Allgemeine Zeitung, Nr. 160, 8. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
Regierung Neapels nicht werth sey Sicilien länger zu beherrschen. Der Sir Rowland Hill, der verdienstvolle Gründer der Penny-Briefpost, Das bonapartistische M. Chronicle erscheint jetzt, seinem Versprechen Frankreich. Paris, 6 Jun. Ungescheut war, wie bereits erwähnt, in der letzten Zeit wieder, na- Einer der höchsten Beamten des Ardennen-Departements wurde, wie Der Prinz von Joinville ist in New-York angekommen, wo er seinen * Paris, 6 Juni. Das Tagesereigniß ist die unerwartete Abreise des Italien. In einem der "Presse" mitgetheilten Brief aus Palermo, 30 Mai liest Siena, 31 Mai. = Weßhalb mögen sich gewisse Leute, in Florenz [Spaltenumbruch]
Regierung Neapels nicht werth ſey Sicilien länger zu beherrſchen. Der Sir Rowland Hill, der verdienſtvolle Gründer der Penny-Briefpoſt, Das bonapartiſtiſche M. Chronicle erſcheint jetzt, ſeinem Verſprechen Frankreich. Paris, 6 Jun. Ungeſcheut war, wie bereits erwähnt, in der letzten Zeit wieder, na- Einer der höchſten Beamten des Ardennen-Departements wurde, wie Der Prinz von Joinville iſt in New-York angekommen, wo er ſeinen * Paris, 6 Juni. Das Tagesereigniß iſt die unerwartete Abreiſe des Italien. In einem der „Preſſe“ mitgetheilten Brief aus Palermo, 30 Mai liest Siena, 31 Mai. = Weßhalb mögen ſich gewiſſe Leute, in Florenz <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0006" n="2670"/><cb/> Regierung Neapels nicht werth ſey Sicilien länger zu beherrſchen. Der<lb/> Berfaſſer dieſes Artikels hat wohl keinen Plan der Stadt Palermo vor Au-<lb/> gen gehabt, ſonſt würde er auf den erſten Blick geſehen haben daß die In-<lb/> furgenten einen Angriff auf die Citadellen nur aus dem Innern der Stadt<lb/> unternehmen konnten, daß alſo den Neapolitanern, wenn ſie ſich vertheidi-<lb/> gen wollten — und dazu hatten ſie doch wohl ein Recht — nichts übrig blieb<lb/> als von ihren Forts und Schiffen aus auf die Stadt zu ſchießen. Wozu<lb/> noch kommt daß die Bevölkerung derſelben für Garibaldi thätlich Partei ge-<lb/> nommen hatte. — Garibaldi iſt jetzt in England begreiflicher Weiſe mehr<lb/> als je der Held des Tags. „Garibaldi,“ ſagt die <hi rendition="#g">Times,</hi> „hat ſich ſei-<lb/> nen Platz in der Geſchichte errungen, als einer der außerordentlichſten mili-<lb/> täriſchen Befehlshaber welche unſer Jahrhundert hervorgebracht hat. Jenes<lb/> Kriegsgenie das er zuerſt während der Belagerung Roms zeigte, und wel-<lb/> ches durch ſeine Kraft und Kühnheit voriges Jahr die Oeſterreicher aus der<lb/> Faſſung brachte, hat nun das neapolitaniſche Königreich geſprengt, und wird<lb/> ohne Zweifel zuletzt dem ganzen Süditalien die Freiheit erobern. Vielleicht<lb/> iſt die Capitulation die beſte Art den Kampf zu Ende zu bringen. Wir<lb/> zweifeln nicht daß Garibaldi das Ehrgefühl der königl. Truppen gern ſo we-<lb/> nig als möglich verletzen möchte. Die geſtern ſeine Feinde waren, können<lb/> morgen ſeine Freunde werden. Nach einem Bericht giengen während des<lb/> Kampfs in der Stadt drei Regimenter über (?), und es kann dahin kommen<lb/> daß die Armee, welche die Sicilianer niederhalten ſollte, binnen kurzem den<lb/> Thron ihres Herrn gefährdet. ... Garibaldi’s Erſcheinen in Calabrien<lb/> wäre jetzt das Signal zu einem eben ſo wüthenden Aufſtand wie der ſicili-<lb/> ſche war. Mit 5000 Mann, gleich denen die Palermo ſtürmten, könnte er<lb/> in einem Monat von der Meerenge bis Neapel marſchiren.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Sir Rowland Hill, der verdienſtvolle Gründer der Penny-Briefpoſt,<lb/> iſt von einem Familienunglück betroffen, das in England freilich nicht zu den<lb/> Seltenheiten gehört: ſeine Tochter Miß Clara iſt mit einem Liebhaber durch-<lb/> gegangen, wie es ſchein einem Lehrer der Reitkunſt, bei welchem die junge<lb/> Dame Unterricht genommen hatte. Sie hinterließ in ihrem Schlafzimmer<lb/> ein Briefchen, worin ſie Papa und Mama bat nicht auf ſie zu warten, denn<lb/> mittlerweile ſey ſie aus der Miß Hill eine Miſtreß N. N. geworden. Das<lb/> Pfarrbuch einer benachbarten Kirche beſtätigte die lakoniſche Notiz. „Sir<lb/> Rowland und Lady Hill,“ meldet der <hi rendition="#g">Sun,</hi> „ſind untröſtlich.“ Die Ro-<lb/> mantik der Entführungen blüht nur noch in Altengland.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Das bonapartiſtiſche M. <hi rendition="#g">Chronicle</hi> erſcheint jetzt, ſeinem Verſprechen<lb/> gemäß, zu dem Preiſe von 2 Pence auf trefflichem Papier und in vergrößertem<lb/> Format, ja mit einer Beilage die zur Hälfte mit <hi rendition="#g">franzöſiſchen</hi> Anzeigen<lb/> bedeckt iſt. Im erſten Leitartikel erklärt es ſich mit Betonung als „Journal<lb/> of the People“ (oder Journal du peuple, wenn man will) für die radicalſte<lb/> Reform im Innern, da jetzt das Unterhaus nicht den ſechsten Theil des Volks<lb/> vertrete; alſo für „Suffrage univerſel;“ für Codification des Statutarrechts,<lb/> Einführung eines Juſtizminiſters, eines öffentlichen Anklägers und anderer<lb/> Reformen. Seine auswärtige Politik ſey „eine Allianz der Völker vermittelſt<lb/> der materiellen Intereſſen“ anzubahnen, vor allem aber die innigſte Freund-<lb/> ſchaft mit jenem Volk „das uns die Vorſehung zum Nachbar gab,“ mit Frank-<lb/> reich, zu pflegen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 6 Jun.</dateline><lb/> <p>Ungeſcheut war, wie bereits erwähnt, in der letzten Zeit wieder, na-<lb/> mentlich durch die Broſchüre „Die alten Parteien“ von Prevoſt Paradol, die<lb/> Nothwendigkeit liberaler Inſtitutionen, vor allem eines Parlaments, ange-<lb/> regt worden, freilich in einer Form welcher durch Einſchreiten gegen die Per-<lb/> ſonen nahe zu treten auch die Allgewalt des gegenwärtigen R<hi rendition="#aq">é</hi>gime’s ſich<lb/> ſcheuen mußte. Unangenehm und beachtenswerth war es für die Regierung<lb/> immerhin, ſie darf ja nirgends einen Punkt dulden um den ſich ein Wider-<lb/> ſtand gegen ſie kryſtalliſiren könnte. Daher iſt der leidenſchaftliche Ton der<lb/> officiöſen Blätter, womit ſie gegen jene Anſichten auftraten, nicht zu ver-<lb/> wundern; indirect thaten es der <hi rendition="#g">Conſtitutionnel</hi> und die <hi rendition="#g">Patrie,</hi> indem ſie<lb/> das parlamentariſche R<hi rendition="#aq">é</hi>gime, beziehungsweiſe die Juliusmonarchie, die das<lb/> Ideal jener Politiker geweſen, in den Staub zu ziehen und als das nationale<lb/> Unglück Frankreichs darzuſtellen ſuchten; direct thut es die <hi rendition="#g">Opinion na-<lb/> tionale,</hi> welche das Verlangen nach parlamentariſchen Discuſſionen ge-<lb/> radezu zurückweist. Die Art wie ſie dem Deſpotismus das Wort redet, iſt<lb/> wirklich naiv. Sie ſagt: „Auch wir mögen nicht das Land ewig unter Vormund-<lb/> ſchaft ſehen, und wir werden nie hinter jemand zurückſtehen um eine noch größere<lb/> Freiheit zu verlangen; aber wenn zufällig an der Spitze ein überlegener,<lb/> energiſcher Mann ſteht, der geeignet iſt das Land in dem mittlern Sinn der<lb/> großen Principien, die ihm theuer ſind, zu regieren, ſo verwerfen wir das<lb/> unruhige Mißtrauen und das Bedürfniß ſelbſt Hand anlegen zu wollen, von dem<lb/> wir <hi rendition="#g">viele</hi> Leute ergriffen ſehen. Wir halten uns mehr an das Reſultat als<lb/> an die Mittel.“ Unglück darf freilich eine ſolche Staatsvorſehung nie haben.<lb/> — Der <hi rendition="#g">Conſtitutionel</hi> begünſtigt in der Angelegenheit der ſiciliſchen Re-<lb/> volution entſchieden die Auſſtändiſchen, und wenn es von dem neuen Princip,<lb/><cb/> welches die ganze Welt anerkennen und wonach ſich die Politik überall rich-<lb/> ten ſollte, redet, ſo werden wir bald die ekle Komödie des <hi rendition="#aq">suffrage univer-<lb/> sel</hi> wieder zu erleben haben, und da ſich dann als Gränznachbar Frankreichs<lb/> ein noch mächtigerer Staat zu conſtituiren verſucht, wo wird dann Frankreich<lb/> Schutz gegen ihn und eine Entſchädigung gegen dieſe Uebermacht ſuchen?<lb/> Mit Ausnahme ſeiner kleinen Excurſe gegen Neapel und die Schweiz iſt der<lb/> Conſtitutionnel mit wahrer Hingebung beſchäftigt der Beruhigungsnote des<lb/> Moniteur durch ſeine nationalökonomiſchen Artikel Folie zu verleihen. So<lb/> theilt er in neueſter Zeit einige Angaben über die Arbeiten des höhern Han-<lb/> delsraths mit, der ſich bekanntlich der Nationalprüfung unterzogen hat,<lb/> deren Zweck iſt die Regierung bei Ausführung des Handelsvertrags mit Eng-<lb/> land über die wirklichen Intereſſen des Landes zu unterrichten. Die metallur-<lb/> giſche Induſtrie iſt zuerſt vernommen worden, und alle Vertreter derſelben<lb/> konnten ſich mit aller Unabhängigkeit ausſprechen. Es ließen ſich Ausſagen<lb/> anführen die länger als zwei Stunden gedauert haben. Dreizehn Sitzungen,<lb/> deren jede 5 bis 6 Stunden gedauert hat, ſind bereits der Eiſeninduſtrie und<lb/> den mit dieſer in Verbindung ſtehenden Induſtrien gewidmet worden. Die-<lb/> ſelben wurden vom Handelsminiſter Rouher und einige von Hrn. Baroche<lb/> präſidirt. Es ſind 150 Induſtrievertreter vernommen worden. Der Han-<lb/> delsrath richtete zuerſt ſeine Fragen in Bezug auf die Mineralien, und hierauf<lb/> kam er auf das verarbeitete Product. Augenblicklich beſchäftigt man ſich mit<lb/> den induſtriellen Anwendungen des Schmiedeiſens. — Der <hi rendition="#g">Si<hi rendition="#aq">è</hi>cle</hi> da-<lb/> gegen ſetzt ſeine Expectorationen über die Nothwendigkeit der Vertreibung der<lb/> Bourbonen und der Verpflanzung der Inſurrection in Sicilien auf den Sü-<lb/> den Italiens fort. Die Broſchüre: „Ungarn unddie europäiſche Kriſis,“ welche<lb/> zum Aufruhr in Ungarn auffordert, iſt nun auch erſchienen. <hi rendition="#aq">Quousque<lb/> tandem</hi> ...!</p><lb/> <p>Einer der höchſten Beamten des Ardennen-Departements wurde, wie<lb/> das „Journal de l’Aisne“ berichtet, abgeſetzt, weil er falſche Papiere anfertigte<lb/> um die Legalität des ſich beigelegten Adels zu beweiſen.</p><lb/> <p>Der Prinz von Joinville iſt in New-York angekommen, wo er ſeinen<lb/> Sohn in einer Seeſchule unterbringt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Paris,</hi> 6 Juni.</dateline> <p>Das Tagesereigniß iſt die unerwartete Abreiſe des<lb/> Fürſten Metternich nach Fontainebleau, um, wie es heißt, beim Kaiſer das<lb/> Mediationsgeſuch des Königs von Neapel zu unterſtützen, und die Vorſchläge<lb/> Oeſterreichs ihm mitzutheilen. Die Börſe, welche ſeit dem Waffenſtillſtand<lb/> erwartet die Diplomatie werde mit Erfolg interveniren, wurde in dieſer Hoff-<lb/> nung beſtärkt, und hielt ſich ziemlich gut. Am Miniſterium des Auswärtigen<lb/> glaubt man der Kampf in Palermo werde morgen, am 7 Juni, wieder begin-<lb/> nen, und nicht ruhen bis Sicilien für den König verloren iſt. Die officiöſen<lb/> Blätter ſchreien um die Wette, und als wenn ſie dafür bezahlt würden: nach<lb/> Neapel! nieder mit dem Bourbonen! In ſtaatsmänniſchen Kreiſen glaubt<lb/> man daß das was ſich von Villafranca bis Zürich und von da bis zu den defi-<lb/> nitiven Annexionen an Sardinien und Frankreich zugetragen hat, ungefähr<lb/> auch wieder der Gang und der Ausgang der vermittelnden Politik Frankreichs<lb/> in Bezug auf Neapel ſeyn wird.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>In einem der „Preſſe“ mitgetheilten Brief aus <hi rendition="#g">Palermo,</hi> 30 Mai liest<lb/> man: Sonntag den 27 um 4 U. etwa liefen wir Sturm; die Truppen vertheidig-<lb/> ten ſich mit der Energie der Verzweiflung, und wenn das Volk von Palermo<lb/> uns nicht zu Hülfe gekommen wäre, ſo glaube ich wäre es uns nicht geglückt.<lb/> Es war ein furchtbares Handgemenge! die Toledoſtraße war mit Leichnamen<lb/> beſäet, bis an die Knöchel watete man in Blut. Ich ſah Frauen, junge<lb/> Mädchen mit Beilen, andere mit Senſen, Bajonnetten, Picken auf die Trup-<lb/> pen losſtürzen und ſie von Haus zu Haus treiben. Nach ſechsſtündigem<lb/> heißen Kampf wurde parlamentirt; dann nach zweiſtündiger Ruhe begann<lb/> der Kampf mit neuer Wuth. Endlich ziehen ſich die Truppen in Unordnung<lb/> zurück. Um 4-Uhr ſteckt das Volk den königl. Palaſt in Brand, nachdem die<lb/> Truppen abgezogen waren. Die Stadt war genommen.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Siena,</hi> 31 Mai.</dateline> <p>= Weßhalb mögen ſich gewiſſe Leute, in Florenz<lb/> wie in Turin, ſo ſehr mit der „toscaniſchen Autonomie“ quälen? Der<lb/> Graf Cavour hat es ja ſchon wiederholt erklärt, die Autonomie iſt nichts als<lb/> eine Galgenfriſt; er hat ſo eben noch ſeinem Vorgänger und Gegner, Rat-<lb/> tazzi, die Freude gemacht auszuſprechen der ſchlimme Erfolg der Einführung<lb/> Rattazz’ſcher Geſetze in der Lombardei ſey für die Regierung eine gute Lehre<lb/> geweſen vorſichtiger zu ſeyn; vorſichtiger werde ſie in Toscana ſeyn und das<lb/> neue Land <hi rendition="#g">allmählich</hi> piemontiſiren. Schon könne man ſich an den Fort-<lb/> ſchritten laben. Der Marcheſe Ridolſi, einer der Senats-Vicepräſidenten in<lb/> der neuen Hauptſtadt, und andere Gleichgeſinnte welche mit ihm, wie wir<lb/> einſt berichteten, ſich vermaßen Toscana werde Piemont und den Reſt geiſtig<lb/> dominiren, mögen ſich das geſagt ſeyn laſſen. Allerdings ſind die Fortſchritte<lb/> bemerkbar, und wir wiſſen nicht ob das Toscaniſchreden der hieſigen Depu-<lb/> tirten und Senatoren im ſubalpiniſchen Parlament, wo ſie ſich meiſt ſträflich<lb/> langweilen ſollen, gleichen Erfolg für die Sprachcorrection an Po und<lb/> Dora haben wird, wie die piemonteſiſchen Geſetze am Arno. Während in<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2670/0006]
Regierung Neapels nicht werth ſey Sicilien länger zu beherrſchen. Der
Berfaſſer dieſes Artikels hat wohl keinen Plan der Stadt Palermo vor Au-
gen gehabt, ſonſt würde er auf den erſten Blick geſehen haben daß die In-
furgenten einen Angriff auf die Citadellen nur aus dem Innern der Stadt
unternehmen konnten, daß alſo den Neapolitanern, wenn ſie ſich vertheidi-
gen wollten — und dazu hatten ſie doch wohl ein Recht — nichts übrig blieb
als von ihren Forts und Schiffen aus auf die Stadt zu ſchießen. Wozu
noch kommt daß die Bevölkerung derſelben für Garibaldi thätlich Partei ge-
nommen hatte. — Garibaldi iſt jetzt in England begreiflicher Weiſe mehr
als je der Held des Tags. „Garibaldi,“ ſagt die Times, „hat ſich ſei-
nen Platz in der Geſchichte errungen, als einer der außerordentlichſten mili-
täriſchen Befehlshaber welche unſer Jahrhundert hervorgebracht hat. Jenes
Kriegsgenie das er zuerſt während der Belagerung Roms zeigte, und wel-
ches durch ſeine Kraft und Kühnheit voriges Jahr die Oeſterreicher aus der
Faſſung brachte, hat nun das neapolitaniſche Königreich geſprengt, und wird
ohne Zweifel zuletzt dem ganzen Süditalien die Freiheit erobern. Vielleicht
iſt die Capitulation die beſte Art den Kampf zu Ende zu bringen. Wir
zweifeln nicht daß Garibaldi das Ehrgefühl der königl. Truppen gern ſo we-
nig als möglich verletzen möchte. Die geſtern ſeine Feinde waren, können
morgen ſeine Freunde werden. Nach einem Bericht giengen während des
Kampfs in der Stadt drei Regimenter über (?), und es kann dahin kommen
daß die Armee, welche die Sicilianer niederhalten ſollte, binnen kurzem den
Thron ihres Herrn gefährdet. ... Garibaldi’s Erſcheinen in Calabrien
wäre jetzt das Signal zu einem eben ſo wüthenden Aufſtand wie der ſicili-
ſche war. Mit 5000 Mann, gleich denen die Palermo ſtürmten, könnte er
in einem Monat von der Meerenge bis Neapel marſchiren.“
Sir Rowland Hill, der verdienſtvolle Gründer der Penny-Briefpoſt,
iſt von einem Familienunglück betroffen, das in England freilich nicht zu den
Seltenheiten gehört: ſeine Tochter Miß Clara iſt mit einem Liebhaber durch-
gegangen, wie es ſchein einem Lehrer der Reitkunſt, bei welchem die junge
Dame Unterricht genommen hatte. Sie hinterließ in ihrem Schlafzimmer
ein Briefchen, worin ſie Papa und Mama bat nicht auf ſie zu warten, denn
mittlerweile ſey ſie aus der Miß Hill eine Miſtreß N. N. geworden. Das
Pfarrbuch einer benachbarten Kirche beſtätigte die lakoniſche Notiz. „Sir
Rowland und Lady Hill,“ meldet der Sun, „ſind untröſtlich.“ Die Ro-
mantik der Entführungen blüht nur noch in Altengland.
Das bonapartiſtiſche M. Chronicle erſcheint jetzt, ſeinem Verſprechen
gemäß, zu dem Preiſe von 2 Pence auf trefflichem Papier und in vergrößertem
Format, ja mit einer Beilage die zur Hälfte mit franzöſiſchen Anzeigen
bedeckt iſt. Im erſten Leitartikel erklärt es ſich mit Betonung als „Journal
of the People“ (oder Journal du peuple, wenn man will) für die radicalſte
Reform im Innern, da jetzt das Unterhaus nicht den ſechsten Theil des Volks
vertrete; alſo für „Suffrage univerſel;“ für Codification des Statutarrechts,
Einführung eines Juſtizminiſters, eines öffentlichen Anklägers und anderer
Reformen. Seine auswärtige Politik ſey „eine Allianz der Völker vermittelſt
der materiellen Intereſſen“ anzubahnen, vor allem aber die innigſte Freund-
ſchaft mit jenem Volk „das uns die Vorſehung zum Nachbar gab,“ mit Frank-
reich, zu pflegen.
Frankreich.
Paris, 6 Jun.
Ungeſcheut war, wie bereits erwähnt, in der letzten Zeit wieder, na-
mentlich durch die Broſchüre „Die alten Parteien“ von Prevoſt Paradol, die
Nothwendigkeit liberaler Inſtitutionen, vor allem eines Parlaments, ange-
regt worden, freilich in einer Form welcher durch Einſchreiten gegen die Per-
ſonen nahe zu treten auch die Allgewalt des gegenwärtigen Régime’s ſich
ſcheuen mußte. Unangenehm und beachtenswerth war es für die Regierung
immerhin, ſie darf ja nirgends einen Punkt dulden um den ſich ein Wider-
ſtand gegen ſie kryſtalliſiren könnte. Daher iſt der leidenſchaftliche Ton der
officiöſen Blätter, womit ſie gegen jene Anſichten auftraten, nicht zu ver-
wundern; indirect thaten es der Conſtitutionnel und die Patrie, indem ſie
das parlamentariſche Régime, beziehungsweiſe die Juliusmonarchie, die das
Ideal jener Politiker geweſen, in den Staub zu ziehen und als das nationale
Unglück Frankreichs darzuſtellen ſuchten; direct thut es die Opinion na-
tionale, welche das Verlangen nach parlamentariſchen Discuſſionen ge-
radezu zurückweist. Die Art wie ſie dem Deſpotismus das Wort redet, iſt
wirklich naiv. Sie ſagt: „Auch wir mögen nicht das Land ewig unter Vormund-
ſchaft ſehen, und wir werden nie hinter jemand zurückſtehen um eine noch größere
Freiheit zu verlangen; aber wenn zufällig an der Spitze ein überlegener,
energiſcher Mann ſteht, der geeignet iſt das Land in dem mittlern Sinn der
großen Principien, die ihm theuer ſind, zu regieren, ſo verwerfen wir das
unruhige Mißtrauen und das Bedürfniß ſelbſt Hand anlegen zu wollen, von dem
wir viele Leute ergriffen ſehen. Wir halten uns mehr an das Reſultat als
an die Mittel.“ Unglück darf freilich eine ſolche Staatsvorſehung nie haben.
— Der Conſtitutionel begünſtigt in der Angelegenheit der ſiciliſchen Re-
volution entſchieden die Auſſtändiſchen, und wenn es von dem neuen Princip,
welches die ganze Welt anerkennen und wonach ſich die Politik überall rich-
ten ſollte, redet, ſo werden wir bald die ekle Komödie des suffrage univer-
sel wieder zu erleben haben, und da ſich dann als Gränznachbar Frankreichs
ein noch mächtigerer Staat zu conſtituiren verſucht, wo wird dann Frankreich
Schutz gegen ihn und eine Entſchädigung gegen dieſe Uebermacht ſuchen?
Mit Ausnahme ſeiner kleinen Excurſe gegen Neapel und die Schweiz iſt der
Conſtitutionnel mit wahrer Hingebung beſchäftigt der Beruhigungsnote des
Moniteur durch ſeine nationalökonomiſchen Artikel Folie zu verleihen. So
theilt er in neueſter Zeit einige Angaben über die Arbeiten des höhern Han-
delsraths mit, der ſich bekanntlich der Nationalprüfung unterzogen hat,
deren Zweck iſt die Regierung bei Ausführung des Handelsvertrags mit Eng-
land über die wirklichen Intereſſen des Landes zu unterrichten. Die metallur-
giſche Induſtrie iſt zuerſt vernommen worden, und alle Vertreter derſelben
konnten ſich mit aller Unabhängigkeit ausſprechen. Es ließen ſich Ausſagen
anführen die länger als zwei Stunden gedauert haben. Dreizehn Sitzungen,
deren jede 5 bis 6 Stunden gedauert hat, ſind bereits der Eiſeninduſtrie und
den mit dieſer in Verbindung ſtehenden Induſtrien gewidmet worden. Die-
ſelben wurden vom Handelsminiſter Rouher und einige von Hrn. Baroche
präſidirt. Es ſind 150 Induſtrievertreter vernommen worden. Der Han-
delsrath richtete zuerſt ſeine Fragen in Bezug auf die Mineralien, und hierauf
kam er auf das verarbeitete Product. Augenblicklich beſchäftigt man ſich mit
den induſtriellen Anwendungen des Schmiedeiſens. — Der Siècle da-
gegen ſetzt ſeine Expectorationen über die Nothwendigkeit der Vertreibung der
Bourbonen und der Verpflanzung der Inſurrection in Sicilien auf den Sü-
den Italiens fort. Die Broſchüre: „Ungarn unddie europäiſche Kriſis,“ welche
zum Aufruhr in Ungarn auffordert, iſt nun auch erſchienen. Quousque
tandem ...!
Einer der höchſten Beamten des Ardennen-Departements wurde, wie
das „Journal de l’Aisne“ berichtet, abgeſetzt, weil er falſche Papiere anfertigte
um die Legalität des ſich beigelegten Adels zu beweiſen.
Der Prinz von Joinville iſt in New-York angekommen, wo er ſeinen
Sohn in einer Seeſchule unterbringt.
* Paris, 6 Juni.Das Tagesereigniß iſt die unerwartete Abreiſe des
Fürſten Metternich nach Fontainebleau, um, wie es heißt, beim Kaiſer das
Mediationsgeſuch des Königs von Neapel zu unterſtützen, und die Vorſchläge
Oeſterreichs ihm mitzutheilen. Die Börſe, welche ſeit dem Waffenſtillſtand
erwartet die Diplomatie werde mit Erfolg interveniren, wurde in dieſer Hoff-
nung beſtärkt, und hielt ſich ziemlich gut. Am Miniſterium des Auswärtigen
glaubt man der Kampf in Palermo werde morgen, am 7 Juni, wieder begin-
nen, und nicht ruhen bis Sicilien für den König verloren iſt. Die officiöſen
Blätter ſchreien um die Wette, und als wenn ſie dafür bezahlt würden: nach
Neapel! nieder mit dem Bourbonen! In ſtaatsmänniſchen Kreiſen glaubt
man daß das was ſich von Villafranca bis Zürich und von da bis zu den defi-
nitiven Annexionen an Sardinien und Frankreich zugetragen hat, ungefähr
auch wieder der Gang und der Ausgang der vermittelnden Politik Frankreichs
in Bezug auf Neapel ſeyn wird.
Italien.
In einem der „Preſſe“ mitgetheilten Brief aus Palermo, 30 Mai liest
man: Sonntag den 27 um 4 U. etwa liefen wir Sturm; die Truppen vertheidig-
ten ſich mit der Energie der Verzweiflung, und wenn das Volk von Palermo
uns nicht zu Hülfe gekommen wäre, ſo glaube ich wäre es uns nicht geglückt.
Es war ein furchtbares Handgemenge! die Toledoſtraße war mit Leichnamen
beſäet, bis an die Knöchel watete man in Blut. Ich ſah Frauen, junge
Mädchen mit Beilen, andere mit Senſen, Bajonnetten, Picken auf die Trup-
pen losſtürzen und ſie von Haus zu Haus treiben. Nach ſechsſtündigem
heißen Kampf wurde parlamentirt; dann nach zweiſtündiger Ruhe begann
der Kampf mit neuer Wuth. Endlich ziehen ſich die Truppen in Unordnung
zurück. Um 4-Uhr ſteckt das Volk den königl. Palaſt in Brand, nachdem die
Truppen abgezogen waren. Die Stadt war genommen.
Siena, 31 Mai.= Weßhalb mögen ſich gewiſſe Leute, in Florenz
wie in Turin, ſo ſehr mit der „toscaniſchen Autonomie“ quälen? Der
Graf Cavour hat es ja ſchon wiederholt erklärt, die Autonomie iſt nichts als
eine Galgenfriſt; er hat ſo eben noch ſeinem Vorgänger und Gegner, Rat-
tazzi, die Freude gemacht auszuſprechen der ſchlimme Erfolg der Einführung
Rattazz’ſcher Geſetze in der Lombardei ſey für die Regierung eine gute Lehre
geweſen vorſichtiger zu ſeyn; vorſichtiger werde ſie in Toscana ſeyn und das
neue Land allmählich piemontiſiren. Schon könne man ſich an den Fort-
ſchritten laben. Der Marcheſe Ridolſi, einer der Senats-Vicepräſidenten in
der neuen Hauptſtadt, und andere Gleichgeſinnte welche mit ihm, wie wir
einſt berichteten, ſich vermaßen Toscana werde Piemont und den Reſt geiſtig
dominiren, mögen ſich das geſagt ſeyn laſſen. Allerdings ſind die Fortſchritte
bemerkbar, und wir wiſſen nicht ob das Toscaniſchreden der hieſigen Depu-
tirten und Senatoren im ſubalpiniſchen Parlament, wo ſie ſich meiſt ſträflich
langweilen ſollen, gleichen Erfolg für die Sprachcorrection an Po und
Dora haben wird, wie die piemonteſiſchen Geſetze am Arno. Während in
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(2022-02-11T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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