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Allgemeine Zeitung, Nr. 105, 15. April 1849.

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[Spaltenumbruch] Provinz Besitz ergriff, sondern sie von Gliedern der Durani-Famille, die
ihm tributpflichtig waren, verwalten ließ. Indessen im Jahr 1834, als
die Frage entstand ob man anstatt der schwachen und zwieträchtigen Herr-
schaft der Brüder von Kabul nicht unsern Alliirten Schah Sudschah als
Herrscher einsetzen sollte, machte der Sikh-König seine Eroberung siche-
rer durch die förmliche Einverleibung Peschawers ins Pendschab, und von
da an bis jetzt wurde dieser Bezirk immer von Statthaltern regiert die der
Derbar (Staatsrath) von Lahor unmittelbar ernannte. Dieß ist die po-
litische Geschichte Peschawers. Die Afghanen gaben mittlerweile nie die
Hoffnung auf ihr verlornes Gebiet wiederzugewinnen, und sie zählten da-
bei auf die Vermittlung der brittischen Regierung. Die Verhältnisse die-
ser Staaten zu einander und zu uns waren damals bemerkenswerth. Es
ist sonderbar genug daß die Macht der Sikh-Nation -- ohne Frage eine
der furchtbarsten mit denen wir jemals in Indien zusammengestoßen --
von der Regierung in Calcutta so wenig beachtet wurde. Es ist jedoch
Thatsache daß die Sikh gewöhnlich für schlechtere Krieger gehalten wurden
nicht bloß als die Afghanen, sondern auch als die Radschputen-Söldner
der Gebirgshäuptlinge: selbst da noch hegte man diese geringere Meinung
von ihnen, als Randschit europäische Disciplin und Bewaffnung zu Hülfe
gerufen hatte. Der ganze Verdacht der brittischen Regierung war damals
auf die Afghanen, oder die hinter Afghanistan stehende Macht gerichtet, und,
trotz der von Randschit wiederholt gelieferten Beweise der Ueberlegenheit
seiner Truppen über die von Kabul, besorgte man daß alle Streitkräfte der
Sikh ungenügend seyn möchten ein Herausbrechen jener Gebirgssöhne in
die Ebenen von Hindostan zu verhindern. Unser Plan war daher mit
Randschit zu temporisiren und die Afghanenhäuptlinge zu begünstigen, so-
weit dieß geschehen konnte ohne den zwischen uns und dem Indus in Mitte
stehenden Monarchen zu beleidigen. Mittlerweile waren die Afghanen,
mit richtigerer Schätzung des Volks dessen Kraft sie gefühlt hatten, gegen
die Sikh so argwöhnisch wie wir gegen sie selbst, und wünschten daher eif-
rig unsere Unterstützung in dem Hauptpunkte des ganzen Streithandels,
der Wiedergewinnung Peschawers. Einmal, im J. 1834, bot Dost Mo-
hammed wirklich seine Unterwerfung unter die brittische Regierung an, und
sein Bruder Dschebbar Chan, derselbe Häuptling der unlängst von Tschut-
tur Singh die Stadt Peschawer eingeräumt erhalten haben soll, schickte
[Spaltenumbruch] seinen Sohn nach unserm Gränzort Ludianah, um ihn dort nach englischer
Sitte erziehen zu lassen. Endlich, nachdem einige partielle Erfolge Akbar
Chans in jenen Gegenden die Sachen noch mehr verwickelt hatten, traten
wir spät als Vermittler zwischen den beiden Theilen auf, und unsere Ver-
mittlung versprach den Afghanen insofern günstig zu werden, als die An-
sprüche des Hofs von Kabul auf die Provinz Peschawer im Beginn der
Unterhandlungen anerkannt wurden. Allein gerade in diesem Augenblick
kam man den russischen Intriguen auf die Spur, und an die Stelle unse-
rer Vermittlung trat bald der verhängnißvolle Feldzug von 1839. Nachdem
nun die Afghanen unsere erklärten Feinde und die Sikh unsere Freunde
geworden, war natürlich von der Rückgabe Peschawers an die erstern nicht
länger die Rede. Im Gegentheil, sobald die Ehre unserer Waffen durch
unser zweites Vorrücken nach Kabul gerochen war, dachte man daran ein
weiteres Stück feindlichen Gebiets zu Gunsten der uns verbündeten Sikh,
welche, wenn auch nur einigermaßen, an unsern Anstrengungen und Erfol-
gen theilgenommen, einzuziehen, und die Stadt und Festung Dschellalabad
entweder mit der Krone des Pendschab zu verbinden, oder daraus ein Für-
stenthum für Gholab Singh zu errichten, der bereits nach der Unabhängig-
keit strebte die er jetzt erlangt hat. Aber ernste Schwierigkeiten stellten
sich diesen beiden Entwürfen in den Weg, und endlich wurden sie beide auf-
gegeben. Wie jedoch aus dem Obengesagten erhellt, ist der Anspruch der
Afghanen an Peschawer ein so wohlbegründeter, daß er vor zehn Jahren
von uns förmlich anerkannt worden. Hiernach ist es nicht zu verwundern
daß Dost Mohammed und Dschebbar Chan eine so günstige Gelegenheit, wie
die durch die letzten Feldzüge dargebotene, benützt haben um nochmals die
Wiedererlangung einer für sie so wichtigen Provinz zu versuchen. Politischer
würde der Hof von Kabul wohl gehandelt haben, wenn er dahin getrachtet
hätte durch eine gewissenhafte Neutralität, oder auch durch eine Diversion
zu Gunsten Englands, die Erinnerungen an 1841 zu verwischen, und da-
durch in der Achtung Englands, des Bestegers der Afghanen und der Sikh,
an die Stelle der letztern zu rücken. Indessen unsere Kenntniß der letzten
auf Peschawer bezüglichen Ereignisse und Unterhandlungen ist zur Zeit
noch unvollständig, und so wär' es voreilig über die endliche Lösung dieser
Frage zu muthmaßen, welche so nochmals vor unser Schiedsgericht ge-
bracht ist."

[irrelevantes Material]

[Spaltenumbruch] Provinz Beſitz ergriff, ſondern ſie von Gliedern der Durani-Famille, die
ihm tributpflichtig waren, verwalten ließ. Indeſſen im Jahr 1834, als
die Frage entſtand ob man anſtatt der ſchwachen und zwieträchtigen Herr-
ſchaft der Brüder von Kabul nicht unſern Alliirten Schah Sudſchah als
Herrſcher einſetzen ſollte, machte der Sikh-König ſeine Eroberung ſiche-
rer durch die förmliche Einverleibung Peſchawers ins Pendſchâb, und von
da an bis jetzt wurde dieſer Bezirk immer von Statthaltern regiert die der
Derbar (Staatsrath) von Lahor unmittelbar ernannte. Dieß iſt die po-
litiſche Geſchichte Peſchawers. Die Afghanen gaben mittlerweile nie die
Hoffnung auf ihr verlornes Gebiet wiederzugewinnen, und ſie zählten da-
bei auf die Vermittlung der brittiſchen Regierung. Die Verhältniſſe die-
ſer Staaten zu einander und zu uns waren damals bemerkenswerth. Es
iſt ſonderbar genug daß die Macht der Sikh-Nation — ohne Frage eine
der furchtbarſten mit denen wir jemals in Indien zuſammengeſtoßen —
von der Regierung in Calcutta ſo wenig beachtet wurde. Es iſt jedoch
Thatſache daß die Sikh gewöhnlich für ſchlechtere Krieger gehalten wurden
nicht bloß als die Afghanen, ſondern auch als die Radſchputen-Söldner
der Gebirgshäuptlinge: ſelbſt da noch hegte man dieſe geringere Meinung
von ihnen, als Randſchit europäiſche Disciplin und Bewaffnung zu Hülfe
gerufen hatte. Der ganze Verdacht der brittiſchen Regierung war damals
auf die Afghanen, oder die hinter Afghaniſtan ſtehende Macht gerichtet, und,
trotz der von Randſchit wiederholt gelieferten Beweiſe der Ueberlegenheit
ſeiner Truppen über die von Kabul, beſorgte man daß alle Streitkräfte der
Sikh ungenügend ſeyn möchten ein Herausbrechen jener Gebirgsſöhne in
die Ebenen von Hindoſtan zu verhindern. Unſer Plan war daher mit
Randſchit zu temporiſiren und die Afghanenhäuptlinge zu begünſtigen, ſo-
weit dieß geſchehen konnte ohne den zwiſchen uns und dem Indus in Mitte
ſtehenden Monarchen zu beleidigen. Mittlerweile waren die Afghanen,
mit richtigerer Schätzung des Volks deſſen Kraft ſie gefühlt hatten, gegen
die Sikh ſo argwöhniſch wie wir gegen ſie ſelbſt, und wünſchten daher eif-
rig unſere Unterſtützung in dem Hauptpunkte des ganzen Streithandels,
der Wiedergewinnung Peſchawers. Einmal, im J. 1834, bot Doſt Mo-
hammed wirklich ſeine Unterwerfung unter die brittiſche Regierung an, und
ſein Bruder Dſchebbar Chan, derſelbe Häuptling der unlängſt von Tſchut-
tur Singh die Stadt Peſchawer eingeräumt erhalten haben ſoll, ſchickte
[Spaltenumbruch] ſeinen Sohn nach unſerm Gränzort Ludianah, um ihn dort nach engliſcher
Sitte erziehen zu laſſen. Endlich, nachdem einige partielle Erfolge Akbar
Chans in jenen Gegenden die Sachen noch mehr verwickelt hatten, traten
wir ſpät als Vermittler zwiſchen den beiden Theilen auf, und unſere Ver-
mittlung verſprach den Afghanen inſofern günſtig zu werden, als die An-
ſprüche des Hofs von Kabul auf die Provinz Peſchawer im Beginn der
Unterhandlungen anerkannt wurden. Allein gerade in dieſem Augenblick
kam man den ruſſiſchen Intriguen auf die Spur, und an die Stelle unſe-
rer Vermittlung trat bald der verhängnißvolle Feldzug von 1839. Nachdem
nun die Afghanen unſere erklärten Feinde und die Sikh unſere Freunde
geworden, war natürlich von der Rückgabe Peſchawers an die erſtern nicht
länger die Rede. Im Gegentheil, ſobald die Ehre unſerer Waffen durch
unſer zweites Vorrücken nach Kabul gerochen war, dachte man daran ein
weiteres Stück feindlichen Gebiets zu Gunſten der uns verbündeten Sikh,
welche, wenn auch nur einigermaßen, an unſern Anſtrengungen und Erfol-
gen theilgenommen, einzuziehen, und die Stadt und Feſtung Dſchellalabad
entweder mit der Krone des Pendſchâb zu verbinden, oder daraus ein Für-
ſtenthum für Gholab Singh zu errichten, der bereits nach der Unabhängig-
keit ſtrebte die er jetzt erlangt hat. Aber ernſte Schwierigkeiten ſtellten
ſich dieſen beiden Entwürfen in den Weg, und endlich wurden ſie beide auf-
gegeben. Wie jedoch aus dem Obengeſagten erhellt, iſt der Anſpruch der
Afghanen an Peſchawer ein ſo wohlbegründeter, daß er vor zehn Jahren
von uns förmlich anerkannt worden. Hiernach iſt es nicht zu verwundern
daß Doſt Mohammed und Dſchebbar Chan eine ſo günſtige Gelegenheit, wie
die durch die letzten Feldzüge dargebotene, benützt haben um nochmals die
Wiedererlangung einer für ſie ſo wichtigen Provinz zu verſuchen. Politiſcher
würde der Hof von Kabul wohl gehandelt haben, wenn er dahin getrachtet
hätte durch eine gewiſſenhafte Neutralität, oder auch durch eine Diverſion
zu Gunſten Englands, die Erinnerungen an 1841 zu verwiſchen, und da-
durch in der Achtung Englands, des Beſtegers der Afghanen und der Sikh,
an die Stelle der letztern zu rücken. Indeſſen unſere Kenntniß der letzten
auf Peſchawer bezüglichen Ereigniſſe und Unterhandlungen iſt zur Zeit
noch unvollſtändig, und ſo wär’ es voreilig über die endliche Löſung dieſer
Frage zu muthmaßen, welche ſo nochmals vor unſer Schiedsgericht ge-
bracht iſt.“

[irrelevantes Material]
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 105, 15. April 1849, S. 1619. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine105_1849/15>, abgerufen am 21.11.2024.