Allgemeine Zeitung, Nr. 165, 13. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
tische Verkehr ist natürlich ein sehr lebhafter. Sir Henry Bulwer hat wiederum Ostindien. (Examiner.) Nach den letzten Berichten aus Indien scheinen Hr. Die neueste ostindische Post trägt sich mit manchen besorglichen Ge- Nach dem Globe hat die brittische Admiralität die Nachricht erhalten Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges. Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. [Spaltenumbruch]
tiſche Verkehr iſt natürlich ein ſehr lebhafter. Sir Henry Bulwer hat wiederum Oſtindien. (Examiner.) Nach den letzten Berichten aus Indien ſcheinen Hr. Die neueſte oſtindiſche Poſt trägt ſich mit manchen beſorglichen Ge- Nach dem Globe hat die brittiſche Admiralität die Nachricht erhalten Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <floatingText> <body> <div type="jFinancialNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0014" n="2758"/><cb/> tiſche Verkehr iſt natürlich ein ſehr lebhafter. Sir Henry Bulwer hat wiederum<lb/> eine Privataudienz beim Sultan gehabt. Auch der Frhr. v. Prokeſch, deſſen<lb/> Urlaubsreiſe verſchoben iſt, hatte vorgeſtern eine lange Unterredung mit dem<lb/> Großweſtr.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oſtindien.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <p><hi rendition="#g">(Examiner.)</hi> Nach den letzten Berichten aus Indien ſcheinen Hr.<lb/> James Wilſon und ſeine Freunde, bei ihrem Verſuch ſeine drei furcht-<lb/> baren Steuern — furchtbar wegen ihrer Neuheit, ihrer Schwere und ihrer<lb/> Gefahr — am Ende ihres Witzes angelangt zu ſeyn. Die Veröffentlichung<lb/> der Berichte (<hi rendition="#aq">minutes</hi>) des Sir Charles Trevelyan und ſeiner Collegen in<lb/> Madras war eine Handlung ſchreiender Inſubordination, und inſofern zu<lb/> verdammen, ohne Zweifel; doch liegt in feiner Stellung einiges was ſein<lb/> Vergehen in milderem Licht erſcheinen läßt. Als ein gründlicher Kenner In-<lb/> diens ſah er das gefährliche ſolcher drückenden Finanzmaßregeln, und aus<lb/> langer Erfahrung wußte er zugleich wie gänzlich erfolglos vertrauliche Ge-<lb/> genvorſtellungen gegen einen Regierungsbeſchluß ſind, wenn ſie nicht von<lb/> der öffentlichen Meinung unterſtützt werden. Daher ſeine Auflehnung.<lb/> Was den Wilſon’ſchen Finanzplan betrifft, ſo hat bis jetzt, ſoviel wir wiſ-<lb/> ſen, keine einzige amtliche Autorität ein Wort zur Rechtfertigung desſelben<lb/> vorgebracht. Der Generalſtatthalter war 1500 engl. Meilen von Calcutta<lb/> entfernt, und von den übrigen zehn Mitgliedern des legislativen Conſeils<lb/> hat, wenigſtens nach allem was zur öffentlichen Kunde gelangt iſt, keiner<lb/> ein Wort oder einen Satz zu Gunſten des Plans geſprochen oder geſchrieben.<lb/> Von den zwölf Gliedern des in London ſitzenden indiſchen Conſeils (<hi rendition="#aq">Home<lb/> council,</hi> das bekanntlich an die Stelle des Directorenhofs getreten iſt) iſt<lb/> notoriſch jedes den Wilſon’ſchen Anſichten feindſelig. Zudem hat der bis-<lb/> herige Statthalter von Bombay, Lord Elphinſtone, welcher vormals auch<lb/> die Präſidentſchaft Madras gouvernirte, eine meiſterhaft abgefaßte Verwah-<lb/> rung gegen die zwei ſchlimmſten der Wilſon’ſchen Steuern, die Einkommen-<lb/> und die Tabakſteuer, zu den Acten gegeben. In der That, jeder Kenner<lb/> Indiens der im Lande ſelbſt Erfahrungen geſammelt hat, erklärt den Plan<lb/> für ein gefährliches Experiment. Der Hauptſatz auf dem Hr. Wilſon reitet<lb/> iſt die Nothwendigkeit neuer Steuern, gegenüber der Anſicht des Statthal-<lb/> ters und Conſeils von Madras daß Ausgabenbeſchränkung ohne neue<lb/> Beſteuerung zur Wiederherſtellung der indiſchen Finanzen ausreiche. Wir<lb/> unſererſeits ſtimmen ganz der Anſicht Trevelyans bei. In ſeiner wort-<lb/> reichen und ſehr oberflächlichen Antwort auf den Angriff des Statthalters<lb/> von Madras ſagte Hr. Wilſon vor den Mitgliedern des oberſten legislativen<lb/> Raths, die alle wie er ſelbſt mit unſinnig hohen Salarien bedacht ſind: „„Nun,<lb/> ich denke die Ausſtellungen gegen den Civil-Etat unſerer Ausgaben mit weni-<lb/> gen Worten abfertigen zu können. Ich habe noch von keiner Seite gehört daß<lb/> unſere Civilausgaben im ganzen eine Verminderung ertragen würden. Es<lb/> läßt ſich da und dort etwas beſſern aber eine Reduction läßt ſich nicht vor-<lb/> nehmen.““ Gewiß, das iſt mehr kaltblütig und naiv als richtig. Als Hr.<lb/> Wilſon noch im brittiſchen Parlament ſaß und Secretär der Schatzkammer<lb/> war, da hörte er eine Anzahl Mitglieder desſelben Cabinets unter welchem<lb/> er diente offen und beſtimmt zu wiederholtenmalen erklären daß die indiſchen<lb/> Beamtengehalte „extravagant“ ſeyen, und auf das Niveau der entſprechenden<lb/> Beamten in den Colonien herabgeſetzt werden ſollten, und damals wagte<lb/> weder er noch ſonſt jemand ein Wort zur Vertheidigung dieſes Mißbrauchs zu<lb/> ſagen. Zehn Mitglieder desſelben legislativen Raths in Calcutta zu welchem<lb/> er ſelbſt gehört, theilen unter ſich ein jährliches Einkommen von 66,000 Pf.<lb/> St. (792,000 fl.)! Ein Drittel dieſer Summe würde jedem dieſer Herren<lb/> noch ein Salar von 2300 Pf. St. laſſen — eine hübſche Penſion nach einer<lb/> ſehr mäßigen Dienſtzeit iſt ihnen ohnehin ſicher — und dieſes Einkommen<lb/> wäre noch immer viel höher als die Beſoldung für ähnliche Dienſte in unſern<lb/> Colonien. So ließen ſich an jenen zehn Gehalten allein 43,000 Pf. St.<lb/> jährlich erſparen. Nun zur Armee! Die europäiſche Streitmacht, mit<lb/> welcher wir eigentlich unſere Herrſchaft über 200 Millionen Inder behaupten,<lb/> beſtand vor der Rebellion aus ungefähr 45,000 Mann, und es war noth-<lb/> wendig ſie um etliche 40,000 Mann zu vermehren, oder ſie nahebei zu ver-<lb/> doppeln. Da hätte man denn eine entſprechende Reduction der eingebornen<lb/> Armee erwarten ſollen, die ſich empört und dadurch jene Vermehrung nöthig<lb/> gemacht hatte. Keineswegs! Die bengaliſche Armee — welche faſt in ihrer<lb/> Geſammtheit revoltirt hatte, und deßwegen aufgelöst wurde — iſt in dieſem<lb/> Augenblick nicht bloß ebenſo zahlreich, ſondern ſogar noch zahlreicher als die<lb/> welche gemeutert, und deren Bewältigung, außer ſo vielem Blut und Elend,<lb/> 40 Millionen Pf. St. koſtete. Die Armee von Bombay zählt jetzt keinen<lb/> Mann weniger als vor der Rebellion, und die Armee von Madras iſt zahl-<lb/> reicher um nicht weniger als 5 Regimenter, welche zur Unterdrückung des<lb/> Aufſtands der bengaliſchen Truppen angeworben wurden. Die ganze indiſche<lb/> Armee vor der Rebellion koſtete ungefähr 12 Millionen Pf. St., und jetzt<lb/> koſtet ſie 5 Millionen mehr. Vorher war das ganze indobrittiſche Heer<lb/> 260,000 Mann ſtark, und jetzt iſt es mindeſtens ebenſo ſtark. Kann da ein<lb/><cb/> Menſch von geſunden Sinnen behaupten daß an den Ausgaben für dieſe mon-<lb/> ſtroſe Streitmacht, welche aufrecht erhalten wird als gälte es eine neue Rebellion<lb/> auszubrüten, nicht eine ſehr große Reduction thunlich wäre? Von den ein-<lb/> gebornen Truppen werden nicht weniger als 30,000 Mann fortwährend dazu<lb/> verwendet Geldtransporte zu escortiren, und Hrn. Wilſons unſinnige Be-<lb/> vorzugung einer Silber- vor einer Goldwährung, worin er mit der Erfahrung<lb/> von England und Amerika, ſo wie mit der Anſicht unſerer beſten National-<lb/> ökonomen im Widerſpruch iſt, nöthigt zur Beibehaltung dieſer barbariſchen<lb/> und unfruchtbaren Ausgabe. Aber, außer den Erſparungen im Militär-<lb/> weſen, wozu ein ſo weites Feld offen läge, wird das natürliche Wachsthum<lb/> der ordentlichen Staatseinkünfte in Friedenszeit die Mittel zur Ausgleichung<lb/> der Einnahmen und Ausgaben beträchtlich vermehren helfen, und die Er-<lb/> fahrung der letzten Jahre rechtfertigt dieſe Annahme. Im Jahr 1855/56,<lb/> dem letzten vollſtändigen Jahr vor der Rebellion, betrug das Einkommen in<lb/> runder Summe 32 Millionen Pf. St., und im Jahr 1858/59 war es auf beinahe<lb/> 38 Millionen geſtiegen; die Vorausſchätzung für 1859/60 iſt noch höher. In<lb/> den ſieben Jahren von 1852 bis 1858 war die Opium-Revenue allein von weit<lb/> unter 4 Mill. auf mehr als 6 Mill. geſtiegen, und dieſe Einnahme, welche Hr.<lb/> Wilſon als eine „ungewiſſe“ bezeichnet, hat fortwährend zugenommen, gleich-<lb/> viel ob wir mit den Chineſen, die das Opium kaufen, im Krieg oder im<lb/> Frieden waren. Hr. Wilſon hätte ſich über dieſe Materie, wie über viele<lb/> andere, beſſer unterrichten ſollen... Wir warnen die Regierung daß ſeine<lb/> Projecte höchſt gefahrvoll ſind. Sie waren kaum bekannt geworden, ſo gab<lb/> es auf die Einführung einer einzigen neuen Steuer einen ernſtlichen Krawall<lb/> in dem entlegenen Pendſchab (in der Stadt Peſchawer), wo wir unſere Macht<lb/> für höchſt wohlbefeſtigt und populär hielten; und zwar ſtanden an der Spitze<lb/> derſelben einige Häuptlinge die eben erſt vom Generalſtatthalter belobt wor-<lb/> den waren.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die neueſte oſtindiſche Poſt trägt ſich mit manchen beſorglichen Ge-<lb/> rüchten. In <hi rendition="#g">Delhi</hi> hatte die ſchwierige Stimmung der, größtentheils<lb/> mohammedaniſchen, Bevölkerung ungewöhnliche Vorſichtsmaßregeln nöthig<lb/> gemacht. Die Zugbrücken der Citadelle werden Nachts aufgezogen, Kanonen<lb/> ſind gegen die Hauptſtraßen gerichtet, und Patrouillen durchſtreifen die Stadt.<lb/> Die Mohammedaner haben viel von ihrer frühern Dreiſtigkeit wieder ange-<lb/> nommen, und erlauben ſich namentlich die europäiſchen Einwohner in den<lb/> Straßen auszuziſchen. Auch ſoll wieder ein myſtiſches Symbol im Lande<lb/> circuliren, namentlich in Gwalior. Dießmal iſt es ein irdener Topf der von<lb/> Dorf zu Dorf geht, wie die bekannten Tſchupatties (Kuchen) vor der großen<lb/> Menterei; jeder dem der Topf zukommt, läßt etwas darein fallen, eine kleine<lb/> Münze, ein Steinchen u. dgl. Daneben brauchen die Fakirs und ähnliche<lb/> Vagabunden ihren alten Kunſtgriff allerlei Märchen zum Nachtheil der brit-<lb/> tiſchen Regierung zu erfinden, und dieſes Uebel ſoll beſonders im Pendſchab<lb/> in der Zunahme ſeyn, trotzdem daß alle auf der That ertappten tüchtig durch-<lb/> gepeitſcht werden. Daß die Engländer unlängſt in Delhi vermüßigt<lb/> waren einen „wieder aufgeſtandenen Propheten“ zu hängen, wurde ſchon<lb/> erwähnt. — In den Indigo-Bezirken Nieder-Bengalens dauerte die<lb/> Widerſetzlichkeit der Rajots fort. Sie haben offenbar eine gewiſſe Organiſation,<lb/> und ihre Rädelsführer und Aufhetzer ſind Zemindare die in Calcutta wohnen.<lb/> Indeſſen hofft man guten Erfolg von der niedergeſetzten Commiſſion welche<lb/> das ganze Rechtsverhältniß zwiſchen den Pflanzern und den Bauern genau<lb/> prüfen ſoll, um beiden Theilen gerecht zu werden. — Gegen den, etwa<lb/> 15,000 Männer zählenden, räuberiſchen Gebirgsſtamm der Wuſir<hi rendition="#aq">î</hi>s, oder<lb/> näher bezeichnet Wuſir<hi rendition="#aq">î</hi>-Mahſuds, an der Gränze des Bezirks Dehra-Iſmail-<lb/> Chan, wurde vom Pendſchab aus eine größere Expedition unter Brigadier<lb/> Chamberlain vorbereitet, indem man ihre neuliche Züchtigung nicht genügend<lb/> gefunden hat. Man hofft bei der Gelegenheit eine nähere Kenntniß ihres<lb/> bis jetzt wenig bekannten Berglandes zu gewinnen. Bei dem neulichen kleinen<lb/> Streifzug ſoll Oberſt Lumsden, der ihn führte, durch einen Ueberfall der<lb/> verwegenen Burſche 200 Mann verloren haben; doch gelang es ihm<lb/> dann ſie zurückzuſchlagen. — Lord Elphinſtone, der abgetretene Governor<lb/> der Präſidentſchaft Bombay, war in dieſer Stellung ſehr populär, und<lb/> nimmt gute Meinungen der Hindus nach England mit. Er iſt mittler-<lb/> weile ein alter Knabe geworden, und wird in London nicht mehr gefährlich<lb/> ſeyn. Seinem Amtsnachfolger, Sir George Ruſſell Clerk, geht ein guter<lb/> Ruf voran. — Den Truppen die den letzten Feldzug in Perſien mitgemacht, iſt<lb/> jetzt endlich eine halbjährige Batta (Feldzulage) ausgezahlt worden. — Lord<lb/> Canning hatte Simlah am 7 Mai verlaſſen, und gedachte bis zum 21 des-<lb/> ſelben Monats in Calcutta einzutreffen. — Die Cholera graſſirt faſt auf<lb/> allen Punkten Indiens, und rafft auch viele Europäer hin. Sie iſt ſeit<lb/> Jahren nicht ſo bösartig aufgetreten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Nach dem <hi rendition="#g">Globe</hi> hat die brittiſche Admiralität die Nachricht erhalten<lb/> daß alle im November von England abgegangenen Kanonenboote, nämlich<lb/> Graßhopper, Havoc, Bonncer, Weazel, Hardy, Cockchafer, Flamer und<lb/> Snap, glücklich in Singapur eingetroffen ſind.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jEditorialStaff" n="1"> <p> <hi rendition="#c">Verantwortliche Redaction: <hi rendition="#aq">Dr.</hi> G. <hi rendition="#g">Kolb.</hi> <hi rendition="#aq">Dr.</hi> A. J. <hi rendition="#g">Altenhöfer.</hi> <hi rendition="#aq">Dr.</hi> H. <hi rendition="#g">Orges.</hi></hi> </p> </div><lb/> <div type="imprint" n="1"> <p>Verlag der J. G. <hi rendition="#g">Cotta’ſ</hi>chen Buchhandlung.</p> </div><lb/> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [2758/0014]
tiſche Verkehr iſt natürlich ein ſehr lebhafter. Sir Henry Bulwer hat wiederum
eine Privataudienz beim Sultan gehabt. Auch der Frhr. v. Prokeſch, deſſen
Urlaubsreiſe verſchoben iſt, hatte vorgeſtern eine lange Unterredung mit dem
Großweſtr.
Oſtindien.
(Examiner.) Nach den letzten Berichten aus Indien ſcheinen Hr.
James Wilſon und ſeine Freunde, bei ihrem Verſuch ſeine drei furcht-
baren Steuern — furchtbar wegen ihrer Neuheit, ihrer Schwere und ihrer
Gefahr — am Ende ihres Witzes angelangt zu ſeyn. Die Veröffentlichung
der Berichte (minutes) des Sir Charles Trevelyan und ſeiner Collegen in
Madras war eine Handlung ſchreiender Inſubordination, und inſofern zu
verdammen, ohne Zweifel; doch liegt in feiner Stellung einiges was ſein
Vergehen in milderem Licht erſcheinen läßt. Als ein gründlicher Kenner In-
diens ſah er das gefährliche ſolcher drückenden Finanzmaßregeln, und aus
langer Erfahrung wußte er zugleich wie gänzlich erfolglos vertrauliche Ge-
genvorſtellungen gegen einen Regierungsbeſchluß ſind, wenn ſie nicht von
der öffentlichen Meinung unterſtützt werden. Daher ſeine Auflehnung.
Was den Wilſon’ſchen Finanzplan betrifft, ſo hat bis jetzt, ſoviel wir wiſ-
ſen, keine einzige amtliche Autorität ein Wort zur Rechtfertigung desſelben
vorgebracht. Der Generalſtatthalter war 1500 engl. Meilen von Calcutta
entfernt, und von den übrigen zehn Mitgliedern des legislativen Conſeils
hat, wenigſtens nach allem was zur öffentlichen Kunde gelangt iſt, keiner
ein Wort oder einen Satz zu Gunſten des Plans geſprochen oder geſchrieben.
Von den zwölf Gliedern des in London ſitzenden indiſchen Conſeils (Home
council, das bekanntlich an die Stelle des Directorenhofs getreten iſt) iſt
notoriſch jedes den Wilſon’ſchen Anſichten feindſelig. Zudem hat der bis-
herige Statthalter von Bombay, Lord Elphinſtone, welcher vormals auch
die Präſidentſchaft Madras gouvernirte, eine meiſterhaft abgefaßte Verwah-
rung gegen die zwei ſchlimmſten der Wilſon’ſchen Steuern, die Einkommen-
und die Tabakſteuer, zu den Acten gegeben. In der That, jeder Kenner
Indiens der im Lande ſelbſt Erfahrungen geſammelt hat, erklärt den Plan
für ein gefährliches Experiment. Der Hauptſatz auf dem Hr. Wilſon reitet
iſt die Nothwendigkeit neuer Steuern, gegenüber der Anſicht des Statthal-
ters und Conſeils von Madras daß Ausgabenbeſchränkung ohne neue
Beſteuerung zur Wiederherſtellung der indiſchen Finanzen ausreiche. Wir
unſererſeits ſtimmen ganz der Anſicht Trevelyans bei. In ſeiner wort-
reichen und ſehr oberflächlichen Antwort auf den Angriff des Statthalters
von Madras ſagte Hr. Wilſon vor den Mitgliedern des oberſten legislativen
Raths, die alle wie er ſelbſt mit unſinnig hohen Salarien bedacht ſind: „„Nun,
ich denke die Ausſtellungen gegen den Civil-Etat unſerer Ausgaben mit weni-
gen Worten abfertigen zu können. Ich habe noch von keiner Seite gehört daß
unſere Civilausgaben im ganzen eine Verminderung ertragen würden. Es
läßt ſich da und dort etwas beſſern aber eine Reduction läßt ſich nicht vor-
nehmen.““ Gewiß, das iſt mehr kaltblütig und naiv als richtig. Als Hr.
Wilſon noch im brittiſchen Parlament ſaß und Secretär der Schatzkammer
war, da hörte er eine Anzahl Mitglieder desſelben Cabinets unter welchem
er diente offen und beſtimmt zu wiederholtenmalen erklären daß die indiſchen
Beamtengehalte „extravagant“ ſeyen, und auf das Niveau der entſprechenden
Beamten in den Colonien herabgeſetzt werden ſollten, und damals wagte
weder er noch ſonſt jemand ein Wort zur Vertheidigung dieſes Mißbrauchs zu
ſagen. Zehn Mitglieder desſelben legislativen Raths in Calcutta zu welchem
er ſelbſt gehört, theilen unter ſich ein jährliches Einkommen von 66,000 Pf.
St. (792,000 fl.)! Ein Drittel dieſer Summe würde jedem dieſer Herren
noch ein Salar von 2300 Pf. St. laſſen — eine hübſche Penſion nach einer
ſehr mäßigen Dienſtzeit iſt ihnen ohnehin ſicher — und dieſes Einkommen
wäre noch immer viel höher als die Beſoldung für ähnliche Dienſte in unſern
Colonien. So ließen ſich an jenen zehn Gehalten allein 43,000 Pf. St.
jährlich erſparen. Nun zur Armee! Die europäiſche Streitmacht, mit
welcher wir eigentlich unſere Herrſchaft über 200 Millionen Inder behaupten,
beſtand vor der Rebellion aus ungefähr 45,000 Mann, und es war noth-
wendig ſie um etliche 40,000 Mann zu vermehren, oder ſie nahebei zu ver-
doppeln. Da hätte man denn eine entſprechende Reduction der eingebornen
Armee erwarten ſollen, die ſich empört und dadurch jene Vermehrung nöthig
gemacht hatte. Keineswegs! Die bengaliſche Armee — welche faſt in ihrer
Geſammtheit revoltirt hatte, und deßwegen aufgelöst wurde — iſt in dieſem
Augenblick nicht bloß ebenſo zahlreich, ſondern ſogar noch zahlreicher als die
welche gemeutert, und deren Bewältigung, außer ſo vielem Blut und Elend,
40 Millionen Pf. St. koſtete. Die Armee von Bombay zählt jetzt keinen
Mann weniger als vor der Rebellion, und die Armee von Madras iſt zahl-
reicher um nicht weniger als 5 Regimenter, welche zur Unterdrückung des
Aufſtands der bengaliſchen Truppen angeworben wurden. Die ganze indiſche
Armee vor der Rebellion koſtete ungefähr 12 Millionen Pf. St., und jetzt
koſtet ſie 5 Millionen mehr. Vorher war das ganze indobrittiſche Heer
260,000 Mann ſtark, und jetzt iſt es mindeſtens ebenſo ſtark. Kann da ein
Menſch von geſunden Sinnen behaupten daß an den Ausgaben für dieſe mon-
ſtroſe Streitmacht, welche aufrecht erhalten wird als gälte es eine neue Rebellion
auszubrüten, nicht eine ſehr große Reduction thunlich wäre? Von den ein-
gebornen Truppen werden nicht weniger als 30,000 Mann fortwährend dazu
verwendet Geldtransporte zu escortiren, und Hrn. Wilſons unſinnige Be-
vorzugung einer Silber- vor einer Goldwährung, worin er mit der Erfahrung
von England und Amerika, ſo wie mit der Anſicht unſerer beſten National-
ökonomen im Widerſpruch iſt, nöthigt zur Beibehaltung dieſer barbariſchen
und unfruchtbaren Ausgabe. Aber, außer den Erſparungen im Militär-
weſen, wozu ein ſo weites Feld offen läge, wird das natürliche Wachsthum
der ordentlichen Staatseinkünfte in Friedenszeit die Mittel zur Ausgleichung
der Einnahmen und Ausgaben beträchtlich vermehren helfen, und die Er-
fahrung der letzten Jahre rechtfertigt dieſe Annahme. Im Jahr 1855/56,
dem letzten vollſtändigen Jahr vor der Rebellion, betrug das Einkommen in
runder Summe 32 Millionen Pf. St., und im Jahr 1858/59 war es auf beinahe
38 Millionen geſtiegen; die Vorausſchätzung für 1859/60 iſt noch höher. In
den ſieben Jahren von 1852 bis 1858 war die Opium-Revenue allein von weit
unter 4 Mill. auf mehr als 6 Mill. geſtiegen, und dieſe Einnahme, welche Hr.
Wilſon als eine „ungewiſſe“ bezeichnet, hat fortwährend zugenommen, gleich-
viel ob wir mit den Chineſen, die das Opium kaufen, im Krieg oder im
Frieden waren. Hr. Wilſon hätte ſich über dieſe Materie, wie über viele
andere, beſſer unterrichten ſollen... Wir warnen die Regierung daß ſeine
Projecte höchſt gefahrvoll ſind. Sie waren kaum bekannt geworden, ſo gab
es auf die Einführung einer einzigen neuen Steuer einen ernſtlichen Krawall
in dem entlegenen Pendſchab (in der Stadt Peſchawer), wo wir unſere Macht
für höchſt wohlbefeſtigt und populär hielten; und zwar ſtanden an der Spitze
derſelben einige Häuptlinge die eben erſt vom Generalſtatthalter belobt wor-
den waren.
Die neueſte oſtindiſche Poſt trägt ſich mit manchen beſorglichen Ge-
rüchten. In Delhi hatte die ſchwierige Stimmung der, größtentheils
mohammedaniſchen, Bevölkerung ungewöhnliche Vorſichtsmaßregeln nöthig
gemacht. Die Zugbrücken der Citadelle werden Nachts aufgezogen, Kanonen
ſind gegen die Hauptſtraßen gerichtet, und Patrouillen durchſtreifen die Stadt.
Die Mohammedaner haben viel von ihrer frühern Dreiſtigkeit wieder ange-
nommen, und erlauben ſich namentlich die europäiſchen Einwohner in den
Straßen auszuziſchen. Auch ſoll wieder ein myſtiſches Symbol im Lande
circuliren, namentlich in Gwalior. Dießmal iſt es ein irdener Topf der von
Dorf zu Dorf geht, wie die bekannten Tſchupatties (Kuchen) vor der großen
Menterei; jeder dem der Topf zukommt, läßt etwas darein fallen, eine kleine
Münze, ein Steinchen u. dgl. Daneben brauchen die Fakirs und ähnliche
Vagabunden ihren alten Kunſtgriff allerlei Märchen zum Nachtheil der brit-
tiſchen Regierung zu erfinden, und dieſes Uebel ſoll beſonders im Pendſchab
in der Zunahme ſeyn, trotzdem daß alle auf der That ertappten tüchtig durch-
gepeitſcht werden. Daß die Engländer unlängſt in Delhi vermüßigt
waren einen „wieder aufgeſtandenen Propheten“ zu hängen, wurde ſchon
erwähnt. — In den Indigo-Bezirken Nieder-Bengalens dauerte die
Widerſetzlichkeit der Rajots fort. Sie haben offenbar eine gewiſſe Organiſation,
und ihre Rädelsführer und Aufhetzer ſind Zemindare die in Calcutta wohnen.
Indeſſen hofft man guten Erfolg von der niedergeſetzten Commiſſion welche
das ganze Rechtsverhältniß zwiſchen den Pflanzern und den Bauern genau
prüfen ſoll, um beiden Theilen gerecht zu werden. — Gegen den, etwa
15,000 Männer zählenden, räuberiſchen Gebirgsſtamm der Wuſirîs, oder
näher bezeichnet Wuſirî-Mahſuds, an der Gränze des Bezirks Dehra-Iſmail-
Chan, wurde vom Pendſchab aus eine größere Expedition unter Brigadier
Chamberlain vorbereitet, indem man ihre neuliche Züchtigung nicht genügend
gefunden hat. Man hofft bei der Gelegenheit eine nähere Kenntniß ihres
bis jetzt wenig bekannten Berglandes zu gewinnen. Bei dem neulichen kleinen
Streifzug ſoll Oberſt Lumsden, der ihn führte, durch einen Ueberfall der
verwegenen Burſche 200 Mann verloren haben; doch gelang es ihm
dann ſie zurückzuſchlagen. — Lord Elphinſtone, der abgetretene Governor
der Präſidentſchaft Bombay, war in dieſer Stellung ſehr populär, und
nimmt gute Meinungen der Hindus nach England mit. Er iſt mittler-
weile ein alter Knabe geworden, und wird in London nicht mehr gefährlich
ſeyn. Seinem Amtsnachfolger, Sir George Ruſſell Clerk, geht ein guter
Ruf voran. — Den Truppen die den letzten Feldzug in Perſien mitgemacht, iſt
jetzt endlich eine halbjährige Batta (Feldzulage) ausgezahlt worden. — Lord
Canning hatte Simlah am 7 Mai verlaſſen, und gedachte bis zum 21 des-
ſelben Monats in Calcutta einzutreffen. — Die Cholera graſſirt faſt auf
allen Punkten Indiens, und rafft auch viele Europäer hin. Sie iſt ſeit
Jahren nicht ſo bösartig aufgetreten.
Nach dem Globe hat die brittiſche Admiralität die Nachricht erhalten
daß alle im November von England abgegangenen Kanonenboote, nämlich
Graßhopper, Havoc, Bonncer, Weazel, Hardy, Cockchafer, Flamer und
Snap, glücklich in Singapur eingetroffen ſind.
Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges.
Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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