Allgemeine Zeitung, Nr. 159, 7. Juni 1860.Außerordentl. Beilage zu Nr. 159 der Allg. Zeitung. Donnerstag 7 Junius 1860.[Spaltenumbruch] Uebersicht. Deutschlands Gefahr und Hoffnung. -- Italienische Reiseblätter. (V. Rom.) -- Deutschland. (Freiburg: Die erste Wanderversammlung der badischen Gewerbvcreine. Berlin: Anstellungsfähigkeit der Juden an öf- fentlichen Schulen.) -- Griechenland. (Athen: Kammerverhandlungen. Gegen den Panslavismus. Nachrichten aus Petersburg. Aus Sicilien. Der Pascha von Larissa und Janina. Der König und die Königin nach Eleusis.) Deutschlands Gefahr und Hoffnung. * Aus Rheinpreußen.Die Reise des Prinz-Regenten nach (Wir müssen es dahingestellt seyn lassen ob die Worte des Prinz-Re- Hier an den äußersten Gränzmarken haben sich Fürst und Volk die Ver- Wahrlich, groß waren die Berlockungen welche Preußen entgegengehalten Aber wenn auch die Abweisung der französischen Verlockung für den Man muß auf dem linken Rheinufer wohnen um es zu erfahren in wie Werden wir auch voraussichtlich die Leiden des Krieges am schwersten Die Declamationen des Spectateur Militaire sind noch empörender. Was hat bei der neulichen Veranlassung der Redner der Stadt Saar- Wir meinen, das sey deutlich genug gesprochen; es ist aber auch note- Wahr ist es daß wir uns einer trüben Besorgniß bei dem Gedanken an Möglich ist es daß vor einer solchen imposanten Thatsache der Tiger in Außerordentl. Beilage zu Nr. 159 der Allg. Zeitung. Donnerſtag 7 Junius 1860.[Spaltenumbruch] Ueberſicht. Deutſchlands Gefahr und Hoffnung. — Italieniſche Reiſeblätter. (V. Rom.) — Deutſchland. (Freiburg: Die erſte Wanderverſammlung der badiſchen Gewerbvcreine. Berlin: Anſtellungsfähigkeit der Juden an öf- fentlichen Schulen.) — Griechenland. (Athen: Kammerverhandlungen. Gegen den Panſlavismus. Nachrichten aus Petersburg. Aus Sicilien. Der Paſcha von Lariſſa und Janina. Der König und die Königin nach Eleuſis.) Deutſchlands Gefahr und Hoffnung. * Aus Rheinpreußen.Die Reiſe des Prinz-Regenten nach (Wir müſſen es dahingeſtellt ſeyn laſſen ob die Worte des Prinz-Re- Hier an den äußerſten Gränzmarken haben ſich Fürſt und Volk die Ver- Wahrlich, groß waren die Berlockungen welche Preußen entgegengehalten Aber wenn auch die Abweiſung der franzöſiſchen Verlockung für den Man muß auf dem linken Rheinufer wohnen um es zu erfahren in wie Werden wir auch vorausſichtlich die Leiden des Krieges am ſchwerſten Die Declamationen des Spectateur Militaire ſind noch empörender. Was hat bei der neulichen Veranlaſſung der Redner der Stadt Saar- Wir meinen, das ſey deutlich genug geſprochen; es iſt aber auch note- Wahr iſt es daß wir uns einer trüben Beſorgniß bei dem Gedanken an Möglich iſt es daß vor einer ſolchen impoſanten Thatſache der Tiger in <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0017"/> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Außerordentl. Beilage zu Nr. 159 der Allg. Zeitung.</hi> </titlePart> </docTitle> <docImprint> <docDate> <hi rendition="#b">Donnerſtag 7 Junius 1860.</hi> </docDate> </docImprint> </titlePage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="contents" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Ueberſicht.</hi> </hi> </hi> </head> <list> <item><lb/> Deutſchlands Gefahr und Hoffnung. </item> <item>— Italieniſche Reiſeblätter. (<hi rendition="#aq">V.</hi><lb/> Rom.) </item> <item>— Deutſchland. 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Wäre erſteres der Fall, ſo verlöre der ganze Vorgang das Haupt-<lb/> gewicht; wäre aber die zweite Bermuthung gegründet — wie es allem An-<lb/> ſchein nach iſt — ſo wäre dieß nur ein neuer Beweis von der „Selbſtändig-<lb/> keit“ des preußiſchen Miniſteriums, das nicht genug daran hatte in Paris die<lb/> Worte der Kölniſchen Zeitung als ungenau bezeichnen zu laſſen, was voll-<lb/> kommen genügte, ſondern das noch beſonders in einem allen Zeitungen mitge-<lb/> theilten Artikel jene Worte förmlich zurücknahm. So etwas iſt Napoleon<lb/> kaum je begegnet. Es beweist aufs neue wie der gerade Sinn des Prinz-<lb/> Regenten von ungeſchickten Interpreten entſtellt wird. Und der Jubel, den<lb/> nun die franzöſiſchen Blätter aufſchlagen! 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Die Manifeſtation eines redlichen treuen deutſchen Gemüths that uns<lb/> noth, und ein ſolches Gemüth hat ſich ſowohl in ſeiner Thronrede als auch<lb/> in ſeinen Worten an den äußerſten weſtlichen Gränzen in wahrhaft wohl-<lb/> thuender Weiſe dem Volk geoffenbart — ohne ſchimmernden Prunk der Werte,<lb/> ſondern einfach, ſchlicht und recht wie es dem Deutſchen geziemt. Es war<lb/> gerade das richtige daß er in ſeiner Threnrede den einſeitigen particulariſti-<lb/> ſchen Ränken den Rücken kehrte, und es vor der Welt bezeugte <hi rendition="#g">daß Preußen<lb/> kein Recht anderer verletzen werde.</hi> Durch dieſes Wert iſt es mög-<lb/> lich geworden, und wir werden es erleben, daß das ganze Deutſchland dem<lb/> drohenden Feind einig entgegenzieht, denn <hi rendition="#g">in dem Grundſatz</hi> daß die Un-<lb/> abhängigkeit der Nation und die Unverletzlichkeit des vaterländiſchen Bedens<lb/> über alles zu ſtellen ſey, hat er gerade dasjenige als ſelbſtverſtändlich hinge-<lb/> ſtellt was in der Bruſt eines jeden Dentſchen feſt gegründet iſt.</p><lb/> <p>Man muß auf dem linken Rheinufer wohnen um es zu erfahren in wie<lb/> beruhigender Weiſe die Anweſenheit des Prinz-Regenten in unſerer Provinz<lb/> gewirkt hat. Wir wiſſen es jetzt daß Preußen und mit ihm das ganze<lb/> Deutſchland dieſen ächt deutſchen Boden bis zum Aeußerſten vertheitigen<lb/> wird; wir fühlen es daß hier dem frevelhaften Räuber, der in unſere Fluren<lb/> einbrechen will, eine ſittliche Macht entgegentritt; wir hegen die feſtbegründete<lb/> Hoffnung daß Gott die Deutſchen in dem Kampfe für die gerechte Sache nicht<lb/> verlaſſen wird.</p><lb/> <p>Werden wir auch vorausſichtlich die Leiden des Krieges am ſchwerſten<lb/> zu tragen haben, ſo iſt es doch eine ungemein beruhigende Hoffnung daß das<lb/> ganze deutſche Velk in dieſem glorreichen Kampfe, wenn er nicht vermieden<lb/> werden kann, in Einigkeit ſtreiten wird. Wir haſſen gewiß nicht das franzö-<lb/> ſiſche Volk; im Gegentheil, wir wünſchen nichts ſehnlicher als im Frieden<lb/> mit ihm zu leben; aber die ſchlechten, ſelbſt bereits der Fäulniß verfallenen<lb/> Elemente welche dieſes Volk zu einem nichtswürdigen Kriege gegen uns treiben<lb/> möchten, die haſſen wir. Jeder der nur einige Tage auf dem deutſchen linken<lb/> Rheinufer ſich aufhält, kann mit geringer Mühe den Ekel entdecken mit dem<lb/> die galliſchen Rheingelüſte alle Schichten der Berölkerungen erfüllen. Und<lb/> da wagt es nun der „vorgeſchobene Peſten der öffentlichen Meinung“ (d. h.<lb/> des zweiten Decembers) im Si<hi rendition="#aq">è</hi>cle zu ſagen: es ſey ein Mißbrauch der Ge-<lb/> walt daß Deutſchland das linke Rheinufer beſitze; es habe aber ſelbſt das<lb/> Gefühl des unrechtmäßigen Beſitzes, und dieſe Provinzen ſeyen Frankreich<lb/> anhänglich geblieben! Wenn das nicht eine ſelbſtbewußte Lüge iſt, ſo iſt es<lb/> eine Unwiſſenheit, ſo koloſſal daß jeder Rheinländer nur ein Hohnlachen<lb/> dafür haben kann.</p><lb/> <p>Die Declamationen des Spectateur Militaire ſind noch empörender.<lb/> Hier tritt die brutale Gewalt, das nackte Fauſtrecht unverhüllt auf. Es<lb/> wird nicht einmal der Verſuch gemacht die Wegnahme der Rheingränze, die<lb/> ſich die Franzoſen ſo ſehr leicht denken, mit Scheingründen zu beſchönigen!<lb/> Die Herren könnten ſich aber über die Schwierigkeit ihres edeln Unternehmens<lb/> ſehr täuſchen, und namentlich könnte ihnen in den Rheinlanden ſelbſt ein<lb/> Geiſt entgegentreten von dem ſie ſich in ihrer Selbſtverherrlichung nichts träu-<lb/> men laſſen.</p><lb/> <p>Was hat bei der neulichen Veranlaſſung der Redner der Stadt Saar-<lb/> brücken, <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Jordan, geſagt? 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Außerordentl. Beilage zu Nr. 159 der Allg. Zeitung.Donnerſtag 7 Junius 1860.
Ueberſicht.
Deutſchlands Gefahr und Hoffnung.
— Italieniſche Reiſeblätter. (V.
Rom.)
— Deutſchland. (Freiburg: Die erſte Wanderverſammlung der
badiſchen Gewerbvcreine. Berlin: Anſtellungsfähigkeit der Juden an öf-
fentlichen Schulen.)
— Griechenland. (Athen: Kammerverhandlungen.
Gegen den Panſlavismus. Nachrichten aus Petersburg. Aus Sicilien. Der
Paſcha von Lariſſa und Janina. Der König und die Königin nach Eleuſis.)
Deutſchlands Gefahr und Hoffnung.
* Aus Rheinpreußen.
Die Reiſe des Prinz-Regenten nach
Saarbrücken und Trier zur Eröffnung der weſtlichſten Bahnen des deutſchen
Vaterlandes iſt zu einem bedeutungsvollen Ereigniß geworden.
(Wir müſſen es dahingeſtellt ſeyn laſſen ob die Worte des Prinz-Re-
genten wirklich nur in der ſehr abgeſchwächten Form, die neuerdings gegeben
ward, geſprochen wurden, oder ob das nur eine Conceſſion iſt die von der
preußiſchen Regierung nachträglich Frankreich gemacht ward, als man die
Wirkung ſah die jene Worte, wie ſie urſprünglich mitgetheilt wurden, dort
machten. Wäre erſteres der Fall, ſo verlöre der ganze Vorgang das Haupt-
gewicht; wäre aber die zweite Bermuthung gegründet — wie es allem An-
ſchein nach iſt — ſo wäre dieß nur ein neuer Beweis von der „Selbſtändig-
keit“ des preußiſchen Miniſteriums, das nicht genug daran hatte in Paris die
Worte der Kölniſchen Zeitung als ungenau bezeichnen zu laſſen, was voll-
kommen genügte, ſondern das noch beſonders in einem allen Zeitungen mitge-
theilten Artikel jene Worte förmlich zurücknahm. So etwas iſt Napoleon
kaum je begegnet. Es beweist aufs neue wie der gerade Sinn des Prinz-
Regenten von ungeſchickten Interpreten entſtellt wird. Und der Jubel, den
nun die franzöſiſchen Blätter aufſchlagen! Dennoch ſind die nachfolgenden
Worte ganz am Platz, denn ſie ſchildern die Stimmung, wie ſie in ganz
Deutſchland herrſcht.)
Hier an den äußerſten Gränzmarken haben ſich Fürſt und Volk die Ver-
ſicherung gegeben: bis zum letzten Athemzuge feſtzuhalten an dem theuern Vater-
lande. Es iſt ein feierliches Bündniß abgeſchloſſen, zu dem der Segen von oben
nicht fehlen wird. Es geht ein Gefühl durch das Land daß an der deutſchen
Treue eines edlen deutſchen Fürſten das Gebäude der Lüge, welches der zweite
December in ſchimmernder Pracht, aber auf faulendem Grund, errichtet hat,
zerſchellen wird.
Wahrlich, groß waren die Berlockungen welche Preußen entgegengehalten
wurden! Ganz Deutſchland, incluſive Holſtein, Deutſchland bis zum Main
und Fichtelgebirge mindeſtens — vielleicht auch noch ein gutes Theil mehr —
hätte der zweite December an Preußen gegen die einzige Abtretung des linken
Rheinufers „geſchenkt.“ In der That, vom rein dynaſtiſchen Standpunkt aus
betrachtet, konnte Preußen kein beſſeres Geſchäft machen! Der Handel wäre
ein ſo glänzender geweſen, daß der eigentliche Gründer der preußiſchen Groß-
macht, Friedrich der Große, es im vorigen Jahrhundert wahrſcheinlich ange-
nommen haben würde; wenigſtens enthielt der Bund zu Nymphenburg im
weſentlichen dieſelbe Stipulation, da Eroberungen bis zum Rhein ausdrück-
lich an Frankreich geſtattet wurden. Aber Gott ſey Dank — die Zeiten ſind
anders geworden! Kein preußiſcher König dürfte es jetzt wagen Verrath an
der Integrität des deutſchen Territoriums zu üben, und Friedrich der Große,
dem man den Bund zu Nymphenburg nicht nach heutigem Maß anrechnen
kann, würde in dieſer Zeit ſich nicht einmal herausnehmen dürfen einen folchen
Bund mit Frankreich zu ſchließen — das eigene Bolk würde ſich gegen ihn
wie ein Mann erheben.
Aber wenn auch die Abweiſung der franzöſiſchen Verlockung für den
Prinz-Regenten geradezu eine politiſche Nothwendigkeit war, wie der Sturm
beweist der ſich gegen Hrn. v. Borries erhoben hat, ſo bleibt es doch ſein
bleibendes Verdienſt daß er die Verlockung gerade ſo, und nicht anders, zurück-
wies. Die Manifeſtation eines redlichen treuen deutſchen Gemüths that uns
noth, und ein ſolches Gemüth hat ſich ſowohl in ſeiner Thronrede als auch
in ſeinen Worten an den äußerſten weſtlichen Gränzen in wahrhaft wohl-
thuender Weiſe dem Volk geoffenbart — ohne ſchimmernden Prunk der Werte,
ſondern einfach, ſchlicht und recht wie es dem Deutſchen geziemt. Es war
gerade das richtige daß er in ſeiner Threnrede den einſeitigen particulariſti-
ſchen Ränken den Rücken kehrte, und es vor der Welt bezeugte daß Preußen
kein Recht anderer verletzen werde. Durch dieſes Wert iſt es mög-
lich geworden, und wir werden es erleben, daß das ganze Deutſchland dem
drohenden Feind einig entgegenzieht, denn in dem Grundſatz daß die Un-
abhängigkeit der Nation und die Unverletzlichkeit des vaterländiſchen Bedens
über alles zu ſtellen ſey, hat er gerade dasjenige als ſelbſtverſtändlich hinge-
ſtellt was in der Bruſt eines jeden Dentſchen feſt gegründet iſt.
Man muß auf dem linken Rheinufer wohnen um es zu erfahren in wie
beruhigender Weiſe die Anweſenheit des Prinz-Regenten in unſerer Provinz
gewirkt hat. Wir wiſſen es jetzt daß Preußen und mit ihm das ganze
Deutſchland dieſen ächt deutſchen Boden bis zum Aeußerſten vertheitigen
wird; wir fühlen es daß hier dem frevelhaften Räuber, der in unſere Fluren
einbrechen will, eine ſittliche Macht entgegentritt; wir hegen die feſtbegründete
Hoffnung daß Gott die Deutſchen in dem Kampfe für die gerechte Sache nicht
verlaſſen wird.
Werden wir auch vorausſichtlich die Leiden des Krieges am ſchwerſten
zu tragen haben, ſo iſt es doch eine ungemein beruhigende Hoffnung daß das
ganze deutſche Velk in dieſem glorreichen Kampfe, wenn er nicht vermieden
werden kann, in Einigkeit ſtreiten wird. Wir haſſen gewiß nicht das franzö-
ſiſche Volk; im Gegentheil, wir wünſchen nichts ſehnlicher als im Frieden
mit ihm zu leben; aber die ſchlechten, ſelbſt bereits der Fäulniß verfallenen
Elemente welche dieſes Volk zu einem nichtswürdigen Kriege gegen uns treiben
möchten, die haſſen wir. Jeder der nur einige Tage auf dem deutſchen linken
Rheinufer ſich aufhält, kann mit geringer Mühe den Ekel entdecken mit dem
die galliſchen Rheingelüſte alle Schichten der Berölkerungen erfüllen. Und
da wagt es nun der „vorgeſchobene Peſten der öffentlichen Meinung“ (d. h.
des zweiten Decembers) im Siècle zu ſagen: es ſey ein Mißbrauch der Ge-
walt daß Deutſchland das linke Rheinufer beſitze; es habe aber ſelbſt das
Gefühl des unrechtmäßigen Beſitzes, und dieſe Provinzen ſeyen Frankreich
anhänglich geblieben! Wenn das nicht eine ſelbſtbewußte Lüge iſt, ſo iſt es
eine Unwiſſenheit, ſo koloſſal daß jeder Rheinländer nur ein Hohnlachen
dafür haben kann.
Die Declamationen des Spectateur Militaire ſind noch empörender.
Hier tritt die brutale Gewalt, das nackte Fauſtrecht unverhüllt auf. Es
wird nicht einmal der Verſuch gemacht die Wegnahme der Rheingränze, die
ſich die Franzoſen ſo ſehr leicht denken, mit Scheingründen zu beſchönigen!
Die Herren könnten ſich aber über die Schwierigkeit ihres edeln Unternehmens
ſehr täuſchen, und namentlich könnte ihnen in den Rheinlanden ſelbſt ein
Geiſt entgegentreten von dem ſie ſich in ihrer Selbſtverherrlichung nichts träu-
men laſſen.
Was hat bei der neulichen Veranlaſſung der Redner der Stadt Saar-
brücken, Dr. Jordan, geſagt? Es lebe die Ueberzeugung daß durch den
innigſten Bund der Regierung des Prinz-Regenten mit der vereinten Vater-
landsliebe und dem freien Willensausdruck des geſammten deutſchen Velkes
jeder Fußbreit deutſchen Bodens, jede Forderung deutſchen
Rechts, jeder Pulsſchlag preußiſcher und deutſcher Ehre gegen
jeden Angriff, jeden Feind geſichert ſeyn werde!
Wir meinen, das ſey deutlich genug geſprochen; es iſt aber auch note-
riſch daß das ganze Rheinland, von Saarbrücken bis zur äußerſten nördlichen
Gränze bei Cleve, einmüthig ſo denkt. Nichtsdeſtoweniger wundert es uns
nicht daß man in Paris gerade das Gegentheil in die Welt hinauspoſaunt.
Man hat ſeine guten Gründe ſo zu reden, oder aber iſt wirklich ſo unwiſſend
und durch Eitelkeit verblendet, daß man den Unſinn ſelbſt glaubt den man
auskramt.
Wahr iſt es daß wir uns einer trüben Beſorgniß bei dem Gedanken an
die Zukunſt nicht erwehren können, aber lediglich aus dem Grunde weil wir
wahrhafte Anhänger der Civiliſation ſind, die wir nicht lügneriſch im Munde
ſühren, und weil wir mit Entfetzen auf das Verbrechen blicken welches die
Barbarei des Krieges der ſriedlichen Welt bringen will. Gewiß ſind wir
aufrichtige Anhänger des Friedens, und möchten den Krieg vermieden ſehen;
aber wenn das ganze Dentſchland zuſammenſteht, ſo zweifeln wir keinen
Augenblick an dem endlichen Siege der gerechten Sache. Dann wird auch
der rechte Mannesmuth nicht fehlen, und wer weiß ob nicht dieſe Prüfung
dem deutſchen Vaterland endlich zum Segen gereichen wird. Aber in dieſem
Augenblick iſt durch die neueſte Beruhigung des Moniteur die Gefahr ge-
wachſen, und jeder Deutſche ſollte ſich jeden Tag von Morgen bis Abend
ſagen: das Vaterland iſt in Gefahr! Aber in dieſen ſchweren Tagen iſt der
Prinz-Regent von Preußen unſere Hoffnung geworden. Seine Selbſt-
verläugnung in deutſcher Treue hat es möglich gemacht daß alle deutſchen
Stämme zum Schutz des vaterländiſchen Bodens ſich innig verbinden, daß
der innere Hader — hauptſächlich hervorgerufen durch die Ränke, oder wenig-
ſtens Unbeſonnenheiten, der engherzig preußiſchen Partei — endlich ſchweigt,
und daß die Nation das Wort unſeres unſterblichen Schiller befolgt: „Seyd
einig, einig, einig!“
Möglich iſt es daß vor einer ſolchen impoſanten Thatſache der Tiger in
ſeinem Sprung innehält, obgleich es kaum zu glauben iſt; aber wenn der
ſchwere Kampf gekämpft werden muß, ſo leben wir in der ermuthigenden Hoff-
nung daß ein edler deutſcher Fürſt, der keines andern Recht verletzen
will, die deutſche Fahne der gauzen Nation vorantragen, und daß in dieſem
Zeichen deutſche Treue und Redlichkeit über Trug und Hinterliſt den Sieg
davontragen wird. In hoe signo vinces!
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(2021-01-12T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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