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Allgemeine Zeitung, Nr. 160, 8. Juni 1860.

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Allgemeine Zeitung.


Freitag Nr. 160. 8 Junius 1860.


AUGSBURG. Das Abonnement,
welches je vierteljährlich und halb-
jährlich angenommen wird, beträgt in
Bayern vierteljährlich [40]. 15 kr.
Vereinsmünze.
[Spaltenumbruch]
Inserate werden von der Expedition
aufgenommen und der Raum einer
dreispaltigen Colonelzeile berechnet:
im Hauptblatt mit 12 kr., in der
Beilage mit 9 kr.


Correspondenzen sind an die Redaction, Inserate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adressiren.
Man abonnirt bei allen Postämtern Deutschlands Oesterreichs und der Schweiz; für Frankreich. Sardinien. Spanien und Portugal bei G. A. Alexandre in Strasburg, Paris bei demselben,
[2] Cour du Commerce St. Andre des Arts, und bei der deutschen Buchhandlung von F. Klincksieck, Nr. 11 rue de Lille, oder bei dem Postamt in Karlsrube; für England bei Williams & Norgate,
14 Henriette-Street, Covent-Garden in London. für Nordamerika bei dem königl. preussischen Postamt Cöln oder Westermann & Comp. in New-York; für Italien bei den k. k. Postämtern zu
Innsbruck, Verona, Venedig, Triest und Mailand; im Kirchenstaat und den Herzogthumern Lucca, Modena, Parma und Toscana bei Buchhändler H. F. Münster in Verona; für Neapel und
Sicilien bei Buchhändler Albert Detken in Neapel: für Griechenland, Türkei und die Levante etc. beim k. k. Postamt in Triest.


Uebersicht.

Lord Brougham in Edinburg.

Deutschland. Karlsruhe (Freudenfeste zur Begrüßung des Groß-
berzogs. Fortgang der kirchlichen Arbeiten der Stände); Leipzig (Bruno
Lindner); Hannover (Graf Borries. Grundsteinlegung. Aus der zweiten
Kammer); Düsseldorf (der Jacobi'sche Garten); Berlin (die Preuß. Ztg.
gegen die Rheinbundsgelüste des Siecle. Einweihung der Königsberg-Eydt-
kuhner Eisenbahn); Schleswig (die Heiberg'sche Angelegenheit); Wien
(Annäherung zwischen den altconservativen Magyaren und den böhmischen
Adeligen. Aus dem Reichsrath).

Schweiz. Bern (Marquis Turgot. Hr. Tillos. Zur Dappenthal-
frage. Die beabsichtigte Denunciation antinapoleonisch gesinnter Flüchtlinge
an Frankreich).

Großbritannien. Der Hof und König Leopold; Grundsteinlegung
zu einem "Dramatic College." Die Generale Strafford und Leighton +.
Ueber Sicilien und Garibaldi. Eine Entführung. Die "Volkszeitung."

Frankreich. Gegen Parlamentarismus. Sicilien. Die Handels-
untersuchung. Fürst Metternich nach Fontainebleau.

Italien. Palermo (zum Aufstand); Siena (die Universität. Die
Autonomie und ihre Folgen); Turin (Ministerwechsel unbegründet. Cavours
Erklärung über die Marine. Bella, der Mathematiker +. Nachrichten aus
Sicilien. Conferenz des russischen Gesandten mit Cavour. Das Kriegsmini-
steriums noch unbesetzt. Eine Verhaftung in Bologna); Chambery (An-
schlußfeste); Mailand (französische Officiere nach Benedig. Verona).

Ionische Inseln. Korfu (Aufregung wegen Siciliens).

Türkei. Damaskus (Nachrichten aus Bagdad. Die Pilgerkarawane
nach Mekka. N. v. Rothschild. Die orleanischen Prinzen).

Neueste Posten. München (vom Hof. Das Fronleichnamsfest.
Die Universttät).



Cursbericht.
[Tabelle]


Lord Brougham in Edinburg.

"Zu den schweren Heimsuchungen," sagt die Literary Gazette, "denen
kein berühmter Schriftsteller oder Staatsmann unseres Landes entgehen
kann, gehört die zum Kanzler oder Lord Rector einer schottischen Univerfität
ernannt zu werden. Bor wenig mehr als einem Monat hatten wir ein
glänzendes Stück Beredsamkeit von unserm Schatzkanzler, und nun hat Lord
Brougham vor demselben Auditorium geredet in einer Eigenschaft die von
jener Hrn. Gladstone's nur dem Namen nach verschieden ist, und über die
nämlichen Materien. In der Regel sind solche akademische Reden wenig
mehr als ein rhetorisches Feuerwerk und die Wiederholung gigantischer Ge-
meinplätze. Ein Mann wie Henry Brougham jedoch macht da einigermaßen
eine Ausnahme. Die Ermahnungen dieses Greises, der hundert Schlachten
des Geistes mit fleckenloser Ehre bestand, und dessen Name nach dem Natur-
gesetz bald zu den Glorien der Bergangenheit gehören muß, verdienten aller-
[Spaltenumbruch] dings die gespannte Aufmerksamkeit der studierenden Jugend von Edinburg,
um so mehr, als sie aus dem Mund eines Veteranen kamen dessen ganzes Le-
ben eine so glänzende Bekräftigung seiner Worte ist."

Die erwähnten Wahlen gehen an den schottischen Hochschulen ganz von
den ältern Studenten (graduates) aus, doch die Würde eines Lord
Kanzlers befitzt die Universität Edinburg, wie Oxford und Cambridge, erst
durch die "Scottisch Universities Act" von 1858, und Brougham ist der erste
Kanzler, während Hr. Gladstone Rector der Universität ist. Die (schon
früher kurz erwähnte) feierliche Installation geschah in der Musikhalle der
schottischen Hauptstadt, wo sich gegen 1800 Personen versammelt hatten;
worunter besonders viele Geistliche, da gerade drei Synoden, der Kirche von
Schottland, der freien Kirche, und der "vereinigten Presbyterianer," unter
ihren "Moderatoren" daselbst tagten. Lord Brougham, der mit rau-
schendem Beifall empfangen wurde, war als Kanzler prächtig herausgeputzt,
mit einer geblümten reichgestickten Atlaß-Robe und einem betroddelten vier-
eckigen schwarzen Barett. Er bestieg das Platform, wo sämmtliche akademi-
sche Würdenträger und sonstige Notabeln saßen, am Arme Sir David
Brewsters, des "Principal" und Bicekanzlers der Hochschule. Nachdem er
durch den Solicitpr-General der Versammlung vorgestellt war, begann er
seine lange Rede, welche in kleinem Druck sechsthalb Spalten der Times
füllt, und wohl dritthalb Stunden gedauert haben wird, so daß man nur
staunen muß wie dem 81jährigen Mann der Athem dazu ausreichte. Es er-
klärt sich nur aus einer frühbegonnenen, vieljährigen Rednerübung, denn in
der Zeit seiner Londoner Advocatenpraxis ist es wohl vorgekommen daß
Brougham acht bis neun Stunden lang ohne Unterbrechung plädirte. In-
dessen wenn die oben angeführte Litteraturzeitung diesem oratorischen Kraft-
stück nachrühmt daß es zwar sehr lang, aber nicht prolix gewesen sey, so
können wir diesem Urtheil nach unserm eigenen Eindruck nicht ganz bei-
stimmen; es scheint uns vielmehr, namentlich in der überflüssigen Exem-
plification von Sätzen die eigentlich niemand bestreitet, z. B. daß ein Mensch
sein Studium concentriren müsse um etwas tüchtiges zu leisten, an einer grei-
senhaften Redseligkeit unverkennbar zu leiden.

Die Einleitung gedenkt in gefühlvollen Worten der bedeutenden Ge-
lehrten die einst der Universität Edinburg zur Zierde gereicht, der Lehrer
früherer Tage, zu deren Füßen Brougham noch selbst gesessen -- der Huma-
nisten Dalzell und Dunbar; der Mathematiker und Physiker Playfair, Rc-
bison, Stewart; Joseph Black's, des "Vaters der neuen Chemie" u. s. w.;
deßgleichen seiner vielen dahingegangenen Mitschüler die sich auf den ver-
schiedenen Feldern geistiger Thätigkeit, als Theologen, Richter, Verwaltungs-
beamte, Schriftsteller u. s. w., verdient und berühmt gemacht, wie Duncan,
Birkbeck, Horner, Jeffrey u. a. Dann rühmt der Redner den fortdauernden
Flor der schottischen alma mater, welche lernbegierige Schüler nicht bloß aus
dem Vereinigten Königreich, sondern auch aus fast allen Ländern Europa's
und aus jedem Staat Nordamerika's anziehe. Schon hier macht Brougham
eine Anspielung auf den politischen Zustand Frankreichs, worauf er später des
nähern zu sprechen kam. "Unsere nächsten europäischen Nachbarn die hier
ihren Studien obliegen (sollten viele Franzosen in Edinburg studieren?) werden
aus unserm Baterland den Eindruck der großen Wahrheit mit heimtragen
daß Volksrechte bestehen und geachtet werden können ohne Ausartung in Pöbel-
tyrannei, und daß eine ehrlose Knechtschaft nicht die einzige Zuflucht ist von
der Anarchie. Unsere Vettern aus der neuen Welt können bei uns lernen
daß auch eine Staatskirche bestehen kann ohne Gewissenszwang, und ohne
daß Richtangehörigen dieser Kirche eine bürgerliche Rechtsungleichheit an-
haftet; daß bei uns eine Einmischung der Bolksleidenschaft in die Rechtspflege
etwas unerhörtes, ja unglaubliches ist; und daß hier der unverantwortliche
Tyrann Pöbel (mob-tyrant), sobald er eines seiner vielen Häupter in die
Höhe reckt, alsbald durch die ordentliche Wirksamkeit des Gesetzes nieder-
geschlagen wird. Bor allem aber mögen unsere amerikanischen Freunde be-
denken daß sie ihre Bildung in einer Stadt empfangen haben welche zuerst
durch den Mund ihrer Richter, die große Rechtsmaxime aussprach daß die
Ketten eines Sklaven abfallen in dem Augenblick wo er brittischen Boden be-
rührt. Den Söhnen Südeuropa's, diesen freilich erlauben ihre Despoten

Allgemeine Zeitung.


Freitag Nr. 160. 8 Junius 1860.


AUGSBURG. Das Abonnement,
welches je vierteljährlich und halb-
jährlich angenommen wird, beträgt in
Bayern vierteljährlich [40]. 15 kr.
Vereinsmünze.
[Spaltenumbruch]
Inserate werden von der Expedition
aufgenommen und der Raum einer
dreispaltigen Colonelzeile berechnet:
im Hauptblatt mit 12 kr., in der
Beilage mit 9 kr.


Correſpondenzen ſind an die Redaction, Inſerate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adreſſiren.
Man abonnirt bei allen Postämtern Deutschlands Oesterreichs und der Schweiz; für Frankreich. Sardinien. Spanien und Portugal bei G. A. Alexandre in Strasburg, Paris bei demselben,
[2] Cour du Commerce St. André des Arts, und bei der deutschen Buchhandlung von F. Klincksieck, Nr. 11 rue de Lille, oder bei dem Postamt in Karlsrube; für England bei Williams & Norgate,
14 Henriette-Street, Covent-Garden in London. für Nordamerika bei dem königl. preussischen Postamt Cöln oder Westermann & Comp. in New-York; für Italien bei den k. k. Postämtern zu
Innsbruck, Verona, Venedig, Triest und Mailand; im Kirchenstaat und den Herzogthumern Lucca, Modena, Parma und Toscana bei Buchhändler H. F. Münster in Verona; für Neapel und
Sicilien bei Buchhändler Albert Detken in Neapel: für Griechenland, Türkei und die Levante etc. beim k. k. Postamt in Triest.


Ueberſicht.

Lord Brougham in Edinburg.

Deutſchland. Karlsruhe (Freudenfeſte zur Begrüßung des Groß-
berzogs. Fortgang der kirchlichen Arbeiten der Stände); Leipzig (Bruno
Lindner); Hannover (Graf Borries. Grundſteinlegung. Aus der zweiten
Kammer); Düſſeldorf (der Jacobi’ſche Garten); Berlin (die Preuß. Ztg.
gegen die Rheinbundsgelüſte des Siècle. Einweihung der Königsberg-Eydt-
kuhner Eiſenbahn); Schleswig (die Heiberg’ſche Angelegenheit); Wien
(Annäherung zwiſchen den altconſervativen Magyaren und den böhmiſchen
Adeligen. Aus dem Reichsrath).

Schweiz. Bern (Marquis Turgot. Hr. Tillos. Zur Dappenthal-
frage. Die beabſichtigte Denunciation antinapoleoniſch geſinnter Flüchtlinge
an Frankreich).

Großbritannien. Der Hof und König Leopold; Grundſteinlegung
zu einem „Dramatic College.“ Die Generale Strafford und Leighton †.
Ueber Sicilien und Garibaldi. Eine Entführung. Die „Volkszeitung.“

Frankreich. Gegen Parlamentarismus. Sicilien. Die Handels-
unterſuchung. Fürſt Metternich nach Fontainebleau.

Italien. Palermo (zum Aufſtand); Siena (die Univerſität. Die
Autonomie und ihre Folgen); Turin (Miniſterwechſel unbegründet. Cavours
Erklärung über die Marine. Bella, der Mathematiker †. Nachrichten aus
Sicilien. Conferenz des ruſſiſchen Geſandten mit Cavour. Das Kriegsmini-
ſteriums noch unbeſetzt. Eine Verhaftung in Bologna); Chambery (An-
ſchlußfeſte); Mailand (franzöſiſche Officiere nach Benedig. Verona).

Ioniſche Inſeln. Korfu (Aufregung wegen Siciliens).

Türkei. Damaskus (Nachrichten aus Bagdad. Die Pilgerkarawane
nach Mekka. N. v. Rothſchild. Die orleaniſchen Prinzen).

Neueſte Poſten. München (vom Hof. Das Fronleichnamsfeſt.
Die Univerſttät).



Cursbericht.
[Tabelle]


Lord Brougham in Edinburg.

„Zu den ſchweren Heimſuchungen,“ ſagt die Literary Gazette, „denen
kein berühmter Schriftſteller oder Staatsmann unſeres Landes entgehen
kann, gehört die zum Kanzler oder Lord Rector einer ſchottiſchen Univerfität
ernannt zu werden. Bor wenig mehr als einem Monat hatten wir ein
glänzendes Stück Beredſamkeit von unſerm Schatzkanzler, und nun hat Lord
Brougham vor demſelben Auditorium geredet in einer Eigenſchaft die von
jener Hrn. Gladſtone’s nur dem Namen nach verſchieden iſt, und über die
nämlichen Materien. In der Regel ſind ſolche akademiſche Reden wenig
mehr als ein rhetoriſches Feuerwerk und die Wiederholung gigantiſcher Ge-
meinplätze. Ein Mann wie Henry Brougham jedoch macht da einigermaßen
eine Ausnahme. Die Ermahnungen dieſes Greiſes, der hundert Schlachten
des Geiſtes mit fleckenloſer Ehre beſtand, und deſſen Name nach dem Natur-
geſetz bald zu den Glorien der Bergangenheit gehören muß, verdienten aller-
[Spaltenumbruch] dings die geſpannte Aufmerkſamkeit der ſtudierenden Jugend von Edinburg,
um ſo mehr, als ſie aus dem Mund eines Veteranen kamen deſſen ganzes Le-
ben eine ſo glänzende Bekräftigung ſeiner Worte iſt.“

Die erwähnten Wahlen gehen an den ſchottiſchen Hochſchulen ganz von
den ältern Studenten (graduates) aus, doch die Würde eines Lord
Kanzlers befitzt die Univerſität Edinburg, wie Oxford und Cambridge, erſt
durch die „Scottiſch Univerſities Act“ von 1858, und Brougham iſt der erſte
Kanzler, während Hr. Gladſtone Rector der Univerſität iſt. Die (ſchon
früher kurz erwähnte) feierliche Inſtallation geſchah in der Muſikhalle der
ſchottiſchen Hauptſtadt, wo ſich gegen 1800 Perſonen verſammelt hatten;
worunter beſonders viele Geiſtliche, da gerade drei Synoden, der Kirche von
Schottland, der freien Kirche, und der „vereinigten Presbyterianer,“ unter
ihren „Moderatoren“ daſelbſt tagten. Lord Brougham, der mit rau-
ſchendem Beifall empfangen wurde, war als Kanzler prächtig herausgeputzt,
mit einer geblümten reichgeſtickten Atlaß-Robe und einem betroddelten vier-
eckigen ſchwarzen Barett. Er beſtieg das Platform, wo ſämmtliche akademi-
ſche Würdenträger und ſonſtige Notabeln ſaßen, am Arme Sir David
Brewſters, des „Principal“ und Bicekanzlers der Hochſchule. Nachdem er
durch den Solicitpr-General der Verſammlung vorgeſtellt war, begann er
ſeine lange Rede, welche in kleinem Druck ſechsthalb Spalten der Times
füllt, und wohl dritthalb Stunden gedauert haben wird, ſo daß man nur
ſtaunen muß wie dem 81jährigen Mann der Athem dazu ausreichte. Es er-
klärt ſich nur aus einer frühbegonnenen, vieljährigen Rednerübung, denn in
der Zeit ſeiner Londoner Advocatenpraxis iſt es wohl vorgekommen daß
Brougham acht bis neun Stunden lang ohne Unterbrechung plädirte. In-
deſſen wenn die oben angeführte Litteraturzeitung dieſem oratoriſchen Kraft-
ſtück nachrühmt daß es zwar ſehr lang, aber nicht prolix geweſen ſey, ſo
können wir dieſem Urtheil nach unſerm eigenen Eindruck nicht ganz bei-
ſtimmen; es ſcheint uns vielmehr, namentlich in der überflüſſigen Exem-
plification von Sätzen die eigentlich niemand beſtreitet, z. B. daß ein Menſch
ſein Studium concentriren müſſe um etwas tüchtiges zu leiſten, an einer grei-
ſenhaften Redſeligkeit unverkennbar zu leiden.

Die Einleitung gedenkt in gefühlvollen Worten der bedeutenden Ge-
lehrten die einſt der Univerſität Edinburg zur Zierde gereicht, der Lehrer
früherer Tage, zu deren Füßen Brougham noch ſelbſt geſeſſen — der Huma-
niſten Dalzell und Dunbar; der Mathematiker und Phyſiker Playfair, Rc-
biſon, Stewart; Joſeph Black’s, des „Vaters der neuen Chemie“ u. ſ. w.;
deßgleichen ſeiner vielen dahingegangenen Mitſchüler die ſich auf den ver-
ſchiedenen Feldern geiſtiger Thätigkeit, als Theologen, Richter, Verwaltungs-
beamte, Schriftſteller u. ſ. w., verdient und berühmt gemacht, wie Duncan,
Birkbeck, Horner, Jeffrey u. a. Dann rühmt der Redner den fortdauernden
Flor der ſchottiſchen alma mater, welche lernbegierige Schüler nicht bloß aus
dem Vereinigten Königreich, ſondern auch aus faſt allen Ländern Europa’s
und aus jedem Staat Nordamerika’s anziehe. Schon hier macht Brougham
eine Anſpielung auf den politiſchen Zuſtand Frankreichs, worauf er ſpäter des
nähern zu ſprechen kam. „Unſere nächſten europäiſchen Nachbarn die hier
ihren Studien obliegen (ſollten viele Franzoſen in Edinburg ſtudieren?) werden
aus unſerm Baterland den Eindruck der großen Wahrheit mit heimtragen
daß Volksrechte beſtehen und geachtet werden können ohne Ausartung in Pöbel-
tyrannei, und daß eine ehrloſe Knechtſchaft nicht die einzige Zuflucht iſt von
der Anarchie. Unſere Vettern aus der neuen Welt können bei uns lernen
daß auch eine Staatskirche beſtehen kann ohne Gewiſſenszwang, und ohne
daß Richtangehörigen dieſer Kirche eine bürgerliche Rechtsungleichheit an-
haftet; daß bei uns eine Einmiſchung der Bolksleidenſchaft in die Rechtspflege
etwas unerhörtes, ja unglaubliches iſt; und daß hier der unverantwortliche
Tyrann Pöbel (mob-tyrant), ſobald er eines ſeiner vielen Häupter in die
Höhe reckt, alsbald durch die ordentliche Wirkſamkeit des Geſetzes nieder-
geſchlagen wird. Bor allem aber mögen unſere amerikaniſchen Freunde be-
denken daß ſie ihre Bildung in einer Stadt empfangen haben welche zuerſt
durch den Mund ihrer Richter, die große Rechtsmaxime ausſprach daß die
Ketten eines Sklaven abfallen in dem Augenblick wo er brittiſchen Boden be-
rührt. Den Söhnen Südeuropa’s, dieſen freilich erlauben ihre Deſpoten

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[0001] Allgemeine Zeitung. Freitag Nr. 160. 8 Junius 1860. AUGSBURG. Das Abonnement, welches je vierteljährlich und halb- jährlich angenommen wird, beträgt in Bayern vierteljährlich 40. 15 kr. Vereinsmünze. Inserate werden von der Expedition aufgenommen und der Raum einer dreispaltigen Colonelzeile berechnet: im Hauptblatt mit 12 kr., in der Beilage mit 9 kr. Correſpondenzen ſind an die Redaction, Inſerate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adreſſiren. Man abonnirt bei allen Postämtern Deutschlands Oesterreichs und der Schweiz; für Frankreich. Sardinien. Spanien und Portugal bei G. A. Alexandre in Strasburg, Paris bei demselben, 2 Cour du Commerce St. André des Arts, und bei der deutschen Buchhandlung von F. Klincksieck, Nr. 11 rue de Lille, oder bei dem Postamt in Karlsrube; für England bei Williams & Norgate, 14 Henriette-Street, Covent-Garden in London. für Nordamerika bei dem königl. preussischen Postamt Cöln oder Westermann & Comp. in New-York; für Italien bei den k. k. Postämtern zu Innsbruck, Verona, Venedig, Triest und Mailand; im Kirchenstaat und den Herzogthumern Lucca, Modena, Parma und Toscana bei Buchhändler H. F. Münster in Verona; für Neapel und Sicilien bei Buchhändler Albert Detken in Neapel: für Griechenland, Türkei und die Levante etc. beim k. k. Postamt in Triest. Ueberſicht. Lord Brougham in Edinburg. Deutſchland. Karlsruhe (Freudenfeſte zur Begrüßung des Groß- berzogs. Fortgang der kirchlichen Arbeiten der Stände); Leipzig (Bruno Lindner); Hannover (Graf Borries. Grundſteinlegung. Aus der zweiten Kammer); Düſſeldorf (der Jacobi’ſche Garten); Berlin (die Preuß. Ztg. gegen die Rheinbundsgelüſte des Siècle. Einweihung der Königsberg-Eydt- kuhner Eiſenbahn); Schleswig (die Heiberg’ſche Angelegenheit); Wien (Annäherung zwiſchen den altconſervativen Magyaren und den böhmiſchen Adeligen. Aus dem Reichsrath). Schweiz. Bern (Marquis Turgot. Hr. Tillos. Zur Dappenthal- frage. Die beabſichtigte Denunciation antinapoleoniſch geſinnter Flüchtlinge an Frankreich). Großbritannien. Der Hof und König Leopold; Grundſteinlegung zu einem „Dramatic College.“ Die Generale Strafford und Leighton †. Ueber Sicilien und Garibaldi. Eine Entführung. Die „Volkszeitung.“ Frankreich. Gegen Parlamentarismus. Sicilien. Die Handels- unterſuchung. Fürſt Metternich nach Fontainebleau. Italien. Palermo (zum Aufſtand); Siena (die Univerſität. Die Autonomie und ihre Folgen); Turin (Miniſterwechſel unbegründet. Cavours Erklärung über die Marine. Bella, der Mathematiker †. Nachrichten aus Sicilien. Conferenz des ruſſiſchen Geſandten mit Cavour. Das Kriegsmini- ſteriums noch unbeſetzt. Eine Verhaftung in Bologna); Chambery (An- ſchlußfeſte); Mailand (franzöſiſche Officiere nach Benedig. Verona). Ioniſche Inſeln. Korfu (Aufregung wegen Siciliens). Türkei. Damaskus (Nachrichten aus Bagdad. Die Pilgerkarawane nach Mekka. N. v. Rothſchild. Die orleaniſchen Prinzen). Neueſte Poſten. München (vom Hof. Das Fronleichnamsfeſt. Die Univerſttät). Cursbericht. Lord Brougham in Edinburg. „Zu den ſchweren Heimſuchungen,“ ſagt die Literary Gazette, „denen kein berühmter Schriftſteller oder Staatsmann unſeres Landes entgehen kann, gehört die zum Kanzler oder Lord Rector einer ſchottiſchen Univerfität ernannt zu werden. Bor wenig mehr als einem Monat hatten wir ein glänzendes Stück Beredſamkeit von unſerm Schatzkanzler, und nun hat Lord Brougham vor demſelben Auditorium geredet in einer Eigenſchaft die von jener Hrn. Gladſtone’s nur dem Namen nach verſchieden iſt, und über die nämlichen Materien. In der Regel ſind ſolche akademiſche Reden wenig mehr als ein rhetoriſches Feuerwerk und die Wiederholung gigantiſcher Ge- meinplätze. Ein Mann wie Henry Brougham jedoch macht da einigermaßen eine Ausnahme. Die Ermahnungen dieſes Greiſes, der hundert Schlachten des Geiſtes mit fleckenloſer Ehre beſtand, und deſſen Name nach dem Natur- geſetz bald zu den Glorien der Bergangenheit gehören muß, verdienten aller- dings die geſpannte Aufmerkſamkeit der ſtudierenden Jugend von Edinburg, um ſo mehr, als ſie aus dem Mund eines Veteranen kamen deſſen ganzes Le- ben eine ſo glänzende Bekräftigung ſeiner Worte iſt.“ Die erwähnten Wahlen gehen an den ſchottiſchen Hochſchulen ganz von den ältern Studenten (graduates) aus, doch die Würde eines Lord Kanzlers befitzt die Univerſität Edinburg, wie Oxford und Cambridge, erſt durch die „Scottiſch Univerſities Act“ von 1858, und Brougham iſt der erſte Kanzler, während Hr. Gladſtone Rector der Univerſität iſt. Die (ſchon früher kurz erwähnte) feierliche Inſtallation geſchah in der Muſikhalle der ſchottiſchen Hauptſtadt, wo ſich gegen 1800 Perſonen verſammelt hatten; worunter beſonders viele Geiſtliche, da gerade drei Synoden, der Kirche von Schottland, der freien Kirche, und der „vereinigten Presbyterianer,“ unter ihren „Moderatoren“ daſelbſt tagten. Lord Brougham, der mit rau- ſchendem Beifall empfangen wurde, war als Kanzler prächtig herausgeputzt, mit einer geblümten reichgeſtickten Atlaß-Robe und einem betroddelten vier- eckigen ſchwarzen Barett. Er beſtieg das Platform, wo ſämmtliche akademi- ſche Würdenträger und ſonſtige Notabeln ſaßen, am Arme Sir David Brewſters, des „Principal“ und Bicekanzlers der Hochſchule. Nachdem er durch den Solicitpr-General der Verſammlung vorgeſtellt war, begann er ſeine lange Rede, welche in kleinem Druck ſechsthalb Spalten der Times füllt, und wohl dritthalb Stunden gedauert haben wird, ſo daß man nur ſtaunen muß wie dem 81jährigen Mann der Athem dazu ausreichte. Es er- klärt ſich nur aus einer frühbegonnenen, vieljährigen Rednerübung, denn in der Zeit ſeiner Londoner Advocatenpraxis iſt es wohl vorgekommen daß Brougham acht bis neun Stunden lang ohne Unterbrechung plädirte. In- deſſen wenn die oben angeführte Litteraturzeitung dieſem oratoriſchen Kraft- ſtück nachrühmt daß es zwar ſehr lang, aber nicht prolix geweſen ſey, ſo können wir dieſem Urtheil nach unſerm eigenen Eindruck nicht ganz bei- ſtimmen; es ſcheint uns vielmehr, namentlich in der überflüſſigen Exem- plification von Sätzen die eigentlich niemand beſtreitet, z. 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Schon hier macht Brougham eine Anſpielung auf den politiſchen Zuſtand Frankreichs, worauf er ſpäter des nähern zu ſprechen kam. „Unſere nächſten europäiſchen Nachbarn die hier ihren Studien obliegen (ſollten viele Franzoſen in Edinburg ſtudieren?) werden aus unſerm Baterland den Eindruck der großen Wahrheit mit heimtragen daß Volksrechte beſtehen und geachtet werden können ohne Ausartung in Pöbel- tyrannei, und daß eine ehrloſe Knechtſchaft nicht die einzige Zuflucht iſt von der Anarchie. 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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-02-11T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 160, 8. Juni 1860, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine160_1860/1>, abgerufen am 21.11.2024.