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Allgemeine Zeitung, Nr. 10, 10. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] Grundsätzen der altenglischen Selbstregierung reformirt und dem Nationallaster
der Trunksucht durch heilsame Beschränkung des Spirituosenverkaufs nach Kräften
gesteuert werden u. s. w. Nichts von alledem ist geschehen, und was geschehen
ist, wäre besser ungeschehen gelassen. Wenn das Parlament nichts thun wollte,
jo muß man gestehen daß ihm die Regierung bei sothaner bequemer Beschäftigung
redlich geholfen hat. Die University Tests Bill wurde durch ein Compromiß
mit der staatskirchlichen Opposition dermaßen abgeschwächt und ihrer principiellen
Bedeutung beraubt, daß sie selbst von den unmittelbaren Anhängern der Regie-
rung nur als eine Abschlagszahlung entschuldigt wird, während die unabhängigen
Liberalen in ihr einen berechneten Verrath an den Grundsätzen der liberalen Partei
verabscheuen. Die Armee-Reform-Bill, welche eine Erhöhung des Budgets von
2,900,000 Pf. St. einschloß, und daher von vornherein eine illiberale Maßregel
war, befriedigte keine Partei, weder die enthusiastischen Freunde eines gut bezahl-
ten Soldatenthums noch die freisinnigen Kämpen des zahlenden Bürgerthums.
Es gehörte daher nicht viel Muth dazu den größten Theil der Reformvorschläge
im Comite des Unterhauses todtsprechen und die zerstückelte Bill schließlich als
"unvollständige Maßregel" auf die griechischen Kalenden vertagen zu lassen. Die
ganze durch die deutschen Waffenerfolge in Frankreich erzeugte oder wenigstens
motivirte Panik, welche zur Vorlage einer Armee-Reformbill führte, war ein un-
wirklicher, auf Ueberraschung berechneter Schwindel. Da die Regierung jedoch
dem Schwindel nachgegeben, und selbst die Hand geboten hatte um John Bull zu
überreden daß England von dem militärischen Uebergewicht des Deutschen Kaiser-
reichs bedroht werde, so konnte sie sich nicht mit Anstand aus der Sackgasse zurück-
ziehen ohne etwas zu thun. Das Unterhaus hatte die geforderte Erhöhung des
Militäretats mit bedeutender Majorität bewilligt; es war daher absolut erforderlich
daß den mißtrauischen Steuerzahlern für die Erhöhung der Einkommentaxe um zwei
Pence per Pfd. Sterling wenigstens etwas geboten werde. Hr. Gladstone sah ein daß
von der verunglückten Bill die Abschaffung des Stellenkaufes die populärste Forde-
rung war. Diese sollte daher unter allen Umständen durchgesetzt werden. Sie wurde
durchgesetzt, aber dießmal nicht durch ein Compromiß mit der conservativen Parla-
mentspartei, deren Widerstand gegen die Armeereform sich gerade auf diesen Punkt
beschränkte, sondern durch ein noch bedenklicheres Compromiß mit dem absoluten
Negiment. Der Officierstellenkauf wurde abgeschafft durch Cabinetsordre, durch
eine Wiederbelebung der kgl. Prärogative, die auch den aufrichtigsten Freunden
der Maßregel Besorgniß einflößte, und gewiß nicht dazu diente dem Gladstone'schen
Ministerium das verlorene Vertrauen wieder zu geben. Wenn wir nun noch er-
wähnen daß die Ballot-Bill vom Oberhause kurzer Hand zurückgewiesen und die
Zurückweisung von der Regierung ebenso kurzer Hand acceptirt wurde, daß alle
andern Versprechungen der Thronrede schon im Unterhause ein ruhmloses Grab
fanden, daß das Mißtrauen der Nation nur von ihrer Sehnsucht nach Ruhe und
Frieden um jeden Preis gemäßigt wird: so haben wir nicht nur die Erfolglosigkeit
der politischen Arbeit im vergangenen Jahre, sondern auch die Hoffnungen welche
John Bull auf das begonnene Jahr setzt, richtig bezeichnet.

Auch in diesem Jahre soll und wird nichts geschehen. Die Staatsrevenue des
vergangenen Jahres übersteigt 72,000,000 Pf. St., und hat also Hrn. Lowe's Vor-
anschlag um 3 Millionen Pf. St. übertroffe.. Die industrielle und commercielle
Prosperität ist "beispiellos." Um aber diese günstigen wirthschaftlichen Chancen
in ihrer ganzen Ausdehnung zu verwerthen, ist absolute Ruhe im Inneren nöthig.
Daher ist das ministerielle Programm, welches die dießjährige Parlamentsthätig-
keit auf die von allen Parteien als unvermeidlich anerkannte Ballotbill, auf Schul-
bills für Schottland und Irland, auf sanitärische Maßregeln und derlei unverfäng-
liche Gegenstände beschränkt, mit großer Befriedigung im Publicum aufgenommen
worden. Aufregende politische Agitationen stehen nicht zu befürchten. Das Jahr
begann mit einem illoyalen, aber kaum offen ausgesprochenen Protest gegen die
Mitgift der Prinzessin Louise, die Illoyalität verstieg sich zu einer förmlichen repu-
blicanischen Bewegung; aber die Krankheit des Prinzen von Wales rief die engli-
sche Loyalität zu so allgemeinen Kundgebungen wach, daß sich die republicanischen
Demagogen, Hr. Odger und Sir Ch. Dilke, beschämt vom Schlachtfelde zurückzo-
gen. Von dieser Seite her droht der ersehnten Ruhe keine Gefahr. Wohl ist ein
Regierungswechsel möglich, da die große liberale Mehrheit des Unterhauses, welche
Hrn. Gladstone an die Spitze der Regierung stellte, nicht mehr zusammenhalten will.
Die unabhängigen Liberalen stehen grollend beiseite, und auf ihnen beruht die
Entscheidung der parlamentarischen Kämpfe. Hr. Disraeli müßte viel älter und
viel schwächer geworden sein als er aussieht, wenn er diese Uneinigkeit nicht zu sei-
nen Gusten benutzen sollte. Aber Regierungswechsel oder nicht -- an dem Pro-
gramm der Ruhe um jeden Preis wird nichts geändert werden. Alle wichtigern
socialen und politischen Reformen sind auf schlechtere Zeiten vertagt. Gegenwär-
tig sind gute Zeiten, und John Bull ist nicht der Mann ihre Chancen in den Wind
zu schlagen, um seine Thatkraft an die Lösung heikler Probleme der großen prin-
cipiellen Politik zu vergeuden. Aller menschlichen Voraussicht nach wird das
Jahr 1872 hier einen sehr ruhigen und profitablen Verlauf haben. Selbst die
unvermeidliche Finanzkrisis wird erst im Jahre 1873 erwartet.



Das Ausschußgutachten über den Lasker'schen Antrag.

Die Ausschüsse des Bundesraths für die Verfassung
und für Justizwesen haben jetzt ihren Bericht über den Beschluß des Reichstages
wegen Abänderung der Nr. 13 des Art. 4 der Neichsverfassung, dahin gehend der
Neichsgewalt die gemeinsame Gesetzgebung auch über das gesammte bürgerliche
Recht und die Gerichtsorganisation zu übertragen, erstattet. Bekanntlich haben
die Ausschüsse den Gegenstand in ihrer Sitzung vom 8 December 1871 berathen
und sind mit Stimmenmehrheit zu dem Antrag gelangt: "der Bundesrath wolle
beschließen dem von dem Reichstag angenommenen Gesetzentwurf nicht zuzu-
stimmen." Hiebei ist die Mehrheit in den Ausschüssen von folgenden Erwägungen
ausgegangen:

"Die Verfassung des Deutschen Reichs sei erst vor weniger als Jahresfrist ver-
einbart worden, und es werde schon die Erwägung daß es sich um eine nicht unerheb-
liche Aenderung der kaum erst vereinbarten Verfassung handle, zur Ablehnung des
fraglichen Aenderungsvorschlags unter der Voraussetzung führen müssen daß nicht ein
sehr dringendes sachliches Bedürsniß für die vorgeschlagene Aenderung sich geltend ge-
[Spaltenumbruch] macht habe. Ein solches Bedürfniß sei weder bezüglich des Civilrechts noch bezüglich
der Gerichtsorganisation als gegeben anzuerkennen. Betreffend das Civilrecht, so
werde angenommen werden dürfen daß bei der Schöpfung der Verfassung mit Vorbe-
dacht und aus guten Gründen die Competenz der Reichsgesetzgebung auf das Obliga-
tionenrecht, Handels- und Wechselrecht beschränkt worden sei. In der That liegen zu-
reichende Motive für diese Beschränkung nahe. Obligationenrecht, Handels- und Wechsel-
recht dienen den Beziehungen des großen Verkehrs, und können und sollen deßhalb für
ein großes Verkehrsgebiet gleichheitlich geregelt werden. Personenrecht, Familienrecht,
Sachenrecht, Erbrecht wirken vorzugsweise nur in beschränkteren Kreisen und hängen
mit vielfältigen Verhältnissen der Territorien, in welchen sie sich historisch entwickelt
haben, mehr oder weniger eng zusammen. Wie hienach die gleichheitliche Normirung
dieser Materien für alle Bundesstaaten kein absolutes Bedürfniß sei, so werde anderer-
seits eine solche gleichheitliche Normirung im einen oder andern Punkte nicht ohne
empfindliche Schädigung berechtigter Interessen möglich sein. Was zur Zeit der Errich-
tung der Verfassung als Bedürfniß nicht erkannt wurde, das werde auch jetzt als ein
solches nicht anzuerkennen sein; sei doch der verflossene Zeitraum zu kurz, als daß er ein
solches Bedürfniß hervorgekehrt haben könnte. Es möge sein daß die Reichsgesetzgebung
in Erfüllung der ihr durch Art. 4 Nr. 13 der Verfassung bezüglich des Obligationen-
rechts gestellten Aufgaben und behufs der richtigen und sachgemäßen Erfüllung dieser
Aufgabe über die bestehende verfassungsmäßige Gränze in Absicht auf die eine oder die
andere weitere Rechtsmaterie hinauszugreifen, das Bedürfniß empfinden werde; hierauf im
Bedürfnißfall zurückzukommen, werde der Zukunft vorzubehalten sein; schon jetzt aber
die gesammte Civilgesetzgebung der Reichsgesetzgebung zu überantworten, dürfte um so
weniger angehen, als die Reichsgesetzgebung mit der Ausführung der ihr bezüglich des
Obligationenrechts gestellten Aufgabe noch nicht einmal den Anfang gemacht habe, und
es zahlreiche particularrechtlich entwickelte wohlberechtigte Civilrechts-Institutionen gebe
welche mit der Erfüllung der dermaligen verfassungsmäßigen Aufgabe der Reichsgesetz-
gebung in keinem nähern Zusammenhang stehen, und die Normirung durch die ihrer
Quelle entfernt stehende Reichsgewalt nicht ohne Schaden ertragen würden. Ueberdieß
würde die Annahme der vorgeschlagenen Verfassungsänderung die nachtheilige Folge
haben daß, obwohl das Zustandekommen eines deutschen Civilgesetzbuchs erst von einer
entfernteren Zukunft zu erhoffen wäre, doch schon jetzt die Thätigkeit der Landesgesetz-
gebungen in allen Gebieten des Civilrechts lahm gelegt und die Abhülfe selbst empfind-
licher Mißstände im Wege der Landesgesetzgebung factisch unmöglich gemacht werden
würde. In Betreff der Gerichtsorganisation sei anzuerkennen daß die Einführung
der Reichsproceßgesetze die Aufstellung gewisser gleichheitlicher Normen über Organi-
sation der Gerichte, insoweit solche eine Bedingung der gleichmäßigen Handhabung der
Gesetze über das Verfahren bilden, zur Folge werde haben müssen. Wie weit dieses
Maß reiche, das werde bei der definitiven Feststellung der Proceßgesetze zu erwägen
sein; so weit dieses Maß reiche, werde es einer Abänderung der Verfassung nicht be-
dürfen. Ueber dieses Maß hinauszugehen, dazu liege überall kein Grund vor, dafür
könne nicht einmal ein Bedürfniß der Nechtseinheit geltend gemacht werden. Daß es
aber viele Punkte gebe welche über jenes Maß hinausgehen und doch in das Gebiet der
Gerichtsorganisation fallen, dieß werde einleuchtend sein, wenn anstatt alles weitern
nur an die Normen über Besetzung der Gerichte außerhalb der einzelnen Proceßfälle,
an die Bestimmung ihrer Sitze und Sprengel, an die Competenzbestimmungen bezüg-
lich der nicht zum gerichtlichen Verfahren gehörigen gerichtlichen Geschäfte, an die Vor-
schriften über Anstellung, Beförderung, Versetzung und Entfernung der Richter und
des übrigen Gerichtspersonals erinnert werde. All dieses und noch mehreres könne in
das Gebiet der Gerichtsorganisation gezogen werden, und wenn solche Consequenzen
gezogen werden, dann werde von der den Bundesstaaten durch die Reichsverfassung
nicht entzogenen Justizhoheit nichts übrig bleiben, und der Zustand welcher hieraus
für die Bundesstaaten erwachse, werde um so bedenklicher sein, je enger in denselben
die Gerichtsorganisation im allgemeinen mit der Organisation anderer staatlichen In-
stitutionen verwachsen sei. Es bestehe aber auch keinerlei Bedürfniß welches dazu dränge
solche Consequenzen möglich zu machen."

Die Minderheit, von welcher ein Mitglied ausdrücklich hervorhob daß ihm
eine bestimmte Instruction seitens seiner hohen Regierung noch nicht zugegangen
sei, sprach sich für die Zustimmung zu dem Beschlusse des Reichstags aus. Die
Ansichten der einzelnen Mitglieder der Minderheit sind im folgenden zusammen-
gefaßt:

"Der vorangestellte formelle Gesichtspunkt der Unthunlichkeit einer Verfassungs-
änderung, nachdem die Verfassung erst vor so kurzer Zeit in das Leben getreten sei,
könne nicht getheilt werden. Bei Feststellung der Reichsverfassung sei man allerseits dar-
über einig gewesen daß es sich jetzt nicht um eine materielle Aenderung, sondern nur um
die Zusammenfassung der geltenden Bestimmungen in eine Urkunde handeln könne. Eher
könnte das geltend gemachte Bedenken aus dem Umstand abgeleitet werden daß die der
Reichsverfassung zum Grunde liegende Norddeutsche Bundesverfassung auch noch nicht
lange Zeit bestanden habe. Es seien indeß auch die Gesichtspunkte welche bei Abgrän-
zung des Inhalts des Art. 4 Nr. 13 der Norddeutschen Bundesverfassung bestimmt
hätten, insoweit äußerlicher Natur gewesen, als man theils nur diejenigen Materien auf-
genommen habe welche an sich schon von erheblichster staatsrechtlicher Bedeutung ge-
wesen seien, theils bei der Aufzählung der einzelnen Rechtsgebiete an die schon vom vor-
maligen Deutschen Bund in Angriff genommenen Materien sich angeschlossen habe. In
der Folge sei zwar eine Aenderung des Art. 4 Nr. 13 der Norddeutschen Bundesver-
fassung angeregt worden, man habe sich aber zu einer solchen nicht entschlossen, weil an-
dere Aufgaben noch nicht in Angriff genommen gewesen seien, und die, wenn auch ent-
fernt, vorgelegene Aussicht auf den Beitritt der süddeutschen Staaten gegen eine Aus-
dehnung der Verfassung gesprochen habe. Hiernach könnten lediglich materielle
Bedenken in der vorliegenden Frage den Ausschlag zu geben geeignet sein. In mate-
rieller Beziehung aber sei folgendes zu erwägen: das Obligationenrecht, Handels- und
Wechselrecht stehe mit dem übrigen bürgerlichen Recht in einer so engen, durch die
zahlreichsten gegenseitigen Beziehungen begründeten Verbindung, daß ohne Uebergriffe
in den Bereich des in Art. 4 Nr. 13 der Verfassungsurkunde nicht erwähnten bürger-
lichen Rechts eine gedeihliche und insbesondere eine einheitliche Lösung der dort der
Reichsgesetzgebung für einzelne Zweige dieses Rechts gestellten Aufgabe nicht möglich
sei. Eine consequente Entwicklung der Grundsätze welche auf einem der bezeichneten
Specialgebiete für richtig erkannt worden sei, greife über dessen Gränzen hinaus, und
werde darum, wenn man diese Gränzen festhalte, zum Nachtheile zweckmäßiger Ordnung
der betreffenden Materie gehemmt. Auf der anderen Seite sei der Einfluß des unver-
ändert gebliebenen bürgerlichen Rechts des einzelnen Landes auf die Entwicklung des
von der Reichsgesetzgebung geregelten Rechtszweiges so mächtig, daß die Bestimmungen
der Reichsgesetze in den einzelnen Bundesstaaten leicht eine gänzlich verschiedene, ihrem
wahren Inhalt widersprechende Anwendung finden würden. Diese Ansichten seien bei
den wiederholten und eingehenden Erörterungen über den vorliegenden Gegenstand, über
welchen sich eben deßhalb überhaupt schwerlich etwas neues sagen lassen werde, so aus-
führlich begründet und mit so zutreffenden, auch aus der Zeit nach der Gültigkeit der
Reichsverfassung entnommenen Belegen verfehen worden, daß man sich auf jene Ver-

[Spaltenumbruch] Grundſätzen der altengliſchen Selbſtregierung reformirt und dem Nationallaſter
der Trunkſucht durch heilſame Beſchränkung des Spirituoſenverkaufs nach Kräften
geſteuert werden u. ſ. w. Nichts von alledem iſt geſchehen, und was geſchehen
iſt, wäre beſſer ungeſchehen gelaſſen. Wenn das Parlament nichts thun wollte,
jo muß man geſtehen daß ihm die Regierung bei ſothaner bequemer Beſchäftigung
redlich geholfen hat. Die Univerſity Teſts Bill wurde durch ein Compromiß
mit der ſtaatskirchlichen Oppoſition dermaßen abgeſchwächt und ihrer principiellen
Bedeutung beraubt, daß ſie ſelbſt von den unmittelbaren Anhängern der Regie-
rung nur als eine Abſchlagszahlung entſchuldigt wird, während die unabhängigen
Liberalen in ihr einen berechneten Verrath an den Grundſätzen der liberalen Partei
verabſcheuen. Die Armee-Reform-Bill, welche eine Erhöhung des Budgets von
2,900,000 Pf. St. einſchloß, und daher von vornherein eine illiberale Maßregel
war, befriedigte keine Partei, weder die enthuſiaſtiſchen Freunde eines gut bezahl-
ten Soldatenthums noch die freiſinnigen Kämpen des zahlenden Bürgerthums.
Es gehörte daher nicht viel Muth dazu den größten Theil der Reformvorſchläge
im Comité des Unterhauſes todtſprechen und die zerſtückelte Bill ſchließlich als
„unvollſtändige Maßregel“ auf die griechiſchen Kalenden vertagen zu laſſen. Die
ganze durch die deutſchen Waffenerfolge in Frankreich erzeugte oder wenigſtens
motivirte Panik, welche zur Vorlage einer Armee-Reformbill führte, war ein un-
wirklicher, auf Ueberraſchung berechneter Schwindel. Da die Regierung jedoch
dem Schwindel nachgegeben, und ſelbſt die Hand geboten hatte um John Bull zu
überreden daß England von dem militäriſchen Uebergewicht des Deutſchen Kaiſer-
reichs bedroht werde, ſo konnte ſie ſich nicht mit Anſtand aus der Sackgaſſe zurück-
ziehen ohne etwas zu thun. Das Unterhaus hatte die geforderte Erhöhung des
Militäretats mit bedeutender Majorität bewilligt; es war daher abſolut erforderlich
daß den mißtrauiſchen Steuerzahlern für die Erhöhung der Einkommentaxe um zwei
Pence per Pfd. Sterling wenigſtens etwas geboten werde. Hr. Gladſtone ſah ein daß
von der verunglückten Bill die Abſchaffung des Stellenkaufes die populärſte Forde-
rung war. Dieſe ſollte daher unter allen Umſtänden durchgeſetzt werden. Sie wurde
durchgeſetzt, aber dießmal nicht durch ein Compromiß mit der conſervativen Parla-
mentspartei, deren Widerſtand gegen die Armeereform ſich gerade auf dieſen Punkt
beſchränkte, ſondern durch ein noch bedenklicheres Compromiß mit dem abſoluten
Negiment. Der Officierſtellenkauf wurde abgeſchafft durch Cabinetsordre, durch
eine Wiederbelebung der kgl. Prärogative, die auch den aufrichtigſten Freunden
der Maßregel Beſorgniß einflößte, und gewiß nicht dazu diente dem Gladſtone’ſchen
Miniſterium das verlorene Vertrauen wieder zu geben. Wenn wir nun noch er-
wähnen daß die Ballot-Bill vom Oberhauſe kurzer Hand zurückgewieſen und die
Zurückweiſung von der Regierung ebenſo kurzer Hand acceptirt wurde, daß alle
andern Verſprechungen der Thronrede ſchon im Unterhauſe ein ruhmloſes Grab
fanden, daß das Mißtrauen der Nation nur von ihrer Sehnſucht nach Ruhe und
Frieden um jeden Preis gemäßigt wird: ſo haben wir nicht nur die Erfolgloſigkeit
der politiſchen Arbeit im vergangenen Jahre, ſondern auch die Hoffnungen welche
John Bull auf das begonnene Jahr ſetzt, richtig bezeichnet.

Auch in dieſem Jahre ſoll und wird nichts geſchehen. Die Staatsrevenue des
vergangenen Jahres überſteigt 72,000,000 Pf. St., und hat alſo Hrn. Lowe’s Vor-
anſchlag um 3 Millionen Pf. St. übertroffe.. Die induſtrielle und commercielle
Proſperität iſt „beiſpiellos.“ Um aber dieſe günſtigen wirthſchaftlichen Chancen
in ihrer ganzen Ausdehnung zu verwerthen, iſt abſolute Ruhe im Inneren nöthig.
Daher iſt das miniſterielle Programm, welches die dießjährige Parlamentsthätig-
keit auf die von allen Parteien als unvermeidlich anerkannte Ballotbill, auf Schul-
bills für Schottland und Irland, auf ſanitäriſche Maßregeln und derlei unverfäng-
liche Gegenſtände beſchränkt, mit großer Befriedigung im Publicum aufgenommen
worden. Aufregende politiſche Agitationen ſtehen nicht zu befürchten. Das Jahr
begann mit einem illoyalen, aber kaum offen ausgeſprochenen Proteſt gegen die
Mitgift der Prinzeſſin Louiſe, die Illoyalität verſtieg ſich zu einer förmlichen repu-
blicaniſchen Bewegung; aber die Krankheit des Prinzen von Wales rief die engli-
ſche Loyalität zu ſo allgemeinen Kundgebungen wach, daß ſich die republicaniſchen
Demagogen, Hr. Odger und Sir Ch. Dilke, beſchämt vom Schlachtfelde zurückzo-
gen. Von dieſer Seite her droht der erſehnten Ruhe keine Gefahr. Wohl iſt ein
Regierungswechſel möglich, da die große liberale Mehrheit des Unterhauſes, welche
Hrn. Gladſtone an die Spitze der Regierung ſtellte, nicht mehr zuſammenhalten will.
Die unabhängigen Liberalen ſtehen grollend beiſeite, und auf ihnen beruht die
Entſcheidung der parlamentariſchen Kämpfe. Hr. Diſraeli müßte viel älter und
viel ſchwächer geworden ſein als er ausſieht, wenn er dieſe Uneinigkeit nicht zu ſei-
nen Guſten benutzen ſollte. Aber Regierungswechſel oder nicht — an dem Pro-
gramm der Ruhe um jeden Preis wird nichts geändert werden. Alle wichtigern
ſocialen und politiſchen Reformen ſind auf ſchlechtere Zeiten vertagt. Gegenwär-
tig ſind gute Zeiten, und John Bull iſt nicht der Mann ihre Chancen in den Wind
zu ſchlagen, um ſeine Thatkraft an die Löſung heikler Probleme der großen prin-
cipiellen Politik zu vergeuden. Aller menſchlichen Vorausſicht nach wird das
Jahr 1872 hier einen ſehr ruhigen und profitablen Verlauf haben. Selbſt die
unvermeidliche Finanzkriſis wird erſt im Jahre 1873 erwartet.



Das Ausſchußgutachten über den Lasker’ſchen Antrag.

Die Ausſchüſſe des Bundesraths für die Verfaſſung
und für Juſtizweſen haben jetzt ihren Bericht über den Beſchluß des Reichstages
wegen Abänderung der Nr. 13 des Art. 4 der Neichsverfaſſung, dahin gehend der
Neichsgewalt die gemeinſame Geſetzgebung auch über das geſammte bürgerliche
Recht und die Gerichtsorganiſation zu übertragen, erſtattet. Bekanntlich haben
die Ausſchüſſe den Gegenſtand in ihrer Sitzung vom 8 December 1871 berathen
und ſind mit Stimmenmehrheit zu dem Antrag gelangt: „der Bundesrath wolle
beſchließen dem von dem Reichstag angenommenen Geſetzentwurf nicht zuzu-
ſtimmen.“ Hiebei iſt die Mehrheit in den Ausſchüſſen von folgenden Erwägungen
ausgegangen:

„Die Verfaſſung des Deutſchen Reichs ſei erſt vor weniger als Jahresfriſt ver-
einbart worden, und es werde ſchon die Erwägung daß es ſich um eine nicht unerheb-
liche Aenderung der kaum erſt vereinbarten Verfaſſung handle, zur Ablehnung des
fraglichen Aenderungsvorſchlags unter der Vorausſetzung führen müſſen daß nicht ein
ſehr dringendes ſachliches Bedürſniß für die vorgeſchlagene Aenderung ſich geltend ge-
[Spaltenumbruch] macht habe. Ein ſolches Bedürfniß ſei weder bezüglich des Civilrechts noch bezüglich
der Gerichtsorganiſation als gegeben anzuerkennen. Betreffend das Civilrecht, ſo
werde angenommen werden dürfen daß bei der Schöpfung der Verfaſſung mit Vorbe-
dacht und aus guten Gründen die Competenz der Reichsgeſetzgebung auf das Obliga-
tionenrecht, Handels- und Wechſelrecht beſchränkt worden ſei. In der That liegen zu-
reichende Motive für dieſe Beſchränkung nahe. Obligationenrecht, Handels- und Wechſel-
recht dienen den Beziehungen des großen Verkehrs, und können und ſollen deßhalb für
ein großes Verkehrsgebiet gleichheitlich geregelt werden. Perſonenrecht, Familienrecht,
Sachenrecht, Erbrecht wirken vorzugsweiſe nur in beſchränkteren Kreiſen und hängen
mit vielfältigen Verhältniſſen der Territorien, in welchen ſie ſich hiſtoriſch entwickelt
haben, mehr oder weniger eng zuſammen. Wie hienach die gleichheitliche Normirung
dieſer Materien für alle Bundesſtaaten kein abſolutes Bedürfniß ſei, ſo werde anderer-
ſeits eine ſolche gleichheitliche Normirung im einen oder andern Punkte nicht ohne
empfindliche Schädigung berechtigter Intereſſen möglich ſein. Was zur Zeit der Errich-
tung der Verfaſſung als Bedürfniß nicht erkannt wurde, das werde auch jetzt als ein
ſolches nicht anzuerkennen ſein; ſei doch der verfloſſene Zeitraum zu kurz, als daß er ein
ſolches Bedürfniß hervorgekehrt haben könnte. Es möge ſein daß die Reichsgeſetzgebung
in Erfüllung der ihr durch Art. 4 Nr. 13 der Verfaſſung bezüglich des Obligationen-
rechts geſtellten Aufgaben und behufs der richtigen und ſachgemäßen Erfüllung dieſer
Aufgabe über die beſtehende verfaſſungsmäßige Gränze in Abſicht auf die eine oder die
andere weitere Rechtsmaterie hinauszugreifen, das Bedürfniß empfinden werde; hierauf im
Bedürfnißfall zurückzukommen, werde der Zukunft vorzubehalten ſein; ſchon jetzt aber
die geſammte Civilgeſetzgebung der Reichsgeſetzgebung zu überantworten, dürfte um ſo
weniger angehen, als die Reichsgeſetzgebung mit der Ausführung der ihr bezüglich des
Obligationenrechts geſtellten Aufgabe noch nicht einmal den Anfang gemacht habe, und
es zahlreiche particularrechtlich entwickelte wohlberechtigte Civilrechts-Inſtitutionen gebe
welche mit der Erfüllung der dermaligen verfaſſungsmäßigen Aufgabe der Reichsgeſetz-
gebung in keinem nähern Zuſammenhang ſtehen, und die Normirung durch die ihrer
Quelle entfernt ſtehende Reichsgewalt nicht ohne Schaden ertragen würden. Ueberdieß
würde die Annahme der vorgeſchlagenen Verfaſſungsänderung die nachtheilige Folge
haben daß, obwohl das Zuſtandekommen eines deutſchen Civilgeſetzbuchs erſt von einer
entfernteren Zukunft zu erhoffen wäre, doch ſchon jetzt die Thätigkeit der Landesgeſetz-
gebungen in allen Gebieten des Civilrechts lahm gelegt und die Abhülfe ſelbſt empfind-
licher Mißſtände im Wege der Landesgeſetzgebung factiſch unmöglich gemacht werden
würde. In Betreff der Gerichtsorganiſation ſei anzuerkennen daß die Einführung
der Reichsproceßgeſetze die Aufſtellung gewiſſer gleichheitlicher Normen über Organi-
ſation der Gerichte, inſoweit ſolche eine Bedingung der gleichmäßigen Handhabung der
Geſetze über das Verfahren bilden, zur Folge werde haben müſſen. Wie weit dieſes
Maß reiche, das werde bei der definitiven Feſtſtellung der Proceßgeſetze zu erwägen
ſein; ſo weit dieſes Maß reiche, werde es einer Abänderung der Verfaſſung nicht be-
dürfen. Ueber dieſes Maß hinauszugehen, dazu liege überall kein Grund vor, dafür
könne nicht einmal ein Bedürfniß der Nechtseinheit geltend gemacht werden. Daß es
aber viele Punkte gebe welche über jenes Maß hinausgehen und doch in das Gebiet der
Gerichtsorganiſation fallen, dieß werde einleuchtend ſein, wenn anſtatt alles weitern
nur an die Normen über Beſetzung der Gerichte außerhalb der einzelnen Proceßfälle,
an die Beſtimmung ihrer Sitze und Sprengel, an die Competenzbeſtimmungen bezüg-
lich der nicht zum gerichtlichen Verfahren gehörigen gerichtlichen Geſchäfte, an die Vor-
ſchriften über Anſtellung, Beförderung, Verſetzung und Entfernung der Richter und
des übrigen Gerichtsperſonals erinnert werde. All dieſes und noch mehreres könne in
das Gebiet der Gerichtsorganiſation gezogen werden, und wenn ſolche Conſequenzen
gezogen werden, dann werde von der den Bundesſtaaten durch die Reichsverfaſſung
nicht entzogenen Juſtizhoheit nichts übrig bleiben, und der Zuſtand welcher hieraus
für die Bundesſtaaten erwachſe, werde um ſo bedenklicher ſein, je enger in denſelben
die Gerichtsorganiſation im allgemeinen mit der Organiſation anderer ſtaatlichen In-
ſtitutionen verwachſen ſei. Es beſtehe aber auch keinerlei Bedürfniß welches dazu dränge
ſolche Conſequenzen möglich zu machen.“

Die Minderheit, von welcher ein Mitglied ausdrücklich hervorhob daß ihm
eine beſtimmte Inſtruction ſeitens ſeiner hohen Regierung noch nicht zugegangen
ſei, ſprach ſich für die Zuſtimmung zu dem Beſchluſſe des Reichstags aus. Die
Anſichten der einzelnen Mitglieder der Minderheit ſind im folgenden zuſammen-
gefaßt:

„Der vorangeſtellte formelle Geſichtspunkt der Unthunlichkeit einer Verfaſſungs-
änderung, nachdem die Verfaſſung erſt vor ſo kurzer Zeit in das Leben getreten ſei,
könne nicht getheilt werden. Bei Feſtſtellung der Reichsverfaſſung ſei man allerſeits dar-
über einig geweſen daß es ſich jetzt nicht um eine materielle Aenderung, ſondern nur um
die Zuſammenfaſſung der geltenden Beſtimmungen in eine Urkunde handeln könne. Eher
könnte das geltend gemachte Bedenken aus dem Umſtand abgeleitet werden daß die der
Reichsverfaſſung zum Grunde liegende Norddeutſche Bundesverfaſſung auch noch nicht
lange Zeit beſtanden habe. Es ſeien indeß auch die Geſichtspunkte welche bei Abgrän-
zung des Inhalts des Art. 4 Nr. 13 der Norddeutſchen Bundesverfaſſung beſtimmt
hätten, inſoweit äußerlicher Natur geweſen, als man theils nur diejenigen Materien auf-
genommen habe welche an ſich ſchon von erheblichſter ſtaatsrechtlicher Bedeutung ge-
weſen ſeien, theils bei der Aufzählung der einzelnen Rechtsgebiete an die ſchon vom vor-
maligen Deutſchen Bund in Angriff genommenen Materien ſich angeſchloſſen habe. In
der Folge ſei zwar eine Aenderung des Art. 4 Nr. 13 der Norddeutſchen Bundesver-
faſſung angeregt worden, man habe ſich aber zu einer ſolchen nicht entſchloſſen, weil an-
dere Aufgaben noch nicht in Angriff genommen geweſen ſeien, und die, wenn auch ent-
fernt, vorgelegene Ausſicht auf den Beitritt der ſüddeutſchen Staaten gegen eine Aus-
dehnung der Verfaſſung geſprochen habe. Hiernach könnten lediglich materielle
Bedenken in der vorliegenden Frage den Ausſchlag zu geben geeignet ſein. In mate-
rieller Beziehung aber ſei folgendes zu erwägen: das Obligationenrecht, Handels- und
Wechſelrecht ſtehe mit dem übrigen bürgerlichen Recht in einer ſo engen, durch die
zahlreichſten gegenſeitigen Beziehungen begründeten Verbindung, daß ohne Uebergriffe
in den Bereich des in Art. 4 Nr. 13 der Verfaſſungsurkunde nicht erwähnten bürger-
lichen Rechts eine gedeihliche und insbeſondere eine einheitliche Löſung der dort der
Reichsgeſetzgebung für einzelne Zweige dieſes Rechts geſtellten Aufgabe nicht möglich
ſei. Eine conſequente Entwicklung der Grundſätze welche auf einem der bezeichneten
Specialgebiete für richtig erkannt worden ſei, greife über deſſen Gränzen hinaus, und
werde darum, wenn man dieſe Gränzen feſthalte, zum Nachtheile zweckmäßiger Ordnung
der betreffenden Materie gehemmt. Auf der anderen Seite ſei der Einfluß des unver-
ändert gebliebenen bürgerlichen Rechts des einzelnen Landes auf die Entwicklung des
von der Reichsgeſetzgebung geregelten Rechtszweiges ſo mächtig, daß die Beſtimmungen
der Reichsgeſetze in den einzelnen Bundesſtaaten leicht eine gänzlich verſchiedene, ihrem
wahren Inhalt widerſprechende Anwendung finden würden. Dieſe Anſichten ſeien bei
den wiederholten und eingehenden Erörterungen über den vorliegenden Gegenſtand, über
welchen ſich eben deßhalb überhaupt ſchwerlich etwas neues ſagen laſſen werde, ſo aus-
führlich begründet und mit ſo zutreffenden, auch aus der Zeit nach der Gültigkeit der
Reichsverfaſſung entnommenen Belegen verfehen worden, daß man ſich auf jene Ver-

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Frieden um jeden Preis gemäßigt wird: &#x017F;o haben wir nicht nur die Erfolglo&#x017F;igkeit<lb/>
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John Bull auf das begonnene Jahr &#x017F;etzt, richtig bezeichnet.</p><lb/>
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Demagogen, Hr. Odger und Sir Ch. Dilke, be&#x017F;chämt vom Schlachtfelde zurückzo-<lb/>
gen. Von die&#x017F;er Seite her droht der er&#x017F;ehnten Ruhe keine Gefahr. Wohl i&#x017F;t ein<lb/>
Regierungswech&#x017F;el möglich, da die große liberale Mehrheit des Unterhau&#x017F;es, welche<lb/>
Hrn. Glad&#x017F;tone an die Spitze der Regierung &#x017F;tellte, nicht mehr zu&#x017F;ammenhalten will.<lb/>
Die unabhängigen Liberalen &#x017F;tehen grollend bei&#x017F;eite, und auf ihnen beruht die<lb/>
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Jahr 1872 hier einen &#x017F;ehr ruhigen und profitablen Verlauf haben. Selb&#x017F;t die<lb/>
unvermeidliche Finanzkri&#x017F;is wird er&#x017F;t im Jahre 1873 erwartet.</p>
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Neichsgewalt die gemein&#x017F;ame Ge&#x017F;etzgebung auch über das ge&#x017F;ammte bürgerliche<lb/>
Recht und die Gerichtsorgani&#x017F;ation zu übertragen, er&#x017F;tattet. Bekanntlich haben<lb/>
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&#x017F;ehr dringendes &#x017F;achliches Bedür&#x017F;niß für die vorge&#x017F;chlagene Aenderung &#x017F;ich geltend ge-<lb/><cb/>
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&#x017F;eits eine &#x017F;olche gleichheitliche Normirung im einen oder andern Punkte nicht ohne<lb/>
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Bedürfnißfall zurückzukommen, werde der Zukunft vorzubehalten &#x017F;ein; &#x017F;chon jetzt aber<lb/>
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Quelle entfernt &#x017F;tehende Reichsgewalt nicht ohne Schaden ertragen würden. Ueberdieß<lb/>
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&#x017F;ein; &#x017F;o weit die&#x017F;es Maß reiche, werde es einer Abänderung der Verfa&#x017F;&#x017F;ung nicht be-<lb/>
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</TEI>
[130/0002] Grundſätzen der altengliſchen Selbſtregierung reformirt und dem Nationallaſter der Trunkſucht durch heilſame Beſchränkung des Spirituoſenverkaufs nach Kräften geſteuert werden u. ſ. w. Nichts von alledem iſt geſchehen, und was geſchehen iſt, wäre beſſer ungeſchehen gelaſſen. Wenn das Parlament nichts thun wollte, jo muß man geſtehen daß ihm die Regierung bei ſothaner bequemer Beſchäftigung redlich geholfen hat. Die Univerſity Teſts Bill wurde durch ein Compromiß mit der ſtaatskirchlichen Oppoſition dermaßen abgeſchwächt und ihrer principiellen Bedeutung beraubt, daß ſie ſelbſt von den unmittelbaren Anhängern der Regie- rung nur als eine Abſchlagszahlung entſchuldigt wird, während die unabhängigen Liberalen in ihr einen berechneten Verrath an den Grundſätzen der liberalen Partei verabſcheuen. Die Armee-Reform-Bill, welche eine Erhöhung des Budgets von 2,900,000 Pf. St. einſchloß, und daher von vornherein eine illiberale Maßregel war, befriedigte keine Partei, weder die enthuſiaſtiſchen Freunde eines gut bezahl- ten Soldatenthums noch die freiſinnigen Kämpen des zahlenden Bürgerthums. Es gehörte daher nicht viel Muth dazu den größten Theil der Reformvorſchläge im Comité des Unterhauſes todtſprechen und die zerſtückelte Bill ſchließlich als „unvollſtändige Maßregel“ auf die griechiſchen Kalenden vertagen zu laſſen. Die ganze durch die deutſchen Waffenerfolge in Frankreich erzeugte oder wenigſtens motivirte Panik, welche zur Vorlage einer Armee-Reformbill führte, war ein un- wirklicher, auf Ueberraſchung berechneter Schwindel. Da die Regierung jedoch dem Schwindel nachgegeben, und ſelbſt die Hand geboten hatte um John Bull zu überreden daß England von dem militäriſchen Uebergewicht des Deutſchen Kaiſer- reichs bedroht werde, ſo konnte ſie ſich nicht mit Anſtand aus der Sackgaſſe zurück- ziehen ohne etwas zu thun. Das Unterhaus hatte die geforderte Erhöhung des Militäretats mit bedeutender Majorität bewilligt; es war daher abſolut erforderlich daß den mißtrauiſchen Steuerzahlern für die Erhöhung der Einkommentaxe um zwei Pence per Pfd. Sterling wenigſtens etwas geboten werde. Hr. Gladſtone ſah ein daß von der verunglückten Bill die Abſchaffung des Stellenkaufes die populärſte Forde- rung war. Dieſe ſollte daher unter allen Umſtänden durchgeſetzt werden. Sie wurde durchgeſetzt, aber dießmal nicht durch ein Compromiß mit der conſervativen Parla- mentspartei, deren Widerſtand gegen die Armeereform ſich gerade auf dieſen Punkt beſchränkte, ſondern durch ein noch bedenklicheres Compromiß mit dem abſoluten Negiment. Der Officierſtellenkauf wurde abgeſchafft durch Cabinetsordre, durch eine Wiederbelebung der kgl. Prärogative, die auch den aufrichtigſten Freunden der Maßregel Beſorgniß einflößte, und gewiß nicht dazu diente dem Gladſtone’ſchen Miniſterium das verlorene Vertrauen wieder zu geben. Wenn wir nun noch er- wähnen daß die Ballot-Bill vom Oberhauſe kurzer Hand zurückgewieſen und die Zurückweiſung von der Regierung ebenſo kurzer Hand acceptirt wurde, daß alle andern Verſprechungen der Thronrede ſchon im Unterhauſe ein ruhmloſes Grab fanden, daß das Mißtrauen der Nation nur von ihrer Sehnſucht nach Ruhe und Frieden um jeden Preis gemäßigt wird: ſo haben wir nicht nur die Erfolgloſigkeit der politiſchen Arbeit im vergangenen Jahre, ſondern auch die Hoffnungen welche John Bull auf das begonnene Jahr ſetzt, richtig bezeichnet. Auch in dieſem Jahre ſoll und wird nichts geſchehen. Die Staatsrevenue des vergangenen Jahres überſteigt 72,000,000 Pf. St., und hat alſo Hrn. Lowe’s Vor- anſchlag um 3 Millionen Pf. St. übertroffe.. Die induſtrielle und commercielle Proſperität iſt „beiſpiellos.“ Um aber dieſe günſtigen wirthſchaftlichen Chancen in ihrer ganzen Ausdehnung zu verwerthen, iſt abſolute Ruhe im Inneren nöthig. Daher iſt das miniſterielle Programm, welches die dießjährige Parlamentsthätig- keit auf die von allen Parteien als unvermeidlich anerkannte Ballotbill, auf Schul- bills für Schottland und Irland, auf ſanitäriſche Maßregeln und derlei unverfäng- liche Gegenſtände beſchränkt, mit großer Befriedigung im Publicum aufgenommen worden. Aufregende politiſche Agitationen ſtehen nicht zu befürchten. Das Jahr begann mit einem illoyalen, aber kaum offen ausgeſprochenen Proteſt gegen die Mitgift der Prinzeſſin Louiſe, die Illoyalität verſtieg ſich zu einer förmlichen repu- blicaniſchen Bewegung; aber die Krankheit des Prinzen von Wales rief die engli- ſche Loyalität zu ſo allgemeinen Kundgebungen wach, daß ſich die republicaniſchen Demagogen, Hr. Odger und Sir Ch. Dilke, beſchämt vom Schlachtfelde zurückzo- gen. Von dieſer Seite her droht der erſehnten Ruhe keine Gefahr. Wohl iſt ein Regierungswechſel möglich, da die große liberale Mehrheit des Unterhauſes, welche Hrn. Gladſtone an die Spitze der Regierung ſtellte, nicht mehr zuſammenhalten will. Die unabhängigen Liberalen ſtehen grollend beiſeite, und auf ihnen beruht die Entſcheidung der parlamentariſchen Kämpfe. Hr. Diſraeli müßte viel älter und viel ſchwächer geworden ſein als er ausſieht, wenn er dieſe Uneinigkeit nicht zu ſei- nen Guſten benutzen ſollte. Aber Regierungswechſel oder nicht — an dem Pro- gramm der Ruhe um jeden Preis wird nichts geändert werden. Alle wichtigern ſocialen und politiſchen Reformen ſind auf ſchlechtere Zeiten vertagt. Gegenwär- tig ſind gute Zeiten, und John Bull iſt nicht der Mann ihre Chancen in den Wind zu ſchlagen, um ſeine Thatkraft an die Löſung heikler Probleme der großen prin- cipiellen Politik zu vergeuden. Aller menſchlichen Vorausſicht nach wird das Jahr 1872 hier einen ſehr ruhigen und profitablen Verlauf haben. Selbſt die unvermeidliche Finanzkriſis wird erſt im Jahre 1873 erwartet. Das Ausſchußgutachten über den Lasker’ſchen Antrag. ** Berlin, 6 Jan. Die Ausſchüſſe des Bundesraths für die Verfaſſung und für Juſtizweſen haben jetzt ihren Bericht über den Beſchluß des Reichstages wegen Abänderung der Nr. 13 des Art. 4 der Neichsverfaſſung, dahin gehend der Neichsgewalt die gemeinſame Geſetzgebung auch über das geſammte bürgerliche Recht und die Gerichtsorganiſation zu übertragen, erſtattet. Bekanntlich haben die Ausſchüſſe den Gegenſtand in ihrer Sitzung vom 8 December 1871 berathen und ſind mit Stimmenmehrheit zu dem Antrag gelangt: „der Bundesrath wolle beſchließen dem von dem Reichstag angenommenen Geſetzentwurf nicht zuzu- ſtimmen.“ Hiebei iſt die Mehrheit in den Ausſchüſſen von folgenden Erwägungen ausgegangen: „Die Verfaſſung des Deutſchen Reichs ſei erſt vor weniger als Jahresfriſt ver- einbart worden, und es werde ſchon die Erwägung daß es ſich um eine nicht unerheb- liche Aenderung der kaum erſt vereinbarten Verfaſſung handle, zur Ablehnung des fraglichen Aenderungsvorſchlags unter der Vorausſetzung führen müſſen daß nicht ein ſehr dringendes ſachliches Bedürſniß für die vorgeſchlagene Aenderung ſich geltend ge- macht habe. Ein ſolches Bedürfniß ſei weder bezüglich des Civilrechts noch bezüglich der Gerichtsorganiſation als gegeben anzuerkennen. Betreffend das Civilrecht, ſo werde angenommen werden dürfen daß bei der Schöpfung der Verfaſſung mit Vorbe- dacht und aus guten Gründen die Competenz der Reichsgeſetzgebung auf das Obliga- tionenrecht, Handels- und Wechſelrecht beſchränkt worden ſei. In der That liegen zu- reichende Motive für dieſe Beſchränkung nahe. Obligationenrecht, Handels- und Wechſel- recht dienen den Beziehungen des großen Verkehrs, und können und ſollen deßhalb für ein großes Verkehrsgebiet gleichheitlich geregelt werden. Perſonenrecht, Familienrecht, Sachenrecht, Erbrecht wirken vorzugsweiſe nur in beſchränkteren Kreiſen und hängen mit vielfältigen Verhältniſſen der Territorien, in welchen ſie ſich hiſtoriſch entwickelt haben, mehr oder weniger eng zuſammen. Wie hienach die gleichheitliche Normirung dieſer Materien für alle Bundesſtaaten kein abſolutes Bedürfniß ſei, ſo werde anderer- ſeits eine ſolche gleichheitliche Normirung im einen oder andern Punkte nicht ohne empfindliche Schädigung berechtigter Intereſſen möglich ſein. Was zur Zeit der Errich- tung der Verfaſſung als Bedürfniß nicht erkannt wurde, das werde auch jetzt als ein ſolches nicht anzuerkennen ſein; ſei doch der verfloſſene Zeitraum zu kurz, als daß er ein ſolches Bedürfniß hervorgekehrt haben könnte. Es möge ſein daß die Reichsgeſetzgebung in Erfüllung der ihr durch Art. 4 Nr. 13 der Verfaſſung bezüglich des Obligationen- rechts geſtellten Aufgaben und behufs der richtigen und ſachgemäßen Erfüllung dieſer Aufgabe über die beſtehende verfaſſungsmäßige Gränze in Abſicht auf die eine oder die andere weitere Rechtsmaterie hinauszugreifen, das Bedürfniß empfinden werde; hierauf im Bedürfnißfall zurückzukommen, werde der Zukunft vorzubehalten ſein; ſchon jetzt aber die geſammte Civilgeſetzgebung der Reichsgeſetzgebung zu überantworten, dürfte um ſo weniger angehen, als die Reichsgeſetzgebung mit der Ausführung der ihr bezüglich des Obligationenrechts geſtellten Aufgabe noch nicht einmal den Anfang gemacht habe, und es zahlreiche particularrechtlich entwickelte wohlberechtigte Civilrechts-Inſtitutionen gebe welche mit der Erfüllung der dermaligen verfaſſungsmäßigen Aufgabe der Reichsgeſetz- gebung in keinem nähern Zuſammenhang ſtehen, und die Normirung durch die ihrer Quelle entfernt ſtehende Reichsgewalt nicht ohne Schaden ertragen würden. Ueberdieß würde die Annahme der vorgeſchlagenen Verfaſſungsänderung die nachtheilige Folge haben daß, obwohl das Zuſtandekommen eines deutſchen Civilgeſetzbuchs erſt von einer entfernteren Zukunft zu erhoffen wäre, doch ſchon jetzt die Thätigkeit der Landesgeſetz- gebungen in allen Gebieten des Civilrechts lahm gelegt und die Abhülfe ſelbſt empfind- licher Mißſtände im Wege der Landesgeſetzgebung factiſch unmöglich gemacht werden würde. In Betreff der Gerichtsorganiſation ſei anzuerkennen daß die Einführung der Reichsproceßgeſetze die Aufſtellung gewiſſer gleichheitlicher Normen über Organi- ſation der Gerichte, inſoweit ſolche eine Bedingung der gleichmäßigen Handhabung der Geſetze über das Verfahren bilden, zur Folge werde haben müſſen. Wie weit dieſes Maß reiche, das werde bei der definitiven Feſtſtellung der Proceßgeſetze zu erwägen ſein; ſo weit dieſes Maß reiche, werde es einer Abänderung der Verfaſſung nicht be- dürfen. Ueber dieſes Maß hinauszugehen, dazu liege überall kein Grund vor, dafür könne nicht einmal ein Bedürfniß der Nechtseinheit geltend gemacht werden. Daß es aber viele Punkte gebe welche über jenes Maß hinausgehen und doch in das Gebiet der Gerichtsorganiſation fallen, dieß werde einleuchtend ſein, wenn anſtatt alles weitern nur an die Normen über Beſetzung der Gerichte außerhalb der einzelnen Proceßfälle, an die Beſtimmung ihrer Sitze und Sprengel, an die Competenzbeſtimmungen bezüg- lich der nicht zum gerichtlichen Verfahren gehörigen gerichtlichen Geſchäfte, an die Vor- ſchriften über Anſtellung, Beförderung, Verſetzung und Entfernung der Richter und des übrigen Gerichtsperſonals erinnert werde. All dieſes und noch mehreres könne in das Gebiet der Gerichtsorganiſation gezogen werden, und wenn ſolche Conſequenzen gezogen werden, dann werde von der den Bundesſtaaten durch die Reichsverfaſſung nicht entzogenen Juſtizhoheit nichts übrig bleiben, und der Zuſtand welcher hieraus für die Bundesſtaaten erwachſe, werde um ſo bedenklicher ſein, je enger in denſelben die Gerichtsorganiſation im allgemeinen mit der Organiſation anderer ſtaatlichen In- ſtitutionen verwachſen ſei. Es beſtehe aber auch keinerlei Bedürfniß welches dazu dränge ſolche Conſequenzen möglich zu machen.“ Die Minderheit, von welcher ein Mitglied ausdrücklich hervorhob daß ihm eine beſtimmte Inſtruction ſeitens ſeiner hohen Regierung noch nicht zugegangen ſei, ſprach ſich für die Zuſtimmung zu dem Beſchluſſe des Reichstags aus. Die Anſichten der einzelnen Mitglieder der Minderheit ſind im folgenden zuſammen- gefaßt: „Der vorangeſtellte formelle Geſichtspunkt der Unthunlichkeit einer Verfaſſungs- änderung, nachdem die Verfaſſung erſt vor ſo kurzer Zeit in das Leben getreten ſei, könne nicht getheilt werden. Bei Feſtſtellung der Reichsverfaſſung ſei man allerſeits dar- über einig geweſen daß es ſich jetzt nicht um eine materielle Aenderung, ſondern nur um die Zuſammenfaſſung der geltenden Beſtimmungen in eine Urkunde handeln könne. Eher könnte das geltend gemachte Bedenken aus dem Umſtand abgeleitet werden daß die der Reichsverfaſſung zum Grunde liegende Norddeutſche Bundesverfaſſung auch noch nicht lange Zeit beſtanden habe. Es ſeien indeß auch die Geſichtspunkte welche bei Abgrän- zung des Inhalts des Art. 4 Nr. 13 der Norddeutſchen Bundesverfaſſung beſtimmt hätten, inſoweit äußerlicher Natur geweſen, als man theils nur diejenigen Materien auf- genommen habe welche an ſich ſchon von erheblichſter ſtaatsrechtlicher Bedeutung ge- weſen ſeien, theils bei der Aufzählung der einzelnen Rechtsgebiete an die ſchon vom vor- maligen Deutſchen Bund in Angriff genommenen Materien ſich angeſchloſſen habe. In der Folge ſei zwar eine Aenderung des Art. 4 Nr. 13 der Norddeutſchen Bundesver- faſſung angeregt worden, man habe ſich aber zu einer ſolchen nicht entſchloſſen, weil an- dere Aufgaben noch nicht in Angriff genommen geweſen ſeien, und die, wenn auch ent- fernt, vorgelegene Ausſicht auf den Beitritt der ſüddeutſchen Staaten gegen eine Aus- dehnung der Verfaſſung geſprochen habe. Hiernach könnten lediglich materielle Bedenken in der vorliegenden Frage den Ausſchlag zu geben geeignet ſein. In mate- rieller Beziehung aber ſei folgendes zu erwägen: das Obligationenrecht, Handels- und Wechſelrecht ſtehe mit dem übrigen bürgerlichen Recht in einer ſo engen, durch die zahlreichſten gegenſeitigen Beziehungen begründeten Verbindung, daß ohne Uebergriffe in den Bereich des in Art. 4 Nr. 13 der Verfaſſungsurkunde nicht erwähnten bürger- lichen Rechts eine gedeihliche und insbeſondere eine einheitliche Löſung der dort der Reichsgeſetzgebung für einzelne Zweige dieſes Rechts geſtellten Aufgabe nicht möglich ſei. Eine conſequente Entwicklung der Grundſätze welche auf einem der bezeichneten Specialgebiete für richtig erkannt worden ſei, greife über deſſen Gränzen hinaus, und werde darum, wenn man dieſe Gränzen feſthalte, zum Nachtheile zweckmäßiger Ordnung der betreffenden Materie gehemmt. Auf der anderen Seite ſei der Einfluß des unver- ändert gebliebenen bürgerlichen Rechts des einzelnen Landes auf die Entwicklung des von der Reichsgeſetzgebung geregelten Rechtszweiges ſo mächtig, daß die Beſtimmungen der Reichsgeſetze in den einzelnen Bundesſtaaten leicht eine gänzlich verſchiedene, ihrem wahren Inhalt widerſprechende Anwendung finden würden. Dieſe Anſichten ſeien bei den wiederholten und eingehenden Erörterungen über den vorliegenden Gegenſtand, über welchen ſich eben deßhalb überhaupt ſchwerlich etwas neues ſagen laſſen werde, ſo aus- führlich begründet und mit ſo zutreffenden, auch aus der Zeit nach der Gültigkeit der Reichsverfaſſung entnommenen Belegen verfehen worden, daß man ſich auf jene Ver-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 10, 10. Januar 1872, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine10_1872/2>, abgerufen am 23.11.2024.