchlug ſich vom Morgen bis zum Abend,<lb/> in der Hoffnung Puchner würde zum Entſatz der Stadt herbeieilen. Da<lb/> jedoch bis ſpät Abends keine Hülfe erſchien und die Häuſer vom Feind in<lb/> Brand geſteckt wurden, verließ Skariatin Hermannſtadt und gab es dem<lb/> grauſamſten der Feinde preis, der darin Gräuel und Schandthaten ver-<lb/> übte wie ſie nur ein barbariſches Zeitalter kennt. (<hi rendition="#g">Grenzb</hi>.)</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Radetzky und ſein Hauptquartier.<lb/><hi rendition="#aq">I.</hi></hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#aq">h</hi><hi rendition="#b">Mailand,</hi> 3 April.</dateline><lb/> <p>Bevor ich Ihnen über das Gefecht bei<lb/> Mortara und die Schlacht bei Novara die Einzelheiten mittheile die, wie<lb/> ich glaube, Ihren Leſern nicht unintereſſant ſeyn dürften, will ich ver-<lb/> ſnchen über den Marſchall ſelbſt ſowie über ſeine Umgebung eine Schil-<lb/> derung zu entwerfen und Ihnen ein kleines Bild zu geben von dem Central-<lb/> punkte, dem Herzen der Armee, von welchem aus Leben und Bewegung in<lb/> den gewaltigen Körper ſtrömt. Das Hauptquartier des Marſchalls iſt<lb/> verhältnißmäßig ſehr klein, aber wie alle Hauptquartiere in ſeinem Ganzen<lb/> mühſam zu bewegen wegen des gewaltigen Troſſes der ſich erlaubter- ſowie<lb/> unerlaubterweiſe anhängt. Im Mittelpunkt aller Geſchäfte hier ſteht der<lb/> Marſchall ſelbſt — wollte man das Bild von der rechten Hand gebrauchen,<lb/> ſo müßte man ſagen: er hat deren zwei — die Feldmarſchall Lieutenants<lb/> Heß und Schönhals, zwei militäriſche Namen von großer Bedeutung und<lb/> zwei Männer von den liebenswürdigſten freundlichſten Formen. Den<lb/> Marſchall umgeben die Officiere ſeines Generalſtabs, ſeine General- und<lb/> Flügeladjutanten, Intendantur- und Feldpoſtbeamte ſowie zahlreiche<lb/> Ordonnanzofficiere, die berühmten „Kibitze“ des Feldmarſchalls, denn wie<lb/> der Kibitz unermüdlich hin- und herſliegt und ſeinen Weg ſucht durch<lb/> Röhricht und Moor, durch Geſtrüpp und Sumpf, und dabei immer heiter<lb/> und wohlgemuth, ſo auch ſind die Ordonnanzofficiere faſt beſtändig auf<lb/> dem Wege, Tag und Nacht im Sattel. Alle dieſe Herren nun führen die<lb/> nöthigen Hand- und Packpferde mit ſich, die Stabsofficiere obendrein einen<lb/> Wagen für ihre Effecten, der Generalſtab und die Adjutantur, Feldkanzlei-<lb/> und gewöhnliche Packwagen, die Feldpoſt, unzählige Gendarmen und<lb/> Botenjäger, Poſt- und Courierwagen, die Intendantur, deren Herren<lb/> meiſtens in ihren Equipagen fahren, Caſſen- und Packwagen ſowie Ver-<lb/> pflegungsbeamte aller Art. An dieſen erlaubten und nothwendigen Troß<lb/> ſchließt ſich nun der unerlaubte, als Hand- und Packpferde von Officieren<lb/> anderer Armeekörper, Privatdiener mit überzähligen Equipagen, Bauern<lb/> mit Weinkarren und Ochſentreiber. Dieß Ganze aber iſt eingerahmt von<lb/> den Stabsdragonern und Sereſchanern, der Bedeckung des Hauptquartiers.<lb/> Auf dem Marſche ſchließt ſich der Troß ſoviel wie möglich an das Haupt-<lb/> quartier ſelbſt an, wird aber durch Truppencolonnen die auf derſelben<lb/> Straße marſchiren oftmals getrennt, und löst ſich in eine unabſehbare Linie<lb/> auf, deren Ende wohl eine Stunde vom Anfangspunkt entfernt iſt, was<lb/> Abends bei der Ankunft im Nachtquartier zu vielen Unannehmlichkeiten<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1568/0012]
Verwirrung, ſammelten ſich indeß bald wieder, warfen den Feind noch-
mals und zogen ſich nun, als faſt alle Munition verſchoſſen war und Bem
in einer neuen vortheilhaften Stellung die von Arad herübereilenden 4000
Mann und 8 Geſchütze an ſich gezogen hatte, nach Broos und am 10ten
in die feſte Stellung zwiſchen Alvinz und Szaszpian zurück wo ſie friſche
Munition erhielten. Um Mitternacht wurde der rechte Flügel unter Oberſt
Stutterheim in Alvinz von Bem plötzlich überfallen und in die Feſtung
Karlsburg gedrängt. Bem zog nach Blaſendorf, Puchner nach Hermann-
ſtadt.
Während Bem ſich im Weſten gegen Puchner ſchlug, hatte Oberſt-
Lieutenant Heydte, der Schäßburg beſetzt hielt, Medwiſch genommen, ſah
ſich aber genöthigt es vor Bem, der von Blaſendorf an der großen Kockel
heraufrückte, zu räumen. Auch das ganz bloßgeſtellte Reps wurde am
12 Febr. von 8600 Szeklern eingenommen und mußte ſich durch Abliefe-
rung der Gewehre und eine ſchwere Brandſteuer von der Plünderung los-
kaufen. Jetzt ſollte die Reihe an Schäßburg kommen. Die Bürgerwehr
war vom beſten Muthe beſeelt und hoffte im Verein mit der ſtarken Be-
ſatzung unter Heydte die drohenden Szekler von ihrer ſtarkbefeſtigten
Stadt mit Erfolg zurückzuſchlagen. Am 13ten beſtand die Beſatzung aus
13 Compagnien Infanterie, 6 Compagnien Bürgerwehr, faſt 2 Diviſionen
Cavallerie, 7 Geſchütz, 168 Doppelhaken; man gab ſich allenthalben der
lauteſten Freude hin. Da erklärte Heydte mitten in der Nacht dem eiligſt
zuſammengerufenen Magiſtrat, er müſſe die Stadt noch vor Tagesanbruch
räumen, indem 16,000 Feinde mit 7 Kanonen von Medwiſch, Vaſarhely
und Advarhely im Anzuge ſeyen, eine Macht der er ſich nicht gewachſen
fühle. Vergebens war die Vorſtellung des Magiſtrats über die Stärke
und das Anrücken des Feindes zuerſt nähere Erkundigung einzuziehen,
vergebens die Bereitwilligkeit ſelbſt einen Theil der Stadt bei der Verthei-
digung aufzuopfern; Heydte gab weder den Bitten des Magiſtrats noch
denen der Bürgerwehrofficiere nach, marſchirte am 16ten Morgens 4 Uhr
aus und forderte die Bürgerwehr auf entweder mitzugehen oder die Waf-
fen abzuliefern. Zähneknirſchend ob der ſchmachvollen Räumung ihrer
Vaterſtadt folgte die Bürgerwehr dem Militär nach Agnothlen und hoffte
in kürzeſter Friſt zur Vertreibung der Feinde aus den Mauern Schäß-
burgs verwendet zu werden. Erſt 30 Stunden nach dem Abzug Heydte’s
rückten 2 Compagnien Magyaren jubelnd in die leichtgewonnene Stadt
ein, es folgten ſpäter noch einige tauſend ſchlechtbewaffnete Szekler nach,
ein klarer Beweis wie unbegründet Heydte’s Furcht vor einem Angriff und
wie voreilig ſein Abzug war. Starke Bollwerke und große Fruchtvorräthe
hatten die Szekler hier ohne Schwertſtreich erobert, erpreßten darauf von
den zurückgebliebenen Wehrloſen eine Brandſteuer von 130,000 fl., 200
Pferden und ließen durch ihre Weiber, die mit ihnen den Raubzug unter-
nommen hatten, alles fortführen was nicht nagelfeſt war.
Das unglückliche Schickſal der beiden Städte Schäßburg und Med-
wiſch war es vorzüglich das den von den Feinden bisher noch nicht betre-
tenen Theilen des Sachſenlandes zu den bitterſten Vorſtellungen Veran-
laſſung gab. Seit dem 18 Oct. hatte das Sachſenland allein Steuern ge-
zahlt und die Laſten des Kriegs getragen. Jetzt wurde vom Feind immer
mehr Land gewonnen und ausgeſogen; Hermannſtadt, wo das Militär
concentrirt war, fühlte ſich bald außer Stand die Mittel zum Unterhalt
der Soldaten und der zahlreichen Flüchtlinge herzugeben. Die 15,000
Mann ſtarken Hülfstruppen aus dem Banat erwartete man jeden Tag; ſie
erſchienen nicht. Erſt zu Anfang März traf eine Abtheilung unter General
Leiningen in Siebenbürgen ein, allein nicht zur Verſtärkung Puchners,
ſondern zur Beſatzung des Moroſchthals, damit Bem nicht etwa einen Ein-
fall ins Banat verſuche. Man täuſchte ſich in Hermannſtadt mit dem glück-
lichen Erfolge der öſterreichiſchen Waffen in Ungarn; es zeigten ſich für
Siebenbürgen täglich weniger günſtige Folgen dieſes Siegs. Man ſendete
eine Deputation nach Temesvar zu Windiſch Grätz um Hülfe; der letztere
ließ die Deputirten nicht einmal vor. Und doch war Puchner mit der ge-
ringen Truppenmacht die ihm zu Gebot ſtand, nicht im Stande die Bem
zu entreißenden ſächſiſchen Gebiete beſetzt zu halten, und auch zugleich die
Feinde im Schach zu halten! Am meiſten rechnete man noch auf die küh-
nen Unternehmungen des Oberſten Urban, der am 5 Febr. bei einer Kälte
von 22 Grad das klafterhoch mit Schnee bedeckte Hochgebirge überſtiegen
und die ganze feindliche Beſetzung von 500 Mann im Paſſe von Tihutza
gefangen genommen hatte. Noch glänzender hatte er ſich am 19ten bei
Beyersdorf unweit Biſtritz gegen den Magyaren Ritzko geſchlagen. Dieſer
ſelbſt, 200 Mann und 3 Kanonen fielen in die Hände des Siegers; die
Magyaren zogen ſich fliehend nach Dees zurück. Doch auch Urban ging
auf Malkowsky’s Befehl bald wieder an die Gränze, da ein neuer Einfall
Bems in die Bukowina befürchtet wurde. Indeß bewogen dieſe Siege und
die Nachricht daß Bem, in Folge einer Wunde am Arm ſchwer erkrankt, mit
ſeiner Hauptmacht Medwiſch geräumt und ſich nach Vaſarhely begeben habe,
die Oeſterreicher dennoch die Operationen von neuem zu beginnen. Heydte
erhielt Befehl über Agnothlen gegen Schäßburg vorzurücken, während drei
andere Brigaden gegen Medwiſch aufbrachen. Bevor Puchner am 1 März
den Marſch antrat, wurden unter die heldenmüthigen Krieger Tapferkeits-
medaillen ausgetheilt. Mit welcher Auszeichnung die Sachſen gefochten,
davon zeugt ſchon der Umſtand daß ein Hermannſtädter Bürgerwehrmann
eine goldene, vier ſächſiſche Jäger ſilberne Medaillen erhielten, während
keinem einzigen Walachen aus den beiden Gränzregimentern eine Aus-
zeichnung zu Theil wurde. Am 1 März folgte das ganze Heer der von
Oberſt van der Null geführten Vorhut gegen Medwiſch. Van der Null
beſtand am 2ten bei Kleinkopiſch ein ſiegreiches Gefecht. Als am fol-
genden Tage auch die Brigaden Kalliany und Stutterheim zu ihm ge-
ſtoßen waren, entſpann ſich ein ſehr heißer Kampf mit den Feinden, die alle
ihre Truppen aus der Umgegend zuſammengezogen hatten und unter Bem’s
perſönlicher Leitung ſtanden. Bem nahm nach einander 3 ſehr feſte Stel-
lungen, wurde aus allen durch das unwiderſtehliche Anſtürmen der Oeſter-
reicher geworfen, vermochte auch in Medwiſch ſich nicht länger zu halten
und gab endlich ſeinem Heere Befehl ſich nach Vaſarhely und Schäßburg
zurückzuziehen. Am 4 März war Puchner wieder im Beſitz von
Medwiſch.
Durch die Einnahme dieſer Stadt war zwar ein großer Theil des
Sachſenlandes vom Feinde geſäubert und die zur Bedrohung Vaſarhely’s
äußerſt wichtige Kockellinie gewonnen worden, allein erſt mit der Beſetzung
Schäßburgs konnte man das Sachſenland ganz aus den Händen des Fein-
des gerettet betrachten. Während alſo Puchner von Medwiſch aus zur
Wiedereroberung Schäßburgs die geeigneten Maßregeln traf und Her-
mannſtadt ſich dem fröhlichſten Jubel über die Siege des Heeres überließ,
brütete Bem in Vaſarhely über einen neuen kühnen Streich und erſchien
plötzlich am 11ten früh nach einem Marſch von 28 Stunden um die linke
Flanke Puchners vor Hermannſtadt. Die ruſſiſche Beſatzung — 3000
Mann unter Oberſt Skariatin — ſchlug ſich vom Morgen bis zum Abend,
in der Hoffnung Puchner würde zum Entſatz der Stadt herbeieilen. Da
jedoch bis ſpät Abends keine Hülfe erſchien und die Häuſer vom Feind in
Brand geſteckt wurden, verließ Skariatin Hermannſtadt und gab es dem
grauſamſten der Feinde preis, der darin Gräuel und Schandthaten ver-
übte wie ſie nur ein barbariſches Zeitalter kennt. (Grenzb.)
Radetzky und ſein Hauptquartier.
I.
h Mailand, 3 April.
Bevor ich Ihnen über das Gefecht bei
Mortara und die Schlacht bei Novara die Einzelheiten mittheile die, wie
ich glaube, Ihren Leſern nicht unintereſſant ſeyn dürften, will ich ver-
ſnchen über den Marſchall ſelbſt ſowie über ſeine Umgebung eine Schil-
derung zu entwerfen und Ihnen ein kleines Bild zu geben von dem Central-
punkte, dem Herzen der Armee, von welchem aus Leben und Bewegung in
den gewaltigen Körper ſtrömt. Das Hauptquartier des Marſchalls iſt
verhältnißmäßig ſehr klein, aber wie alle Hauptquartiere in ſeinem Ganzen
mühſam zu bewegen wegen des gewaltigen Troſſes der ſich erlaubter- ſowie
unerlaubterweiſe anhängt. Im Mittelpunkt aller Geſchäfte hier ſteht der
Marſchall ſelbſt — wollte man das Bild von der rechten Hand gebrauchen,
ſo müßte man ſagen: er hat deren zwei — die Feldmarſchall Lieutenants
Heß und Schönhals, zwei militäriſche Namen von großer Bedeutung und
zwei Männer von den liebenswürdigſten freundlichſten Formen. Den
Marſchall umgeben die Officiere ſeines Generalſtabs, ſeine General- und
Flügeladjutanten, Intendantur- und Feldpoſtbeamte ſowie zahlreiche
Ordonnanzofficiere, die berühmten „Kibitze“ des Feldmarſchalls, denn wie
der Kibitz unermüdlich hin- und herſliegt und ſeinen Weg ſucht durch
Röhricht und Moor, durch Geſtrüpp und Sumpf, und dabei immer heiter
und wohlgemuth, ſo auch ſind die Ordonnanzofficiere faſt beſtändig auf
dem Wege, Tag und Nacht im Sattel. Alle dieſe Herren nun führen die
nöthigen Hand- und Packpferde mit ſich, die Stabsofficiere obendrein einen
Wagen für ihre Effecten, der Generalſtab und die Adjutantur, Feldkanzlei-
und gewöhnliche Packwagen, die Feldpoſt, unzählige Gendarmen und
Botenjäger, Poſt- und Courierwagen, die Intendantur, deren Herren
meiſtens in ihren Equipagen fahren, Caſſen- und Packwagen ſowie Ver-
pflegungsbeamte aller Art. An dieſen erlaubten und nothwendigen Troß
ſchließt ſich nun der unerlaubte, als Hand- und Packpferde von Officieren
anderer Armeekörper, Privatdiener mit überzähligen Equipagen, Bauern
mit Weinkarren und Ochſentreiber. Dieß Ganze aber iſt eingerahmt von
den Stabsdragonern und Sereſchanern, der Bedeckung des Hauptquartiers.
Auf dem Marſche ſchließt ſich der Troß ſoviel wie möglich an das Haupt-
quartier ſelbſt an, wird aber durch Truppencolonnen die auf derſelben
Straße marſchiren oftmals getrennt, und löst ſich in eine unabſehbare Linie
auf, deren Ende wohl eine Stunde vom Anfangspunkt entfernt iſt, was
Abends bei der Ankunft im Nachtquartier zu vielen Unannehmlichkeiten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-09-09T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |