Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872.[Spaltenumbruch]
Frage was ihr Eigenthum sei, und vorbehaltlich des §. 58 der 2. Verfassungsbeilage * Berlin, 10 Jan. Aus der gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses Abg. Richter (Hagen) brachte das Verfahren des Polizeipräsidenten v. Gerhardt Eine (dritte) Neujahrsbetrachtung welche die "Provincial-Corresp." unter Dresden, 11 Jan. In der heutigen Sitzung der Abgeordnetenkammer Börsenbericht. D. Frankfurt a. M., 11 Jan. (Börsenbericht.) Die Börse setzt ihre Telegraphische Curs- und Handelsberichte. * Wien, 12 Jan. Schlußcurse: Silberrente 73.50, Papierrente 62.75, 1860er * Wien, 12 Jan. Abend-Privatverkehr. Creditactien 344.20, 1860er Loose 105, (*) Wien, 12 Jan. Die Lombarden-Einnahmen vom 1 bis 7 Januar betragen * London, 12 Jan. Eröffnungscurse. 3proc. Consols 92, 1882er Amerikaner (*) London, 12 Jan. Getreidemarkt. Eröffnungsbericht. Der Markt ruhig, * Liverpool, 12 Jan. Anfangsbericht. Muthmaßlicher Umsatz 15,000 B., Tendenz: * Paris, 12 Jan. Eröffnungscurse. 3proc. Rente 56.22, 5proc. Anl. 91,25, * Paris, 12 Jan. Schlußcurse. 5proc. Anl. 91.30, 41/2proc. Rente 82, 3proc. (*) Paris, 11 Jan. Productenmarkt. (Schlußbericht.) Mehl 8 Marken per Jan 82, * Amsterdam, 12 Jan. Börse. 3proc. Spanier 321/4, 6proc. Amerikaner 97 1/8 , (*) Amsterdam, 12 Jan. Productenmackt. (Schlußbericht) Weizen ruhig, loeo 395, [Spaltenumbruch]
Frage was ihr Eigenthum ſei, und vorbehaltlich des §. 58 der 2. Verfaſſungsbeilage * Berlin, 10 Jan. Aus der geſtrigen Sitzung des Abgeordnetenhauſes Abg. Richter (Hagen) brachte das Verfahren des Polizeipräſidenten v. Gerhardt Eine (dritte) Neujahrsbetrachtung welche die „Provincial-Correſp.“ unter Dresden, 11 Jan. In der heutigen Sitzung der Abgeordnetenkammer Börſenbericht. D. Frankfurt a. M., 11 Jan. (Börſenbericht.) Die Börſe ſetzt ihre Telegraphiſche Curs- und Handelsberichte. * Wien, 12 Jan. Schlußcurſe: Silberrente 73.50, Papierrente 62.75, 1860er * Wien, 12 Jan. Abend-Privatverkehr. Creditactien 344.20, 1860er Looſe 105, (*) Wien, 12 Jan. Die Lombarden-Einnahmen vom 1 bis 7 Januar betragen * London, 12 Jan. Eröffnungscurſe. 3proc. Conſols 92, 1882er Amerikaner (*) London, 12 Jan. Getreidemarkt. Eröffnungsbericht. Der Markt ruhig, * Liverpool, 12 Jan. Anfangsbericht. Muthmaßlicher Umſatz 15,000 B., Tendenz: * Paris, 12 Jan. Eröffnungscurſe. 3proc. Rente 56.22, 5proc. Anl. 91,25, * Paris, 12 Jan. Schlußcurſe. 5proc. Anl. 91.30, 4½proc. Rente 82, 3proc. (*) Paris, 11 Jan. Productenmarkt. (Schlußbericht.) Mehl 8 Marken per Jan 82, * Amſterdam, 12 Jan. Börſe. 3proc. Spanier 32¼, 6proc. Amerikaner 97⅛, (*) Amſterdam, 12 Jan. Productenmackt. (Schlußbericht) Weizen ruhig, loeo 395, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <floatingText> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0013" n="189"/><cb/> Frage was ihr Eigenthum ſei, und vorbehaltlich des §. 58 der 2. Verfaſſungsbeilage<lb/> (Placet); aus eigener Initiative einzuſchreiten — gegen das Vornehmen geiſtlicher<lb/> Functionen durch Excommunicirte müſſe ſie ablehnen, da ſie nach vielfach gemachten<lb/> Erfahrungen ſonſt leicht der Einmiſchung in innere kirchliche Angelegenheiten beſchul-<lb/> digt werden könnte. Abg. <hi rendition="#g">Rußwurm</hi> verſuchte zu einer thatſächlichen Berichtigung<lb/> gegen die Antwort des Miniſters das Wort zu nehmen, es wurde ihm aber vom 1.<lb/><hi rendition="#g">Präſidenten</hi> bedeutet daß das nach der Geſchäftsordnung unzuläſſig ſei. Die hier-<lb/> auf folgende Interpellation, betreffend die Wegverlegung der Forſtlehranſtalt von<lb/> Aſchaffenburg, beantwortete der Miniſter daß ein Beſchluß hierüber noch nicht gefaßt<lb/> ſei. Zum Schluß erſtattete der Abg. Crämer Bericht über eine Eingabe der Gemeinde<lb/> Pfarrkirchen, den Eiſenbahnbau von Mühldorf nach Vilshofen betreffend. Der Aus-<lb/> ſchuß beantragte dieſe Gelegenheit zu Verhandlungen mit der Oſtbahn zu benutzen, daß<lb/> dieſe die eben genannte Linie ausführe gegen die Gewährung der Conceſſion zum Bau<lb/> auch der Linie Landshut-Roſenheim, welchen Vorſchlag die Kammer nahezu einſtiramig<lb/> annimmt. Nächſte Sitzung am Montag.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 10 Jan.</dateline><lb/> <p>Aus der geſtrigen Sitzung des Abgeordnetenhauſes<lb/> wollen wir nachträglich noch einige Einzelheiten mittheilen, da dieſelben vielleicht<lb/> noch öfter Stoff zu Erörterungen geben werden und theilweiſe ſchon gegeben<lb/> haben.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#g">Richter</hi> (Hagen) brachte das Verfahren des Polizeipräſidenten v. Gerhardt<lb/> in Magdeburg gegen den dortigen Theaterdirector wegen des Anſpruchs auf unent-<lb/> geltliche Benutzung der Proſceniumsloge zur Sprache. (Unterbrechung rechts.) Ja,<lb/> m. HH., die Thatſachen ſind wahrhaft ſchreiender Natur. Das Verfahren zeigt beſſer<lb/> als allgemeine Erörterungen, wie wirklich die königl. Polizei im Lande gehandhabt wird.<lb/> Der Miniſter hat ſo eben die Verſicherung abgegeben, er bürge für geſetzmäßige Hand-<lb/> habung. Nun in dieſem Falle ruft der Director vergebens ſeit dem 16 Oct. den Schutz<lb/> des Miniſters an. Er hat bisher noch keinen Beſcheid erhalten. Der Magdeburger<lb/> Polizeipräſident hat einen beſondern Codex für die Theaterpolizei entworfen; der von<lb/> niemandem unterſchrieben und nirgends publicirt iſt, jedem Theaterunternehmer aber ab-<lb/> ſchriftlich zur Nachachtung bei Vermeidung von Executivſtrafen, gegen die es keinen<lb/> richterlichen Schutz gibt, zugeſandt wird. Da findet man u. a.: die Cenſur iſt auf-<lb/> gehoben, aber es wird in zweifelhaften Fällen empfohlen, die Entſcheidung des Präſi-<lb/> denten einzuholen, natürlich empfohlen bei Executivſtrafe. Verboten iſt das Theaterſpiel<lb/> an Weihnachtsabenden und an gewiſſen Feiertagen. (Rufe rechts: Sehr richtig!) Nein<lb/> es iſt ungefetzlich. Das religiöſe Gefühl des Präſidenten iſt unterſchiedlich, dem Stadt-<lb/> theater verbot er am letzten Weihnachtsabend zu ſpielen, aber dem Concurrenztheater<lb/> erlaubt er es. Warum, werden Sie nachher ſelbſt ſehen. In Magdeburg verbietet<lb/> man militäriſche Uniformen auf das Theater zu bringen. So weit geht ſelbſt hier in<lb/> Berlin das Zartgefühl nicht. Hier geht zu unſerm Vergnügen mitunter ſogar der Feld-<lb/> marſchall Wrangel in täuſchender Maske über die Bühne (Heiterkeit kinks, Murren<lb/> rechts) und der alte Herr, ſtatt ſich zu ärgern, hat ſelbſt ſeine Freude daran. Der<lb/> Magdeburger Codex treibt die Bevormundung ſoweit, den Director auch allen Vor-<lb/> ſchriften im Intereſſe der Bequemlichkeit zu unterwerfen. Redner verliest nun unter<lb/> großer Heiterkeit eine Reihe von Beſtimmungen, wonach dem Polizeipräſidenten und<lb/> deſſen Stellvertreter eine Proſceniumsloge und außerdem dem Commandanten und<lb/> vielen andern Polizeibeamten und Officieren Freiplätze vorbehalten ſind. Der Magde-<lb/> burger Director hat nun dem Präſidenten zwei Plätze in der Mittelloge für jeden Abend<lb/> angeboten, weil er durch den Verluſt der Proſceniumsloge jeden Abend 6 Thlr. verliert.<lb/> Der Präſident aber verlangt die Proſceniumsloge als ſein geſetzlich zuſtehendes Recht.<lb/> Als der Director nach dem betreffenden Geſetz über die Magdeburger Proſceniumsloge<lb/> fragt, producirt der Präſident ein 50 Jahre altes Miniſterialreſcript. Der Director<lb/> ergreift nun Recurs an den Miniſter, fügt ſich aber inzwiſchen dem Präſidenten und<lb/> räumt ihm die Proſceniumsloge mit zwei Stühlen ein. Nun verlangt der Präſident<lb/> aber vier Stühle und verhängt über den Director Executivſtrafen, weil er der Tochter<lb/> des Polizeiraths Geiſt <hi rendition="#g">als ſeinem Stellvertreter</hi> keinen Stuhl in der Loge unent-<lb/> geltlich einräumen will. Redner verliest dieſen „Ukas“ unter großer Heiterkeit und<lb/> Rufen des Erſtaunens. M. HH., dieſe Tochter des Polizeiraths ſteht nicht auf unſerm<lb/> Etat. (Große Heiterkeit!) Ich kann daher nicht annehmen daß ſie dem Präſidenten<lb/> über den Inhalt des Stücks Vortrag hält, ſie ſucht hier offenbar nur ihrer perſönlichen<lb/> Schauluſt unentgeltlich Befriedigung zu verſchaffen. Der Präſident hat ſich in ſeiner<lb/> perſönlichen Schauluſt freilich auch ſchon durch ſeine Dienſtboten vertreten laſſen. Von<lb/> dieſem Standpunkt aus verliert aber die Sache ihr humoriſtiſches Gepräge. Die königl.<lb/> Polizeigewalt wird hier ausgebeutet zu Privatintereſſen, gewiſſermaßen von einem Con-<lb/> ſortium königl. Beamten unter dem Vorſitz des Präſidenten. Die Ausbeutung wird<lb/> dadurch nicht reſpectabler daß ſie unter königl. Amtsſiegel durch Executivſtrafen im<lb/> Namen des Königs durchgeführt wird. Kein Beiſpiel illuſtrirt die Einrichtung der<lb/> Executivſtrafen ſchlagender als der vorliegende Fall, in dem das Syſtem in ſeiner ganzen<lb/> Brutalität angewandt wird, nur um der Tochter eines Polizeiraths ein unentgeltliches<lb/> Theatervergnügen zu verſchaffen. (Hört, Hört.) Dieſe Paſchawirthſchaft bedarf keines<lb/> weiteren Commentars. Es iſt traurig, aber bezeichnend für unſere Zuſtände, daß ſich<lb/> kein Staatsanwalt findet um gegen den Präſidenten v. Gerhardt wegen Mißbrauchs der<lb/> Amtsgewalt das ſtrafrechtliche Verfahren einzuleiten. <hi rendition="#g">Miniſter des Innern:</hi> Die<lb/> nöthigen Rückfragen über den Gegenſtand der Beſchwerde des Magdeburger Theater-<lb/> Directors haben meine Entſcheidung bis jetzt verzögert; doch liegt der Beſcheid fertig<lb/> und kann jeden Tag abgeſendet werden. Wenn die Ausführungen des Vorredners eine<lb/> Beſchwerde ſein ſollen, ſo hätte er beſſer gewartet bis auch meine Enrſcheidung erfolgt<lb/> und damit der Inſtanzenzug erſchöpft wäre. (Sehr richtig! rechts.) Darüber, wie ich<lb/> entſchieden habe, mich auszuſprechen, können ſeine Bemerkungen mich nicht veranlaſſen;<lb/> den Zweck, welchen er bei ſeiner Rede verfolgte, hat er ja erreicht. (Beifall rechts.)<lb/> Abg. <hi rendition="#g">Pariſius:</hi> Allerdings hat Richter ſeinen Zweck erreicht, den Zweck, unſer Polizei-<lb/> weſen zu charakteriſiren wie es ſich unter der Aegide des Eulenburg’ſchen Regiments<lb/> gebildet hat. Durch die Mittheilung der öffentlichen Blätter iſt die Sache längſt zum<lb/> öffentlichen Scandal geworden, und wenn derſelbe drei Monate ungerügt bleibt, ſo<lb/> dürfen wir dem nicht ruhig zuſehen. — Ein anderer Zwiſchenfall betraf die Betheili-<lb/> gung von Beamten an Actienunternehmungen. Es fragte nämlich Abg. <hi rendition="#g">Pariſius:</hi><lb/> ob der Miniſter Kenntniß davon habe daß der Polizeidirector v. Brandt Mitglied des<lb/> Verwaltungsraths einer Actiengeſellſchaft ſei welche zwei große Vergnüngslocale beſitzt.<lb/> Selbſtverſtändlich müſſe ihn dieſe Stellung ſehr leicht in Conflicte mit ſeinem Amt<lb/> bringen. Hierauf erklärte der <hi rendition="#g">Miniſter des Innern:</hi> Ich höre zum erſtenmal von<lb/> der Sache. Grundſatz iſt daß preußiſche Beamte nicht ſolchen Geſellſchaften angehören<lb/> dürfen, deren Hauptthätigkeit auf den Erwerb gerichtet iſt. Dieſer Grundſatz bringt<lb/> Härten mit ſich, mehr für die Sache als für die Perſon, das Zuſtandekommen mancher<lb/> gemeinnützigen Unternehmung wird dadurch erſchwert. Aber dieſe kleinen Härten fallen<lb/> gegenüber der allgemeinen Anſchauung nicht ins Gewicht. Ich werde ſofort Bericht<lb/> einfordern, und Hrn. v. Brandt anweiſen aus der Actiengeſellſchaft auszuſcheiden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Eine (dritte) Neujahrsbetrachtung welche die „Provincial-Correſp.“ unter<lb/> der Ueberſchrift „Das alte Preußen im neuen Deutſchen Reich“ heute vom Stapel<lb/> gelaſſen hat, iſt offenbar darauf berechnet die geängſtigten Conſervativen zu beruhigen.<lb/><cb/> Es geht dieß aus einer Stelle des Artikels hervor, deren Beziehung auf die geſtrige An-<lb/> Anklage der „Krzztg.“ über die bei der Behandlung des Schulaufſichtsgeſetzes zu Tage<lb/> getretene Verläugnung der „Ueberlieferungen“ unverkennbar iſt. Die preußiſche<lb/> Regierung dürfe ſich, ſagt die „Prov.-Correſp.,“ in den gegenwärtig brennenden<lb/> Fragen, auf dem religiös kirchlichen Gebiete einerſeits, und in Bezug auf die tiefe<lb/> Bewegung in den untern Arbeiterkreiſen andrerſeits, auf ihr gutes Gewiſſen und auf<lb/> den ernſten beſonnenen Geiſt des preuß. Volkes ſtützen. <hi rendition="#g">In der Treue gegen die<lb/> preußiſchen Ueberlieferungen,</hi> in Gerechtigkeit gegenüber allen Confeſſio-<lb/> nen, und in möglichſter Schonung der Gewiſſen bei ernſter Aufrechterhaltung der<lb/> unveräußerlichen Rechte des Staats, in gewiſſenhafter und gerechter Fürſorge für<lb/> die Wohlfahrt der Geſammtheit und damit zugleich der einzelnen Claſſen des<lb/> Volkes, werde es hoffentlich gelingen die ſo glücklich angebahnte ſtaatliche Entwick-<lb/> lung Preußens vor allen tieferen Erſchütterungen zu bewahren. Während dieſe<lb/> Sätze ſich auf die innern Verhältniſſe Preußens beziehen, berührt der Artikel mit<lb/> derſelben Tendenz auch das Verhältniß des preußiſchen Staats zum Reiche; er<lb/> führt aus daß der alte preußiſche Patriotismus ſchon in Betreff der wichtigſten<lb/> Grundlagen des Deutſchen Kaiſerreichs eine beſondere Genugthuung empfinden<lb/> dürfe, und betont daß durch die geſammten politiſchen Einrichtungen dafür geſorgt<lb/> ſei daß der Einfluß des preußiſchen Staatsweſens und der berechtigten preußiſchen<lb/> Geſichtspunkte auch in der Entwicklung des Reichs überall zur gebührenden Gel-<lb/> tung gelange. Die Verfaſſung habe in dieſer Beziehung von vornherein ausrei-<lb/> chende Bürgſchaften ſowohl in den Beſtimmungen über die Reichsgewalt als über<lb/> den Bundesrath gegeben; in Uebereinſtimmung mit dem Geiſte der Verfaſſung aber<lb/> ſeien die Einrichtungen der Reichsverwaltung ſo geſtaltet worden daß in allen Be-<lb/> ziehungen eine innige Anlehnung an die obere Staatsverwaltung Preußens ſtatt-<lb/> finde. Dieſe Bemerkungen der „Prov.-Correſp.“ haben ebenfalls eine ſehr deut-<lb/> liche Beziehung auf eine Aeußerung in der dießjährigen erſten Nummer der<lb/> „Krzztg.,“ wo die von dieſem Blatt ſchon öfter ausgeſprochene Befürchtung wieder-<lb/> holt zum Ausdruck gebracht war: es möchten die im Schwange gehenden Compe-<lb/> tenz-Theorien des Reichstags in ihrer Anwendung dahin führen durch die Reichs-<lb/> geſetzgebung heilſame Geſetze und Inſtitutionen Preußens wegzuſchwemmen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Dresden,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/> <p>In der heutigen Sitzung der Abgeordnetenkammer<lb/> wurde die Vorberathung der Gemeindeordnung beſchloſſen, und die letztere mit<lb/> den dazu gehörigen Vorlagen zur Berichterſtattung an eine beſondere Deputation<lb/> verwieſen. Im Laufe der Debatte ſprachen ſich faſt alle Redner der Kammer, ſo-<lb/> wie auch der Miniſter des Innern für Ueberweiſung möglichſt ausgedehnter orts-<lb/> polizeilicher Befugniſſe an die Landgemeinden aus. Die Aufnahme der Ritter-<lb/> güter in die betreffenden Gemeindeverbände wurde von einem Theil der Redner,<lb/> darunter Streit, Biedermann, Oehmichen befürwortet, von einem andern, welchem<lb/> Einſiedel, Günther und der Miniſter des Innern angehörten, bekämpft. (T. N.)</p> </div> </div><lb/> <div type="jFinancialNews" n="1"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Börſenbericht.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#aq">D.</hi><hi rendition="#b">Frankfurt a. M.,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/> <head>(<hi rendition="#g">Börſenbericht.</hi>)</head><lb/> <p>Die Börſe ſetzt ihre<lb/> Hauſſebewegung luſtig fort, obwohl der bevorſtehende Medio wieder Gelbknappheit mit ſich<lb/> bringt, ſo daß hente ſchon 6½—7 Proc. für Prolongationen bezahlt werden müſſen. Es ſtiegen<lb/> Nationalbank von 855 bis 861 und 861/2, wozu beſonders wieder viele auswärtige Kauf-<lb/> aufträge beitrugen. Creditactien ebenfalls höher, 350 — 352, bei ſehr lebhaſtem Umſatz<lb/> Staatsbahnen, welche geſtern Abend noch 405¼ ſchloſſen, ſtiegen heute nacheinander bis<lb/> 407½—408½—409, und zwar auf das Bekanntwerden einer Mehreinnahme von 100,000<lb/> Gulden für die letzte Woche. Die Speculation ftellt dieſer Bahn überhaupt für nächſte<lb/> Zeit weitere ſolcher Mehreinnahmen in Ausſicht. Lombarden lebhafter als geſtern und<lb/> eine Kleinigkeit höher. Silberrente hente dagegen weniger animirt, aber doch preishaltend,<lb/> 64¾. Das umfangreichſte Geſchäft fand auch heute wieder zunächſt in Prioritäten der ver-<lb/> ſchiedenſten Arten ftatt, welche daher ſämmtlich im Preiſe anzogen. Am meiften wurden Elb-<lb/> thal-Prioritäten gehandelt, und dann die amerikaniſchen Sorten, von welchen die alten Miſ-<lb/> ſouri 80 erreichten und South Eaftern 80½, Oregon 76 zu ſteigenden Curſen, Central<lb/> 90½. Bei dieſer Gelegenheit kann ich Ihnen auf eingezogene competente Informationen<lb/> hin mittheilen daß wirklich zwiſchen dem Schatzamt der Vereinigten Staaten und den<lb/> Hänſern Jay Cooke und Rothſchild Verhandlungen wegen Uebernahme eines ſehr bedeuten<lb/> den Poſtens nener 5procentiger ſtattfinden, welche indeß noch nicht zum Abſchluß gelangt<lb/> ſind. Von Bahnen ſtiegen abermals Eliſabeth um einen Bruchtheil, dann Franz-Joſeph<lb/> und Nordweſt 228¼. Schließlich noch die Mittheilung daß auch das eben aufgelegte An-<lb/> leihen der Morris und Eſſex E. B. ſtark gezeichnet wurde, während die Anleihe der Stadt<lb/> Waſhington bedeutend überzeichuet ward, ſo daß bis jetzt noch gar kein Repartitionsmodus<lb/> gefunden werden konnte.</p> </div> </div><lb/> <div type="jFinancialNews" n="1"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Telegraphiſche Curs- und Handelsberichte.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">Wien,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/> <p>Schlußcurſe: Silberrente 73.50, Papierrente 62.75, 1860er<lb/> L. 105, 1864er L. 144, Bankactien 858, Creditactien 344.20, Lombarden 216, Staats-<lb/> bahn 406, Anglo-Auſtrian 342.25, Franco-Auſtrian 140 75, Unionsbank 200.75, Galizier<lb/> 260 50, Franz-Joſeph 208 50, Prioritäten 102.80, Rudolfsbahn 168.75, Prior. 94.75,<lb/> Eliſabeth 246.50, Napoleons 9.14½, Alföldbahn 185, Nordweſtbahn 224.25, Prior. 102.75.<lb/> Wechſel: Angsburg 97.30, Frankfurt a. M. 97.30, London 115, Paris 44.65. Tendenz:<lb/> feſt. — Morgen gelangen bei franco-öſterr. Bank 15,000 Stück Actien der Induſtrie- und<lb/> Bodencredit-Bank zu 95 zur Subſcription. An hentiger Börſe mit 98 ſtarke Nachfrage,<lb/> große Ueberzeichnung ſicher.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">Wien,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/> <p>Abend-Privatverkehr. Creditactien 344.20, 1860er Looſe 105,<lb/> 1864er Looſe 144, Staatsbahnactien 407, Lombarden 216.50, Napoleons 9.14, Papier-<lb/> reute 62.80, France-Auſtrian 140 80, Anglo-Auſtrian 341.75, Unionsbank 301.25.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>(*) <hi rendition="#b">Wien,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/> <p>Die Lombarden-Einnahmen vom 1 bis 7 Januar betragen<lb/> 453.439 fl. Wenigereinnahme gegen gleiche Woche des Vorjahrs 18,612 fl.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">London,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/> <p>Eröffnungscurſe. 3proc. Conſols 92<formula notation="TeX">\frac{45}{46}</formula>, 1882er Amerikaner<lb/> 92⅓, Türken 52⅛, Spanier 31⅞.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>(*) <hi rendition="#b">London,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/> <p>Getreidemarkt. Eröffnungsbericht. Der Markt ruhig,<lb/> aber ſeſt. Zufuhren ſeit letzten Montag 16,750 Gerſte, 5050 Hafer, 33,880 Quarters.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">Liverpool,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/> <p>Anfangsbericht. Muthmaßlicher Umſatz 15,000 B., Tendenz:<lb/> ſtramm. Tagesimport 24,000 B. Wochenumſatz 186,00 ر B., davon auf Speculation<lb/> verkauft 59,000 B., davon zum Export 15,000 B., Wochenzufuhr 101,000 B, Borrath<lb/> 552,000 B., wirklicher Export 9000 Ballen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">Paris,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/> <p>Eröffnungscurſe. 3proc. Rente 56.22, 5proc. Anl. 91,25,<lb/> Lombarden 483,75, 5proc. ital. Anl. 68.15, öſterr.-franz. Staatsbahn 89750, Türken —.<lb/> Tendenz: ſtill.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">Paris,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/> <p>Schlußcurſe. 5proc. Anl. 91.30, 4½proc. Rente 82, 3proc.<lb/> Rente 56.32, Credit nouvean 525, Staatsb. 900, Lombarden 483, 5procent. Italiener<lb/> 68.20, 1882er Amerikaner 106.25, Spanier 32.31, Türken 51.50, Pariſer Anleihe 256.50,<lb/> Cr<hi rendition="#aq">é</hi>dit foncier 927. Wechſel: Frankſurt 215½, London 25.55. Goldagio per Mille 9.<lb/> Tendenz: feſt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>(*) <hi rendition="#b">Paris,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/> <p>Productenmarkt. (Schlußbericht.) Mehl 8 Marken per Jan 82,<lb/> per März-April 83, per Mai-Auguſt 81. Tendenz: ſtill. Wetter: veränderlich. — Rüböl<lb/> per Januar 106.50, vom März-April 106 25, vom Mai-Aug. 105. Zucker 69.25.<lb/> Tendenz: ſtill.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">Amſterdam,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/> <p>Börſe. 3proc. Spanier 32¼, 6proc. Amerikaner 97⅛,<lb/> 5proc. Papierrente 53⅜, 5proc. Silberrente 62⅛, 1864er Looſe 146½, 5proc. Türken<lb/> 48¾. Wechſel auf London k. S. 11.85.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>(*) <hi rendition="#b">Amſterdam,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/> <p>Productenmackt. (Schlußbericht) Weizen ruhig, loeo 395,<lb/> Roggen ruhig Roggen per Mai 204. Repeſamen per Herbſt 440. Rüböl loco 50, per Früh-<lb/> jahr 48, per Herbſt 45½.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </floatingText> </p> </div> </body> </text> </TEI> [189/0013]
Frage was ihr Eigenthum ſei, und vorbehaltlich des §. 58 der 2. Verfaſſungsbeilage
(Placet); aus eigener Initiative einzuſchreiten — gegen das Vornehmen geiſtlicher
Functionen durch Excommunicirte müſſe ſie ablehnen, da ſie nach vielfach gemachten
Erfahrungen ſonſt leicht der Einmiſchung in innere kirchliche Angelegenheiten beſchul-
digt werden könnte. Abg. Rußwurm verſuchte zu einer thatſächlichen Berichtigung
gegen die Antwort des Miniſters das Wort zu nehmen, es wurde ihm aber vom 1.
Präſidenten bedeutet daß das nach der Geſchäftsordnung unzuläſſig ſei. Die hier-
auf folgende Interpellation, betreffend die Wegverlegung der Forſtlehranſtalt von
Aſchaffenburg, beantwortete der Miniſter daß ein Beſchluß hierüber noch nicht gefaßt
ſei. Zum Schluß erſtattete der Abg. Crämer Bericht über eine Eingabe der Gemeinde
Pfarrkirchen, den Eiſenbahnbau von Mühldorf nach Vilshofen betreffend. Der Aus-
ſchuß beantragte dieſe Gelegenheit zu Verhandlungen mit der Oſtbahn zu benutzen, daß
dieſe die eben genannte Linie ausführe gegen die Gewährung der Conceſſion zum Bau
auch der Linie Landshut-Roſenheim, welchen Vorſchlag die Kammer nahezu einſtiramig
annimmt. Nächſte Sitzung am Montag.
* Berlin, 10 Jan.
Aus der geſtrigen Sitzung des Abgeordnetenhauſes
wollen wir nachträglich noch einige Einzelheiten mittheilen, da dieſelben vielleicht
noch öfter Stoff zu Erörterungen geben werden und theilweiſe ſchon gegeben
haben.
Abg. Richter (Hagen) brachte das Verfahren des Polizeipräſidenten v. Gerhardt
in Magdeburg gegen den dortigen Theaterdirector wegen des Anſpruchs auf unent-
geltliche Benutzung der Proſceniumsloge zur Sprache. (Unterbrechung rechts.) Ja,
m. HH., die Thatſachen ſind wahrhaft ſchreiender Natur. Das Verfahren zeigt beſſer
als allgemeine Erörterungen, wie wirklich die königl. Polizei im Lande gehandhabt wird.
Der Miniſter hat ſo eben die Verſicherung abgegeben, er bürge für geſetzmäßige Hand-
habung. Nun in dieſem Falle ruft der Director vergebens ſeit dem 16 Oct. den Schutz
des Miniſters an. Er hat bisher noch keinen Beſcheid erhalten. Der Magdeburger
Polizeipräſident hat einen beſondern Codex für die Theaterpolizei entworfen; der von
niemandem unterſchrieben und nirgends publicirt iſt, jedem Theaterunternehmer aber ab-
ſchriftlich zur Nachachtung bei Vermeidung von Executivſtrafen, gegen die es keinen
richterlichen Schutz gibt, zugeſandt wird. Da findet man u. a.: die Cenſur iſt auf-
gehoben, aber es wird in zweifelhaften Fällen empfohlen, die Entſcheidung des Präſi-
denten einzuholen, natürlich empfohlen bei Executivſtrafe. Verboten iſt das Theaterſpiel
an Weihnachtsabenden und an gewiſſen Feiertagen. (Rufe rechts: Sehr richtig!) Nein
es iſt ungefetzlich. Das religiöſe Gefühl des Präſidenten iſt unterſchiedlich, dem Stadt-
theater verbot er am letzten Weihnachtsabend zu ſpielen, aber dem Concurrenztheater
erlaubt er es. Warum, werden Sie nachher ſelbſt ſehen. In Magdeburg verbietet
man militäriſche Uniformen auf das Theater zu bringen. So weit geht ſelbſt hier in
Berlin das Zartgefühl nicht. Hier geht zu unſerm Vergnügen mitunter ſogar der Feld-
marſchall Wrangel in täuſchender Maske über die Bühne (Heiterkeit kinks, Murren
rechts) und der alte Herr, ſtatt ſich zu ärgern, hat ſelbſt ſeine Freude daran. Der
Magdeburger Codex treibt die Bevormundung ſoweit, den Director auch allen Vor-
ſchriften im Intereſſe der Bequemlichkeit zu unterwerfen. Redner verliest nun unter
großer Heiterkeit eine Reihe von Beſtimmungen, wonach dem Polizeipräſidenten und
deſſen Stellvertreter eine Proſceniumsloge und außerdem dem Commandanten und
vielen andern Polizeibeamten und Officieren Freiplätze vorbehalten ſind. Der Magde-
burger Director hat nun dem Präſidenten zwei Plätze in der Mittelloge für jeden Abend
angeboten, weil er durch den Verluſt der Proſceniumsloge jeden Abend 6 Thlr. verliert.
Der Präſident aber verlangt die Proſceniumsloge als ſein geſetzlich zuſtehendes Recht.
Als der Director nach dem betreffenden Geſetz über die Magdeburger Proſceniumsloge
fragt, producirt der Präſident ein 50 Jahre altes Miniſterialreſcript. Der Director
ergreift nun Recurs an den Miniſter, fügt ſich aber inzwiſchen dem Präſidenten und
räumt ihm die Proſceniumsloge mit zwei Stühlen ein. Nun verlangt der Präſident
aber vier Stühle und verhängt über den Director Executivſtrafen, weil er der Tochter
des Polizeiraths Geiſt als ſeinem Stellvertreter keinen Stuhl in der Loge unent-
geltlich einräumen will. Redner verliest dieſen „Ukas“ unter großer Heiterkeit und
Rufen des Erſtaunens. M. HH., dieſe Tochter des Polizeiraths ſteht nicht auf unſerm
Etat. (Große Heiterkeit!) Ich kann daher nicht annehmen daß ſie dem Präſidenten
über den Inhalt des Stücks Vortrag hält, ſie ſucht hier offenbar nur ihrer perſönlichen
Schauluſt unentgeltlich Befriedigung zu verſchaffen. Der Präſident hat ſich in ſeiner
perſönlichen Schauluſt freilich auch ſchon durch ſeine Dienſtboten vertreten laſſen. Von
dieſem Standpunkt aus verliert aber die Sache ihr humoriſtiſches Gepräge. Die königl.
Polizeigewalt wird hier ausgebeutet zu Privatintereſſen, gewiſſermaßen von einem Con-
ſortium königl. Beamten unter dem Vorſitz des Präſidenten. Die Ausbeutung wird
dadurch nicht reſpectabler daß ſie unter königl. Amtsſiegel durch Executivſtrafen im
Namen des Königs durchgeführt wird. Kein Beiſpiel illuſtrirt die Einrichtung der
Executivſtrafen ſchlagender als der vorliegende Fall, in dem das Syſtem in ſeiner ganzen
Brutalität angewandt wird, nur um der Tochter eines Polizeiraths ein unentgeltliches
Theatervergnügen zu verſchaffen. (Hört, Hört.) Dieſe Paſchawirthſchaft bedarf keines
weiteren Commentars. Es iſt traurig, aber bezeichnend für unſere Zuſtände, daß ſich
kein Staatsanwalt findet um gegen den Präſidenten v. Gerhardt wegen Mißbrauchs der
Amtsgewalt das ſtrafrechtliche Verfahren einzuleiten. Miniſter des Innern: Die
nöthigen Rückfragen über den Gegenſtand der Beſchwerde des Magdeburger Theater-
Directors haben meine Entſcheidung bis jetzt verzögert; doch liegt der Beſcheid fertig
und kann jeden Tag abgeſendet werden. Wenn die Ausführungen des Vorredners eine
Beſchwerde ſein ſollen, ſo hätte er beſſer gewartet bis auch meine Enrſcheidung erfolgt
und damit der Inſtanzenzug erſchöpft wäre. (Sehr richtig! rechts.) Darüber, wie ich
entſchieden habe, mich auszuſprechen, können ſeine Bemerkungen mich nicht veranlaſſen;
den Zweck, welchen er bei ſeiner Rede verfolgte, hat er ja erreicht. (Beifall rechts.)
Abg. Pariſius: Allerdings hat Richter ſeinen Zweck erreicht, den Zweck, unſer Polizei-
weſen zu charakteriſiren wie es ſich unter der Aegide des Eulenburg’ſchen Regiments
gebildet hat. Durch die Mittheilung der öffentlichen Blätter iſt die Sache längſt zum
öffentlichen Scandal geworden, und wenn derſelbe drei Monate ungerügt bleibt, ſo
dürfen wir dem nicht ruhig zuſehen. — Ein anderer Zwiſchenfall betraf die Betheili-
gung von Beamten an Actienunternehmungen. Es fragte nämlich Abg. Pariſius:
ob der Miniſter Kenntniß davon habe daß der Polizeidirector v. Brandt Mitglied des
Verwaltungsraths einer Actiengeſellſchaft ſei welche zwei große Vergnüngslocale beſitzt.
Selbſtverſtändlich müſſe ihn dieſe Stellung ſehr leicht in Conflicte mit ſeinem Amt
bringen. Hierauf erklärte der Miniſter des Innern: Ich höre zum erſtenmal von
der Sache. Grundſatz iſt daß preußiſche Beamte nicht ſolchen Geſellſchaften angehören
dürfen, deren Hauptthätigkeit auf den Erwerb gerichtet iſt. Dieſer Grundſatz bringt
Härten mit ſich, mehr für die Sache als für die Perſon, das Zuſtandekommen mancher
gemeinnützigen Unternehmung wird dadurch erſchwert. Aber dieſe kleinen Härten fallen
gegenüber der allgemeinen Anſchauung nicht ins Gewicht. Ich werde ſofort Bericht
einfordern, und Hrn. v. Brandt anweiſen aus der Actiengeſellſchaft auszuſcheiden.
Eine (dritte) Neujahrsbetrachtung welche die „Provincial-Correſp.“ unter
der Ueberſchrift „Das alte Preußen im neuen Deutſchen Reich“ heute vom Stapel
gelaſſen hat, iſt offenbar darauf berechnet die geängſtigten Conſervativen zu beruhigen.
Es geht dieß aus einer Stelle des Artikels hervor, deren Beziehung auf die geſtrige An-
Anklage der „Krzztg.“ über die bei der Behandlung des Schulaufſichtsgeſetzes zu Tage
getretene Verläugnung der „Ueberlieferungen“ unverkennbar iſt. Die preußiſche
Regierung dürfe ſich, ſagt die „Prov.-Correſp.,“ in den gegenwärtig brennenden
Fragen, auf dem religiös kirchlichen Gebiete einerſeits, und in Bezug auf die tiefe
Bewegung in den untern Arbeiterkreiſen andrerſeits, auf ihr gutes Gewiſſen und auf
den ernſten beſonnenen Geiſt des preuß. Volkes ſtützen. In der Treue gegen die
preußiſchen Ueberlieferungen, in Gerechtigkeit gegenüber allen Confeſſio-
nen, und in möglichſter Schonung der Gewiſſen bei ernſter Aufrechterhaltung der
unveräußerlichen Rechte des Staats, in gewiſſenhafter und gerechter Fürſorge für
die Wohlfahrt der Geſammtheit und damit zugleich der einzelnen Claſſen des
Volkes, werde es hoffentlich gelingen die ſo glücklich angebahnte ſtaatliche Entwick-
lung Preußens vor allen tieferen Erſchütterungen zu bewahren. Während dieſe
Sätze ſich auf die innern Verhältniſſe Preußens beziehen, berührt der Artikel mit
derſelben Tendenz auch das Verhältniß des preußiſchen Staats zum Reiche; er
führt aus daß der alte preußiſche Patriotismus ſchon in Betreff der wichtigſten
Grundlagen des Deutſchen Kaiſerreichs eine beſondere Genugthuung empfinden
dürfe, und betont daß durch die geſammten politiſchen Einrichtungen dafür geſorgt
ſei daß der Einfluß des preußiſchen Staatsweſens und der berechtigten preußiſchen
Geſichtspunkte auch in der Entwicklung des Reichs überall zur gebührenden Gel-
tung gelange. Die Verfaſſung habe in dieſer Beziehung von vornherein ausrei-
chende Bürgſchaften ſowohl in den Beſtimmungen über die Reichsgewalt als über
den Bundesrath gegeben; in Uebereinſtimmung mit dem Geiſte der Verfaſſung aber
ſeien die Einrichtungen der Reichsverwaltung ſo geſtaltet worden daß in allen Be-
ziehungen eine innige Anlehnung an die obere Staatsverwaltung Preußens ſtatt-
finde. Dieſe Bemerkungen der „Prov.-Correſp.“ haben ebenfalls eine ſehr deut-
liche Beziehung auf eine Aeußerung in der dießjährigen erſten Nummer der
„Krzztg.,“ wo die von dieſem Blatt ſchon öfter ausgeſprochene Befürchtung wieder-
holt zum Ausdruck gebracht war: es möchten die im Schwange gehenden Compe-
tenz-Theorien des Reichstags in ihrer Anwendung dahin führen durch die Reichs-
geſetzgebung heilſame Geſetze und Inſtitutionen Preußens wegzuſchwemmen.
Dresden, 11 Jan.
In der heutigen Sitzung der Abgeordnetenkammer
wurde die Vorberathung der Gemeindeordnung beſchloſſen, und die letztere mit
den dazu gehörigen Vorlagen zur Berichterſtattung an eine beſondere Deputation
verwieſen. Im Laufe der Debatte ſprachen ſich faſt alle Redner der Kammer, ſo-
wie auch der Miniſter des Innern für Ueberweiſung möglichſt ausgedehnter orts-
polizeilicher Befugniſſe an die Landgemeinden aus. Die Aufnahme der Ritter-
güter in die betreffenden Gemeindeverbände wurde von einem Theil der Redner,
darunter Streit, Biedermann, Oehmichen befürwortet, von einem andern, welchem
Einſiedel, Günther und der Miniſter des Innern angehörten, bekämpft. (T. N.)
Börſenbericht.
D. Frankfurt a. M., 11 Jan.
(Börſenbericht.)
Die Börſe ſetzt ihre
Hauſſebewegung luſtig fort, obwohl der bevorſtehende Medio wieder Gelbknappheit mit ſich
bringt, ſo daß hente ſchon 6½—7 Proc. für Prolongationen bezahlt werden müſſen. Es ſtiegen
Nationalbank von 855 bis 861 und 861/2, wozu beſonders wieder viele auswärtige Kauf-
aufträge beitrugen. Creditactien ebenfalls höher, 350 — 352, bei ſehr lebhaſtem Umſatz
Staatsbahnen, welche geſtern Abend noch 405¼ ſchloſſen, ſtiegen heute nacheinander bis
407½—408½—409, und zwar auf das Bekanntwerden einer Mehreinnahme von 100,000
Gulden für die letzte Woche. Die Speculation ftellt dieſer Bahn überhaupt für nächſte
Zeit weitere ſolcher Mehreinnahmen in Ausſicht. Lombarden lebhafter als geſtern und
eine Kleinigkeit höher. Silberrente hente dagegen weniger animirt, aber doch preishaltend,
64¾. Das umfangreichſte Geſchäft fand auch heute wieder zunächſt in Prioritäten der ver-
ſchiedenſten Arten ftatt, welche daher ſämmtlich im Preiſe anzogen. Am meiften wurden Elb-
thal-Prioritäten gehandelt, und dann die amerikaniſchen Sorten, von welchen die alten Miſ-
ſouri 80 erreichten und South Eaftern 80½, Oregon 76 zu ſteigenden Curſen, Central
90½. Bei dieſer Gelegenheit kann ich Ihnen auf eingezogene competente Informationen
hin mittheilen daß wirklich zwiſchen dem Schatzamt der Vereinigten Staaten und den
Hänſern Jay Cooke und Rothſchild Verhandlungen wegen Uebernahme eines ſehr bedeuten
den Poſtens nener 5procentiger ſtattfinden, welche indeß noch nicht zum Abſchluß gelangt
ſind. Von Bahnen ſtiegen abermals Eliſabeth um einen Bruchtheil, dann Franz-Joſeph
und Nordweſt 228¼. Schließlich noch die Mittheilung daß auch das eben aufgelegte An-
leihen der Morris und Eſſex E. B. ſtark gezeichnet wurde, während die Anleihe der Stadt
Waſhington bedeutend überzeichuet ward, ſo daß bis jetzt noch gar kein Repartitionsmodus
gefunden werden konnte.
Telegraphiſche Curs- und Handelsberichte.
* Wien, 12 Jan.
Schlußcurſe: Silberrente 73.50, Papierrente 62.75, 1860er
L. 105, 1864er L. 144, Bankactien 858, Creditactien 344.20, Lombarden 216, Staats-
bahn 406, Anglo-Auſtrian 342.25, Franco-Auſtrian 140 75, Unionsbank 200.75, Galizier
260 50, Franz-Joſeph 208 50, Prioritäten 102.80, Rudolfsbahn 168.75, Prior. 94.75,
Eliſabeth 246.50, Napoleons 9.14½, Alföldbahn 185, Nordweſtbahn 224.25, Prior. 102.75.
Wechſel: Angsburg 97.30, Frankfurt a. M. 97.30, London 115, Paris 44.65. Tendenz:
feſt. — Morgen gelangen bei franco-öſterr. Bank 15,000 Stück Actien der Induſtrie- und
Bodencredit-Bank zu 95 zur Subſcription. An hentiger Börſe mit 98 ſtarke Nachfrage,
große Ueberzeichnung ſicher.
* Wien, 12 Jan.
Abend-Privatverkehr. Creditactien 344.20, 1860er Looſe 105,
1864er Looſe 144, Staatsbahnactien 407, Lombarden 216.50, Napoleons 9.14, Papier-
reute 62.80, France-Auſtrian 140 80, Anglo-Auſtrian 341.75, Unionsbank 301.25.
(*) Wien, 12 Jan.
Die Lombarden-Einnahmen vom 1 bis 7 Januar betragen
453.439 fl. Wenigereinnahme gegen gleiche Woche des Vorjahrs 18,612 fl.
* London, 12 Jan.
Eröffnungscurſe. 3proc. Conſols 92[FORMEL], 1882er Amerikaner
92⅓, Türken 52⅛, Spanier 31⅞.
(*) London, 12 Jan.
Getreidemarkt. Eröffnungsbericht. Der Markt ruhig,
aber ſeſt. Zufuhren ſeit letzten Montag 16,750 Gerſte, 5050 Hafer, 33,880 Quarters.
* Liverpool, 12 Jan.
Anfangsbericht. Muthmaßlicher Umſatz 15,000 B., Tendenz:
ſtramm. Tagesimport 24,000 B. Wochenumſatz 186,00 ر B., davon auf Speculation
verkauft 59,000 B., davon zum Export 15,000 B., Wochenzufuhr 101,000 B, Borrath
552,000 B., wirklicher Export 9000 Ballen.
* Paris, 12 Jan.
Eröffnungscurſe. 3proc. Rente 56.22, 5proc. Anl. 91,25,
Lombarden 483,75, 5proc. ital. Anl. 68.15, öſterr.-franz. Staatsbahn 89750, Türken —.
Tendenz: ſtill.
* Paris, 12 Jan.
Schlußcurſe. 5proc. Anl. 91.30, 4½proc. Rente 82, 3proc.
Rente 56.32, Credit nouvean 525, Staatsb. 900, Lombarden 483, 5procent. Italiener
68.20, 1882er Amerikaner 106.25, Spanier 32.31, Türken 51.50, Pariſer Anleihe 256.50,
Crédit foncier 927. Wechſel: Frankſurt 215½, London 25.55. Goldagio per Mille 9.
Tendenz: feſt.
(*) Paris, 11 Jan.
Productenmarkt. (Schlußbericht.) Mehl 8 Marken per Jan 82,
per März-April 83, per Mai-Auguſt 81. Tendenz: ſtill. Wetter: veränderlich. — Rüböl
per Januar 106.50, vom März-April 106 25, vom Mai-Aug. 105. Zucker 69.25.
Tendenz: ſtill.
* Amſterdam, 12 Jan.
Börſe. 3proc. Spanier 32¼, 6proc. Amerikaner 97⅛,
5proc. Papierrente 53⅜, 5proc. Silberrente 62⅛, 1864er Looſe 146½, 5proc. Türken
48¾. Wechſel auf London k. S. 11.85.
(*) Amſterdam, 12 Jan.
Productenmackt. (Schlußbericht) Weizen ruhig, loeo 395,
Roggen ruhig Roggen per Mai 204. Repeſamen per Herbſt 440. Rüböl loco 50, per Früh-
jahr 48, per Herbſt 45½.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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