Allgemeine Zeitung, Nr. 168, 16. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
Schweiz. .. Geuf, 11 Jun. Der Geist in welchem das Genfer Schützenfest Afrika. Die "Cleopatra" hat eine Post von der Westküste Afrika's über- China. Eine Correspondenz der Daily News d. d. Hongkong, 31 April, Telegraphische Berichte. Wien, 15 Jun. Der preußische Gesandte machte offi- Straßburg, 15 Jun. Prinz Wilhelm von Baden er- Neueste Posten. Frankfurt a. M., 13 Jun. Wir hören von sehr bewährter Seite * Frankfurt a. M., 14 Jun. Auf der Tagesordnung der heutigen München, 15 Jun. Ihre Maj. die Königin Marie ist gestern [Spaltenumbruch]
Schweiz. .. Geuf, 11 Jun. Der Geiſt in welchem das Genfer Schützenfeſt Afrika. Die „Cleopatra“ hat eine Poſt von der Weſtküſte Afrika’s über- China. Eine Correſpondenz der Daily News d. d. Hongkong, 31 April, Telegraphiſche Berichte. ⸫ Wien, 15 Jun. Der preußiſche Geſandte machte offi- ⸫ Straßburg, 15 Jun. Prinz Wilhelm von Baden er- Neueſte Poſten. Frankfurt a. M., 13 Jun. Wir hören von ſehr bewährter Seite * Frankfurt a. M., 14 Jun. Auf der Tagesordnung der heutigen ⊙ München, 15 Jun. Ihre Maj. die Königin Marie iſt geſtern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <pb facs="#f0012" n="2808"/> <cb/> </div> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">.. Geuf,</hi> 11 Jun.</dateline> <p>Der Geiſt in welchem das Genfer Schützenfeſt<lb/> gefeiert wird, iſt wohl durch die Rede welche Hr. Carteret bei dem geſtrigen<lb/> Bankett hielt am beſten bezeichnet. Er ſagte darin unter anderm: „Man<lb/> redet in der Schweiz drei verſchiedene Sprachen, allein die Unabhängigkeit<lb/> wird überall in demſelben Sinn aufgefaßt, und Freiheit, <hi rendition="#aq">libertà</hi> und <hi rendition="#aq">liberté</hi><lb/> ſind ein und dasſelbe Wort für alle Schweizer. Diejenigen welche heute<lb/> unſere Freiheit bedrohen, wagen ſich unſere Freunde zu nennen, allein wir<lb/> kennen ſie, und werden ihren Verlockungen kein Gehör ſchenken.... Wir<lb/> werden wachſam ſeyn, wir werden alle geradezu Verräther nennen welche<lb/> mit ihren Bürgerpflichten zu capituliren geneigt ſeyn ſollten; die Nation wird<lb/> jedem ins Geſicht ſpucken welcher verſuchen ſollte in Unterhandlungen mit<lb/> denen zu treten die wir für unſere Feinde halten müſſen. Genf wird ſich<lb/> trotz ſeiner Schwäche zu vertheidigen wiſſen, und ſollte man irgendwo von<lb/> einer Anuexion träumen, ſo würde man hier nur Leichen und Trümmerhaufen<lb/> annexiren. Die Schweiz kann auf uns zählen, wie wir auf ſie zählen!“<lb/> Indem der Redner dann ein Hoch auf die Eidgenoff enſchaft ausbrachte, ſchloß<lb/> er mit den von ſeiner gewaltigen Stimme weithin getragenen Worten: „Ver-<lb/> wandelt, ihr eidgenöſfiſchen Brüder, wenn es ſeyn muß, unſer blühendes<lb/> Genf, das wir ſo ſehr verſchönt haben, in Ruinen; <hi rendition="#g">möge es lieber ein<lb/> Trümmerhaufe ſeyn als franzöſiſch!</hi>“ Das war jedenfalls ſtarker<lb/> Tabak für die chauviniſtiſchen Spürnaſen die ſich in den weiten Räumen des<lb/> Feſtlocals zahlreich umhertrieben. Aber Carterets Rede hatte die rechten<lb/> Worte gefunden, welche die ſchweizeriſchen Herzen begeiſtern. In der „An-<lb/> nexion“ war auch das Stichwort für die Heiterkeit und den Witz des Tages<lb/> gegeben. Während die Schützen mit Eifer dem fröhlichen Waffenwerk ob-<lb/> lagen, drängte ſich eine unabſehbare Menſchenmaſſe um den Gabenpavillon<lb/> und in den Buden des Feſtplatzes, wie auf den Straßen und in den zahlloſen<lb/> Schenken des Städtchens Carouge bis tief in die Nacht hinein. Von den<lb/> beim heutigen Bankett gehaltenen Reden notiren wir die J. Fazy’s, die freilich<lb/> weit diplomatiſcher und allgemeiner gehalten war als Carterets ehrliche, aber<lb/> ungeſtüme Donnerworte. Hr. Fazy erinnerte an den kleinen Anfang der<lb/> ſchweizeriſchen Eidgenoffenſchaft, dann an die Schlacht von Murten, wo<lb/> 30,000 Schweizer gegen 50,000 Burgunder ſtanden, und ſiegten. Auch heute<lb/> iſt das Verhältniß ähnlich zwiſchen den ſchweizeriſchen und den Truppen<lb/> „welche gezogene Kanonen haben.“ „Vielleicht,“ ſchloß der Redner, „werden<lb/> wir bald den Boden zu vertheidigen haben den uns unſere Vorfahren hinter-<lb/> ließen. Wir haben die Ueberzeugung daß dann alle Theile des ſchweizeriſchen<lb/> Vaterlandes, auch die entfernteſten und am meiſten ausgeſetzten, für die<lb/> Schweiz geheiligt ſind, und energiſch vertheidigt werden!“ Staatsrath Buy<lb/> brachte ein Hoch auf die ſchweizeriſchen Beſatzungstruppen von Genf aus.<lb/> Auch der heutige Tag verlief unter großer Betheiligung der Bevölkerung von<lb/> Stadt und Land an dem patriotiſchen Feſt. Für Donnerſtag iſt eine Anzahl<lb/> Deputationen aus dem Waadtland angeſagt.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Afrika.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die „Cleopatra“ hat eine Poſt von der <hi rendition="#g">Weſtküſte Afrika’s</hi> über-<lb/> bracht. Die franzöſiſche Fregatte „Licorne“ hatte die Stadt Bonny heim-<lb/> geſucht, und eine angeblich lang ausſtehende Geldſchuld (afrikaniſcher Kauf-<lb/> leute an eine franzöſiſche Firma) durch eine Bombardementsdrohung einge-<lb/> trieben. Die ſpaniſchen Auswanderer giengen ſo raſch als möglich von<lb/> Fernando-Po fort wegen der furchtbaren Sterblichkeit unter ihnen. Hr. Mann<lb/> hatte den Pic von Fernando-Po beſtiegen — ein Wagſtück das außer ihm<lb/> nur noch <hi rendition="#g">einem</hi> Mann, dem Governor Beacroft, bis jetzt gelungen iſt. —<lb/> In Lagos graſſtrten Fieber und Krieg unter den Eingebornen, Geſchäft war<lb/> daher flau. — Der „Euryalus“ war am 27 in Teneriffa geweſen, und am<lb/> 30 nach Bahia geſegelt. Während das Schiff dort lag, beſtieg Prinz Alfred<lb/> den Pic, trotz der auf dem Berge liegenden Schneemaſſen. Der Winter war<lb/> ſehr ſtreng geweſen. Der Prinz reiste incognito, wurde jedoch erkannt und<lb/> erhielt eine warme Aufnahme. Der Euryalus berührte auch Malta, wo der<lb/> Prinz einem Ball beim Conſul beiwohnte, und im engliſchen Club Cricket<lb/> ſpielte. (E. Bl.)</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">China.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Eine Correſpondenz der <hi rendition="#g">Daily News <hi rendition="#aq">d. d.</hi> Hongkong,</hi> 31 April,<lb/> ſchildert die Vorbereitungen zum Kriegszug nach Nord-China als rieſen-<lb/> haft. Der Hafen lag voll von Fahrzeugen zur Verſ chiffung von Infan-<lb/> terie, Reiterei, Artillerie, Vorräthen aller Art. Der Generalquartiermeiſter-<lb/> ſtab hatte Tag und Nacht alle Hände voll zu thun. Von Commiſſariats-<lb/> beamten in glänzender Uniform war eine ganze Legion vorhanden. In Ver-<lb/> leg enheit war man wegen der Mittel zum Landtransport. Man erwartete<lb/> nicht weniger als 5000 Laſtthiere, darunter Bullen von Japan und Manilla.<lb/> Für die Laſtpferde ſollten Packſättel auf Hongkong angefertigt werden, aber<lb/> die Chineſen verſtehen ſie nicht zu machen, und ſo wird man ſie aus Indien<lb/> kommen laſſen. Und dazu fürchtet man daß die japaneſiſchen Ponies ſo<lb/><cb/> ſtörrig ſeyn werden wie die indiſchen. Neben dem aus England angekom-<lb/> menen Militär-Train, der in drei Bataillone getheilt iſt, hat man das chine-<lb/> ſiſche Kuliscorps, ſcherzweiſe die „Bambusſchützen“ genannt, weil jeder ein<lb/> großes Bambusrohr über den Achſeln trägt, an dem ſeine Gepäcklaſt hängt.<lb/> Solcher Burſche werden nicht weniger als 6000 nach dem Golf von Pe-tſche-li<lb/> mitgenommen; jeder erhält, außer freier Beköſtigung, 9 Dollars monatlich.<lb/> Sie laufen aber gern davon wenn ſie Geld vorauserhalten. Außerdem wird<lb/> eine Menge von Wagen und Karren mitgenommen; man weiß aber noch nicht<lb/> ob man ſie auf dem Wege nach Peking wird brauchen können. Kurz, die „<hi rendition="#aq">im-<lb/> pedimenta</hi>“ — wie Julius Cäſar bezeichnend das Gepäck nennt, und welche<lb/> bei einem aſiatiſchen Feldzug den Bedarf eines europäiſchen weit überſteigen<lb/> — ſind in Maſſe vorhanden. An Armſtrong-Kanonen iſt kein Man-<lb/> gel; es ſind meiſt Zwölfpfünder, und ſie erregen auch die Bewunderung der<lb/> Chineſen. Man hofft damit einem tatariſchen General, oder chineſiſchen<lb/> Mandarin, auf 2 engl. Meilen Entfernung den Zopf von der Wurzel weg-<lb/> zuſ chießen.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Telegraphiſche Berichte.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">⸫ Wien,</hi> 15 Jun.</dateline> <p>Der preußiſche Geſandte machte <hi rendition="#g">offi-<lb/> cielle Erklärungen</hi> über die Zuſammenkunft in Baden-Baden,<lb/><hi rendition="#g">welche auch die leiſeſten Bedenken heben</hi>. Die Angabe:<lb/> Oeſterreich ſtelle Neapel Truppen zur Verfügung, wird dementirt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">⸫ Straßburg,</hi> 15 Jun.</dateline><lb/> <p>Prinz Wilhelm von Baden er-<lb/> wartet den franzöſiſchen Kaiſer, der eben hier durchpaſſirte, in Kehl.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Neueſte Poſten</hi>.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Frankfurt a. M.,</hi> 13 Jun.</dateline> <p>Wir hören von ſehr bewährter Seite<lb/> verſichern daß die Verſuche, ſowohl in den ſchwebenden europäiſchen als vor<lb/> allen Dingen in den deutſchen Fragen eine Verſtändigung zwiſchen Oeſterreich<lb/> und Preußen zuwege zu bringen, in der allerneueſten Zeit ein über alle Er-<lb/> wartung befriedigendes Reſultat gehabt haben, und daß in kürzeſter Friſt die<lb/> Thatſache der erfolgten Einigung in einem Act zu Tage treten wird der jeden<lb/> weitern Zweifel ausſchließt. (<hi rendition="#g">Karlsr. Ztg</hi>.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Frankfurt a. M.,</hi> 14 Jun.</dateline> <p>Auf der Tagesordnung der heutigen<lb/> Bundestagsſitzung ſtand unter anderm auch das Anlehensgeſuch des Staats-<lb/> raths Fiſcher; die Abſtimmung wurde jedoch aus äußern Urſachen auf die<lb/> nächſte Sitzung verſchoben, in welcher wohl auch die Vorlage der neuen kur-<lb/> heſſiſchen Verfaſſung zum Zweck der Garantie-Einholung erfolgen wird. Heute<lb/> wurde die Rechtsverwahrung des Kaſſeler Stadtraths eingereicht und der Re-<lb/> clamationscommiſſion zugewieſen. Sonſt kamen nur unerhebliche Bundes-<lb/> feſtungsangelegenheiten zur Verhandlung. Hr. v. Uſedom, welcher dem<lb/> Prinz-Regenten auf ſeiner Durchreiſe nach Baden bis Heidelberg das Geleite<lb/> gibt, war durch Frhrn. v. Kübeck vertreten, und die Geſandten von König-<lb/> reich Sachſen und Kurheſſen, welche ebenfalls fehlten, durch die HH. v. d. Pford-<lb/> ten und Münch Bellinghauſen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>⊙ <hi rendition="#b">München,</hi> 15 Jun.</dateline> <p>Ihre Maj. die Königin Marie iſt geſtern<lb/> Abends, von Wildbad kommend, wo ſie den ſchon erwähnten Beſuch bei der<lb/> Kaiſerin-Mutter von Rußland abſtattete, wieder hier eingetroffen, und im<lb/> Bahnhof von JJ. kk. HH. dem Prinzen Luitpold und dem Prinzen und der<lb/> Prinzeſſin Adalbert empfangen worden. Prinz Luitpold, der Kriegs-<lb/> miniſter und mehrere andere Generale ſind dieſen Morgen nach Tegernſee<lb/> abgegangen, wo heute der ruhmgekrönte Feldmarſchall und Generalinſpector<lb/> des bayeriſchen Heers, Prinz Karl von Bayern, in ſtiller Zurückgezogenheit das<lb/> Jubiläum ſeiner mit doppelter Anrechnung der drei Feldzugsjahre 1813,<lb/> 1814 und 1815 vollendeten fünfzig Dienſtjahre begeht, um demſelben die<lb/> Glückwünſche der Armee und ihre eigenen darzubringen. Prinz Luitpold<lb/> überbringt außerdem die Glückwünſche Sr. Maj. des Königs, als des oberſten<lb/> Kriegsherrn, und das Ehrenkreuz des Ludwigsordens. Am 15 Jun. 1813<lb/> war der damals erſt 18 Jahre zählende Prinz in das Heer eingetreten, und<lb/> hat ſich alsbald in den Schlachten von Hanau, Brienne, Bar ſur Aube, Arcis<lb/> und Grand-Torcy u. ſ. w. durch Muth, Umſicht und Tapferkeit mit hohem<lb/> Ruhm bedeckt. Die höchſten militäriſchen Auszeichnungen wie der öſter-<lb/> reichiſche Maria-Thereſten-Orden, der bayeriſche Militär-Max-Joſephs-<lb/> Orden (für die Schlacht von Brienne 1 Febr. 1814) und zahlreiche andere<lb/> wurden dem Prinzen zu Theil, der ſeit dem Tode des Feldmarſchalls Fürſten<lb/> Wrede als Feldmarſchall und Generalinſpector an der Spitze des ganzen<lb/> bayeriſchen Heers ſteht, und 1848 von der damaligen Reichscentralgewalt<lb/> auch mit dem Oberbefehl ſämmtlicher gegen die Aufſtandsverſuche Heckers im<lb/> Schwarzwald aufgebotenen deutſchen Reichstruppen betrant geweſen war.<lb/> Möge der Himmel den greiſen Prinzen und Feldhern, der auch jetzt noch wie<lb/> im vorigen Jahr bereitwilligſt einem abermaligen Ruf des Königs und des<lb/> Vaterlandes folgen und der Armee ein bewährter Führer ſeyn würde, noch<lb/> lange Jahre dem Dienſt des Monarchen und des Landes erhalten!</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [2808/0012]
Schweiz.
.. Geuf, 11 Jun. Der Geiſt in welchem das Genfer Schützenfeſt
gefeiert wird, iſt wohl durch die Rede welche Hr. Carteret bei dem geſtrigen
Bankett hielt am beſten bezeichnet. Er ſagte darin unter anderm: „Man
redet in der Schweiz drei verſchiedene Sprachen, allein die Unabhängigkeit
wird überall in demſelben Sinn aufgefaßt, und Freiheit, libertà und liberté
ſind ein und dasſelbe Wort für alle Schweizer. Diejenigen welche heute
unſere Freiheit bedrohen, wagen ſich unſere Freunde zu nennen, allein wir
kennen ſie, und werden ihren Verlockungen kein Gehör ſchenken.... Wir
werden wachſam ſeyn, wir werden alle geradezu Verräther nennen welche
mit ihren Bürgerpflichten zu capituliren geneigt ſeyn ſollten; die Nation wird
jedem ins Geſicht ſpucken welcher verſuchen ſollte in Unterhandlungen mit
denen zu treten die wir für unſere Feinde halten müſſen. Genf wird ſich
trotz ſeiner Schwäche zu vertheidigen wiſſen, und ſollte man irgendwo von
einer Anuexion träumen, ſo würde man hier nur Leichen und Trümmerhaufen
annexiren. Die Schweiz kann auf uns zählen, wie wir auf ſie zählen!“
Indem der Redner dann ein Hoch auf die Eidgenoff enſchaft ausbrachte, ſchloß
er mit den von ſeiner gewaltigen Stimme weithin getragenen Worten: „Ver-
wandelt, ihr eidgenöſfiſchen Brüder, wenn es ſeyn muß, unſer blühendes
Genf, das wir ſo ſehr verſchönt haben, in Ruinen; möge es lieber ein
Trümmerhaufe ſeyn als franzöſiſch!“ Das war jedenfalls ſtarker
Tabak für die chauviniſtiſchen Spürnaſen die ſich in den weiten Räumen des
Feſtlocals zahlreich umhertrieben. Aber Carterets Rede hatte die rechten
Worte gefunden, welche die ſchweizeriſchen Herzen begeiſtern. In der „An-
nexion“ war auch das Stichwort für die Heiterkeit und den Witz des Tages
gegeben. Während die Schützen mit Eifer dem fröhlichen Waffenwerk ob-
lagen, drängte ſich eine unabſehbare Menſchenmaſſe um den Gabenpavillon
und in den Buden des Feſtplatzes, wie auf den Straßen und in den zahlloſen
Schenken des Städtchens Carouge bis tief in die Nacht hinein. Von den
beim heutigen Bankett gehaltenen Reden notiren wir die J. Fazy’s, die freilich
weit diplomatiſcher und allgemeiner gehalten war als Carterets ehrliche, aber
ungeſtüme Donnerworte. Hr. Fazy erinnerte an den kleinen Anfang der
ſchweizeriſchen Eidgenoffenſchaft, dann an die Schlacht von Murten, wo
30,000 Schweizer gegen 50,000 Burgunder ſtanden, und ſiegten. Auch heute
iſt das Verhältniß ähnlich zwiſchen den ſchweizeriſchen und den Truppen
„welche gezogene Kanonen haben.“ „Vielleicht,“ ſchloß der Redner, „werden
wir bald den Boden zu vertheidigen haben den uns unſere Vorfahren hinter-
ließen. Wir haben die Ueberzeugung daß dann alle Theile des ſchweizeriſchen
Vaterlandes, auch die entfernteſten und am meiſten ausgeſetzten, für die
Schweiz geheiligt ſind, und energiſch vertheidigt werden!“ Staatsrath Buy
brachte ein Hoch auf die ſchweizeriſchen Beſatzungstruppen von Genf aus.
Auch der heutige Tag verlief unter großer Betheiligung der Bevölkerung von
Stadt und Land an dem patriotiſchen Feſt. Für Donnerſtag iſt eine Anzahl
Deputationen aus dem Waadtland angeſagt.
Afrika.
Die „Cleopatra“ hat eine Poſt von der Weſtküſte Afrika’s über-
bracht. Die franzöſiſche Fregatte „Licorne“ hatte die Stadt Bonny heim-
geſucht, und eine angeblich lang ausſtehende Geldſchuld (afrikaniſcher Kauf-
leute an eine franzöſiſche Firma) durch eine Bombardementsdrohung einge-
trieben. Die ſpaniſchen Auswanderer giengen ſo raſch als möglich von
Fernando-Po fort wegen der furchtbaren Sterblichkeit unter ihnen. Hr. Mann
hatte den Pic von Fernando-Po beſtiegen — ein Wagſtück das außer ihm
nur noch einem Mann, dem Governor Beacroft, bis jetzt gelungen iſt. —
In Lagos graſſtrten Fieber und Krieg unter den Eingebornen, Geſchäft war
daher flau. — Der „Euryalus“ war am 27 in Teneriffa geweſen, und am
30 nach Bahia geſegelt. Während das Schiff dort lag, beſtieg Prinz Alfred
den Pic, trotz der auf dem Berge liegenden Schneemaſſen. Der Winter war
ſehr ſtreng geweſen. Der Prinz reiste incognito, wurde jedoch erkannt und
erhielt eine warme Aufnahme. Der Euryalus berührte auch Malta, wo der
Prinz einem Ball beim Conſul beiwohnte, und im engliſchen Club Cricket
ſpielte. (E. Bl.)
China.
Eine Correſpondenz der Daily News d. d. Hongkong, 31 April,
ſchildert die Vorbereitungen zum Kriegszug nach Nord-China als rieſen-
haft. Der Hafen lag voll von Fahrzeugen zur Verſ chiffung von Infan-
terie, Reiterei, Artillerie, Vorräthen aller Art. Der Generalquartiermeiſter-
ſtab hatte Tag und Nacht alle Hände voll zu thun. Von Commiſſariats-
beamten in glänzender Uniform war eine ganze Legion vorhanden. In Ver-
leg enheit war man wegen der Mittel zum Landtransport. Man erwartete
nicht weniger als 5000 Laſtthiere, darunter Bullen von Japan und Manilla.
Für die Laſtpferde ſollten Packſättel auf Hongkong angefertigt werden, aber
die Chineſen verſtehen ſie nicht zu machen, und ſo wird man ſie aus Indien
kommen laſſen. Und dazu fürchtet man daß die japaneſiſchen Ponies ſo
ſtörrig ſeyn werden wie die indiſchen. Neben dem aus England angekom-
menen Militär-Train, der in drei Bataillone getheilt iſt, hat man das chine-
ſiſche Kuliscorps, ſcherzweiſe die „Bambusſchützen“ genannt, weil jeder ein
großes Bambusrohr über den Achſeln trägt, an dem ſeine Gepäcklaſt hängt.
Solcher Burſche werden nicht weniger als 6000 nach dem Golf von Pe-tſche-li
mitgenommen; jeder erhält, außer freier Beköſtigung, 9 Dollars monatlich.
Sie laufen aber gern davon wenn ſie Geld vorauserhalten. Außerdem wird
eine Menge von Wagen und Karren mitgenommen; man weiß aber noch nicht
ob man ſie auf dem Wege nach Peking wird brauchen können. Kurz, die „im-
pedimenta“ — wie Julius Cäſar bezeichnend das Gepäck nennt, und welche
bei einem aſiatiſchen Feldzug den Bedarf eines europäiſchen weit überſteigen
— ſind in Maſſe vorhanden. An Armſtrong-Kanonen iſt kein Man-
gel; es ſind meiſt Zwölfpfünder, und ſie erregen auch die Bewunderung der
Chineſen. Man hofft damit einem tatariſchen General, oder chineſiſchen
Mandarin, auf 2 engl. Meilen Entfernung den Zopf von der Wurzel weg-
zuſ chießen.
Telegraphiſche Berichte.
⸫ Wien, 15 Jun. Der preußiſche Geſandte machte offi-
cielle Erklärungen über die Zuſammenkunft in Baden-Baden,
welche auch die leiſeſten Bedenken heben. Die Angabe:
Oeſterreich ſtelle Neapel Truppen zur Verfügung, wird dementirt.
⸫ Straßburg, 15 Jun.
Prinz Wilhelm von Baden er-
wartet den franzöſiſchen Kaiſer, der eben hier durchpaſſirte, in Kehl.
Neueſte Poſten.
Frankfurt a. M., 13 Jun. Wir hören von ſehr bewährter Seite
verſichern daß die Verſuche, ſowohl in den ſchwebenden europäiſchen als vor
allen Dingen in den deutſchen Fragen eine Verſtändigung zwiſchen Oeſterreich
und Preußen zuwege zu bringen, in der allerneueſten Zeit ein über alle Er-
wartung befriedigendes Reſultat gehabt haben, und daß in kürzeſter Friſt die
Thatſache der erfolgten Einigung in einem Act zu Tage treten wird der jeden
weitern Zweifel ausſchließt. (Karlsr. Ztg.)
* Frankfurt a. M., 14 Jun. Auf der Tagesordnung der heutigen
Bundestagsſitzung ſtand unter anderm auch das Anlehensgeſuch des Staats-
raths Fiſcher; die Abſtimmung wurde jedoch aus äußern Urſachen auf die
nächſte Sitzung verſchoben, in welcher wohl auch die Vorlage der neuen kur-
heſſiſchen Verfaſſung zum Zweck der Garantie-Einholung erfolgen wird. Heute
wurde die Rechtsverwahrung des Kaſſeler Stadtraths eingereicht und der Re-
clamationscommiſſion zugewieſen. Sonſt kamen nur unerhebliche Bundes-
feſtungsangelegenheiten zur Verhandlung. Hr. v. Uſedom, welcher dem
Prinz-Regenten auf ſeiner Durchreiſe nach Baden bis Heidelberg das Geleite
gibt, war durch Frhrn. v. Kübeck vertreten, und die Geſandten von König-
reich Sachſen und Kurheſſen, welche ebenfalls fehlten, durch die HH. v. d. Pford-
ten und Münch Bellinghauſen.
⊙ München, 15 Jun. Ihre Maj. die Königin Marie iſt geſtern
Abends, von Wildbad kommend, wo ſie den ſchon erwähnten Beſuch bei der
Kaiſerin-Mutter von Rußland abſtattete, wieder hier eingetroffen, und im
Bahnhof von JJ. kk. HH. dem Prinzen Luitpold und dem Prinzen und der
Prinzeſſin Adalbert empfangen worden. Prinz Luitpold, der Kriegs-
miniſter und mehrere andere Generale ſind dieſen Morgen nach Tegernſee
abgegangen, wo heute der ruhmgekrönte Feldmarſchall und Generalinſpector
des bayeriſchen Heers, Prinz Karl von Bayern, in ſtiller Zurückgezogenheit das
Jubiläum ſeiner mit doppelter Anrechnung der drei Feldzugsjahre 1813,
1814 und 1815 vollendeten fünfzig Dienſtjahre begeht, um demſelben die
Glückwünſche der Armee und ihre eigenen darzubringen. Prinz Luitpold
überbringt außerdem die Glückwünſche Sr. Maj. des Königs, als des oberſten
Kriegsherrn, und das Ehrenkreuz des Ludwigsordens. Am 15 Jun. 1813
war der damals erſt 18 Jahre zählende Prinz in das Heer eingetreten, und
hat ſich alsbald in den Schlachten von Hanau, Brienne, Bar ſur Aube, Arcis
und Grand-Torcy u. ſ. w. durch Muth, Umſicht und Tapferkeit mit hohem
Ruhm bedeckt. Die höchſten militäriſchen Auszeichnungen wie der öſter-
reichiſche Maria-Thereſten-Orden, der bayeriſche Militär-Max-Joſephs-
Orden (für die Schlacht von Brienne 1 Febr. 1814) und zahlreiche andere
wurden dem Prinzen zu Theil, der ſeit dem Tode des Feldmarſchalls Fürſten
Wrede als Feldmarſchall und Generalinſpector an der Spitze des ganzen
bayeriſchen Heers ſteht, und 1848 von der damaligen Reichscentralgewalt
auch mit dem Oberbefehl ſämmtlicher gegen die Aufſtandsverſuche Heckers im
Schwarzwald aufgebotenen deutſchen Reichstruppen betrant geweſen war.
Möge der Himmel den greiſen Prinzen und Feldhern, der auch jetzt noch wie
im vorigen Jahr bereitwilligſt einem abermaligen Ruf des Königs und des
Vaterlandes folgen und der Armee ein bewährter Führer ſeyn würde, noch
lange Jahre dem Dienſt des Monarchen und des Landes erhalten!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |