Allgemeine Zeitung, Nr. 156, 4. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
Italien. Die Triest. Ztg. enthält folgenden ältern Bericht aus Palermo Rom. Der Bericht in welchem der Chef des päpstlichen Generalstabs, Aus dem Brief eines französischen Freiwilligen bei der Truppe Pimo- +* Rom, 26 Mai. Es sind allerdings bei den inländischen Truppen Neueste Posten. Mainz, 31 Mai. Von Seiten des französischen Gesandten ist die Berlin, 2 Jun. Der Prinz-Regent ist heute Morgen 61/4 Uhr in Wien, 1 Jun. Heute Vormittags wurde der Reichsrath als Gesammt- Wien, 1 Jun. Se. Maj. der Kaiser hielt an die Reichsräthe folgende [Spaltenumbruch]
Italien. Die Trieſt. Ztg. enthält folgenden ältern Bericht aus Palermo Rom. Der Bericht in welchem der Chef des päpſtlichen Generalſtabs, Aus dem Brief eines franzöſiſchen Freiwilligen bei der Truppe Pimo- †* Rom, 26 Mai. Es ſind allerdings bei den inländiſchen Truppen Neueſte Poſten. Mainz, 31 Mai. Von Seiten des franzöſiſchen Geſandten iſt die Berlin, 2 Jun. Der Prinz-Regent iſt heute Morgen 6¼ Uhr in Wien, 1 Jun. Heute Vormittags wurde der Reichsrath als Geſammt- ☩ Wien, 1 Jun. Se. Maj. der Kaiſer hielt an die Reichsräthe folgende <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <pb facs="#f0012" n="2608"/> <cb/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die <hi rendition="#g">Trieſt. Ztg.</hi> enthält folgenden ältern Bericht aus <hi rendition="#b">Palermo</hi><lb/> vom 12 Mai. Während nach vergeblich wiederholten Verſuchen die Revo-<lb/> lutionspartei in und um Palermo ſich an Mitteln erſchöpft und mit überlegenen<lb/> Kräften im Kampf ſteht, iſt der Aufſtand im Innern des Landes vollſtändig<lb/> in die Phaſe des Räuberweſens übergegangen, wie er ſchon urſprünglich<lb/> dieſen Charakter an ſich trug. Zur Stärke von mehreren Hunderten ange-<lb/> wachſen, üben dieſe Räuberhorden mit unerhörter Frechheit ihren Terrorismus<lb/> und halten den Verkehr im Bann, denn die Kräfte des Militärs und der Po-<lb/> lizei reichen nicht hin um überall energiſche Maßregeln zu treffen. Die Be-<lb/> hörden der kleinern Städte im Innern ſind abgeſetzt, und in den meiſten Orten<lb/> hat ſich eine Bürgergarde gebildet, die für die öffentliche Sicherheit ſorgt, aber<lb/> oft genug und je nach den Umſtänden mit dem Räuberweſen gemeinſame Sache<lb/> macht. Daß unter den obwaltenden Umſtänden an Recht und Obrigkeit nicht<lb/> appellirt werden kann, verſteht ſich von ſelbſt, und der perſönliche Schutz be-<lb/> ſteht im vorſichtigen Vermeiden jeder Colliſion. Perſönliches Intereſſe, Rach-<lb/> ſucht und Ehrſucht ſpielen ihre nur zu tief eingreifenden Rollen, das traurigſte<lb/> Ergebniß aber liefert die gänzliche Stockung des Verkehrs. Die Reiſenden<lb/> können ohne ſtarke Bedeckung keine Strecke mehr ohne Gefahr zurücklegen.<lb/> Täglich hört man von neuen Raubthaten, die Banden ziehen ungeſcheut bis an<lb/> die Eingänge der Ortſchaſten, und erpreſſen unter Drohungen aller Art Geld<lb/> und Lebensmittel. Die Nachtfahrten der öffentlichen Poſten ſind eingeſtellt, und<lb/> durch die ſo ſehr erſchwerte Communication, durch Darniederliegen von Han-<lb/> del und Gewerbe nehmen Armuth, Willkür und Unordnung natürlich immer<lb/> mehr überhand.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline> <hi rendition="#b">Rom.</hi> </dateline> <p>Der Bericht in welchem der Chef des päpſtlichen Generalſtabs,<lb/> Oberſt Pimodan, über das am 19 Mai zwiſchen päpſtlichen Gendarmen und<lb/> den aus Toscana eingebrochenen Freiſchärlern ſtattgehabte Geſecht dem Ge-<lb/> neral Lamorici<hi rendition="#aq">è</hi>re Meldung macht, lautet: „Valentano, 19 Mai. Hr. Gene-<lb/> ral! Auf die Nachricht daß 350 Freiſchärler über die Gränze gekommen<lb/> ſeyen und Latera geplündert hätten, bin ich von Montefiascone um 2 Uhr<lb/> Morgens mit 60 berittenen Gendarmen aufgebrochen. Die Freiſchärler waren<lb/> nach dem nahegelegenen Le Grotte gezogen, wir eilten ihnen dorthin nach,<lb/> fanden aber nur 200, die auf dem Platz und in den Kaffeehänſern beiſammen<lb/> waren. Es war eine Luſt den Muth und das Feuer zu beobachten womit<lb/> die Gendarmen ſich auf ſie warfen. Die Schuß- und Stichwaffe wurde mun-<lb/> ter gehandhabt; bald ſah ich 10 Freiſchärler zu Boden geſtreckt, und wenigſtens<lb/> 25 verwundet. Vergebens rief ich: Gebt Pardon! Das Gefecht war bereits<lb/> zu hitzig. Unter den Todten iſt ein Orſini, Bruder desjenigen der den Kaiſer<lb/> Napoleon tödten wollte. Leider haben auch wir drei Todte, den Lieutenant<lb/> Cacchi, einen Corporal und einen Gemeinen, ferner zwei Verwundete. Auch<lb/> viele Pferde ſind verwundet worden. Ich hoffe daß alle dieſe tapfern Gendar-<lb/> men, ferner Hauptmann Evangeliſta und die Lieutenants Amoroſetti und<lb/> Roſetti für dieſen Kampf, welcher ſeit Ihrer Uebernahme des Obercomman-<lb/> do’s der erſte iſt, werden belohnt werden; für mich verlange ich nichts, da mir<lb/> die Bewunderung der Tapferkeit der italieniſchen Gendarmen ungemein viel<lb/> Vergnügen gemacht hat. Die Pferde ſind erſchöpft. Hätte ich das Jäger-<lb/> bataillon zu Gebot gehabt, das im Augenblick meines Aufbruchs von Viterbo<lb/> eintraf, ſo würde ich die ganze Bande gefangen haben. Es iſt um 5 Uhr<lb/> Nachmittags zu mir geſtoßen.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Aus dem Brief eines franzöſiſchen Freiwilligen bei der Truppe Pimo-<lb/> dans, welche die aus Toscana ins Römiſche eingedrungenen Freiſchaaren zu-<lb/> rückwarf, theilt der (liberale) Pariſer Correſpondent des J. <hi rendition="#g">de Gen<hi rendition="#aq">è</hi>ve</hi> mit<lb/> daß die Schaar ſich ſchnell auflöste. Muth habe nur ein 15jähriger Menſch<lb/> gezeigt, der das verlorne Banner der Schaar mitten im Kugelregel abholte.<lb/> Die zurückgelaſſenen Verwundeten ſeyen meiſt Piemonteſen. In Florenz<lb/> cheint der Putſch kein Geheimniß geweſen zu ſeyn, da dort die Freiſchaaren<lb/> im Theater della Pergola zuvor eine Ovation empfangen hatten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>†* <hi rendition="#b">Rom,</hi> 26 Mai.</dateline> <p>Es ſind allerdings bei den inländiſchen Truppen<lb/> jüngſt wieder maſſenhafte Ausreißereien vorgekommen; die Verluſte wurden<lb/> indeſſen, ſoweit es ſich dabei um Zahlen handelte, durch den beſſern Fortgang<lb/> der Werbungen unter verſchiedenen Einwohnerclaſſen mit erheblichem Ueber-<lb/> ſchuß gedeckt. Doch bleibt dabei der Mangel an Officieren ſehr fühlbar. Um<lb/> die Lücke ſchnell auszufüllen, hat der Kriegsminiſter in zwei Aufrufen alle aus<lb/> dem Dienſt getretenen Graduirten unter ſehr günſtigen Bedingungen, auch unter<lb/> Anrechnung der Penſionszeit für das Avancement, zum Wiedereintritt aufge-<lb/> ordert. Auch die Sedentarj (Invaliden) welche ſich noch Kraft genug zu-<lb/> trauen, werden für den minder anſtrengenden Dienſt verwendet. Von Pferde-<lb/> ankäufen trifft einer nach dem andern ein. Doch da fehlt es wiederum an<lb/> ſolchen die ſie zureiten und dreſſiren. Auch hiezu hat Monſignor Merode<lb/> durch eine Bekanntmachung Kundige eingeladen, weil die Vorhandenen nicht<lb/> genügen. So müſſen hier ſelbſt die erſten Elemente zur Bildung eines Ope-<lb/> rationscorps von nur einigem Betracht aus dem Nichts geſchaffen werden.<lb/> Glücklicherweiſe fehlt es nicht an Geld; doch die materielle Wohlfahrt des<lb/> Landes wird durch die mit der Anleihe übernommenen finanziellen Obliegen-<lb/><cb/> heiten, durch die Creation neuer Abgaben und Steuern auf lange hin einen<lb/> verderblichen Stoß bekommen. — Klerus und gläubiges Volk vereinigten ſich,<lb/> mit Rückſicht auf die unruhigen Zeiten, den Erinnerungstag an die Rückkehr<lb/> Pius <hi rendition="#aq">VII</hi> aus der Verbannung (24 Mai 1814) durch eine außerordentliche<lb/> Feier auszuzeichnen. Zu dem Ende wurden vorgeſtern in der Ordenskirche<lb/> der Dominicaner feierliche dreitägige Gebete angeordnet, wovon die Vorüber-<lb/> gehenden durch dieſe Inſchrift über dem Portal benachrichtigt wurden: <hi rendition="#aq">Alla<lb/> guerra antica, che più astuta rinnovasi contro la chiesa, con fede più<lb/> salda opponiamo, Romani, le armi nostre, le preghiere a Maria, aiuto<lb/> de’ Christiani.</hi> (Dem alten Krieg, der ſich liſtiger wider die Kirche erneuert,<lb/> laßt uns, Römer, mit feſterm Glauben unſere Waffen entgegenſetzen — die<lb/> Gebete zu Maria der Chriſten Helferin.) — Noch immer gehen reichliche<lb/> Gaben aus den verſchiedenſten Gegenden der katholiſchen Welt ein um für<lb/> die augenblicklichen Bedürfniſſe verwendet zu werden. Nr. 100 des „Giornale<lb/> di Roma“ gibt die Geſammtſumme auf 400,000 Scudi an, Nr. 119 von<lb/> vorgeſtern ſchon auf 500,000 Scudi, d. h. über eine Million Gulden. —<lb/> Cardinal Reiſach iſt vom Papſt zum Mitglied der Congregation des Sant<lb/> Uffizio ernannt. — Ein Bologneſer Correſpondent beſchreibt das politiſche<lb/> Glück der Aemilia im Turiner Journal „Il Diritto“ vom 20 April mit dieſen<lb/> bemerkenswerthen Worten: „Unter dem Vorwand der Nothwendigkeit des<lb/> Augenblicks, aber eigentlich mit der Abſicht in Bologna eine ausſchließende<lb/> Oligarchie von zweifelhafter Befähigung, ohne Feſtigkeit und Gediegenheit der<lb/> Grundſätze, einzurichten, hat man ſich in der Schwäche der Ueberzeugung ein-<lb/> gebildet die Herrſchaft der Freiheit des Gedankens dadurch inauguriren zu<lb/> können daß man nicht allein die Zwangsmaßregeln beibehielt, ſondern ſie wo<lb/> möglich verdoppelte, womit die Cenſur das freie Wort des Bürgers unter-<lb/> band. Da in ſechs langen Monaten das Reich der Conſtitution bei uns that-<lb/> ſächlich nicht anfieng, dot uns die Cenſur das bedauerliche Ausſehen eines<lb/> Inſtituts mit der Beſtimmung die öffentliche Meinung Landes zu verweiſen.<lb/> Das iſt der Welt Lauf, wenn es unglücklicherweiſe den politiſchen Genoſſen-<lb/> ſchaften gelingt ans Ruder zu kommen, welche in der Unabhängigkeit und<lb/> Freiheit des Vaterlandes nichts anderes lieb haben als was das eigene mate-<lb/> terielle Glück wie das ihrer zahlreichen Schmeichler und Clienten betrifft,<lb/> fördert und ſichert, und nebenbei die kleinliche Larde eines geſpaltenen und<lb/> bleichen, heuchleriſch und mit der größtmöglichen homöopathiſchen Langſam-<lb/> keit geförderten öffentlichen Wohls. Das iſt der Weltlauf, wo die politiſchen<lb/> und ſocialen Umwälzungen fortſchreiten, indem ſie eine diplomatiſche und<lb/> krumme Straße einhalten.“ Viel Aufrichtigkeit von einem liberalen Blatt!</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Neueſte Poſten.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Mainz,</hi> 31 Mai.</dateline> <p>Von Seiten des franzöſiſchen Geſandten iſt die<lb/> Mittheilung gemacht, daß die franzöſiſche Regierung die bisher beanſtandete<lb/> Verlegung der Centralcommiſſion der Rheinſchifffahrt von hier nach Mann-<lb/> heim bewilligt hat und auch darauf verzicht leiſtet, hier am Ort ein franzöſi-<lb/> ſches Conſulat zu unterhalten. (D. 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Am Montag wird die eigentliche erſte Sitzung ſtattfinden,<lb/> bei welcher die Vorlagen gemacht, und darüber abgeſtimmt werden ſoll ob die-<lb/> ſelben ſogleich im Pleno zur Berathung genommen oder an ein Comit<hi rendition="#aq">é</hi> ver-<lb/> wieſen werden ſollen. Da das letztere zu vermuthen iſt, und die ernannten<lb/> Ausſchüſſe doch einige Tage zur Erledigung ihrer Vorarbeiten bedürfen wer-<lb/> den, ſo dürften die eigentlichen Verathungen kaum vor dem zweiten Drittel<lb/> des Monats Juni beginnen, und die Dauer des Seſſion ſich bis gegen die<lb/> Mitte Auguſt erſtrecken. (W. Bl.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>☩ <hi rendition="#b">Wien,</hi> 1 Jun.</dateline> <p>Se. Maj. der Kaiſer hielt an die Reichsräthe folgende<lb/> Rede: <cit><quote>„Meine HH. Reichsräthe! Seyen Sie Mir herzlich willkommen! 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Italien.
Die Trieſt. Ztg. enthält folgenden ältern Bericht aus Palermo
vom 12 Mai. Während nach vergeblich wiederholten Verſuchen die Revo-
lutionspartei in und um Palermo ſich an Mitteln erſchöpft und mit überlegenen
Kräften im Kampf ſteht, iſt der Aufſtand im Innern des Landes vollſtändig
in die Phaſe des Räuberweſens übergegangen, wie er ſchon urſprünglich
dieſen Charakter an ſich trug. Zur Stärke von mehreren Hunderten ange-
wachſen, üben dieſe Räuberhorden mit unerhörter Frechheit ihren Terrorismus
und halten den Verkehr im Bann, denn die Kräfte des Militärs und der Po-
lizei reichen nicht hin um überall energiſche Maßregeln zu treffen. Die Be-
hörden der kleinern Städte im Innern ſind abgeſetzt, und in den meiſten Orten
hat ſich eine Bürgergarde gebildet, die für die öffentliche Sicherheit ſorgt, aber
oft genug und je nach den Umſtänden mit dem Räuberweſen gemeinſame Sache
macht. Daß unter den obwaltenden Umſtänden an Recht und Obrigkeit nicht
appellirt werden kann, verſteht ſich von ſelbſt, und der perſönliche Schutz be-
ſteht im vorſichtigen Vermeiden jeder Colliſion. Perſönliches Intereſſe, Rach-
ſucht und Ehrſucht ſpielen ihre nur zu tief eingreifenden Rollen, das traurigſte
Ergebniß aber liefert die gänzliche Stockung des Verkehrs. Die Reiſenden
können ohne ſtarke Bedeckung keine Strecke mehr ohne Gefahr zurücklegen.
Täglich hört man von neuen Raubthaten, die Banden ziehen ungeſcheut bis an
die Eingänge der Ortſchaſten, und erpreſſen unter Drohungen aller Art Geld
und Lebensmittel. Die Nachtfahrten der öffentlichen Poſten ſind eingeſtellt, und
durch die ſo ſehr erſchwerte Communication, durch Darniederliegen von Han-
del und Gewerbe nehmen Armuth, Willkür und Unordnung natürlich immer
mehr überhand.
Rom. Der Bericht in welchem der Chef des päpſtlichen Generalſtabs,
Oberſt Pimodan, über das am 19 Mai zwiſchen päpſtlichen Gendarmen und
den aus Toscana eingebrochenen Freiſchärlern ſtattgehabte Geſecht dem Ge-
neral Lamoricière Meldung macht, lautet: „Valentano, 19 Mai. Hr. Gene-
ral! Auf die Nachricht daß 350 Freiſchärler über die Gränze gekommen
ſeyen und Latera geplündert hätten, bin ich von Montefiascone um 2 Uhr
Morgens mit 60 berittenen Gendarmen aufgebrochen. Die Freiſchärler waren
nach dem nahegelegenen Le Grotte gezogen, wir eilten ihnen dorthin nach,
fanden aber nur 200, die auf dem Platz und in den Kaffeehänſern beiſammen
waren. Es war eine Luſt den Muth und das Feuer zu beobachten womit
die Gendarmen ſich auf ſie warfen. Die Schuß- und Stichwaffe wurde mun-
ter gehandhabt; bald ſah ich 10 Freiſchärler zu Boden geſtreckt, und wenigſtens
25 verwundet. Vergebens rief ich: Gebt Pardon! Das Gefecht war bereits
zu hitzig. Unter den Todten iſt ein Orſini, Bruder desjenigen der den Kaiſer
Napoleon tödten wollte. Leider haben auch wir drei Todte, den Lieutenant
Cacchi, einen Corporal und einen Gemeinen, ferner zwei Verwundete. Auch
viele Pferde ſind verwundet worden. Ich hoffe daß alle dieſe tapfern Gendar-
men, ferner Hauptmann Evangeliſta und die Lieutenants Amoroſetti und
Roſetti für dieſen Kampf, welcher ſeit Ihrer Uebernahme des Obercomman-
do’s der erſte iſt, werden belohnt werden; für mich verlange ich nichts, da mir
die Bewunderung der Tapferkeit der italieniſchen Gendarmen ungemein viel
Vergnügen gemacht hat. Die Pferde ſind erſchöpft. Hätte ich das Jäger-
bataillon zu Gebot gehabt, das im Augenblick meines Aufbruchs von Viterbo
eintraf, ſo würde ich die ganze Bande gefangen haben. Es iſt um 5 Uhr
Nachmittags zu mir geſtoßen.“
Aus dem Brief eines franzöſiſchen Freiwilligen bei der Truppe Pimo-
dans, welche die aus Toscana ins Römiſche eingedrungenen Freiſchaaren zu-
rückwarf, theilt der (liberale) Pariſer Correſpondent des J. de Genève mit
daß die Schaar ſich ſchnell auflöste. Muth habe nur ein 15jähriger Menſch
gezeigt, der das verlorne Banner der Schaar mitten im Kugelregel abholte.
Die zurückgelaſſenen Verwundeten ſeyen meiſt Piemonteſen. In Florenz
cheint der Putſch kein Geheimniß geweſen zu ſeyn, da dort die Freiſchaaren
im Theater della Pergola zuvor eine Ovation empfangen hatten.
†* Rom, 26 Mai. Es ſind allerdings bei den inländiſchen Truppen
jüngſt wieder maſſenhafte Ausreißereien vorgekommen; die Verluſte wurden
indeſſen, ſoweit es ſich dabei um Zahlen handelte, durch den beſſern Fortgang
der Werbungen unter verſchiedenen Einwohnerclaſſen mit erheblichem Ueber-
ſchuß gedeckt. Doch bleibt dabei der Mangel an Officieren ſehr fühlbar. Um
die Lücke ſchnell auszufüllen, hat der Kriegsminiſter in zwei Aufrufen alle aus
dem Dienſt getretenen Graduirten unter ſehr günſtigen Bedingungen, auch unter
Anrechnung der Penſionszeit für das Avancement, zum Wiedereintritt aufge-
ordert. Auch die Sedentarj (Invaliden) welche ſich noch Kraft genug zu-
trauen, werden für den minder anſtrengenden Dienſt verwendet. Von Pferde-
ankäufen trifft einer nach dem andern ein. Doch da fehlt es wiederum an
ſolchen die ſie zureiten und dreſſiren. Auch hiezu hat Monſignor Merode
durch eine Bekanntmachung Kundige eingeladen, weil die Vorhandenen nicht
genügen. So müſſen hier ſelbſt die erſten Elemente zur Bildung eines Ope-
rationscorps von nur einigem Betracht aus dem Nichts geſchaffen werden.
Glücklicherweiſe fehlt es nicht an Geld; doch die materielle Wohlfahrt des
Landes wird durch die mit der Anleihe übernommenen finanziellen Obliegen-
heiten, durch die Creation neuer Abgaben und Steuern auf lange hin einen
verderblichen Stoß bekommen. — Klerus und gläubiges Volk vereinigten ſich,
mit Rückſicht auf die unruhigen Zeiten, den Erinnerungstag an die Rückkehr
Pius VII aus der Verbannung (24 Mai 1814) durch eine außerordentliche
Feier auszuzeichnen. Zu dem Ende wurden vorgeſtern in der Ordenskirche
der Dominicaner feierliche dreitägige Gebete angeordnet, wovon die Vorüber-
gehenden durch dieſe Inſchrift über dem Portal benachrichtigt wurden: Alla
guerra antica, che più astuta rinnovasi contro la chiesa, con fede più
salda opponiamo, Romani, le armi nostre, le preghiere a Maria, aiuto
de’ Christiani. (Dem alten Krieg, der ſich liſtiger wider die Kirche erneuert,
laßt uns, Römer, mit feſterm Glauben unſere Waffen entgegenſetzen — die
Gebete zu Maria der Chriſten Helferin.) — Noch immer gehen reichliche
Gaben aus den verſchiedenſten Gegenden der katholiſchen Welt ein um für
die augenblicklichen Bedürfniſſe verwendet zu werden. Nr. 100 des „Giornale
di Roma“ gibt die Geſammtſumme auf 400,000 Scudi an, Nr. 119 von
vorgeſtern ſchon auf 500,000 Scudi, d. h. über eine Million Gulden. —
Cardinal Reiſach iſt vom Papſt zum Mitglied der Congregation des Sant
Uffizio ernannt. — Ein Bologneſer Correſpondent beſchreibt das politiſche
Glück der Aemilia im Turiner Journal „Il Diritto“ vom 20 April mit dieſen
bemerkenswerthen Worten: „Unter dem Vorwand der Nothwendigkeit des
Augenblicks, aber eigentlich mit der Abſicht in Bologna eine ausſchließende
Oligarchie von zweifelhafter Befähigung, ohne Feſtigkeit und Gediegenheit der
Grundſätze, einzurichten, hat man ſich in der Schwäche der Ueberzeugung ein-
gebildet die Herrſchaft der Freiheit des Gedankens dadurch inauguriren zu
können daß man nicht allein die Zwangsmaßregeln beibehielt, ſondern ſie wo
möglich verdoppelte, womit die Cenſur das freie Wort des Bürgers unter-
band. Da in ſechs langen Monaten das Reich der Conſtitution bei uns that-
ſächlich nicht anfieng, dot uns die Cenſur das bedauerliche Ausſehen eines
Inſtituts mit der Beſtimmung die öffentliche Meinung Landes zu verweiſen.
Das iſt der Welt Lauf, wenn es unglücklicherweiſe den politiſchen Genoſſen-
ſchaften gelingt ans Ruder zu kommen, welche in der Unabhängigkeit und
Freiheit des Vaterlandes nichts anderes lieb haben als was das eigene mate-
terielle Glück wie das ihrer zahlreichen Schmeichler und Clienten betrifft,
fördert und ſichert, und nebenbei die kleinliche Larde eines geſpaltenen und
bleichen, heuchleriſch und mit der größtmöglichen homöopathiſchen Langſam-
keit geförderten öffentlichen Wohls. Das iſt der Weltlauf, wo die politiſchen
und ſocialen Umwälzungen fortſchreiten, indem ſie eine diplomatiſche und
krumme Straße einhalten.“ Viel Aufrichtigkeit von einem liberalen Blatt!
Neueſte Poſten.
Mainz, 31 Mai. Von Seiten des franzöſiſchen Geſandten iſt die
Mittheilung gemacht, daß die franzöſiſche Regierung die bisher beanſtandete
Verlegung der Centralcommiſſion der Rheinſchifffahrt von hier nach Mann-
heim bewilligt hat und auch darauf verzicht leiſtet, hier am Ort ein franzöſi-
ſches Conſulat zu unterhalten. (D. Bl.)
Berlin, 2 Jun. Der Prinz-Regent iſt heute Morgen 6¼ Uhr in
Begleitung des Prinzen Friedrich Wilhelm zur Eröffnungsfeier der Eydtkuh-
ner Eiſenbahnſtrecke nach der Provinz Preußen abgereist, zunächſt nach
Danzig, wo morgen große Parade und Beſichtigung der Marine ſtattfindet,
nach deren Beendigung die Weiterreiſe nach Königsberg erfolgt. Montag
früh findet die Eröffnungsfeier ſtatt. Die Rückkehr Sr. k. Hoh. erfolgt am
6 d. Mts. Im Gefolge des Prinz Regenten befinden ſich die Miniſter v.
Auerswald, Graf v. Schwerin, v. d. Heydt, v. Roon, v. Schleinitz, Graf
v. Pückler, Vice-Admiral Schröder, Feldmarſchall v. Wrangel, General-Lieu-
tenant v. Williſen u. ſ. w.
Wien, 1 Jun. Heute Vormittags wurde der Reichsrath als Geſammt-
körperſchaft von dem Kaiſer im Thronſaal empfangen. Außer dem Erzherzog-
Präſidenten, welcher die hohe Körperſchaft führte, befanden ſich auch die Erz-
herzoge Wilhelm und Leopold in der Mitte der Reichsräthe. Se. Majeſtät
empfieng den Reichsrath auf dem Throne ſtehend, umgeben von ſeinem Cor-
tege, und verlas mit lauter und ſonorer Stimme eine Rede, worin der wich-
tigen Vorlagen die dem Reichsrath gemacht werden ſollen Erwähnung ge-
ſchah, und den Kronländern Provinzialautonomie, jedoch ohne Bevorzugung
einzelner Länder vor den andern und ohne Benachtheiligung der Reichseinheit,
zugeſichert wurde. Die Verſammlung antwortete mit einem begeiſterten drei-
maligen Lebehoch. Am Montag wird die eigentliche erſte Sitzung ſtattfinden,
bei welcher die Vorlagen gemacht, und darüber abgeſtimmt werden ſoll ob die-
ſelben ſogleich im Pleno zur Berathung genommen oder an ein Comité ver-
wieſen werden ſollen. Da das letztere zu vermuthen iſt, und die ernannten
Ausſchüſſe doch einige Tage zur Erledigung ihrer Vorarbeiten bedürfen wer-
den, ſo dürften die eigentlichen Verathungen kaum vor dem zweiten Drittel
des Monats Juni beginnen, und die Dauer des Seſſion ſich bis gegen die
Mitte Auguſt erſtrecken. (W. Bl.)
☩ Wien, 1 Jun. Se. Maj. der Kaiſer hielt an die Reichsräthe folgende
Rede: „Meine HH. Reichsräthe! Seyen Sie Mir herzlich willkommen! Ich
habe Sie berufen, weil Ich mit Zuverſicht darauf rechne in Ihnen Männer
zu finden welche Mich in Meinen Beſtrebungen, das Wohl aller Völker
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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