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Allgemeine Zeitung. Nr. 129. München, 18. März 1908.

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Mittwoch, 18. März 1908. München.
Vorabendblatt. -- Nr. 129
Allgemeine Zeitung.
Erscheint täglich 2mal, -- Einhundertelfter Jahrgang.
Bezugspreis: Ausgabe B mit Wissenschastlicher Beilage und Internationaler Wochenschrift in
München 1.50 Mark monatlich frei ins Haus; durch die Post: 2. -- Mark monatlich. Ausgabe A (ohne
Beilage) in München 1. -- Mark, durch die Post bezogen 1.50 Mark monatlich. Abonnements für
München: Expedition Bayerstraße 57, deren Filialen und sämtliche Zeitungs-Expeditionen; für
das Ausland: England: A. Siegle, 80 Lime Str. und The Anglo-Foreign Publishing Syndicate,
Ltd., 88 Coleman Str., in London; Frankreich, Portugal und Spanien: A. Ammel u. C. Kliencksieck
in Paris; das übrige Europa: die Postämter; Orient: das k. k. Postamt in Wien oder in Triest; Nord-
amerika: F. W. Christern. E. Steiger & Co., Gust. E. Stechert, Westermann & Co., sämtlich in New York.
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Insertionspreis: für die 7 gespaltene Kolonelzeile oder deren Raum im Morgenblatt
40 Pfennig, im Abendblatt 30 Pfennig, Lokale Anzeigen nach Tarif. Stellen-Gesuche 10 Pfennig.
Inseraten-Annahme in München: Expedition Bayerstraße 57, die Filialen der Allgemeinen
Zeitung und alle Annoncen-Expeditionen. -- Generalvertretungen: für Oesterreich-Ungarn
in Wien V/I, Schönbrunner Str. 48 (Richard Jahn); Frankreich: John F. Jones & Co.,
31 bis Rue du Faubourg Montmartre in Paris; England: John F. Jones & Co.,
1 & 2 Snow Hill, Holborn-Viadukt, London; Rußland: L. & E. Metzl & Co., Moskau.
Mjasnitzkaja Haus Systow, St. Petersburg, Morskaja 11; Warschau: Kral-Vorstadt 53.
Chefredakteur: Dr. Hermann Diez.
Verantwortlich: für den politischen Teil mit Ausnahme der bayerischen Politik Dr. Rudolf Dammert; für den bayerischen Teil Dr. Paul Busching; für das Feuilleton und den "Sonntag" Alfred Frhr. v. Mensi;
für die Wissenschaftliche Beilage Dr. Oskar Bulle; für den Handelsteil Leo Jolles, sämtlich in München.
Redaktion: Bayerstraße 57 Telephon 8432, 8433. = Druck und Verlag: Bayerische Druckerei & Verlagsanstalt, G. m. b. H., in München. = Expedition: Bayerstraße 57. Telephon 8430, 8431.
[Spaltenumbruch]
Das Neueste vom Tage.

Oberlandesgerichtspräsident Dr. Spahn hat auf eine Land-
tagskandidatur verzichtet.



In den interfraktionellen Verhandlungen über das Vereins-
gesetz
wird heute eine Entscheidung erwartet.



In Berlin ist ein Verein deutscher Dramatiker gegrün-
det worden.



In Lissabon wurde eine Verschwörung zugunsten einer
Militärdiktatur entdeckt.



Die Unruhen auf Haiti.

Die Negerrepublik Haiti befindet sich einmal wieder
in vollem Aufruhr, der ein energisches Einschreiten der
Mächte zur Folge haben dürfte. General Antenor Firmin,
früher Finanzminister und Ministerresident in Paris, hat
schon im Januar gegen Nord Alexis, den Präsidenten der
Republik, mit dem er im Mai 1902 gegen den damaligen
Präsedenten Tiresias Simon Sam ausgezogen war und der
ihn nachher selbst um den erhofften Präsidentenposten ge-
bracht hatte, eine Verschwörung engezettelt. Er läßt seine
kaffeebraunen Scharen auf Port au Prince marschieren,
nachdem er schon Gonaires und Saint Marc an der West-
küste besetzt hat. Diese inneren Unruhen ziehen nun, wie
es scheint, auch das Konsularkorps in Mitleidenschaft. Die
Fremden fürchten eine Schreckensherrschaft. Der ameri-
kanische Konsul in Saint Marc wurde in New-York bei
einer Untersuchung gegen einen Münzfälscher der Teil-
nahme an der Revolution Firmins überführt und schleu-
nigst abberufen. Ob Angehörige anderer Staaten gegen
Nord Alexis arbeiten, ist nicht klar. Am 25. Februar fragte
der deutsche Ministerresident durch eine Note den Präsiden-
ten Nord Alexis, ob es wahr sei, daß er erklärt habe,
Deutsche seien an der Revolution Firmins beteiligt. Der
Präsident erwiderte, er habe auf die Ausländer im allge-
meinen Bezug genommen und werde keine Maßnahme
gegen Deutsche gestatten. Die Lage war schon damals
kritisch. Jetzt ist die Krisis voll zum Ausbruch gekommen.

Die deutschen Interessen in Haiti sind bekanntlich rela-
tiv bedeutend. Es besteht eine Dampferverbindung mit
Hamburg, welche die Hamburg-Amerika-Linie eingerichtet
hat. Von den Schiffen, welche in Gonaires anlegen, ist
nahezu die Hälfte deutsch. In Port au Prince legten 1903
202 ausländische Schiffe mit einem Tonnengehalte von
302,460 an, darunter 107 deutsche mit einem Tonnen-
gehalte von 183,493. Wie erinnerlich, hat bei der Revolu-
tion von 1902 das deutsche Kanonenboot Panther Gelegen-
heit zu sehr energischer Vertretung der deutschen Inter-
essen gefunden. Diesmal wird der Kreuzer Bremen diese
Mission in hoffentlich gleich erfolgreicher Weise über-
nehmen. Auch die anderen an dem Handel in Haiti be-
teiligten Staaten haben Schiffe zum Schutze ihrer Unter-
tanen nach Haiti entsendet. Ueber den Fortgang der Re-
volution melden uns Drahtberichte folgendes:


(Privattelegramm.)
Aus Port au Prince wird gemeldet: Dort herrscht große
Erregung.
Die Konsulate werden von Flüchtlingen be-
stürmt. Es heißt, daß die Regierung neue Hinrichtungen be-
absichtigt. Der neue Minister des Innern unterzeichnete die
Todesurteile der 11 Erschossenen am Samstag Abend. Keiner
derselben hatte eine Ahnung von seinem Schicksal. Ungefähr
um 3 Uhr morgens wurden die Opfer von Soldaten aus den
Betten geholt und gezwungen, sich hastig anzukleiden. Sie wur-
den dann nach dem Kirchhof geführt und dort niedergeschossen.
Man hatte sie alle einer Verschwörung gegen den Präsidenten
zugunsten des Generals Firmin beschuldigt. Nach Bekannt-
werden der Hinrichtung eilten Hunderte von Flüchtlingen nach
dem deutschen Konsulate. Es war eine furchtbare Nacht. Ueber-
all sah man Truppen. Die Ausländer versteckten sich in Todes-
angst. Man fürchtet, daß die Truppen die Ausländer
niedermachen
werden. Die Haitianer haben vor den
Deutschen am meisten Angst. Es heißt, der Kreuzer Bre-
men
werde die Stadt bombardieren.


Dem hiesigen New-York Herald
wird aus Port au Prince telegraphiert: Die Zahl der hin-
gerichteten Personen beträgt 27, davon sind 13 auf dem Friedhof
in Salines erschossen worden. Der Präsident Nord Alexis
hat seinen Freunden erklärt, er fürchte die Schiffsdemonstration
nicht. Er ziehe es sogar vor, daß dieselbe ohne Verzögerung statt-
finde, da sonst die gegenwärtige Lage sich endlos verwickeln würde.
Die haitische Regierung sei entschlossen, sich mit Gewalt der
Flüchtlinge zu bemächtigen,
wenn man sie nicht gut-
willig herausgebe. Trotzdem habe der Präsident, um weitere
Verwicklungen zu vermeiden, die gegenwärtig im französischen
Gesandtschaftsgebäude befindlichen Flüchtlinge ermächtigt, Haiti
freiwillig zu verlassen. In der Stadt seien die abenteuerlichsten
Gerüchte verbreitet. Man sagt, daß die haitischen Soldaten
bei der Ankunft der fremden Schiffe die Ausländer an-
greifen
wollten. Die Hinrichtungen dauern fort.

[Spaltenumbruch]

(Privattelegramm.) Die
britischen, nach Haiti beorderten Kriegsschiffe machen die
Fahrt in etwa 20 Stunden. Cressy ist ein Panzerkreuzer von
5000 Tonnen mit zwei größeren und 17 kleineren Geschützen. Der
Indefatigable ist ein Kreuzer von 3600 Tonnen mit 22 Geschützen.
-- Aus New-York wird telegraphiert, daß der britische und
der deutsche Vertreter gestern drohend gehaltene Ultimaten
erhielten, die Flüchtlinge herauszugeben.


Hiesige Blätter melden aus Washing-
ton, daß das Kanonenboot Eagle den Befehl erhalten
habe, nach Haiti zu gehen, um die amerikanischen Interessen
dort wahrzunehmen.


(Privattelegramm.) Jn
Port au Prince sind alle Straßen menschenleer. Die meisten Ge-
schäfte sind geschlossen. Verschiedene hervorragende Firmi-
nianer
begingen Selbstmord.



Die bayerische Forstwirtschaft und der
Antrag Graf Törring.

Der Antrag des Herrn Grasen Törring ist hier im Zu-
sammenhang mit allgemeinen Betrachtungen über den Stand
der bayerischen Forstwirtschaft mit der Sympathie besprochen
worden, die er -- und zwar in ganz ungewöhnlichem Maße --
bei Fachleuten und Nichtfachleuten gefunden hat, ein sicheres
Zeichen, daß er im großen und ganzen das rechte Wort zur
rechten Zeit bedeutet. Von den öffentlichen Gutachtern, die
er auf den Plan gerufen hat, ist ihm jedoch in der ver-
meintlichen Stagnation der bayerischen Staatsforstverwaltung
mehrfach eine viel zu düstere Folie gegeben worden, damit
er von ihr um so leuchtender sich abhebe. Dagegen erhalten wir
von fachmännischer Seite einen Protest, den wir zum Abdruck
bringen zu sollen glauben, ohne daß wir ihn uns in allen
Einzelheiten zu eigen machen möchten.

Im Jahre 1903 tagte in Regensburg der Deutsche
Forstverein. Die Stadt war zum Versammlungsort ge-
wählt, um den Sachverständigen aus dem Reiche und dar-
über hinaus den bayerischen Femelschlag vorzuführen, wie
er durch Oberforstdirektor v. Huber seine eigen-
artige Durchbildung erfahren hatte. Hunderte von baye-
rischen und deutschen Forstleuten waren einig in der An-
erkennung des Geleisteten und in Wort und Lied wurde
der Schöpfer dieser Form des Femelschlags und oberste
Leiter des bayerischen Staatswaldes gefeiert.

Heute kann man in vielen Zeitungen scharfe indirekte
Angriffe gegen denselben Mann und gegen die Oberleitung
der bayerischen Forsten lesen; während bisher in der gan-
zen Welt die bayerischen Forsten als ebenso vorsichtig wie
gut verwaltet galten, und sie in Zeiten schwerer Kalami-
täten den höchsten Anforderungen genügt haben, erfährt
man mit einem Male, daß die Verwaltung höchst rückstän-
dig und nahezu unfähig ist; so sehr, daß sich sogar der Ver-
ein der Staatsforstverwaltungsbeamten berufen fühlt, zu
erklären, daß sie nicht die Unfähigen seien, sondern die
leitenden Stellen. Richtiger wäre es gewesen, wenn jener
Verein gegen die unberechtigten Angriffe Stellung genom-
men und gegen die Herabsetzung des bayerischen Forst-
betriebes sowohl in seinen leitenden wie ausführenden Be-
amten Protest erhoben hätte. Es ist ehrend anzuerkennen,
daß die mannigfachen Angriffe die Herren des Ministe-
riums nicht zu einer öffentlichen Beantwortung vermocht
haben. Wohl aber ist es für Personen, die nicht dem Forst-
dienst angehören und ihm doch nahe genug stehen, um eine
eigene Meinung zu haben, eine Pflicht der Ehrlichkeit und
Wahrhaftigkeit, Verwahrung gegen die Herabsetzung von
Männern einzulegen, welche in der ganzen forstlichen Welt
mit Ehren genannt werden.

Die Forstwirtschaft ist ein Gewerbe, das mit über-
kommenen Verhältnissen zu rechnen hat. Der Forstmann
erntet, was er nicht gesät hat; er sät, was er nicht ernten
wird. Umgestaltungen im Betriebe wirken auf Jahrzehnte
hinaus. Den Schaden, der angerichtet wurde, haben oft
erst die Enkel zu tragen. Es ist daher selbstverständlich,
daß Aenderungen im Betriebe nach jeder möglichen Rich-
tung geprüft und immer wieder geprüft werden müssen,
daß nur langsam, Schritt für Schritt vorwärts gegangen
werden kann. Die Forstwirtschaft eines großen Staates hat
ferner mit unerwarteten Ereignissen und nicht vorauszu-
sehenden Entwicklungen zu rechnen und muß sich für jede
künftige Forderung vorsehen. Es gibt deshalb keine größere
Staatsforstverwaltung, die bei ihrer Forsteinrichtung die
Grundsätze der forstlichen Bodenreinertragstheorie durch-
geführt hat; eine Theorie, die dagegen für größeren Pri-
vatbesitz volle Bedeutung hat. Der Forstbesitz eines Staates
ist eine Gabe der Vergangenheit, die Jetztzeit darf man nur
zum Teil für dessen Zustand verantwortlich machen. Wenn
der bayerische Wald einen großen Ueberschuß von überaltem
Nadelholz aufweist, so ist zum weitaus größeren Teile daran
die heutige Verwaltung nicht schuldig.

Man glaube ja nicht, daß diese wichtigen Fragen der
Forsteinrichtung den leitenden Forstmännern unbekannt
[Spaltenumbruch] gewesen seien. Jeder Forstmann weiß, daß sie seit vielen
Jahren geprüft und erwogen werden. Es mag sein, daß
der Fortschritt rascher erfolgen konnte; aber im Forstfach
ist Aeberstürzung zehnmal schlimmer als ein zu langes
Hinwarten. Hierzu kommt noch, daß die gültige Forst-
organisation, die mit Recht bei ihrer Einführung als eine
Tat und ein gewaltiger Schritt vorwärts anerkannt wurde,
die Ministerialinstanz zu sehr belastete und schwer beweg-
lich machte. Rechnet man hierzu noch die ungeheure Ar-
beitslast, welche die ganz ungewöhnlich schweren Kalami-
täten der letzten Jahrzehnte hinzufügten, so wird verständ-
lich, daß es erst jetzt möglich geworden ist, eine neue Forst-
organisation und neue Vorschriften für die Forsteinrich-
tung zu schaffen.

Gegenüber den Angriffen auf die forstliche Zentral-
stelle ist es notwendig, festzustellen, daß, wie allen forst-
lichen interessierten Kreisen bekannt ist,
der Entwurf einer neuen Forstorganisa-
tion zur Vorlage in den Kammern fertig,
der Entwurf einer neuen Forsteinrich-
tungsinstruktion bis zur kollegialen Be-
ratung fertig ist. Eine Forstverwaltung,
welche gleichzeitig die beiden schwersten ihr
zu stellenden Aufgaben auf nimmt, stagniert
nicht.

Es hätte einer Wartezeit von einigen Wochen, höch-
stens Monaten bedurft, bis die Entwürfe vorgelegt wur-
den. So lange sich der Angriffe zu enthalten, hätte der
Loyalität entsprochen.

Dabei ist aber zwischen dem Antrag Graf Törring und
den späteren Angriffen gegen die Zentralforstverwaltung
wohl zu unterscheiden.

Der Antrag Törring verlangt raschen Abtrieb der
alten Fichten- und Tannenbestände. Niemand bestreitet,
soweit sie ohne Schädigung des Waldes statthaben kann,
die Berechtigung dieser Forderung. Es fragt sich nur, wie
weit diese Grenze zu ziehen ist. Gegen eine Forsteinrich-
tung auf Grund bodenreinerträgerischer Rechnung wird sich
jede Staatsforstverwaltung sträuben; aber auch die For-
derung, die vorhandenen Althölzer in dreißig Jahren ab-
zutreiben, ist höchst bedenklich. Es ist allseitig bekannt,
welche vieljährige Arbeit und welche Geldaufwendungen
die Neukultur der von der Nonne kahlgefressenen Gebiete
gemacht hat. Der Antrag Törring verlangt
jährlich den Abtrieb einer annähernd halb
so großen Fläche wie der Kahlfraßfläche;

setzt man selbst dies auf die Hälfte herab und berücksichtigt,
daß sich der Einschlag auf zahlreiche Reviere verteilt, so
genügt dies doch, um den forstlichen Betrieb völlig umzu-
stürzen. Die natürliche Verjüngung und damit die Arbeit
von Jahrzehnten würde nahezu unmöglich gemacht; die
Kultur aus der Hand mit allen ihren waldbaulichen Ge-
fahren und Mängeln und ihren hohen Kulturkosten würde
eine völlige Umgestaltung der Arbeiterverhältnisse hervor-
bringen; kurzum, die Wirkungen des Antrags Graf Tör-
ring sind überhaupt nicht zu übersehen; seine Ausführung
ist ein Sprung ins Dunkle; niemand kann sagen, ob die
unausbleiblichen Schäden nicht größer sein werden, als die
erhofften Vorteile. Es ist kaum anzunehmen, daß
sich ein walderfahrener und seiner Ver-
antwortung bewußter Forstmann bereit
finden lassen würde, den Antrag Graf Tör-
ring in die Praxis über zu führen.

Es ist zu wünschen, daß die berechtigten Forderungen
des Antrags Graf Törring angenommen, aber in eine prak-
tisch ausführbare Form umgewandelt werden. Mit
großer Wahrscheinlichkeit werden sie dann
den Vorschriften der neuen Forsteinrich-
tungsinstruktion so ähnlich sehen, wie ein
Ei dem anderen.

Kann man sich demnach mit dem Törringschen Antrage
ganz gut abfinden, so sind seine Folgen, die sicher nicht be-
absichtigt waren, um so trauriger und beschämender. Da-
hin ist die Beunruhigung weiter Kreise zu rechnen, das
Mißtrauen, welches gegen einen wichtigen Zweig der
Staatsverwaltung erregt worden ist, die Erschütterung des
Ansehens der Staatsverwaltung, die ungerechten Angriffe
gegen hochstehende, in langer Dienstzeit erprobte Staats-
beamte. Am schmerzlichsten wird für jeden, der am Walde
und am Forstfach hängt, die Erklärung des Vereins baye-
rischer Staatsforstverwaltungsbeamten sein. Die Dar-
legung, daß die ausführenden Beamten klüger und bedeu-
tender als die leitenden Beamten seien, wird im Herzen
mancher leider mit Vorgesetzten behafteten Leute sympa-
thischen Widerhall finden, es ist aber doch etwas unge-
wöhnlich, wenn ein Verein höherer Beamten das in allen
Zeitungen abdrucken läßt. Im Dienst soll jeder Unter-
gebene seine sachliche Ueberzeugung rückhaltlos vertreten,
selbst wenn er weiß, daß er Mißstimmung erregt, dies ist
sein Recht und seine Ehre; aber nach außen hat er Rück-
sichten zu wahren.


Mittwoch, 18. März 1908. München.
Vorabendblatt. — Nr. 129
Allgemeine Zeitung.
Erſcheint täglich 2mal, — Einhundertelfter Jahrgang.
Bezugspreis: Ausgabe B mit Wiſſenſchaſtlicher Beilage und Internationaler Wochenſchrift in
München 1.50 Mark monatlich frei ins Haus; durch die Poſt: 2. — Mark monatlich. Ausgabe A (ohne
Beilage) in München 1. — Mark, durch die Poſt bezogen 1.50 Mark monatlich. Abonnements für
München: Expedition Bayerſtraße 57, deren Filialen und ſämtliche Zeitungs-Expeditionen; für
das Ausland: England: A. Siegle, 80 Lime Str. und The Anglo-Foreign Publiſhing Syndicate,
Ltd., 88 Coleman Str., in London; Frankreich, Portugal und Spanien: A. Ammel u. C. Klienckſieck
in Paris; das übrige Europa: die Poſtämter; Orient: das k. k. Poſtamt in Wien oder in Trieſt; Nord-
amerika: F. W. Chriſtern. E. Steiger & Co., Guſt. E. Stechert, Weſtermann & Co., ſämtlich in New York.
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Zeitung und alle Annoncen-Expeditionen. — Generalvertretungen: für Oeſterreich-Ungarn
in Wien V/I, Schönbrunner Str. 48 (Richard Jahn); Frankreich: John F. Jones & Co.,
31 bis Rue du Faubourg Montmartre in Paris; England: John F. Jones & Co.,
1 & 2 Snow Hill, Holborn-Viadukt, London; Rußland: L. & E. Metzl & Co., Moskau.
Mjasnitzkaja Haus Syſtow, St. Petersburg, Morskaja 11; Warſchau: Kral-Vorſtadt 53.
Chefredakteur: Dr. Hermann Diez.
Verantwortlich: für den politiſchen Teil mit Ausnahme der bayeriſchen Politik Dr. Rudolf Dammert; für den bayeriſchen Teil Dr. Paul Buſching; für das Feuilleton und den „Sonntag“ Alfred Frhr. v. Menſi;
für die Wiſſenſchaftliche Beilage Dr. Oskar Bulle; für den Handelsteil Leo Jolles, ſämtlich in München.
Redaktion: Bayerſtraße 57 Telephon 8432, 8433. = Druck und Verlag: Bayeriſche Druckerei & Verlagsanſtalt, G. m. b. H., in München. = Expedition: Bayerſtraße 57. Telephon 8430, 8431.
[Spaltenumbruch]
Das Neueſte vom Tage.

Oberlandesgerichtspräſident Dr. Spahn hat auf eine Land-
tagskandidatur verzichtet.



In den interfraktionellen Verhandlungen über das Vereins-
geſetz
wird heute eine Entſcheidung erwartet.



In Berlin iſt ein Verein deutſcher Dramatiker gegrün-
det worden.



In Liſſabon wurde eine Verſchwörung zugunſten einer
Militärdiktatur entdeckt.



Die Unruhen auf Haiti.

Die Negerrepublik Haiti befindet ſich einmal wieder
in vollem Aufruhr, der ein energiſches Einſchreiten der
Mächte zur Folge haben dürfte. General Antenor Firmin,
früher Finanzminiſter und Miniſterreſident in Paris, hat
ſchon im Januar gegen Nord Alexis, den Präſidenten der
Republik, mit dem er im Mai 1902 gegen den damaligen
Präſedenten Tireſias Simon Sam ausgezogen war und der
ihn nachher ſelbſt um den erhofften Präſidentenpoſten ge-
bracht hatte, eine Verſchwörung engezettelt. Er läßt ſeine
kaffeebraunen Scharen auf Port au Prince marſchieren,
nachdem er ſchon Gonaires und Saint Marc an der Weſt-
küſte beſetzt hat. Dieſe inneren Unruhen ziehen nun, wie
es ſcheint, auch das Konſularkorps in Mitleidenſchaft. Die
Fremden fürchten eine Schreckensherrſchaft. Der ameri-
kaniſche Konſul in Saint Marc wurde in New-York bei
einer Unterſuchung gegen einen Münzfälſcher der Teil-
nahme an der Revolution Firmins überführt und ſchleu-
nigſt abberufen. Ob Angehörige anderer Staaten gegen
Nord Alexis arbeiten, iſt nicht klar. Am 25. Februar fragte
der deutſche Miniſterreſident durch eine Note den Präſiden-
ten Nord Alexis, ob es wahr ſei, daß er erklärt habe,
Deutſche ſeien an der Revolution Firmins beteiligt. Der
Präſident erwiderte, er habe auf die Ausländer im allge-
meinen Bezug genommen und werde keine Maßnahme
gegen Deutſche geſtatten. Die Lage war ſchon damals
kritiſch. Jetzt iſt die Kriſis voll zum Ausbruch gekommen.

Die deutſchen Intereſſen in Haiti ſind bekanntlich rela-
tiv bedeutend. Es beſteht eine Dampferverbindung mit
Hamburg, welche die Hamburg-Amerika-Linie eingerichtet
hat. Von den Schiffen, welche in Gonaires anlegen, iſt
nahezu die Hälfte deutſch. In Port au Prince legten 1903
202 ausländiſche Schiffe mit einem Tonnengehalte von
302,460 an, darunter 107 deutſche mit einem Tonnen-
gehalte von 183,493. Wie erinnerlich, hat bei der Revolu-
tion von 1902 das deutſche Kanonenboot Panther Gelegen-
heit zu ſehr energiſcher Vertretung der deutſchen Inter-
eſſen gefunden. Diesmal wird der Kreuzer Bremen dieſe
Miſſion in hoffentlich gleich erfolgreicher Weiſe über-
nehmen. Auch die anderen an dem Handel in Haiti be-
teiligten Staaten haben Schiffe zum Schutze ihrer Unter-
tanen nach Haiti entſendet. Ueber den Fortgang der Re-
volution melden uns Drahtberichte folgendes:


(Privattelegramm.)
Aus Port au Prince wird gemeldet: Dort herrſcht große
Erregung.
Die Konſulate werden von Flüchtlingen be-
ſtürmt. Es heißt, daß die Regierung neue Hinrichtungen be-
abſichtigt. Der neue Miniſter des Innern unterzeichnete die
Todesurteile der 11 Erſchoſſenen am Samstag Abend. Keiner
derſelben hatte eine Ahnung von ſeinem Schickſal. Ungefähr
um 3 Uhr morgens wurden die Opfer von Soldaten aus den
Betten geholt und gezwungen, ſich haſtig anzukleiden. Sie wur-
den dann nach dem Kirchhof geführt und dort niedergeſchoſſen.
Man hatte ſie alle einer Verſchwörung gegen den Präſidenten
zugunſten des Generals Firmin beſchuldigt. Nach Bekannt-
werden der Hinrichtung eilten Hunderte von Flüchtlingen nach
dem deutſchen Konſulate. Es war eine furchtbare Nacht. Ueber-
all ſah man Truppen. Die Ausländer verſteckten ſich in Todes-
angſt. Man fürchtet, daß die Truppen die Ausländer
niedermachen
werden. Die Haitianer haben vor den
Deutſchen am meiſten Angſt. Es heißt, der Kreuzer Bre-
men
werde die Stadt bombardieren.


Dem hieſigen New-York Herald
wird aus Port au Prince telegraphiert: Die Zahl der hin-
gerichteten Perſonen beträgt 27, davon ſind 13 auf dem Friedhof
in Salines erſchoſſen worden. Der Präſident Nord Alexis
hat ſeinen Freunden erklärt, er fürchte die Schiffsdemonſtration
nicht. Er ziehe es ſogar vor, daß dieſelbe ohne Verzögerung ſtatt-
finde, da ſonſt die gegenwärtige Lage ſich endlos verwickeln würde.
Die haitiſche Regierung ſei entſchloſſen, ſich mit Gewalt der
Flüchtlinge zu bemächtigen,
wenn man ſie nicht gut-
willig herausgebe. Trotzdem habe der Präſident, um weitere
Verwicklungen zu vermeiden, die gegenwärtig im franzöſiſchen
Geſandtſchaftsgebäude befindlichen Flüchtlinge ermächtigt, Haiti
freiwillig zu verlaſſen. In der Stadt ſeien die abenteuerlichſten
Gerüchte verbreitet. Man ſagt, daß die haitiſchen Soldaten
bei der Ankunft der fremden Schiffe die Ausländer an-
greifen
wollten. Die Hinrichtungen dauern fort.

[Spaltenumbruch]

(Privattelegramm.) Die
britiſchen, nach Haiti beorderten Kriegsſchiffe machen die
Fahrt in etwa 20 Stunden. Creſſy iſt ein Panzerkreuzer von
5000 Tonnen mit zwei größeren und 17 kleineren Geſchützen. Der
Indefatigable iſt ein Kreuzer von 3600 Tonnen mit 22 Geſchützen.
— Aus New-York wird telegraphiert, daß der britiſche und
der deutſche Vertreter geſtern drohend gehaltene Ultimaten
erhielten, die Flüchtlinge herauszugeben.


Hieſige Blätter melden aus Waſhing-
ton, daß das Kanonenboot Eagle den Befehl erhalten
habe, nach Haiti zu gehen, um die amerikaniſchen Intereſſen
dort wahrzunehmen.


(Privattelegramm.) Jn
Port au Prince ſind alle Straßen menſchenleer. Die meiſten Ge-
ſchäfte ſind geſchloſſen. Verſchiedene hervorragende Firmi-
nianer
begingen Selbſtmord.



Die bayeriſche Forſtwirtſchaft und der
Antrag Graf Törring.

Der Antrag des Herrn Graſen Törring iſt hier im Zu-
ſammenhang mit allgemeinen Betrachtungen über den Stand
der bayeriſchen Forſtwirtſchaft mit der Sympathie beſprochen
worden, die er — und zwar in ganz ungewöhnlichem Maße —
bei Fachleuten und Nichtfachleuten gefunden hat, ein ſicheres
Zeichen, daß er im großen und ganzen das rechte Wort zur
rechten Zeit bedeutet. Von den öffentlichen Gutachtern, die
er auf den Plan gerufen hat, iſt ihm jedoch in der ver-
meintlichen Stagnation der bayeriſchen Staatsforſtverwaltung
mehrfach eine viel zu düſtere Folie gegeben worden, damit
er von ihr um ſo leuchtender ſich abhebe. Dagegen erhalten wir
von fachmänniſcher Seite einen Proteſt, den wir zum Abdruck
bringen zu ſollen glauben, ohne daß wir ihn uns in allen
Einzelheiten zu eigen machen möchten.

Im Jahre 1903 tagte in Regensburg der Deutſche
Forſtverein. Die Stadt war zum Verſammlungsort ge-
wählt, um den Sachverſtändigen aus dem Reiche und dar-
über hinaus den bayeriſchen Femelſchlag vorzuführen, wie
er durch Oberforſtdirektor v. Huber ſeine eigen-
artige Durchbildung erfahren hatte. Hunderte von baye-
riſchen und deutſchen Forſtleuten waren einig in der An-
erkennung des Geleiſteten und in Wort und Lied wurde
der Schöpfer dieſer Form des Femelſchlags und oberſte
Leiter des bayeriſchen Staatswaldes gefeiert.

Heute kann man in vielen Zeitungen ſcharfe indirekte
Angriffe gegen denſelben Mann und gegen die Oberleitung
der bayeriſchen Forſten leſen; während bisher in der gan-
zen Welt die bayeriſchen Forſten als ebenſo vorſichtig wie
gut verwaltet galten, und ſie in Zeiten ſchwerer Kalami-
täten den höchſten Anforderungen genügt haben, erfährt
man mit einem Male, daß die Verwaltung höchſt rückſtän-
dig und nahezu unfähig iſt; ſo ſehr, daß ſich ſogar der Ver-
ein der Staatsforſtverwaltungsbeamten berufen fühlt, zu
erklären, daß ſie nicht die Unfähigen ſeien, ſondern die
leitenden Stellen. Richtiger wäre es geweſen, wenn jener
Verein gegen die unberechtigten Angriffe Stellung genom-
men und gegen die Herabſetzung des bayeriſchen Forſt-
betriebes ſowohl in ſeinen leitenden wie ausführenden Be-
amten Proteſt erhoben hätte. Es iſt ehrend anzuerkennen,
daß die mannigfachen Angriffe die Herren des Miniſte-
riums nicht zu einer öffentlichen Beantwortung vermocht
haben. Wohl aber iſt es für Perſonen, die nicht dem Forſt-
dienſt angehören und ihm doch nahe genug ſtehen, um eine
eigene Meinung zu haben, eine Pflicht der Ehrlichkeit und
Wahrhaftigkeit, Verwahrung gegen die Herabſetzung von
Männern einzulegen, welche in der ganzen forſtlichen Welt
mit Ehren genannt werden.

Die Forſtwirtſchaft iſt ein Gewerbe, das mit über-
kommenen Verhältniſſen zu rechnen hat. Der Forſtmann
erntet, was er nicht geſät hat; er ſät, was er nicht ernten
wird. Umgeſtaltungen im Betriebe wirken auf Jahrzehnte
hinaus. Den Schaden, der angerichtet wurde, haben oft
erſt die Enkel zu tragen. Es iſt daher ſelbſtverſtändlich,
daß Aenderungen im Betriebe nach jeder möglichen Rich-
tung geprüft und immer wieder geprüft werden müſſen,
daß nur langſam, Schritt für Schritt vorwärts gegangen
werden kann. Die Forſtwirtſchaft eines großen Staates hat
ferner mit unerwarteten Ereigniſſen und nicht vorauszu-
ſehenden Entwicklungen zu rechnen und muß ſich für jede
künftige Forderung vorſehen. Es gibt deshalb keine größere
Staatsforſtverwaltung, die bei ihrer Forſteinrichtung die
Grundſätze der forſtlichen Bodenreinertragstheorie durch-
geführt hat; eine Theorie, die dagegen für größeren Pri-
vatbeſitz volle Bedeutung hat. Der Forſtbeſitz eines Staates
iſt eine Gabe der Vergangenheit, die Jetztzeit darf man nur
zum Teil für deſſen Zuſtand verantwortlich machen. Wenn
der bayeriſche Wald einen großen Ueberſchuß von überaltem
Nadelholz aufweiſt, ſo iſt zum weitaus größeren Teile daran
die heutige Verwaltung nicht ſchuldig.

Man glaube ja nicht, daß dieſe wichtigen Fragen der
Forſteinrichtung den leitenden Forſtmännern unbekannt
[Spaltenumbruch] geweſen ſeien. Jeder Forſtmann weiß, daß ſie ſeit vielen
Jahren geprüft und erwogen werden. Es mag ſein, daß
der Fortſchritt raſcher erfolgen konnte; aber im Forſtfach
iſt Aeberſtürzung zehnmal ſchlimmer als ein zu langes
Hinwarten. Hierzu kommt noch, daß die gültige Forſt-
organiſation, die mit Recht bei ihrer Einführung als eine
Tat und ein gewaltiger Schritt vorwärts anerkannt wurde,
die Miniſterialinſtanz zu ſehr belaſtete und ſchwer beweg-
lich machte. Rechnet man hierzu noch die ungeheure Ar-
beitslaſt, welche die ganz ungewöhnlich ſchweren Kalami-
täten der letzten Jahrzehnte hinzufügten, ſo wird verſtänd-
lich, daß es erſt jetzt möglich geworden iſt, eine neue Forſt-
organiſation und neue Vorſchriften für die Forſteinrich-
tung zu ſchaffen.

Gegenüber den Angriffen auf die forſtliche Zentral-
ſtelle iſt es notwendig, feſtzuſtellen, daß, wie allen forſt-
lichen intereſſierten Kreiſen bekannt iſt,
der Entwurf einer neuen Forſtorganiſa-
tion zur Vorlage in den Kammern fertig,
der Entwurf einer neuen Forſteinrich-
tungsinſtruktion bis zur kollegialen Be-
ratung fertig iſt. Eine Forſtverwaltung,
welche gleichzeitig die beiden ſchwerſten ihr
zu ſtellenden Aufgaben auf nimmt, ſtagniert
nicht.

Es hätte einer Wartezeit von einigen Wochen, höch-
ſtens Monaten bedurft, bis die Entwürfe vorgelegt wur-
den. So lange ſich der Angriffe zu enthalten, hätte der
Loyalität entſprochen.

Dabei iſt aber zwiſchen dem Antrag Graf Törring und
den ſpäteren Angriffen gegen die Zentralforſtverwaltung
wohl zu unterſcheiden.

Der Antrag Törring verlangt raſchen Abtrieb der
alten Fichten- und Tannenbeſtände. Niemand beſtreitet,
ſoweit ſie ohne Schädigung des Waldes ſtatthaben kann,
die Berechtigung dieſer Forderung. Es fragt ſich nur, wie
weit dieſe Grenze zu ziehen iſt. Gegen eine Forſteinrich-
tung auf Grund bodenreinerträgeriſcher Rechnung wird ſich
jede Staatsforſtverwaltung ſträuben; aber auch die For-
derung, die vorhandenen Althölzer in dreißig Jahren ab-
zutreiben, iſt höchſt bedenklich. Es iſt allſeitig bekannt,
welche vieljährige Arbeit und welche Geldaufwendungen
die Neukultur der von der Nonne kahlgefreſſenen Gebiete
gemacht hat. Der Antrag Törring verlangt
jährlich den Abtrieb einer annähernd halb
ſo großen Fläche wie der Kahlfraßfläche;

ſetzt man ſelbſt dies auf die Hälfte herab und berückſichtigt,
daß ſich der Einſchlag auf zahlreiche Reviere verteilt, ſo
genügt dies doch, um den forſtlichen Betrieb völlig umzu-
ſtürzen. Die natürliche Verjüngung und damit die Arbeit
von Jahrzehnten würde nahezu unmöglich gemacht; die
Kultur aus der Hand mit allen ihren waldbaulichen Ge-
fahren und Mängeln und ihren hohen Kulturkoſten würde
eine völlige Umgeſtaltung der Arbeiterverhältniſſe hervor-
bringen; kurzum, die Wirkungen des Antrags Graf Tör-
ring ſind überhaupt nicht zu überſehen; ſeine Ausführung
iſt ein Sprung ins Dunkle; niemand kann ſagen, ob die
unausbleiblichen Schäden nicht größer ſein werden, als die
erhofften Vorteile. Es iſt kaum anzunehmen, daß
ſich ein walderfahrener und ſeiner Ver-
antwortung bewußter Forſtmann bereit
finden laſſen würde, den Antrag Graf Tör-
ring in die Praxis über zu führen.

Es iſt zu wünſchen, daß die berechtigten Forderungen
des Antrags Graf Törring angenommen, aber in eine prak-
tiſch ausführbare Form umgewandelt werden. Mit
großer Wahrſcheinlichkeit werden ſie dann
den Vorſchriften der neuen Forſteinrich-
tungsinſtruktion ſo ähnlich ſehen, wie ein
Ei dem anderen.

Kann man ſich demnach mit dem Törringſchen Antrage
ganz gut abfinden, ſo ſind ſeine Folgen, die ſicher nicht be-
abſichtigt waren, um ſo trauriger und beſchämender. Da-
hin iſt die Beunruhigung weiter Kreiſe zu rechnen, das
Mißtrauen, welches gegen einen wichtigen Zweig der
Staatsverwaltung erregt worden iſt, die Erſchütterung des
Anſehens der Staatsverwaltung, die ungerechten Angriffe
gegen hochſtehende, in langer Dienſtzeit erprobte Staats-
beamte. Am ſchmerzlichſten wird für jeden, der am Walde
und am Forſtfach hängt, die Erklärung des Vereins baye-
riſcher Staatsforſtverwaltungsbeamten ſein. Die Dar-
legung, daß die ausführenden Beamten klüger und bedeu-
tender als die leitenden Beamten ſeien, wird im Herzen
mancher leider mit Vorgeſetzten behafteten Leute ſympa-
thiſchen Widerhall finden, es iſt aber doch etwas unge-
wöhnlich, wenn ein Verein höherer Beamten das in allen
Zeitungen abdrucken läßt. Im Dienſt ſoll jeder Unter-
gebene ſeine ſachliche Ueberzeugung rückhaltlos vertreten,
ſelbſt wenn er weiß, daß er Mißſtimmung erregt, dies iſt
ſein Recht und ſeine Ehre; aber nach außen hat er Rück-
ſichten zu wahren.

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[0001] Mittwoch, 18. März 1908. München. Vorabendblatt. — Nr. 129 Allgemeine Zeitung. Erſcheint täglich 2mal, — Einhundertelfter Jahrgang. Bezugspreis: Ausgabe B mit Wiſſenſchaſtlicher Beilage und Internationaler Wochenſchrift in München 1.50 Mark monatlich frei ins Haus; durch die Poſt: 2. — Mark monatlich. Ausgabe A (ohne Beilage) in München 1. — Mark, durch die Poſt bezogen 1.50 Mark monatlich. Abonnements für München: Expedition Bayerſtraße 57, deren Filialen und ſämtliche Zeitungs-Expeditionen; für das Ausland: England: A. Siegle, 80 Lime Str. und The Anglo-Foreign Publiſhing Syndicate, Ltd., 88 Coleman Str., in London; Frankreich, Portugal und Spanien: A. Ammel u. C. Klienckſieck in Paris; das übrige Europa: die Poſtämter; Orient: das k. k. Poſtamt in Wien oder in Trieſt; Nord- amerika: F. W. Chriſtern. E. Steiger & Co., Guſt. E. Stechert, Weſtermann & Co., ſämtlich in New York. [Abbildung] Inſertionspreis: für die 7 geſpaltene Kolonelzeile oder deren Raum im Morgenblatt 40 Pfennig, im Abendblatt 30 Pfennig, Lokale Anzeigen nach Tarif. Stellen-Geſuche 10 Pfennig. Inſeraten-Annahme in München: Expedition Bayerſtraße 57, die Filialen der Allgemeinen Zeitung und alle Annoncen-Expeditionen. — Generalvertretungen: für Oeſterreich-Ungarn in Wien V/I, Schönbrunner Str. 48 (Richard Jahn); Frankreich: John F. Jones & Co., 31 bis Rue du Faubourg Montmartre in Paris; England: John F. Jones & Co., 1 & 2 Snow Hill, Holborn-Viadukt, London; Rußland: L. & E. Metzl & Co., Moskau. Mjasnitzkaja Haus Syſtow, St. Petersburg, Morskaja 11; Warſchau: Kral-Vorſtadt 53. Chefredakteur: Dr. Hermann Diez. Verantwortlich: für den politiſchen Teil mit Ausnahme der bayeriſchen Politik Dr. Rudolf Dammert; für den bayeriſchen Teil Dr. Paul Buſching; für das Feuilleton und den „Sonntag“ Alfred Frhr. v. Menſi; für die Wiſſenſchaftliche Beilage Dr. Oskar Bulle; für den Handelsteil Leo Jolles, ſämtlich in München. Redaktion: Bayerſtraße 57 Telephon 8432, 8433. = Druck und Verlag: Bayeriſche Druckerei & Verlagsanſtalt, G. m. b. H., in München. = Expedition: Bayerſtraße 57. Telephon 8430, 8431. Das Neueſte vom Tage. Oberlandesgerichtspräſident Dr. Spahn hat auf eine Land- tagskandidatur verzichtet. In den interfraktionellen Verhandlungen über das Vereins- geſetz wird heute eine Entſcheidung erwartet. In Berlin iſt ein Verein deutſcher Dramatiker gegrün- det worden. In Liſſabon wurde eine Verſchwörung zugunſten einer Militärdiktatur entdeckt. Die Unruhen auf Haiti. Die Negerrepublik Haiti befindet ſich einmal wieder in vollem Aufruhr, der ein energiſches Einſchreiten der Mächte zur Folge haben dürfte. General Antenor Firmin, früher Finanzminiſter und Miniſterreſident in Paris, hat ſchon im Januar gegen Nord Alexis, den Präſidenten der Republik, mit dem er im Mai 1902 gegen den damaligen Präſedenten Tireſias Simon Sam ausgezogen war und der ihn nachher ſelbſt um den erhofften Präſidentenpoſten ge- bracht hatte, eine Verſchwörung engezettelt. Er läßt ſeine kaffeebraunen Scharen auf Port au Prince marſchieren, nachdem er ſchon Gonaires und Saint Marc an der Weſt- küſte beſetzt hat. Dieſe inneren Unruhen ziehen nun, wie es ſcheint, auch das Konſularkorps in Mitleidenſchaft. Die Fremden fürchten eine Schreckensherrſchaft. Der ameri- kaniſche Konſul in Saint Marc wurde in New-York bei einer Unterſuchung gegen einen Münzfälſcher der Teil- nahme an der Revolution Firmins überführt und ſchleu- nigſt abberufen. Ob Angehörige anderer Staaten gegen Nord Alexis arbeiten, iſt nicht klar. Am 25. Februar fragte der deutſche Miniſterreſident durch eine Note den Präſiden- ten Nord Alexis, ob es wahr ſei, daß er erklärt habe, Deutſche ſeien an der Revolution Firmins beteiligt. Der Präſident erwiderte, er habe auf die Ausländer im allge- meinen Bezug genommen und werde keine Maßnahme gegen Deutſche geſtatten. Die Lage war ſchon damals kritiſch. Jetzt iſt die Kriſis voll zum Ausbruch gekommen. Die deutſchen Intereſſen in Haiti ſind bekanntlich rela- tiv bedeutend. Es beſteht eine Dampferverbindung mit Hamburg, welche die Hamburg-Amerika-Linie eingerichtet hat. Von den Schiffen, welche in Gonaires anlegen, iſt nahezu die Hälfte deutſch. In Port au Prince legten 1903 202 ausländiſche Schiffe mit einem Tonnengehalte von 302,460 an, darunter 107 deutſche mit einem Tonnen- gehalte von 183,493. Wie erinnerlich, hat bei der Revolu- tion von 1902 das deutſche Kanonenboot Panther Gelegen- heit zu ſehr energiſcher Vertretung der deutſchen Inter- eſſen gefunden. Diesmal wird der Kreuzer Bremen dieſe Miſſion in hoffentlich gleich erfolgreicher Weiſe über- nehmen. Auch die anderen an dem Handel in Haiti be- teiligten Staaten haben Schiffe zum Schutze ihrer Unter- tanen nach Haiti entſendet. Ueber den Fortgang der Re- volution melden uns Drahtberichte folgendes: z. London, 17. März, 9.14 V. (Privattelegramm.) Aus Port au Prince wird gemeldet: Dort herrſcht große Erregung. Die Konſulate werden von Flüchtlingen be- ſtürmt. Es heißt, daß die Regierung neue Hinrichtungen be- abſichtigt. Der neue Miniſter des Innern unterzeichnete die Todesurteile der 11 Erſchoſſenen am Samstag Abend. Keiner derſelben hatte eine Ahnung von ſeinem Schickſal. Ungefähr um 3 Uhr morgens wurden die Opfer von Soldaten aus den Betten geholt und gezwungen, ſich haſtig anzukleiden. Sie wur- den dann nach dem Kirchhof geführt und dort niedergeſchoſſen. Man hatte ſie alle einer Verſchwörung gegen den Präſidenten zugunſten des Generals Firmin beſchuldigt. Nach Bekannt- werden der Hinrichtung eilten Hunderte von Flüchtlingen nach dem deutſchen Konſulate. Es war eine furchtbare Nacht. Ueber- all ſah man Truppen. Die Ausländer verſteckten ſich in Todes- angſt. Man fürchtet, daß die Truppen die Ausländer niedermachen werden. Die Haitianer haben vor den Deutſchen am meiſten Angſt. Es heißt, der Kreuzer Bre- men werde die Stadt bombardieren. * Paris, 17. März. Dem hieſigen New-York Herald wird aus Port au Prince telegraphiert: Die Zahl der hin- gerichteten Perſonen beträgt 27, davon ſind 13 auf dem Friedhof in Salines erſchoſſen worden. Der Präſident Nord Alexis hat ſeinen Freunden erklärt, er fürchte die Schiffsdemonſtration nicht. Er ziehe es ſogar vor, daß dieſelbe ohne Verzögerung ſtatt- finde, da ſonſt die gegenwärtige Lage ſich endlos verwickeln würde. Die haitiſche Regierung ſei entſchloſſen, ſich mit Gewalt der Flüchtlinge zu bemächtigen, wenn man ſie nicht gut- willig herausgebe. Trotzdem habe der Präſident, um weitere Verwicklungen zu vermeiden, die gegenwärtig im franzöſiſchen Geſandtſchaftsgebäude befindlichen Flüchtlinge ermächtigt, Haiti freiwillig zu verlaſſen. In der Stadt ſeien die abenteuerlichſten Gerüchte verbreitet. Man ſagt, daß die haitiſchen Soldaten bei der Ankunft der fremden Schiffe die Ausländer an- greifen wollten. Die Hinrichtungen dauern fort. z. London, 17. März, 9.45 V. (Privattelegramm.) Die britiſchen, nach Haiti beorderten Kriegsſchiffe machen die Fahrt in etwa 20 Stunden. Creſſy iſt ein Panzerkreuzer von 5000 Tonnen mit zwei größeren und 17 kleineren Geſchützen. Der Indefatigable iſt ein Kreuzer von 3600 Tonnen mit 22 Geſchützen. — Aus New-York wird telegraphiert, daß der britiſche und der deutſche Vertreter geſtern drohend gehaltene Ultimaten erhielten, die Flüchtlinge herauszugeben. * London, 17. März. Hieſige Blätter melden aus Waſhing- ton, daß das Kanonenboot Eagle den Befehl erhalten habe, nach Haiti zu gehen, um die amerikaniſchen Intereſſen dort wahrzunehmen. u. Paris, 17. März, 11.10 V. (Privattelegramm.) Jn Port au Prince ſind alle Straßen menſchenleer. Die meiſten Ge- ſchäfte ſind geſchloſſen. Verſchiedene hervorragende Firmi- nianer begingen Selbſtmord. Die bayeriſche Forſtwirtſchaft und der Antrag Graf Törring. München, 17. März. Der Antrag des Herrn Graſen Törring iſt hier im Zu- ſammenhang mit allgemeinen Betrachtungen über den Stand der bayeriſchen Forſtwirtſchaft mit der Sympathie beſprochen worden, die er — und zwar in ganz ungewöhnlichem Maße — bei Fachleuten und Nichtfachleuten gefunden hat, ein ſicheres Zeichen, daß er im großen und ganzen das rechte Wort zur rechten Zeit bedeutet. Von den öffentlichen Gutachtern, die er auf den Plan gerufen hat, iſt ihm jedoch in der ver- meintlichen Stagnation der bayeriſchen Staatsforſtverwaltung mehrfach eine viel zu düſtere Folie gegeben worden, damit er von ihr um ſo leuchtender ſich abhebe. Dagegen erhalten wir von fachmänniſcher Seite einen Proteſt, den wir zum Abdruck bringen zu ſollen glauben, ohne daß wir ihn uns in allen Einzelheiten zu eigen machen möchten. Im Jahre 1903 tagte in Regensburg der Deutſche Forſtverein. Die Stadt war zum Verſammlungsort ge- wählt, um den Sachverſtändigen aus dem Reiche und dar- über hinaus den bayeriſchen Femelſchlag vorzuführen, wie er durch Oberforſtdirektor v. Huber ſeine eigen- artige Durchbildung erfahren hatte. Hunderte von baye- riſchen und deutſchen Forſtleuten waren einig in der An- erkennung des Geleiſteten und in Wort und Lied wurde der Schöpfer dieſer Form des Femelſchlags und oberſte Leiter des bayeriſchen Staatswaldes gefeiert. Heute kann man in vielen Zeitungen ſcharfe indirekte Angriffe gegen denſelben Mann und gegen die Oberleitung der bayeriſchen Forſten leſen; während bisher in der gan- zen Welt die bayeriſchen Forſten als ebenſo vorſichtig wie gut verwaltet galten, und ſie in Zeiten ſchwerer Kalami- täten den höchſten Anforderungen genügt haben, erfährt man mit einem Male, daß die Verwaltung höchſt rückſtän- dig und nahezu unfähig iſt; ſo ſehr, daß ſich ſogar der Ver- ein der Staatsforſtverwaltungsbeamten berufen fühlt, zu erklären, daß ſie nicht die Unfähigen ſeien, ſondern die leitenden Stellen. Richtiger wäre es geweſen, wenn jener Verein gegen die unberechtigten Angriffe Stellung genom- men und gegen die Herabſetzung des bayeriſchen Forſt- betriebes ſowohl in ſeinen leitenden wie ausführenden Be- amten Proteſt erhoben hätte. Es iſt ehrend anzuerkennen, daß die mannigfachen Angriffe die Herren des Miniſte- riums nicht zu einer öffentlichen Beantwortung vermocht haben. Wohl aber iſt es für Perſonen, die nicht dem Forſt- dienſt angehören und ihm doch nahe genug ſtehen, um eine eigene Meinung zu haben, eine Pflicht der Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit, Verwahrung gegen die Herabſetzung von Männern einzulegen, welche in der ganzen forſtlichen Welt mit Ehren genannt werden. Die Forſtwirtſchaft iſt ein Gewerbe, das mit über- kommenen Verhältniſſen zu rechnen hat. Der Forſtmann erntet, was er nicht geſät hat; er ſät, was er nicht ernten wird. Umgeſtaltungen im Betriebe wirken auf Jahrzehnte hinaus. Den Schaden, der angerichtet wurde, haben oft erſt die Enkel zu tragen. Es iſt daher ſelbſtverſtändlich, daß Aenderungen im Betriebe nach jeder möglichen Rich- tung geprüft und immer wieder geprüft werden müſſen, daß nur langſam, Schritt für Schritt vorwärts gegangen werden kann. Die Forſtwirtſchaft eines großen Staates hat ferner mit unerwarteten Ereigniſſen und nicht vorauszu- ſehenden Entwicklungen zu rechnen und muß ſich für jede künftige Forderung vorſehen. Es gibt deshalb keine größere Staatsforſtverwaltung, die bei ihrer Forſteinrichtung die Grundſätze der forſtlichen Bodenreinertragstheorie durch- geführt hat; eine Theorie, die dagegen für größeren Pri- vatbeſitz volle Bedeutung hat. Der Forſtbeſitz eines Staates iſt eine Gabe der Vergangenheit, die Jetztzeit darf man nur zum Teil für deſſen Zuſtand verantwortlich machen. Wenn der bayeriſche Wald einen großen Ueberſchuß von überaltem Nadelholz aufweiſt, ſo iſt zum weitaus größeren Teile daran die heutige Verwaltung nicht ſchuldig. Man glaube ja nicht, daß dieſe wichtigen Fragen der Forſteinrichtung den leitenden Forſtmännern unbekannt geweſen ſeien. Jeder Forſtmann weiß, daß ſie ſeit vielen Jahren geprüft und erwogen werden. Es mag ſein, daß der Fortſchritt raſcher erfolgen konnte; aber im Forſtfach iſt Aeberſtürzung zehnmal ſchlimmer als ein zu langes Hinwarten. Hierzu kommt noch, daß die gültige Forſt- organiſation, die mit Recht bei ihrer Einführung als eine Tat und ein gewaltiger Schritt vorwärts anerkannt wurde, die Miniſterialinſtanz zu ſehr belaſtete und ſchwer beweg- lich machte. Rechnet man hierzu noch die ungeheure Ar- beitslaſt, welche die ganz ungewöhnlich ſchweren Kalami- täten der letzten Jahrzehnte hinzufügten, ſo wird verſtänd- lich, daß es erſt jetzt möglich geworden iſt, eine neue Forſt- organiſation und neue Vorſchriften für die Forſteinrich- tung zu ſchaffen. Gegenüber den Angriffen auf die forſtliche Zentral- ſtelle iſt es notwendig, feſtzuſtellen, daß, wie allen forſt- lichen intereſſierten Kreiſen bekannt iſt, der Entwurf einer neuen Forſtorganiſa- tion zur Vorlage in den Kammern fertig, der Entwurf einer neuen Forſteinrich- tungsinſtruktion bis zur kollegialen Be- ratung fertig iſt. Eine Forſtverwaltung, welche gleichzeitig die beiden ſchwerſten ihr zu ſtellenden Aufgaben auf nimmt, ſtagniert nicht. Es hätte einer Wartezeit von einigen Wochen, höch- ſtens Monaten bedurft, bis die Entwürfe vorgelegt wur- den. So lange ſich der Angriffe zu enthalten, hätte der Loyalität entſprochen. Dabei iſt aber zwiſchen dem Antrag Graf Törring und den ſpäteren Angriffen gegen die Zentralforſtverwaltung wohl zu unterſcheiden. Der Antrag Törring verlangt raſchen Abtrieb der alten Fichten- und Tannenbeſtände. Niemand beſtreitet, ſoweit ſie ohne Schädigung des Waldes ſtatthaben kann, die Berechtigung dieſer Forderung. Es fragt ſich nur, wie weit dieſe Grenze zu ziehen iſt. Gegen eine Forſteinrich- tung auf Grund bodenreinerträgeriſcher Rechnung wird ſich jede Staatsforſtverwaltung ſträuben; aber auch die For- derung, die vorhandenen Althölzer in dreißig Jahren ab- zutreiben, iſt höchſt bedenklich. Es iſt allſeitig bekannt, welche vieljährige Arbeit und welche Geldaufwendungen die Neukultur der von der Nonne kahlgefreſſenen Gebiete gemacht hat. Der Antrag Törring verlangt jährlich den Abtrieb einer annähernd halb ſo großen Fläche wie der Kahlfraßfläche; ſetzt man ſelbſt dies auf die Hälfte herab und berückſichtigt, daß ſich der Einſchlag auf zahlreiche Reviere verteilt, ſo genügt dies doch, um den forſtlichen Betrieb völlig umzu- ſtürzen. Die natürliche Verjüngung und damit die Arbeit von Jahrzehnten würde nahezu unmöglich gemacht; die Kultur aus der Hand mit allen ihren waldbaulichen Ge- fahren und Mängeln und ihren hohen Kulturkoſten würde eine völlige Umgeſtaltung der Arbeiterverhältniſſe hervor- bringen; kurzum, die Wirkungen des Antrags Graf Tör- ring ſind überhaupt nicht zu überſehen; ſeine Ausführung iſt ein Sprung ins Dunkle; niemand kann ſagen, ob die unausbleiblichen Schäden nicht größer ſein werden, als die erhofften Vorteile. Es iſt kaum anzunehmen, daß ſich ein walderfahrener und ſeiner Ver- antwortung bewußter Forſtmann bereit finden laſſen würde, den Antrag Graf Tör- ring in die Praxis über zu führen. Es iſt zu wünſchen, daß die berechtigten Forderungen des Antrags Graf Törring angenommen, aber in eine prak- tiſch ausführbare Form umgewandelt werden. Mit großer Wahrſcheinlichkeit werden ſie dann den Vorſchriften der neuen Forſteinrich- tungsinſtruktion ſo ähnlich ſehen, wie ein Ei dem anderen. Kann man ſich demnach mit dem Törringſchen Antrage ganz gut abfinden, ſo ſind ſeine Folgen, die ſicher nicht be- abſichtigt waren, um ſo trauriger und beſchämender. Da- hin iſt die Beunruhigung weiter Kreiſe zu rechnen, das Mißtrauen, welches gegen einen wichtigen Zweig der Staatsverwaltung erregt worden iſt, die Erſchütterung des Anſehens der Staatsverwaltung, die ungerechten Angriffe gegen hochſtehende, in langer Dienſtzeit erprobte Staats- beamte. Am ſchmerzlichſten wird für jeden, der am Walde und am Forſtfach hängt, die Erklärung des Vereins baye- riſcher Staatsforſtverwaltungsbeamten ſein. Die Dar- legung, daß die ausführenden Beamten klüger und bedeu- tender als die leitenden Beamten ſeien, wird im Herzen mancher leider mit Vorgeſetzten behafteten Leute ſympa- thiſchen Widerhall finden, es iſt aber doch etwas unge- wöhnlich, wenn ein Verein höherer Beamten das in allen Zeitungen abdrucken läßt. Im Dienſt ſoll jeder Unter- gebene ſeine ſachliche Ueberzeugung rückhaltlos vertreten, ſelbſt wenn er weiß, daß er Mißſtimmung erregt, dies iſt ſein Recht und ſeine Ehre; aber nach außen hat er Rück- ſichten zu wahren. E. R.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-09-13T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 129. München, 18. März 1908, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine129_1908/1>, abgerufen am 21.11.2024.