Allgemeine Zeitung, Nr. 107, 17. April 1849.Beilage zu Nr. 107 der Allgemeinen Zeitung vom 17 April 1849. [Spaltenumbruch] Zu Endlichers Gedächtniß. A. Wien, 11 April.Ein Gerücht ist hier in aller Welt Munde Oesterreichische Rote vom 5 April. Das kaiserliche Cabinet hat am 5 d. M. nachstehende (in der Allg. "Indem Se. Maj. der Kaiser die Beilage zu Nr. 107 der Allgemeinen Zeitung vom 17 April 1849. [Spaltenumbruch] Zu Endlichers Gedächtniß. A. Wien, 11 April.Ein Gerücht iſt hier in aller Welt Munde Oeſterreichiſche Rote vom 5 April. Das kaiſerliche Cabinet hat am 5 d. M. nachſtehende (in der Allg. „Indem Se. Maj. der Kaiſer die <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009"/> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Beilage zu Nr. 107 der Allgemeinen Zeitung vom 17 April 1849.</hi> </titlePart> </docTitle> </titlePage> </front><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Zu Endlichers Gedächtniß.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#aq">A.</hi><hi rendition="#b">Wien,</hi> 11 April.</dateline><lb/> <p>Ein Gerücht iſt hier in aller Welt Munde<lb/> welches vielleicht auch bis zu Ihnen dringen dürfte: Profeſſor Endlicher<lb/> ſoll ſich vergiftet haben! Es iſt kein wahres Wort daran. Endlicher ſagte<lb/> vor drei Jahren am Todtenbette ſeines Freundes Profeſſor Lippich mit<lb/> Beſtimmtheit voraus daß er demſelben Uebel unterliegen werde. Aber die<lb/> Veranlaſſung zu dieſem Gerücht iſt eine ſehr beklagenswerthe, Endlicher<lb/> hinterläßt ſehr zerrüttete Vermögensverhältniſſe. Ich ſtehe aber keinen<lb/> Augenblick an zu ſagen: Endlicher iſt ein Opfer unſeres früheren Studien-<lb/> ſyſtems! Dieſes wußte wiſſenſchaftliche Leiſtungen nur nach der Stunden-<lb/> zahl der Vorleſungen zu taxiren, und weil Endlicher als Profeſſor der<lb/> Botanik nur im Sommer vortrug, ſo bekam er auch nur 1500 fl. Gehalt,<lb/> und wenn man ſeine freie Wohnung und alles zuſammen aufs Höchſte an-<lb/> ſchlug, ſo ſtand er auf 3000 fl. Ein Endlicher alſo, ein europäiſcher Name,<lb/> eine der erſten Zierden der Univerſität war auf 3000 fl. taxirt, eine Summe<lb/> die ein Profeſſor in Deutſchland „draußen“ oft an Honoraren allein ein-<lb/> nimmt! Der Mann war aber von der Thätigkeit und dem Ehrgeiz beſeelt<lb/> der allein in der Welt etwas zu ſchaffen vermag, und ſo ſtürzte er ſich in<lb/> Schulden um ſeiner Wiſſenſchaft willen. Er ſammelte ein Herbar und —<lb/> ſchenkte es dem kaiſerl. Muſeum; er ließ chineſiſche Typen ſchneiden und<lb/> ſchenkte ſie der Staatsdruckerei; er gab theure Werke auf ſeine Koſten her-<lb/> aus und ſchenkte ſie der litterariſchen Welt. Als Erbe der Stelle von Jac-<lb/> quin kaufte er deſſen herrliche botaniſche Bibliothek, um ſie Oeſterreich zu<lb/> erhalten, und führte die Mittwochsabende von Jacquin fort, um nicht den<lb/> einzigen geiſtigen Mittelpunkt für Einheimiſche und Fremde zu zerſtören,<lb/> den das reiche Wien — auf Unkoſten eines armen Profeſſors aufzuweiſen<lb/> hatte! Zu dem allen hatte Endlicher baare 1500 fl., und da ſchlagen die<lb/> Leute die Hände über dem Kopf zuſammen daß ein ehrbarer Hr. Profeſſor<lb/> Schulden habe, ſtatt daß ſie die Hände zuſammenſchlagen ſollten über ein<lb/> Regime welches einem Profeſſor in Oeſterreich keine andere Möglichkeit<lb/> ließ in ſeiner Wiſſenſchaft es zu einer Bedeutung zu bringen! Wir aber<lb/> wollen hoffen daß ein Syſtem welches auf alle neun Univerſitäten der<lb/> Monarchie jährlich kaum ſo viel verwendete als die Hälfte der Donau-<lb/> Dampfſchiffe werth iſt, mit dem letzten Opfer das für dasſelbe gefallen iſt,<lb/> auf immer begraben ſey mit unſerem armen Endlicher, der es nicht mehr<lb/> erleben ſollte daß ſeine Leiſtungen ihm auch andere Früchte bringen würden<lb/> als Ehrendiplome und Dedicationen!</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreichiſche Rote vom 5 April.</hi> </head><lb/> <p>Das kaiſerliche Cabinet hat am 5 d. M. nachſtehende (in der Allg.<lb/> Zeitung bereits dem weſentlichen Inhalt nach erwähnte) Depeſche an den<lb/> öfterreichiſchen Bevollmächtigten bei der deutſchen proviſoriſchen Central-<lb/> gewalt Ritter v. Schmerling erlaſſen. <floatingText><body><div n="1"><p>„Indem Se. Maj. der Kaiſer die<lb/> Beweggründe billigen welche den durchlauchtigſten Hrn. Erzherzog Jo-<lb/> hann beſtimmt haben unter den obwaltenden Verhältniſſen die Würde<lb/> eines deutſchen Reichsverweſers niederzulegen, finden ſich allerhöchſtdie-<lb/> ſelben dennoch zugleich veranlaßt Se. kaiſ. Hoheit aufzufordern im In-<lb/> tereſſe Deutſchlands, wie in jenem Oeſterreichs, das ihm anvertraute Amt<lb/> noch ſo lange fortzuführen bis für die Uebernahme der Leitung der Cen-<lb/> tralgewalt in einer ihrer Beſtimmung entſprechenden Weiſe Vorſorge<lb/> getroffen ſeyn wird. Ew. Hochwohlgeboren erhalten in der Anlage das<lb/> allerhöchſte Handſchreiben durch welches Se. Maj. der Kaiſer ſeinem er-<lb/> lauchten Großoheim dieſen Wunſch, unter Anerkennung der Verdienſte<lb/> welche ſich derſelbe erworben hat, ausdrückt. Als im vergangenen Jahre<lb/> die deutſchen Fürſten und Völker die für Deutſchland geſchaffene provi-<lb/> ſoriſche Cent ralgewalt in die Hände dieſes kaiſerlichen Prinzen niederzu-<lb/> legen wünſchten, hat die öſterreichiſche Regierung die Erfüllung dieſes<lb/> Wunſches mit Hintanſetzung ſo mancher durch die Verhältniſſe jener Zeit<lb/> gebotenen Rückſicht gefördert, indem ſie die Intereſſen ihrer eigenen Völker<lb/> jenen des deutſchen Geſammtvaterlandes unterordnete und es dem Manne des<lb/> allgemeinen Vertrauens möglich machte dem an ihn ergangenen Ruf zu folgen.<lb/> Soweit es an Ihm lag hat der Hr. Erzherzog das in Ihn geſetzte Vertrauen<lb/> auch gerechtfertigt, und die große Aufgabe gelöst welcher Er Sich mit ſo<lb/> aufopfernder Hingebung gewidmet hatte. Er iſt der täglich mehr um ſich<lb/> greifenden Anarchie entſchloſſen und mit Erfolg entgegengetreten — hat<lb/> die Herrſchaft des Geſetzes wiederhergeſtellt, und durch ſie Ruhe und<lb/> Ordnung geſichert, welche unerläßlich waren um das begonnene Werk<lb/> der Neugeſtaltung Deutſchlands auf geſetzlichem Wege zu Ende führen<lb/> zu können. Die Nationalverſammlung dagegen hat den von ihr ge-<lb/> hegten Erwartungen nicht entſprochen. Statt einem einigen, mächti-<lb/><cb/> gen, und daher an Zukunft reichen Deutſchland, deſſen Gründung ihre<lb/> Thätigkeit hätte anbahnen ſollen, hat ſie ein ideales Reich zu ſchaffen<lb/> angeſtrebt — ein Verſuch welcher nur dazu führen konnte die Bande zu<lb/> lockern, ja vielleicht zu löſen, welche die verſchiedenen deutſchen Stämme ſeit<lb/> Jahrhunderten umſchlungen hielten. Es kann hier nicht in meiner Abſicht<lb/> liegen dem von der Nationalverſammlung ſeit ihrem Beſtehen eingehalte-<lb/> nen Gange zu folgen, und die Nachtheile näher zu entwickeln welche deren<lb/> fortwährende Schwankungen und ihre nur zu häufigen Eingriffe in den<lb/> Bereich der executiven Centralgewalt nothwendig erzeugen mußten. Ich<lb/> will mich darauf beſchränken jene Beſchlüſſe hervorzuheben und zu beleuch-<lb/> ten welche uns unmittelbar berühren, und für die Stellung maßgebend<lb/> werden müſſen die wir in Folge derſelben unter den gegebenen Umſtänden<lb/> einzunehmen gezwungen ſind. Seitdem das gegenwärtige Miniſterium in<lb/> ſeinem Antrittsprogramm vom 27 Nov. v. J. die Abſicht ausgeſprochen<lb/> alle Lande und Stämme der öſterreichiſchen Monarchie durch das feſte<lb/> Band einer gemeinſchaftlichen Verfaſſung zu Einem großen Staatskörper<lb/> zu vereinigen, hat ſich in der Nationalverſammlung eine Partei gebildet<lb/> welche alles aufbot um unſer Verbleiben bei Deutſchland unmöglich zu<lb/> machen. Sie hat dieſes Ziel zu erreichen geglaubt, indem ſie die Beſtim-<lb/> mungen des §. 2 der zu Frankfurt berathenen Verfaſſung durchzuſetzen<lb/> wußte, welche für deutſche Lande die mit nichtdeutſchen ein gemeinſchaft-<lb/> liches Staatsoberhaupt haben, getrennte eigene Verfaſſung, Regierung und<lb/> Verwaltung anordnen. Daß ſolche Verfügungen mit dem von uns nicht<lb/> nur verkündigten, ſondern auch hinlänglich motivirten und ſeither zur vollen<lb/> Anwendung gekommenen Grundſatze der Einheit des öſterreichiſchen Kaiſer-<lb/> ſtaates unvereinbar ſeyen, war demnach vorauszuſehen. Mögen daher jene<lb/> welche deſſenungeachtet dieſen durch keine Nothwendigkeit bedingten Be-<lb/> ſchluß herbeigeführt haben, auch deſſen Folgen vertreten. Ferner hat die<lb/> Nationalverſammlung durch die am 27. v. M. beſchloſſene Wahl eines<lb/> erblichen Reichsoberhauptes ſich von den Formen des beabſichtigten Bun-<lb/> desſtaates entfernt und jenen eines Einheitsſtaates in einer Weiſe genähert<lb/> welche mit der Selbſtſtändigkeit der einzelnen deutſchen Regierungen un-<lb/> verträglich iſt, die nur in den weſentlichen Bundeszwecken eine unvermeid-<lb/> liche Beſchränkung finden ſoll. Endlich hat die Nationalverſammlung<lb/> durch ihre Beſchlüſſe vom 28 v. M., welche anordnen daß die von ihr<lb/> allein beſchloſſene Reichsverfaſſung zu vollziehen und als Geſetz zu<lb/> verkündigen ſey, den Weg der Vereinbarung verlaſſen, den allein<lb/> ſie zu gehen berufen und berechtiget war und den die Regierungen<lb/> ſich ausdrücklich vorbehalten hatten. Sie hat zugleich durch die<lb/> eigenmächtig von ihr ausgegangene Erklärung ihrer Permanenz bis<lb/> zum Zuſammentritte der einzuberufenden Reichsverſammlung ſich auf<lb/> einen ungeſetzlichen Boden geſtellt, auf welchen ihr zu folgen die Regie-<lb/> rungen ſich nicht veranlaßt ſehen können. Oeſterreich, innig verbunden<lb/> mit Deutſchland durch die ſo lange beſtandene enge Gemeinſchaft, durch<lb/> die aus dieſer erwachſenen unzertrennlichen Intereſſen und durch die<lb/> unbeſtreitbar noch gültigen Verträge, kann und wird ſich nie von ſolchen<lb/> Banden losſagen. Noch iſt der deutſche Bund wie ihn die Tractate ſchu-<lb/> fen nicht aufgelöst, noch beſtehen die Rechte und Verbindlichkeit ſeiner<lb/> Glieder. Wenn wir dennoch unter den ebenangeführten Verhältniſſen für<lb/> den Augenblick an einem Bundesſtaate, wie die Beſchlüſſe der Natio-<lb/> nalverſammlung ihn zu ſchaffen beabſichtigen, obgleich mit Vorbehalt<lb/> der Rechte welche die Geſchichte und die Verträge uns ſichern, theilzunehmen<lb/> nicht vermögen, werden wir nichts deſtoweniger fortfahren an den Schickſalen<lb/> unſerer alten Bundesgenoſſen aufrichtig Antheil zu nehmen und dieſen An-<lb/> theil bei dem Eintritte veränderter Verhältniſſe ſtets mit Freuden zu be-<lb/> thätigen bereit ſeyn. Dieß iſt die Abſicht Sr. Majeſtät des Kaiſers, wel-<lb/> cher Allerhöchſtderſelbe getreu bleiben wird. Wie aber Se. Majeſtät ſich<lb/> in meiner am 4 Febr. an Ew. Hochwohgeboren erlaſſenen Depeſche gegen<lb/> eine Unterordnung unter die von einem andern deutſchen Fürſten gehand-<lb/> habte Centralgewalt auf das feierlichſte verwahrt haben, iſt unſer<lb/> Allergnädigſter Herr auch nicht minder feſt entſchloſſen die verfaſſungs-<lb/> mäßig von Ihm in Gemeinſchaft mit den Repräſentantenkörpern Oeſter-<lb/> reichs auszuübende geſetzgebende Gewalt niemals und unter keiner Be-<lb/> dingung einer fremden geſetzgebenden Verſammlung unterzuordnen. Da<lb/> Se. Majeſtät, wie ich Ihnen bereits angekündigt habe, die von Ew.<lb/> Hochwohlgeboren nachgeſuchte Enthebung von Ihren Poſten zu bewilli-<lb/> gen geruhten und der Graf v. Rechberg, welcher zu Ihrem Nachfolger<lb/> beſtimmt iſt, nach Frankfurt abgefertigt wird, ſteht Ihrer Nückkehr<lb/> nichts mehr entgegen. Was die öſterreichiſchen Abgeordneten zur deut-<lb/> ſchen Nationalverſammlung betrifft, haben dieſelben ihre Sendung, in<lb/> Folge des Schluſſes der Berathung über das Verfaſſungswerk, als beendet<lb/> zu betrachten und ſofort in ihre Heimath zurückzukehren, da ihre fernere<lb/></p></div></body></floatingText></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
Beilage zu Nr. 107 der Allgemeinen Zeitung vom 17 April 1849.
Zu Endlichers Gedächtniß.
A. Wien, 11 April.
Ein Gerücht iſt hier in aller Welt Munde
welches vielleicht auch bis zu Ihnen dringen dürfte: Profeſſor Endlicher
ſoll ſich vergiftet haben! Es iſt kein wahres Wort daran. Endlicher ſagte
vor drei Jahren am Todtenbette ſeines Freundes Profeſſor Lippich mit
Beſtimmtheit voraus daß er demſelben Uebel unterliegen werde. Aber die
Veranlaſſung zu dieſem Gerücht iſt eine ſehr beklagenswerthe, Endlicher
hinterläßt ſehr zerrüttete Vermögensverhältniſſe. Ich ſtehe aber keinen
Augenblick an zu ſagen: Endlicher iſt ein Opfer unſeres früheren Studien-
ſyſtems! Dieſes wußte wiſſenſchaftliche Leiſtungen nur nach der Stunden-
zahl der Vorleſungen zu taxiren, und weil Endlicher als Profeſſor der
Botanik nur im Sommer vortrug, ſo bekam er auch nur 1500 fl. Gehalt,
und wenn man ſeine freie Wohnung und alles zuſammen aufs Höchſte an-
ſchlug, ſo ſtand er auf 3000 fl. Ein Endlicher alſo, ein europäiſcher Name,
eine der erſten Zierden der Univerſität war auf 3000 fl. taxirt, eine Summe
die ein Profeſſor in Deutſchland „draußen“ oft an Honoraren allein ein-
nimmt! Der Mann war aber von der Thätigkeit und dem Ehrgeiz beſeelt
der allein in der Welt etwas zu ſchaffen vermag, und ſo ſtürzte er ſich in
Schulden um ſeiner Wiſſenſchaft willen. Er ſammelte ein Herbar und —
ſchenkte es dem kaiſerl. Muſeum; er ließ chineſiſche Typen ſchneiden und
ſchenkte ſie der Staatsdruckerei; er gab theure Werke auf ſeine Koſten her-
aus und ſchenkte ſie der litterariſchen Welt. Als Erbe der Stelle von Jac-
quin kaufte er deſſen herrliche botaniſche Bibliothek, um ſie Oeſterreich zu
erhalten, und führte die Mittwochsabende von Jacquin fort, um nicht den
einzigen geiſtigen Mittelpunkt für Einheimiſche und Fremde zu zerſtören,
den das reiche Wien — auf Unkoſten eines armen Profeſſors aufzuweiſen
hatte! Zu dem allen hatte Endlicher baare 1500 fl., und da ſchlagen die
Leute die Hände über dem Kopf zuſammen daß ein ehrbarer Hr. Profeſſor
Schulden habe, ſtatt daß ſie die Hände zuſammenſchlagen ſollten über ein
Regime welches einem Profeſſor in Oeſterreich keine andere Möglichkeit
ließ in ſeiner Wiſſenſchaft es zu einer Bedeutung zu bringen! Wir aber
wollen hoffen daß ein Syſtem welches auf alle neun Univerſitäten der
Monarchie jährlich kaum ſo viel verwendete als die Hälfte der Donau-
Dampfſchiffe werth iſt, mit dem letzten Opfer das für dasſelbe gefallen iſt,
auf immer begraben ſey mit unſerem armen Endlicher, der es nicht mehr
erleben ſollte daß ſeine Leiſtungen ihm auch andere Früchte bringen würden
als Ehrendiplome und Dedicationen!
Oeſterreichiſche Rote vom 5 April.
Das kaiſerliche Cabinet hat am 5 d. M. nachſtehende (in der Allg.
Zeitung bereits dem weſentlichen Inhalt nach erwähnte) Depeſche an den
öfterreichiſchen Bevollmächtigten bei der deutſchen proviſoriſchen Central-
gewalt Ritter v. Schmerling erlaſſen. „Indem Se. Maj. der Kaiſer die
Beweggründe billigen welche den durchlauchtigſten Hrn. Erzherzog Jo-
hann beſtimmt haben unter den obwaltenden Verhältniſſen die Würde
eines deutſchen Reichsverweſers niederzulegen, finden ſich allerhöchſtdie-
ſelben dennoch zugleich veranlaßt Se. kaiſ. Hoheit aufzufordern im In-
tereſſe Deutſchlands, wie in jenem Oeſterreichs, das ihm anvertraute Amt
noch ſo lange fortzuführen bis für die Uebernahme der Leitung der Cen-
tralgewalt in einer ihrer Beſtimmung entſprechenden Weiſe Vorſorge
getroffen ſeyn wird. Ew. Hochwohlgeboren erhalten in der Anlage das
allerhöchſte Handſchreiben durch welches Se. Maj. der Kaiſer ſeinem er-
lauchten Großoheim dieſen Wunſch, unter Anerkennung der Verdienſte
welche ſich derſelbe erworben hat, ausdrückt. Als im vergangenen Jahre
die deutſchen Fürſten und Völker die für Deutſchland geſchaffene provi-
ſoriſche Cent ralgewalt in die Hände dieſes kaiſerlichen Prinzen niederzu-
legen wünſchten, hat die öſterreichiſche Regierung die Erfüllung dieſes
Wunſches mit Hintanſetzung ſo mancher durch die Verhältniſſe jener Zeit
gebotenen Rückſicht gefördert, indem ſie die Intereſſen ihrer eigenen Völker
jenen des deutſchen Geſammtvaterlandes unterordnete und es dem Manne des
allgemeinen Vertrauens möglich machte dem an ihn ergangenen Ruf zu folgen.
Soweit es an Ihm lag hat der Hr. Erzherzog das in Ihn geſetzte Vertrauen
auch gerechtfertigt, und die große Aufgabe gelöst welcher Er Sich mit ſo
aufopfernder Hingebung gewidmet hatte. Er iſt der täglich mehr um ſich
greifenden Anarchie entſchloſſen und mit Erfolg entgegengetreten — hat
die Herrſchaft des Geſetzes wiederhergeſtellt, und durch ſie Ruhe und
Ordnung geſichert, welche unerläßlich waren um das begonnene Werk
der Neugeſtaltung Deutſchlands auf geſetzlichem Wege zu Ende führen
zu können. Die Nationalverſammlung dagegen hat den von ihr ge-
hegten Erwartungen nicht entſprochen. Statt einem einigen, mächti-
gen, und daher an Zukunft reichen Deutſchland, deſſen Gründung ihre
Thätigkeit hätte anbahnen ſollen, hat ſie ein ideales Reich zu ſchaffen
angeſtrebt — ein Verſuch welcher nur dazu führen konnte die Bande zu
lockern, ja vielleicht zu löſen, welche die verſchiedenen deutſchen Stämme ſeit
Jahrhunderten umſchlungen hielten. Es kann hier nicht in meiner Abſicht
liegen dem von der Nationalverſammlung ſeit ihrem Beſtehen eingehalte-
nen Gange zu folgen, und die Nachtheile näher zu entwickeln welche deren
fortwährende Schwankungen und ihre nur zu häufigen Eingriffe in den
Bereich der executiven Centralgewalt nothwendig erzeugen mußten. Ich
will mich darauf beſchränken jene Beſchlüſſe hervorzuheben und zu beleuch-
ten welche uns unmittelbar berühren, und für die Stellung maßgebend
werden müſſen die wir in Folge derſelben unter den gegebenen Umſtänden
einzunehmen gezwungen ſind. Seitdem das gegenwärtige Miniſterium in
ſeinem Antrittsprogramm vom 27 Nov. v. J. die Abſicht ausgeſprochen
alle Lande und Stämme der öſterreichiſchen Monarchie durch das feſte
Band einer gemeinſchaftlichen Verfaſſung zu Einem großen Staatskörper
zu vereinigen, hat ſich in der Nationalverſammlung eine Partei gebildet
welche alles aufbot um unſer Verbleiben bei Deutſchland unmöglich zu
machen. Sie hat dieſes Ziel zu erreichen geglaubt, indem ſie die Beſtim-
mungen des §. 2 der zu Frankfurt berathenen Verfaſſung durchzuſetzen
wußte, welche für deutſche Lande die mit nichtdeutſchen ein gemeinſchaft-
liches Staatsoberhaupt haben, getrennte eigene Verfaſſung, Regierung und
Verwaltung anordnen. Daß ſolche Verfügungen mit dem von uns nicht
nur verkündigten, ſondern auch hinlänglich motivirten und ſeither zur vollen
Anwendung gekommenen Grundſatze der Einheit des öſterreichiſchen Kaiſer-
ſtaates unvereinbar ſeyen, war demnach vorauszuſehen. Mögen daher jene
welche deſſenungeachtet dieſen durch keine Nothwendigkeit bedingten Be-
ſchluß herbeigeführt haben, auch deſſen Folgen vertreten. Ferner hat die
Nationalverſammlung durch die am 27. v. M. beſchloſſene Wahl eines
erblichen Reichsoberhauptes ſich von den Formen des beabſichtigten Bun-
desſtaates entfernt und jenen eines Einheitsſtaates in einer Weiſe genähert
welche mit der Selbſtſtändigkeit der einzelnen deutſchen Regierungen un-
verträglich iſt, die nur in den weſentlichen Bundeszwecken eine unvermeid-
liche Beſchränkung finden ſoll. Endlich hat die Nationalverſammlung
durch ihre Beſchlüſſe vom 28 v. M., welche anordnen daß die von ihr
allein beſchloſſene Reichsverfaſſung zu vollziehen und als Geſetz zu
verkündigen ſey, den Weg der Vereinbarung verlaſſen, den allein
ſie zu gehen berufen und berechtiget war und den die Regierungen
ſich ausdrücklich vorbehalten hatten. Sie hat zugleich durch die
eigenmächtig von ihr ausgegangene Erklärung ihrer Permanenz bis
zum Zuſammentritte der einzuberufenden Reichsverſammlung ſich auf
einen ungeſetzlichen Boden geſtellt, auf welchen ihr zu folgen die Regie-
rungen ſich nicht veranlaßt ſehen können. Oeſterreich, innig verbunden
mit Deutſchland durch die ſo lange beſtandene enge Gemeinſchaft, durch
die aus dieſer erwachſenen unzertrennlichen Intereſſen und durch die
unbeſtreitbar noch gültigen Verträge, kann und wird ſich nie von ſolchen
Banden losſagen. Noch iſt der deutſche Bund wie ihn die Tractate ſchu-
fen nicht aufgelöst, noch beſtehen die Rechte und Verbindlichkeit ſeiner
Glieder. Wenn wir dennoch unter den ebenangeführten Verhältniſſen für
den Augenblick an einem Bundesſtaate, wie die Beſchlüſſe der Natio-
nalverſammlung ihn zu ſchaffen beabſichtigen, obgleich mit Vorbehalt
der Rechte welche die Geſchichte und die Verträge uns ſichern, theilzunehmen
nicht vermögen, werden wir nichts deſtoweniger fortfahren an den Schickſalen
unſerer alten Bundesgenoſſen aufrichtig Antheil zu nehmen und dieſen An-
theil bei dem Eintritte veränderter Verhältniſſe ſtets mit Freuden zu be-
thätigen bereit ſeyn. Dieß iſt die Abſicht Sr. Majeſtät des Kaiſers, wel-
cher Allerhöchſtderſelbe getreu bleiben wird. Wie aber Se. Majeſtät ſich
in meiner am 4 Febr. an Ew. Hochwohgeboren erlaſſenen Depeſche gegen
eine Unterordnung unter die von einem andern deutſchen Fürſten gehand-
habte Centralgewalt auf das feierlichſte verwahrt haben, iſt unſer
Allergnädigſter Herr auch nicht minder feſt entſchloſſen die verfaſſungs-
mäßig von Ihm in Gemeinſchaft mit den Repräſentantenkörpern Oeſter-
reichs auszuübende geſetzgebende Gewalt niemals und unter keiner Be-
dingung einer fremden geſetzgebenden Verſammlung unterzuordnen. Da
Se. Majeſtät, wie ich Ihnen bereits angekündigt habe, die von Ew.
Hochwohlgeboren nachgeſuchte Enthebung von Ihren Poſten zu bewilli-
gen geruhten und der Graf v. Rechberg, welcher zu Ihrem Nachfolger
beſtimmt iſt, nach Frankfurt abgefertigt wird, ſteht Ihrer Nückkehr
nichts mehr entgegen. Was die öſterreichiſchen Abgeordneten zur deut-
ſchen Nationalverſammlung betrifft, haben dieſelben ihre Sendung, in
Folge des Schluſſes der Berathung über das Verfaſſungswerk, als beendet
zu betrachten und ſofort in ihre Heimath zurückzukehren, da ihre fernere
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(2022-09-16T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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